ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127
ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127
ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Gemeindefinanzen<br />
weitung eines Rechtsanspruchs oder Änderungen des Gemeindewirtschaftsrechts<br />
und Gebührenrechts.<br />
Ökonomisches Umfeld: Die ökonomischen Faktoren umfassen zum einen<br />
die Konjunkturentwicklung mit sofortigen Auswirkungen, zum Beispiel die<br />
Ausgaben für sogenannte Aufstocker, also Erwerbstätige, die Zuschüsse nach<br />
dem Sozialgesetzbuch (SGB) II erhalten. Zum anderen gibt es zeitverzögerte<br />
Auswirkungen: So werden Empfänger von SGB-II-Leistungen in der Regel erst<br />
nach einem vorherigen Bezug von ALG I anspruchsberechtigt. Das wirtschaftliche<br />
Niveau ist als langfristiger bzw. struktureller Faktor von großer Bedeutung:<br />
Bei dauerndem geringen Einkommensniveau und hoher Arbeitslosigkeit<br />
ist, zum Beispiel auch aufgrund eines Lehrstellenmangels, mit einem großen<br />
Kreis von Jugendlichen zu rechnen, die Unterstützung benötigen; gleichzeitig<br />
wird die Anzahl der Personen mit unzureichenden Renten zunehmen.<br />
Soziodemographisches Umfeld: Die auf die Demographie bezogenen Faktoren<br />
beeinflussen die Haushaltsstrukturen einer Kommune, weil unterschiedliche<br />
Personengruppen kommunale Leistungen in unterschiedlichem<br />
Umfang in Anspruch nehmen. Die höchsten Kosten je Einwohner ergeben<br />
sich bei Kindern, älteren Einwohnern, Angehörigen sozialer Randgruppen<br />
und sozial schwachen Bürgern. Hinzu kommen als weitere nicht beeinflussbare<br />
Faktoren die Entwicklung der Einwohneranzahl – aufgrund der Remanenzkosten<br />
bei der Bereitstellung der Infrastruktur ist bei einer schrumpfenden Bevölkerung<br />
mit steigenden Pro-Kopf-Ausgaben zu rechnen – sowie der gesellschaftliche<br />
Wertewandel. Dass sich wandelnde gesellschaftliche Orientierungen<br />
die Inanspruchnahme kommunaler Leistungen wesentlich beeinflussen,<br />
zeigt sich etwa im Bereich der Kindertagesbetreuung. Gerade bei den auf die<br />
Demographie bezogenen Faktoren kann es zu einer Kumulation von kostentreibenden<br />
Entwicklungen kommen, die durch die wirtschaftliche Entwicklung<br />
noch verstärkt wird. Hierdurch potenzieren sich fiskalische Risiken.<br />
Fiskalische Situation der Kommune: Sie ist nicht nur Wirkung der Bestimmungsfaktoren,<br />
sondern sie stellt aufgrund der verschiedenen Anpassungsreaktionen<br />
zugleich für die folgenden Jahre eine Ursache für die Entwicklung<br />
von Einnahmen und Ausgaben dar. Dieser Doppelcharakter der fiskalischen Situation<br />
als Ursache und Wirkung führt zu einem sich selbst verstärkenden<br />
Kreislauf, der mit Begriffen wie „Abwärtsspirale“ oder „Teufelskreis“ treffend<br />
beschrieben wird. Die fiskalische Situation bestimmt nicht nur den Umfang<br />
der freiwilligen Leistungen im Allgemeinen und der Investitionen im Besonderen.<br />
Eine über Jahre angespannte finanzielle Situation führt oftmals zu einem<br />
„Entsparen“ in der öffentlichen und sozialen Infrastruktur. Mittel- und<br />
langfristig werden Investitionen durch notdürftige Reparaturarbeiten ersetzt;<br />
auch finden sich in den Haushaltsplänen hoch verschuldeter Kommunen<br />
überproportional hohe Mietzahlungen.<br />
Die finanzielle Überforderung der Kommunen ist systembedingt<br />
Mit dem Begriff Abwärtsspirale wird deutlich, welche Folgen die Finanznot einer<br />
Kommune für ihre Bürger und Unternehmen hat. Die unmittelbaren Folgen<br />
sind ein verringertes kommunales Leistungsangebot oder ein geringeres<br />
Niveau der Infrastruktur. Dies führt zu einer unmittelbaren Einschränkung der<br />
Lebensqualität.<br />
Weitaus problematischer sind jedoch die langfristigen Wirkungen: Die Stand -<br />
ortattraktivität der betroffenen Stadt sinkt gerade für die mobilen Leistungs-<br />
Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)<br />
3