19.01.2015 Aufrufe

ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127

ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127

ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ordnungspolitik<br />

geschaffene Geld aber im Wirtschaftskreislauf bemerkbar<br />

machen. Ob und wie die Politik darauf<br />

reagieren wird, ist nicht abzusehen. Sie könnte<br />

sich zu wirklichen Reformen entschließen. Anderenfalls<br />

bleiben nur die Geldentwertung oder die<br />

Auflösung der Währungsunion.<br />

Noch genießen die mitverantwortlichen Banken –<br />

denen eine Inflation noch nie wirklich etwas ausgemacht<br />

hat – Schonung als Staatsgläubiger, weil man<br />

EU-Staaten für konkursunfähig hält. Wird einer von<br />

ihnen aber zahlungsunfähig, müssten seine Gläubiger<br />

ebenso wie in einem privaten Konkursverfahren<br />

mit einer Konkursquote zufrieden sein. Das kommt<br />

den Verhältnissen Argentiniens nahe, wo man zuletzt<br />

Erfahrungen mit derartigen Gläubigerverlusten<br />

sammeln konnte. Es gibt keinen Grund für die<br />

Bevorzugung unvorsichtiger Staatsgläubiger. Gleich -<br />

wohl hat man ein neues Privileg erfunden: Großen<br />

Staats- und Privatgläubigern wird „Systemrelevanz“<br />

bescheinigt. Gemeint ist damit, dass durch ihren<br />

Untergang das ganze Finanzsystem zerstört würde.<br />

Deshalb sollen andere für ihren Profit und ihr<br />

Überleben sorgen. Sie erlangen damit eine Stellung<br />

wie vor der Französischen Revolution der Adel und<br />

die Geistlichkeit, die von Steuern befreit waren.<br />

Wer auf diese Weise von seiner Haftung befreit ist,<br />

erhält ein unkontrolliertes Macht- und Erpressungspotenzial.<br />

Große Banken, die Staaten finanzieren,<br />

sollten allerdings überlegen, ob sie in dieser<br />

Ehe auf Dauer glücklich werden können. Wenn der<br />

Staat sich zunehmend im Bankensystem verschuldet<br />

und gestrauchelte Banken übernimmt, erinnert<br />

dies allzu sehr an die im Kommunistischen Manifest<br />

geforderte Verstaatlichung des Kredits.<br />

Der Euro in Gefahr<br />

Auf den ersten Blick schien es so, als handele es sich<br />

bei der Griechenland-Hilfe um eine einmalige Notstandsmaßnahme.<br />

Dazu wurde ohne Begründung<br />

unterstellt, der Euro als Währung sei in Gefahr. Als<br />

Zahlungsmittel und Recheneinheit war er allerdings<br />

nie gefährdet. Münzen und Banknoten gingen<br />

wie immer von Hand zu Hand. Auch der tägliche<br />

Zahlungsverkehr mit Kreditkarten war nicht gestört.<br />

Im Interbankenverkehr hat es einige Probleme<br />

gegeben, aber keine anhaltenden Störungen.<br />

Außerdem hat die Notenbank Mittel, um unfreiwillige<br />

Salden zu bekämpfen. Das Preisniveau änderte<br />

sich nicht wesentlich. Es gab ferner keine dramatischen<br />

Änderungen des Wechselkurses, der zudem<br />

weniger wichtig ist, da der Handel innerhalb des<br />

Euroraumes in der gemeinsamen Währung abgewickelt<br />

wird. Gewiss hat der Außenwert des Euro abgenommen,<br />

aber das war kaum alarmierend, sondern<br />

für die Konjunktur eher günstig. Publizistisch<br />

aber wurde Alarm geschlagen für den Euro, um<br />

den Staatseingriff hervorzurufen. Der Bevölkerung<br />

blieben die Probleme Griechenlands zwar gleichgültig.<br />

Aber das Großbankensystem hatte Probleme,<br />

die irgendwann doch Folgen für Produktion<br />

und Gütermärkte hätten haben können.<br />

Was folgt daraus Wenn schon ein wirtschaftlich<br />

relativ kleines Mitgliedsland wie Griechenland das<br />

ganze Eurosystem in Gefahr bringen kann, ist die<br />

Währungsunion entweder selbst oder in Verbindung<br />

mit dem bestehenden und dann reformbedürftigen<br />

Bankensystem falsch konstruiert. Gerade<br />

ein sehr kleines Land kann von Spekulationsbanken<br />

mit extrem kurzem Zeit- und Denkhorizont<br />

derartig mit Konsumkrediten überfüttert werden,<br />

dass es zu einer Krise kommen muss. Ist es<br />

erst einmal so weit, haben die Betroffenen massives<br />

Interesse daran, dass die Krise groß genug<br />

wird, um rettende Staatshilfen anderer Länder als<br />

unvermeidlich erscheinen zu lassen.<br />

Mit der Krise entstand großer Handlungsdruck für<br />

die Wirtschaftspolitiker. Die Fondsmittel konnten<br />

zu Beginn und können wahrscheinlich auch in Zukunft<br />

nicht aus den regulären Steuereinnahmen<br />

der einzahlenden Länder entnommen werden.<br />

Entsprechende Haushaltsüberschüsse fehlen überall.<br />

Die Staaten müssen sich also zusätzlich verschulden,<br />

um Mittel in den Fonds einzahlen zu<br />

können. Infolgedessen nimmt die staatliche Neuverschuldung<br />

auch in den Geberländern ständig<br />

zu. Letztlich führt die griechische Staatsschuld zu<br />

höheren Staatsschulden anderer europäischer<br />

Länder. Auch deswegen wird allerorten zu großen<br />

Sparaktionen aufgerufen. Von wirklichem Sparen<br />

kann dabei keine Rede sein. Man will nur etwas geringere<br />

eigene Neuverschuldung, damit die Verschuldung<br />

zugunsten von Rettungsfonds umso<br />

stärker wachsen kann.<br />

Gleichzeitig hat die Europäische Zentralbank<br />

(EZB) griechische und andere Staatsschuldtitel mit<br />

neuem Geld gekauft. Diese Methode hat bis 1923 in<br />

die große deutsche Inflation geführt. Hätten wir eine<br />

Deflationskrise mit fallenden Preisen, wäre dies<br />

diskutabel – obwohl zur monetären Expansion<br />

nicht nur Staatspapiere angekauft werden sollten.<br />

Mit Notstandsmaßnahmen zur Normalität<br />

Dies alles wurde zunächst als Ausnahme-, Notstands-<br />

und Rettungsaktion ausgegeben. Im Aus-<br />

38 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!