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ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127

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Ordnungspolitik<br />

von außen an die Ordnungsökonomik herangetragen<br />

werden und deren Anschlussfähigkeit an andere<br />

Denkschulen und Sichtweisen erhöhen. Von<br />

anderem Charakter ist ein Bündel von Beiträgen,<br />

deren Stoßrichtung nach außen geht, weil sie aktuelle<br />

Ordnungsprobleme und Entscheidungsfragen<br />

aus verschiedenen Politikfeldern aufgreifen<br />

und ordnungspolitische Gestaltungsempfehlungen<br />

aussprechen.<br />

Aktuelle Bezüge: Finanzkrise, Kommunalfinanzen,<br />

Rundfunk, Entwicklungspolitik<br />

Das zentrale Thema des letzten Bandes, die Finanzmarktkrise,<br />

wird diesmal nur in einem einzigen<br />

Beitrag aufgriffen. Makram El-Shagi und Cordelius<br />

Ilgmann rücken der bisweilen arg kopflosen<br />

Debatte zur Finanzmarktregulierung zu Leibe, indem<br />

sie zu Recht darauf hinweisen, dass der populäre<br />

Ruf nach Begrenzung der Managergehälter<br />

zu kurz greift und ordnungstheoretisch nicht zu<br />

Ende gedacht ist. Sie rufen stattdessen ein dahinterstehendes<br />

Problem in Erinnerung: den Zusammenhang<br />

von Kontrollfunktionen und Eigen -<br />

tümerverhältnissen.<br />

Eine klare Botschaft vermittelt ein beherzter Beitrag<br />

aus der Feder des langjährigen Mitherausgebers<br />

Walter Hamm, der die Lage der kommunalen<br />

Finanzen aufs Korn nimmt. Gewiss, die Kommunen<br />

haben allen Grund, darüber zu klagen, dass<br />

sie am Katzentisch des deutschen Föderalismus sitzen,<br />

ihre Finanzausstattung notorisch schlecht ist<br />

und das vielerorts verankerte Konnexitätsprinzip<br />

dauernd unterlaufen wird, indem ihnen faktisch<br />

Aufgaben übertragen werden, ohne dass die Finanzierung<br />

sichergestellt wird. Aber Hamm macht<br />

klar, dass die Kommunen sich auch an die eigene<br />

Nase fassen müssen. Denn ihr mangelnder Wille<br />

zur Aufgabenkritik und ihr Appetit auf unternehmerische<br />

Aktivitäten ihrer Betriebe, die sich oft genug<br />

als kostspielige Zuschussgeschäfte entpuppen<br />

und überdies den Raum der Privatwirtschaft abschnüren,<br />

haben in vielen Fällen zur Strukturkrise<br />

der kommunalen Finanzen beigetragen. Allein ein<br />

Blick auf die aktuelle Lage in Nordrhein-Westfalen,<br />

wo erst unlängst bei der Novellierung des Gemeindewirtschaftsrechts<br />

nach dem Motto „Staat<br />

vor Privat“ das Subsidiaritätsprinzip im Verhältnis<br />

von öffentlichen und privaten Unternehmen weiter<br />

verwässert wurde, zeigt, dass die Gesetzgeber in<br />

den Bundesländern zu solchen ordnungspolitischen<br />

Sündenfällen bereitwillig die Hand reichen.<br />

Auch die Beiträge von Andreas Glaser zum föderalen<br />

Steuerwettbewerb, von Hanno Beck und Andrea<br />

Beyer zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk im<br />

Zeitalter der Digitalisierung und von Andreas Postler<br />

zur Gesundheitspolitik stehen in bester ORDO-<br />

Tradition, wenn sie mit gutem Timing aktuelle<br />

und konkrete Kontroversfragen aufgreifen, an denen<br />

sich demnächst die Bewahrung oder Rückgewinnung<br />

ordnungspolitischer Grundsätze entscheiden<br />

wird. Die Beiträge von Christof Wockenfuß<br />

und Holger Janusch sind der Entwicklungspolitik<br />

gewidmet, die von jeher ein Biotop wohlfahrtsstaatlicher<br />

und planwirtschaftlicher Tagträume<br />

war, in die aber derzeit in Deutschland ein wenig<br />

liberale Bewegung zu kommen scheint.<br />

Das Jahrbuch schließt mit einem umfänglichen,<br />

leider nicht überall sorgfältig redigierten Rezensionsteil.<br />

Die Besprechungen decken ein breites<br />

Themenspektrum ab – von der Finanzpolitik und<br />

Schattenwirtschaft über Generationengerechtigkeit,<br />

Medienökonomik, Sozialethik, Institutionenökonomik<br />

bis hin zur Migrationspolitik. Unter den<br />

besprochenen Titeln finden sich neben vielversprechenden<br />

Dissertationen und Tagungsbänden<br />

auch einige, die das Zeug zum künftigen Standardwerk<br />

haben, darunter das von Nils Goldschmidt<br />

und Michael Wohlgemuth herausgegebene Textbuch<br />

„Grundtexte zur Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik“,<br />

das 26 Vertreter der Freiburger<br />

Schule jeweils mit einer kurzen Einführung und<br />

einem Schlüsseltext vorstellt, oder der beachtliche<br />

„Traktat über die Freiheit“, den Detmar Doering in<br />

Anknüpfung an die großen Klassiker des 17. und<br />

18. Jahrhunderts vorgelegt hat.<br />

Die Ordnungsökonomik ist an den<br />

Universitäten immer weniger präsent<br />

Was bleibt als Gesamteindruck jenseits der Einzelbeiträge<br />

Auch das diesjährige Jahrbuch zeigt eindrucksvoll,<br />

dass die Ordnungsökonomik – und in<br />

umfassenderem Sinne für die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften<br />

insgesamt das Denken in<br />

Ordnungen – nach wie vor viel Frische, Substanz<br />

und Potenzial besitzt. Während der Mainstream<br />

der Wirtschaftswissenschaften sich immer weiter in<br />

wirklichkeitsfremde Idealwelten flüchtet, unter<br />

dem Eindruck einer feinsinnigen Spezialisierung<br />

das Sensorium für grundsätzliche Ordnungs- und<br />

Entscheidungsfragen der Gegenwart verloren hat<br />

und gegenüber der politischen Wirklichkeit immer<br />

sprachloser und unverständlicher wird, hat<br />

die Ordnungsökonomik nach wie vor viel zu den<br />

drängenden Fragen der Zeit zu sagen und kann<br />

34 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)

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