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ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127

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Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland –<br />

Eine ordnungspolitische Bewertung<br />

Prof. Dr. Hanno Beck<br />

Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Pforzheim<br />

Am 15. Dezember 2010 haben die Ministerpräsidenten der Länder eine Reform der Rundfunkgebühr zur Finanzierung<br />

des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschlossen. Ab 2013 soll jeder Haushalt einen einheitlichen Betrag bezahlen –<br />

unabhängig davon, ob und wie viele Fernseher, Radios oder Computer vorhanden sind. Aber ist das staatliche Angebot<br />

in der modernen Medienlandschaft überhaupt zu rechtfertigen<br />

Eine Moderatorin macht in ihrer Sendung<br />

Schleichwerbung; nach vorübergehender Kündigung<br />

wird sie wieder eingestellt. Der ehemalige<br />

Sportchef eines Senders wird wegen Bestechlichkeit<br />

und Untreue sowie der Beihilfe zur Bestechung<br />

zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.<br />

In einer täglichen Serie wird über zehn Jahre<br />

hinweg systematisch Schleichwerbung betrieben:<br />

Firmen können dort Handlungsstränge und<br />

Dialoge für ihre Produkte bestellen. Eine Fernsehspielchefin<br />

und ihr Mann verfassen unter Pseudonymen<br />

Drehbücher und reichen sie bei ihrem<br />

Sender ein. Ein Sender bezahlt die Geburtstagsfeier<br />

eines Ministerpräsidenten, der zugleich Verwaltungsratschef<br />

des Hauses ist; und im gleichen<br />

Sender wird der Chefredakteur von der Politik<br />

ausgemustert.<br />

Sind diese Vorfälle typische Auswüchse einer aus<br />

den Fugen geratenen privaten Medienlandschaft<br />

So könnte man meinen. Doch diese Skandale ereignen<br />

sich bei öffentlich-rechtlichen Sendern,<br />

die dem Bürger als Hort der Integrität und als<br />

Bollwerk gegen qualitativ minderwertiges Kommerz-Fernsehen<br />

verkauft werden. Gerade die Befürchtung<br />

solcher Skandale bei Privatsendern<br />

dient als Rechtfertigung dafür, dass der Bürger<br />

Monat für Monat knapp 18 Euro Rundfunkgebühr<br />

bezahlt, was sich auf mehr als sieben Milliarden<br />

Euro jährlich für öffentlich-rechtliches Fernsehen<br />

summiert. Und ein Blick auf die Struktur des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks in Deutschland<br />

zeigt, dass diese Skandale nicht überraschen.<br />

Die Idee des dualen Rundfunksystems:<br />

Unabhängigkeit und Vielfalt<br />

Der Rundfunkmarkt in Deutschland ist zweigeteilt:<br />

Da gibt es die privaten Sender, die sich über<br />

Werbung oder direkte Entgelte finanzieren, und<br />

es gibt den öffentlich-rechtlich organisierten und<br />

zwangsfinanzierten Rundfunk. Dieses duale System<br />

soll die Unabhängigkeit des Rundfunks von<br />

wirtschaftlichen und staatlichen Einflüssen garantieren,<br />

zugleich aber privater Initiative Raum lassen.<br />

Die Konkurrenz beider Systeme soll den<br />

Ideenreichtum und die Formatvielfalt in der<br />

elektronischen Massenkommunikation fördern –<br />

so die Idee.<br />

Doch das Argument steht auf tönernen Füßen:<br />

Wettbewerb funktioniert nur bei Chancen- und<br />

Waffengleichheit. In der dualen Rundfunkordnung<br />

kann davon keine Rede sein: Der öffentlichrechtliche<br />

Rundfunk finanziert sich über Zwangsgebühren,<br />

ein Großteil seiner Einnahmen ist somit<br />

nicht an seine Marktleistung geknüpft – im<br />

Gegensatz zu den Privatsendern, die sich über<br />

Werbeerlöse finanzieren und deshalb den Wünschen<br />

ihrer Kunden gerecht werden müssen.<br />

Zudem hat das Verfassungsgericht den öffentlichrechtlichen<br />

Sendern eine Bestands- und Entwicklungsgarantie<br />

zugesichert. Das entzieht sie dem dynamischen<br />

Leistungsdruck des Marktes, der private<br />

Unternehmen zwingt, kreativ und innovativ zu<br />

sein. Woher angesichts garantierter Einnahmen<br />

und einer verfassungsrechtlich abgesicherten<br />

Überlebensgarantie die Anreize zu mehr Kreativität,<br />

besserer Wirtschaftlichkeit und guter Unternehmensführung<br />

kommen sollen, wissen vermutlich<br />

nicht einmal die Verfechter des öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunks.<br />

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)<br />

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