ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127
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Ordnungspolitik<br />
geschaffene Geld aber im Wirtschaftskreislauf bemerkbar<br />
machen. Ob und wie die Politik darauf<br />
reagieren wird, ist nicht abzusehen. Sie könnte<br />
sich zu wirklichen Reformen entschließen. Anderenfalls<br />
bleiben nur die Geldentwertung oder die<br />
Auflösung der Währungsunion.<br />
Noch genießen die mitverantwortlichen Banken –<br />
denen eine Inflation noch nie wirklich etwas ausgemacht<br />
hat – Schonung als Staatsgläubiger, weil man<br />
EU-Staaten für konkursunfähig hält. Wird einer von<br />
ihnen aber zahlungsunfähig, müssten seine Gläubiger<br />
ebenso wie in einem privaten Konkursverfahren<br />
mit einer Konkursquote zufrieden sein. Das kommt<br />
den Verhältnissen Argentiniens nahe, wo man zuletzt<br />
Erfahrungen mit derartigen Gläubigerverlusten<br />
sammeln konnte. Es gibt keinen Grund für die<br />
Bevorzugung unvorsichtiger Staatsgläubiger. Gleich -<br />
wohl hat man ein neues Privileg erfunden: Großen<br />
Staats- und Privatgläubigern wird „Systemrelevanz“<br />
bescheinigt. Gemeint ist damit, dass durch ihren<br />
Untergang das ganze Finanzsystem zerstört würde.<br />
Deshalb sollen andere für ihren Profit und ihr<br />
Überleben sorgen. Sie erlangen damit eine Stellung<br />
wie vor der Französischen Revolution der Adel und<br />
die Geistlichkeit, die von Steuern befreit waren.<br />
Wer auf diese Weise von seiner Haftung befreit ist,<br />
erhält ein unkontrolliertes Macht- und Erpressungspotenzial.<br />
Große Banken, die Staaten finanzieren,<br />
sollten allerdings überlegen, ob sie in dieser<br />
Ehe auf Dauer glücklich werden können. Wenn der<br />
Staat sich zunehmend im Bankensystem verschuldet<br />
und gestrauchelte Banken übernimmt, erinnert<br />
dies allzu sehr an die im Kommunistischen Manifest<br />
geforderte Verstaatlichung des Kredits.<br />
Der Euro in Gefahr<br />
Auf den ersten Blick schien es so, als handele es sich<br />
bei der Griechenland-Hilfe um eine einmalige Notstandsmaßnahme.<br />
Dazu wurde ohne Begründung<br />
unterstellt, der Euro als Währung sei in Gefahr. Als<br />
Zahlungsmittel und Recheneinheit war er allerdings<br />
nie gefährdet. Münzen und Banknoten gingen<br />
wie immer von Hand zu Hand. Auch der tägliche<br />
Zahlungsverkehr mit Kreditkarten war nicht gestört.<br />
Im Interbankenverkehr hat es einige Probleme<br />
gegeben, aber keine anhaltenden Störungen.<br />
Außerdem hat die Notenbank Mittel, um unfreiwillige<br />
Salden zu bekämpfen. Das Preisniveau änderte<br />
sich nicht wesentlich. Es gab ferner keine dramatischen<br />
Änderungen des Wechselkurses, der zudem<br />
weniger wichtig ist, da der Handel innerhalb des<br />
Euroraumes in der gemeinsamen Währung abgewickelt<br />
wird. Gewiss hat der Außenwert des Euro abgenommen,<br />
aber das war kaum alarmierend, sondern<br />
für die Konjunktur eher günstig. Publizistisch<br />
aber wurde Alarm geschlagen für den Euro, um<br />
den Staatseingriff hervorzurufen. Der Bevölkerung<br />
blieben die Probleme Griechenlands zwar gleichgültig.<br />
Aber das Großbankensystem hatte Probleme,<br />
die irgendwann doch Folgen für Produktion<br />
und Gütermärkte hätten haben können.<br />
Was folgt daraus Wenn schon ein wirtschaftlich<br />
relativ kleines Mitgliedsland wie Griechenland das<br />
ganze Eurosystem in Gefahr bringen kann, ist die<br />
Währungsunion entweder selbst oder in Verbindung<br />
mit dem bestehenden und dann reformbedürftigen<br />
Bankensystem falsch konstruiert. Gerade<br />
ein sehr kleines Land kann von Spekulationsbanken<br />
mit extrem kurzem Zeit- und Denkhorizont<br />
derartig mit Konsumkrediten überfüttert werden,<br />
dass es zu einer Krise kommen muss. Ist es<br />
erst einmal so weit, haben die Betroffenen massives<br />
Interesse daran, dass die Krise groß genug<br />
wird, um rettende Staatshilfen anderer Länder als<br />
unvermeidlich erscheinen zu lassen.<br />
Mit der Krise entstand großer Handlungsdruck für<br />
die Wirtschaftspolitiker. Die Fondsmittel konnten<br />
zu Beginn und können wahrscheinlich auch in Zukunft<br />
nicht aus den regulären Steuereinnahmen<br />
der einzahlenden Länder entnommen werden.<br />
Entsprechende Haushaltsüberschüsse fehlen überall.<br />
Die Staaten müssen sich also zusätzlich verschulden,<br />
um Mittel in den Fonds einzahlen zu<br />
können. Infolgedessen nimmt die staatliche Neuverschuldung<br />
auch in den Geberländern ständig<br />
zu. Letztlich führt die griechische Staatsschuld zu<br />
höheren Staatsschulden anderer europäischer<br />
Länder. Auch deswegen wird allerorten zu großen<br />
Sparaktionen aufgerufen. Von wirklichem Sparen<br />
kann dabei keine Rede sein. Man will nur etwas geringere<br />
eigene Neuverschuldung, damit die Verschuldung<br />
zugunsten von Rettungsfonds umso<br />
stärker wachsen kann.<br />
Gleichzeitig hat die Europäische Zentralbank<br />
(EZB) griechische und andere Staatsschuldtitel mit<br />
neuem Geld gekauft. Diese Methode hat bis 1923 in<br />
die große deutsche Inflation geführt. Hätten wir eine<br />
Deflationskrise mit fallenden Preisen, wäre dies<br />
diskutabel – obwohl zur monetären Expansion<br />
nicht nur Staatspapiere angekauft werden sollten.<br />
Mit Notstandsmaßnahmen zur Normalität<br />
Dies alles wurde zunächst als Ausnahme-, Notstands-<br />
und Rettungsaktion ausgegeben. Im Aus-<br />
38 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)