ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127
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Euro-Rettung<br />
zum Gipfelgespräch in Brüssel einfanden. Insbesondere<br />
fürchtete Frankreichs Präsident Nicolas<br />
Sarkozy, die französischen Banken könnten wegen<br />
der Kurseinbrüche insolvent werden und damit<br />
auch den Kurs von französischen Staatsanleihen in<br />
Mitleidenschaft ziehen, wenn nicht sogar Frankreichs<br />
Solvenz gefährden.<br />
Zu einem Eklat kam es, als der Präsident der Europäischen<br />
Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet,<br />
auf seine Unabhängigkeit pochend, sich nicht unmittelbar<br />
bereitfand, auf Anweisung von Frankreich<br />
und der anderen südlichen Mitgliedstaaten<br />
deren Staatsanleihen aufzukaufen. Als Ausweg aus<br />
der Verhandlungskrise und zur Entlastung der<br />
EZB schlug Kanzlerin Angela Merkel als Kompromiss<br />
den nunmehr bekannten „Schutzschirm“ in<br />
der Höhe von 750 Milliarden Euro vor, bestehend<br />
aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität<br />
(EFSF) von 440 Milliarden Euro, dem Europäischen<br />
Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM)<br />
in Höhe von bis zu 60 Milliarden Euro aus Sicherheitsreserven<br />
des EU-Haushalts und erhofften 250<br />
Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds<br />
(IWF). Auf Deutschland entfallen anteilig<br />
220 Milliarden Euro. Nicht eingerechnet sind die<br />
von der Deutschen Bundesbank dem EZB-System<br />
gewährten Kredite von über 300 Milliarden Euro.<br />
Auch diese Großmaßnahme führte nur eine Zeit<br />
lang zur erhofften Besänftigung der Märkte. Im<br />
November 2010 wurde klar, dass auch Irland die<br />
seinen Banken zugesagten Garantien in Höhe von<br />
270 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP)<br />
nicht einhalten konnte und daher Unterstützung<br />
des Schutzschirms in Höhe von etwa 100 Milliarden<br />
Euro benötigte. Dass Portugal und Spanien<br />
nicht mit in den Strudel gerissen wurden, dürfte<br />
wohl damit zusammenhängen, dass die EZB in<br />
großem Umfang deren Staatsanleihen aufkaufte.<br />
Wie die EZB diese Titel wieder los wird und welche<br />
Verluste die Euro-Regierungen als Anteilseigner<br />
dabei erleiden werden, ist unklar.<br />
Mittlerweile wurde seitens des Präsidenten der<br />
EU-Kommission José Manuel Barroso das Gerücht<br />
verbreitet, der Rettungsschirm reiche nicht aus,<br />
um allen erwarteten Verpflichtungen nachzukommen.<br />
Obwohl es sich dabei um einen schlichten<br />
Rechenfehler handelt, verschwand das Gerücht<br />
nicht aus der Welt. 3 Es erhielt aber möglicherweise<br />
doch seine Berechtigung, weil inzwischen die Idee<br />
aufkam, Griechenland solle Geld aus dem Rettungsschirm<br />
erhalten, um seine ausstehende Altschuld<br />
zurückzukaufen. Dadurch könne bei einem<br />
aktuellen Kurs von 70 Prozent ein freiwilliger Forderungsteilverzicht<br />
der Gläubiger erreicht werden.<br />
Dass aber mit einem solchen Aufkauf die Kurse<br />
bald wieder klettern würden, wurde verschwiegen.<br />
Ebenfalls verschwiegen wurde, dass damit das<br />
Griechenland-Engagement der Euro-Staaten von<br />
den vereinbarten 110 Milliarden Euro wohl dauerhaft<br />
auf etwa 315 Milliarden Euro im Jahr 2010 ansteigen<br />
würde. Ein Betrag von weit über einer Billion<br />
Euro ergibt sich, wenn aus Gründen der<br />
Gleichbehandlung auch die Altschulden Spaniens,<br />
Portugals, Irlands und Italiens aufgekauft<br />
werden sollten. Die EZB wäre für solche Aufkauf -<br />
aktionen der EFSF dankbar: Sie findet einen Abnehmer<br />
für die vorher von ihr hastig zusammengekauften<br />
Staatsanleihen der Krisenstaaten und<br />
verbessert so ihre Bilanz. Doch was soll mit den<br />
Krediten geschehen, die Griechenland zum Aufkauf<br />
seiner Anleihen gewährt werden sollen Es<br />
bleibt wohl nichts anderes, als sie bei der EFSF zu<br />
lagern. Diese nimmt dann die Funktion einer Bad<br />
Bank wahr, während die Last auf die Steuerzahler<br />
der Gläubigerstaaten zurückfällt.<br />
Überhöhte Kosten der Krisenbewältigung<br />
Die wirtschaftliche Bedeutung Griechenlands ist<br />
relativ gering. Das griechische BIP in Höhe von<br />
330 Milliarden Euro macht nicht einmal zwei Prozent<br />
des BIP der gesamten EU im Jahr 2010 aus.<br />
Die griechischen Staatsausgaben betragen weniger<br />
als ein Prozent des EU-BIP. Wenn der griechische<br />
Staat einen Teil seiner Zahlungen einstellt, so wird<br />
dadurch noch lange nicht ein systemischer Effekt<br />
auf den Rest der EU-Volkswirtschaften ausgelöst.<br />
Griechenlands Schuldenproblem hätte in einer<br />
Gläubigerkonferenz im Rahmen des Londoner<br />
Clubs ohne großes Aufheben gelöst werden können.<br />
Erfahrungsgemäß geht von Verhandlungen<br />
vor dem Londoner Club eine besänftigende Wirkung<br />
auf die Märkte aus. 4 Möglicherweise wären<br />
einige Auslandsbanken, die sich zu stark in griechischen<br />
Staatsanleihen engagiert haben, in Bedrängnis<br />
geraten. Damit verbundene Probleme<br />
wären im jeweiligen Sitzstaat nach dessen eigenen<br />
Regeln bewältigt worden, so wie diese ja vereinbart<br />
haben, ihre Banken nach dem Lehman-Kollaps zu<br />
retten. Nur für Banken mit Sitz in Griechenland<br />
wäre eine EU-Gemeinschaftslösung erforderlich<br />
gewesen, weil Griechenland als Retter seiner Ban-<br />
3 Vgl. Hans-Werner Sinn, Aufstockung des Euro-Rettungsschirms<br />
unnötig, Präsentation vom 3. Februar 2011.<br />
4 Vgl. Ernst-Moritz Lipp, Umschulden gegen die Euro-Finanzkrise,<br />
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13. Januar 2011, Seite 12.<br />
Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)<br />
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