ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127
ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127
ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ordnungspolitische Positionen<br />
Haushaltskonsolidierung<br />
mit Bürgerbeteiligung<br />
Dr. Oliver Märker/PD Dr. Josef Wehner<br />
Geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens Zebralog/<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld<br />
Dr. Oliver Märker<br />
Dr. Josef Wehner<br />
Viele Kommunen in Deutschland stehen vor großen finanzpolitischen He -<br />
rausforderungen. Sie müssen in den nächsten Jahren umfangreiche Sparmaßnahmen<br />
vornehmen, die ihr Leistungssystem empfindlich treffen werden. Dies<br />
betrifft am stärksten solche Kommunen, denen es nicht gelingt, einen ausgeglichenen<br />
Haushalt oder ein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept<br />
vorzulegen. Doch wie sollen Maßnahmen in einer Zeit, in der die Politik<br />
mit großen Vertrauensproblemen zu kämpfen hat, für die Bürger nachvollziehbar<br />
und von ihnen mitgetragen umgesetzt werden Ausgehend von dieser<br />
Frage verdienen solche Kommunen Aufmerksamkeit, die nicht nur einen konsequenten<br />
Sparkurs fahren, sondern auch neue Wege der öffentlichen Darstellung<br />
und Begründung ihrer Maßnahmen beschreiten.<br />
In der Regel wird in Zeitungen, im Fernsehen oder im Radio darüber informiert,<br />
in welchen Bereichen die Politik in den nächsten Jahren den Rotstift ansetzen<br />
will. Daneben gewähren die Internetseiten einer Stadt, die öffentlichen<br />
Ratssitzungen oder für die Bürger einsehbare Dokumente Einblicke in haushaltspolitische<br />
Entwicklungen. Einige Kommunen gehen einen Schritt weiter<br />
und bieten ihren Bürgern die Gelegenheit, sich über Sparmaßnahmen nicht<br />
nur zu informieren, sondern sie auch zu bewerten, zu kommentieren und sogar<br />
eigene Vorschläge zu machen – mithilfe elektronischer Beteiligungsverfahren<br />
(E-Partizipation).<br />
Städte wie Bonn, Essen, Gütersloh oder Solingen sind diesen Weg bereits gegangen.<br />
Sie forderten ihre Bürger mithilfe speziell eingerichteter Beteiligungsplattformen<br />
– ergänzt durch Call Center, schriftliche Fragebögen oder<br />
Info-Veranstaltungen – dazu auf, Spar- oder Einnahmevorschläge bzw. Haushaltssicherungsmaßnahmen<br />
ihrer Kommune zu bewerten, aber auch eigene<br />
Sparvorschläge oder Vorschläge zur Verbesserung der Einnahmesituation einzureichen.<br />
Mit Erfolg: So informierten sich beispielsweise im Bonner Verfahren<br />
„Bonn packt’s an!“, der internetbasierten Bürgerbeteiligung zum Haushalt<br />
2011/2012, weit über 100 000 Bürgerinnen und Bürger über Spar- oder Einnahmeerhöhungsvorschläge<br />
ihrer Stadt; weitere rund 13 000 bewerteten die<br />
Vorschläge, machten eigene Sparvorschläge oder schrieben Kommentare. Auf<br />
diese Weise trugen sie dazu bei, dass die Verantwortlichen in der Verwaltung<br />
und Politik bei ihren weiteren Planungen auf mehr Rückhalt in der Bevölkerung<br />
hoffen dürfen.<br />
Leitideen und Prinzipien von Bürgerbeteiligungen<br />
Bürgerbeteiligungen zur Haushaltskonsolidierung, wie sie eingangs angesprochen<br />
wurden, verstehen sich im Kern als Konsultation der Politik. Das bedeutet,<br />
die Bürgerschaft wird nicht im Sinne direktdemokratischer Verfahren<br />
am politischen Entscheidungsprozess beteiligt. Vielmehr bekommt sie die Gelegenheit,<br />
sich über die Finanzsituation und die Lösungsstrategien ihrer Kommune<br />
zu informieren. Darüber hinaus kann sie sich zu diesen Strategien im<br />
Rahmen eines definierten Zeitfensters von circa drei bis vier Wochen äußern<br />
16 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)