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ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127

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Editorial<br />

Hallo, ihr Liberalen! – Seid ihr nicht etwas spät<br />

Nur nicht verzagen! Das ist der Ruf der Liberalen an die Adresse des enttäuschten<br />

Publikums. In diesen Wochen des kalendarischen Frühlingserwachens<br />

in Deutschland lautet die nicht im Klartext formulierte Nachricht:<br />

„Selbst die Duldungsfähigkeit des politisch organisierten Liberalismus gegenüber<br />

den Irrtümern der von den Liberalen mitzutragenden Politik der<br />

schwarz-gelben Koalition hat Grenzen.“ Das ist der Teil der Botschaft, der das<br />

Publikum versöhnen soll. Die Botschaft kommt mit Sicherheit nicht zu früh.<br />

Eigentlich kommt sie sogar zu spät. Aber das Argument der Liberalen „besser<br />

jetzt als gar nicht“ hat auch sein Gewicht. Guido Westerwelles absichtsvoll harsch<br />

formulierte Initiative gegen den Ankauf von Staatspapieren durch Mitglieder<br />

der Europäischen Union, insbesondere der Europäischen Währungsunion,<br />

kommt wahrlich nicht zu früh.<br />

Die Mahnung der Liberalen ist zwar noch nicht als ein allgemeines Plädoyer<br />

für eine Staatsführung aus dem Geiste der Trennung von Markt und Staat zu<br />

verstehen. Aber die Ordnungsrufe an die Adresse der Kanzlerin werden immer<br />

häufiger laut und immer seltener unter allerlei „Verstehens“-Floskeln erhoben.<br />

Das wundert nicht. Die Liberalen hätten allen Anlass gehabt, schon früher „das<br />

Mitmachen“ infrage zu stellen. Die Kanzlerin hat die – vertragswidrige – Praxis<br />

der ausdrücklich in den europäischen Verträgen verbotenen Übungen des<br />

Bail-out nicht mit der Entschiedenheit angeprangert, die dem Vertragsbruch<br />

entsprochen hätte. Ein nicht geringer Teil der erschlichenen Hilfepraxis bedeutet<br />

praktisch eine Verletzung der Verträge. Die Kanzlerin hat geduldet, dass<br />

die Haushaltskontrolle der Europäischen Union bis über den Rand der Farce<br />

hinaus dadurch deformiert wurde, dass die Kontrolle – weitgehend – nicht<br />

durch die Europäische Kommission ausgeübt wird, sondern durch den Rat,<br />

also ausgerechnet durch die Versammlung der verantwortlichen Sünder.<br />

Die Liberalen haben Recht, wenn sie Schuldenankäufe durch Rettungsschirme<br />

der Staatengemeinschaft ablehnen. Die Gründung von Rettungsschirmen mit<br />

der Aufgabe oder auch nur der ausdrücklichen – oder der wie auch immer<br />

schlaumeierisch formulierten – Erlaubnis des Schuldenaufkaufs wäre doch<br />

nichts anderes als die Legalisierung des Herauspaukens. Schon dadurch bliebe<br />

vom Gebot des No-bail- out nichts. Und „Europa“ Davon bliebe nichts als der<br />

rasch eskalierende Streit um den administrativen Modus und das ausgleichende<br />

Zahlenwerk einer Saldenmechanik, die weder etwas mit der Ratio des<br />

eigenverantwortlichen Wirtschaftens der Staaten noch mit dem stabilisierenden<br />

Kraftaufwand für ein blühendes „Europa“ zu tun hätte. „Europa“ könnte<br />

nichts Schlimmeres passieren als die politische und wirtschaftliche Chiffre für<br />

ein verpflichtendes und berechtigendes Bail-out zu werden. Nein: Die Liberalen<br />

haben recht, wenn sie das Prinzip des No-bail- out notfalls bis zum Austritt<br />

aus der Regierungsverantwortung vertreten. Ihr Protest kommt allerdings spät<br />

und zaghaft.<br />

Hans D. Barbier<br />

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)<br />

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