ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127
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Ordnungspolitik<br />
rechtlichen Rundfunks. Vor allem verteilungspolitisch<br />
betrachtet ist die neue Rundfunkabgabe eine<br />
Katastrophe: Der gut verdienende Akademiker<br />
zahlt den gleichen Betrag wie der Fließbandarbeiter,<br />
er wird relativ zu seinem Einkommen geringer<br />
belastet; die Haushaltsabgabe hat damit eine regressive<br />
Wirkung. Wer mehr davon profitiert,<br />
hängt davon ab, wer das mit der Gebühr finanzierte<br />
Programm mehr konsumiert. Im schlimmsten<br />
Fall zahlt der RTL-konsumierende Fließbandarbeiter<br />
mit seinen Gebühren den arte-Kulturkonsum<br />
des Akademikers. Schwer vorstellbar ist, dass<br />
ausgerechnet ein SPD-Landesfürst als Vorsitzender<br />
der Kommission diese Abgabe abgesegnet hat.<br />
Genauso unerfreulich ist die neue Rundfunkabgabe<br />
für Betriebe: Sie sollen die Abgabe pro Betriebsstätte<br />
zahlen, gestaffelt nach der Zahl der<br />
Mitarbeiter. Damit wird die Abgabe zu einer Strafsteuer<br />
für personalintensive Betriebe, ohne dass jemand<br />
erklären kann, warum Menschen, die bereits<br />
eine Rundfunkabgabe zahlen, auf ihrem Arbeitsplatz<br />
noch einmal dafür zahlen sollen, auch<br />
wenn ihr Chef die Rechnung übernimmt – abgesehen<br />
von der Frage, wie hoch der Medienkonsum<br />
während der Arbeit sein dürfte. Gleiches gilt für<br />
Ferienwohnungen oder Zweitwohnungen, für die<br />
ein Drittel der Abgabe erhoben werden soll. Kein<br />
Bürger kann an zwei Orten zugleich Rundfunk<br />
konsumieren – die Logik dieser Abgabe stützt sich<br />
wohl weniger auf Konsistenz in der Argumentation<br />
als auf ein einnahmemaximierendes Kalkül.<br />
Das Vordringen der<br />
staatlichen Anbieter ins Internet<br />
Letztlich waren es die neuen Technologien und<br />
die Digitalisierung der Medienwelt, die eine Umstellung<br />
der Gebührenpflicht erforderten. Bei<br />
Fortführung der noch geltenden Gebührenordnung<br />
wären viele Zuschauer zunehmend auf nicht<br />
gebührenpflichtige Empfangsgeräte ausgewichen.<br />
Erste Fluchtbewegungen ins Internet provozierten<br />
eine entsprechende Gebührenpflicht für internetfähige<br />
Rechner. Doch spätestens beim Versuch,<br />
die Rundfunkgebühr auf Smart-Phones oder andere<br />
mobile internetfähige Empfangsgeräte auszuweiten,<br />
wäre der Widerstand gegen eine solche<br />
Steuer wohl zu groß; ganz zu schweigen vom Kont -<br />
rollaufwand und der Visibilität dieses Unfugs.<br />
Das Internet beherrscht zunehmend den medialen<br />
Alltag der Bürger – zulasten der klassischen<br />
Medien und zulasten des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks. Je mehr sich die Zuschauer von diesem<br />
abwenden, umso größer wird das Missverhältnis<br />
zwischen der Gebühr und dem Nutzen, den<br />
die Zuschauer aus dem öffentlich-rechtlichen Angebot<br />
ziehen – mit entsprechenden Folgen: Entweder<br />
werden weiterhin mehr als sieben Milliarden<br />
Euro für ein Programm in einem Medium versendet,<br />
das immer weniger Zuschauer anzieht,<br />
oder aber man folgt dem flüchtigen Zuschauer<br />
dorthin, wo die neue Medienwelt entsteht: ins<br />
Internet.<br />
Die öffentlich-rechtlichen Anbieter haben sich für<br />
die zweite Variante entschieden und rechtfertigen<br />
ihr Engagement im Internet mit der Akzeptanzhypothese:<br />
Damit die Programme des öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunks von den Gebührenzahlern<br />
akzeptiert werden, müsse man Präsenz im Internet<br />
zeigen. Dieses Argument stellt die Tatsachen auf<br />
den Kopf: Wenn das Fernsehen als Medium an Akzeptanz<br />
verliert, kann man den Gang ins Internet<br />
nicht damit rechtfertigen, dass es darum gehe, die<br />
Akzeptanz des Fernsehens zu stärken. Wenn das<br />
Fernsehen sich überlebt und man zu dem Schluss<br />
kommt, dass das Internet keine Intervention benötigt,<br />
dann ist dieses Argument falsch.<br />
Die Konsequenzen des öffentlich-rechtlichen Vordringens<br />
ins Internet sind dramatisch: Die Ineffizienzen<br />
und Fehlanreize, die den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk prägen, wandern eins zu eins ins<br />
Internet, ebenso wie die Programmanmaßungen<br />
der Rundfunkgremien, die nun entscheiden, was<br />
die Bürger im Internet konsumieren sollen. Hinzu<br />
kommt die Existenzbedrohung für die etablierten<br />
Verlage, die vom öffentlich-rechtlichen Angebot<br />
im Internet ausgeht: Die meisten Printmedien<br />
kämpfen mit einem Rückgang der Auflage und<br />
der Werbeeinnahmen, weil die Leser ins Internet<br />
abwandern. Die einzige Chance der Verlage besteht<br />
darin, ihr Angebot ins Internet auszuweiten.<br />
Über die Chancen eines solchen Geschäftsmodells<br />
lässt sich streiten, nicht aber darüber, dass die<br />
staatlich subventionierte öffentlich-rechtliche<br />
Konkurrenz mit ihrer Einnahmen- und Überlebensgarantie<br />
den Verlagen das Überleben im<br />
Internet erschwert. Schlimmstenfalls führt sie dazu,<br />
dass die deutschen Verlage ihrer Existenzgrundlage<br />
beraubt werden. Das ist politische Logik:<br />
Das öffentlich-rechtliche Angebot führt zu einem<br />
Verschwinden der privaten Anbieter, und deren<br />
Fehlen liefert den Vorwand für das staatliche<br />
Angebot.<br />
Um den Bedenken der Europäischen Kommission<br />
gerecht zu werden, die bei den gebührenfinanzierten<br />
Online-Angeboten unerlaubte Beihilfen<br />
28 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)