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ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127

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Ordnungspolitik<br />

durch Skandale und Schleichwerbung auffällt,<br />

wird vom Fonds ausgeschlossen. Auch der direkte<br />

staatliche Einfluss auf die Rundfunksender dürfte<br />

sinken: Ereignisse wie der Streit um den Chefre -<br />

dakteur des ZDF sind in dieser Lösung unwahrscheinlich.<br />

Politikeinfluss ist eher bei der Bestellung<br />

der Gremienmitglieder zu vermuten. In dieser<br />

Hinsicht hat der Fonds das gleiche Problem<br />

wie das aktuelle System: Ein staatsferner Rundfunk<br />

mit staatlicher Überlebens- und Einnahmengarantie<br />

ist die Quadratur des Kreises.<br />

Solange die Vergabepraxis transparent ist, hat jeder<br />

Sender die gleichen Chancen, öffentlich-rechtliche<br />

Programminhalte mit den dafür vorgesehenen Mitteln<br />

aus dem Fonds zu produzieren. Diese Lösung<br />

ist wettbewerbsneutral – im Gegensatz zum aktuellen<br />

Regime, in dem die privaten Sender in ungleichem<br />

Wettbewerb mit öffentlich-rechtlich subventionierter<br />

Konkurrenz stehen. Zugleich wird durch<br />

dieses Verfahren der Markt für neue Anbieter geöffnet.<br />

Wenn sich ausländische Produzenten um<br />

Aufträge aus dem Rundfunkfonds bewerben könnten,<br />

wäre diese Lösung im Einklang mit dem Gemeinsamen<br />

Markt der Europäischen Union (EU)<br />

und würde für eine größere Öffnung des Marktes –<br />

also mehr Vielfalt, Innovation und Wettbewerb –<br />

sorgen. Eine solche Lösung wäre auch mit der<br />

jüngsten EU-Rechtsprechung kompatibel, da sie eine<br />

klare Trennung öffentlich-rechtlich gewünschter<br />

und kommerzieller Inhalte ermöglicht. Was<br />

über den Fonds finanziert wird, ist öffentlich-rechtliches<br />

Programm, alles andere ist kommerziell. Das<br />

verhindert, dass mit staatlichen Geldern Vorabend-<br />

Seifenopern wie „Marienhof“ oder „Verbotene Liebe“<br />

gefördert werden.<br />

Demokratie und Paternalismus:<br />

Ein Widerspruch<br />

Am Ende dieser Reform steht ein Fonds, der die finanziellen<br />

Mittel verwaltet, aus diesen Mitteln öffentlich-rechtliche<br />

Rundfunkbeiträge in Auftrag<br />

gibt und finanziert, kontrolliert und gelenkt von<br />

demokratisch gewählten Institutionen. Dieser Vorschlag<br />

wirft ein Problem auf, wenn man sich auf<br />

die Argumentation der Befürworter öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunks einlässt, dass die Vorlieben<br />

der Zuschauer korrigiert werden müssen: Wird ein<br />

Gremium zur Mittelverwendung aus dem Fonds<br />

demokratisch gewählt, ist zu befürchten, dass dieses<br />

Gremium genau die Vorlieben widerspiegelt,<br />

die korrigiert werden sollen. Dies ist ein grundsätzlicher<br />

Widerspruch, an dem Paternalismus immer<br />

scheitert: Wer die Vorlieben der Bürger korrigieren<br />

will, kann dies nicht demokratisch legitimieren,<br />

wenn die demokratisch ermittelten Vorlieben<br />

eben jene sind, die man korrigieren will.<br />

Ein solcher Reformvorschlag hat naturgemäß viele<br />

Gegner, vor allem die Gewinner des jetzigen Systems:<br />

Kein öffentlich-rechtlicher Sender möchte<br />

Wettbewerb, und wenige Politiker mögen es, Ämter,<br />

Pfründe und politischen Einfluss zu verlieren.<br />

Dass eine solche Organisation möglich ist und<br />

funktioniert, zeigt das Beispiel des neuseeländischen<br />

Fernsehens, das in ähnlicher Form ausgestaltet<br />

ist. Eine Reform ist also vor allem eine Frage<br />

des politischen Willens. Ohne diesen Willen<br />

werden die Zuschauer wohl auch in Zukunft<br />

Schleichwerbung, Untreue und politische Rangeleien<br />

im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ertragen<br />

müssen – auf Kosten des Gebührenzahlers. <br />

30 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)

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