ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127
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Ordnungspolitische Positionen<br />
über ihre Entscheidung abzulegen. Die Informationsbedürfnisse von Verwaltung<br />
und Politik haben deshalb oberste Priorität. Ihre Vertreter – nicht nur diejenigen,<br />
welche mit dem Beteiligungsgedanken sympathisieren, sondern auch<br />
diejenigen, die das Verfahren zu betreuen und mit den Ergebnissen zu arbeiten<br />
haben – müssen überzeugt sein, mithilfe des Bürgerhaushalts in ihrer Arbeit<br />
unterstützt zu werden. Die Verfahren sind deshalb auch von der methodischen<br />
und technischen Seite her so zu gestalten, dass sie in die zugrunde liegenden<br />
Planungsverfahren integriert werden können und mittelfristig von der<br />
Verwaltung in Eigenregie betreut werden können.<br />
Für die technische Umsetzung dieser Forderungen empfiehlt sich das Internet:<br />
Im Vergleich zu herkömmlichen Beteiligungsformen lassen sich viele Teilnehmende<br />
motivieren, sich mit der Finanzsituation ihrer Kommune zu beschäftigen,<br />
wenn der Beteiligungsprozess im Internet erfolgt. Elektronisch<br />
unterstützte Verfahren ermöglichen es, große Informationsmengen zu verarbeiten,<br />
sodass das Wissen und die Meinungen der Bürger auf einer ungewöhnlich<br />
breiten Basis in einem vertretbaren zeitlichen Rahmen erschlossen<br />
und zeitnah in die jeweiligen Entscheidungsprozesse eingearbeitet werden<br />
können. Kriterien wie individuelle Information, Offenheit, hohe Teilnehmerzahlen,<br />
Einfachheit, Übersichtlichkeit, Transparenz, Verwaltungsnähe oder<br />
Barrierefreiheit können mithilfe einer elektronischen Plattform kosteneffizient<br />
erfüllt werden.<br />
Bei Bedarf können weitere Beteiligungskanäle hinzugenommen werden, wie<br />
zum Beispiel eine Auftakt-Informationsveranstaltung, die Nutzung betreuter<br />
öffentlicher Internetplätze in Bibliotheken oder Schulen, Informationsveranstaltungen<br />
für bestimmte Zielgruppen wie Senioren, Schüler etc. Leitmedium<br />
bleibt aber das Internet, in dem alle Informationen und Beteiligungsergebnisse<br />
zusammengeführt werden. Ein weitgehend digitalisiertes, zudem methodisch<br />
und organisatorisch „schlank“ gehaltenes Verfahren bleibt von den<br />
personellen und finanziellen Aufwänden her gesehen kalkulierbar und vertretbar,<br />
auch weil es – anders als bei üblichen Beratungsformen durch externe<br />
Dienstleister – nach und nach von der Kommune in Eigenregie durchgeführt<br />
werden kann.<br />
Zielsetzungen und Nutzenerwartungen<br />
Die Beteiligungsverfahren treten nicht mit dem Anspruch an, aus Bürgerinnen<br />
und Bürgern Haushaltsexperten zu machen. Ebenso wenig sollen durch diese<br />
Verfahren die Haushaltsprobleme einer Kommune gelöst werden. Und auch<br />
geht es nicht – wie von manchen Kritikern unterstellt wird – um Beteiligungen<br />
mit repräsentativem Anspruch. Beteiligungsangebote an die Bürgerschaft dienen<br />
in der gegenwärtigen Einführungs- und Experimentierphase vor allem dazu,<br />
möglichst viele Bürger zu motivieren, sich eingehender mit politischen Belangen<br />
wie der Finanzlage ihrer Kommune auseinanderzusetzen.<br />
Eine wichtige Zielsetzung der Spar-Bürgerhaushalte ist deshalb die Aufklärung<br />
der Bürger. Dazu kann beispielsweise gehören, den Bürgern verständlich zu<br />
machen, warum eine Kommune sich aufgefordert sieht, drastische Sparkurse<br />
einzuschlagen, ebenso wie die Erklärung, dass die Kommunen ihre Finanzprob -<br />
leme nicht lösen werden, solange sie mit strukturell bedingten finanziellen Ansprüchen<br />
konfrontiert werden – etwa durch die Hartz-IV-Regelung –, die aus<br />
gesamtgesellschaftlichen Problemlagen resultieren.<br />
18 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)