ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127
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Gemeindefinanzen<br />
sollten der Optimierung der Zinszahlung dienen, konnten aber naturgemäß<br />
verloren werden. Natürlich hat die Bank die Wetten meist gewonnen, und die<br />
Städte müssen nun Millionenbeträge zahlen.<br />
Die rot-grüne Bundesregierung importierte 2003 aus Großbritannien das unter<br />
Tony Blairs New Labour entwickelte Finanzierungsmodell „Public Private<br />
Partnership“. Dabei schließt die öffentliche Hand langfristige Verträge mit Investoren,<br />
die Standardlaufzeit beträgt 30 Jahre. Dieses „Rundum-sorglos-Paket“<br />
lassen sich Investoren und Berater teuer bezahlen, und aufgrund ihrer<br />
dominierenden Stellung sind Nachforderungen häufig. Die verdeckte Kreditaufnahme<br />
verschiebt Schulden in die Zukunft. Wegen der steuerbegünstigten<br />
Finanzierung entgehen dem Staat gleichzeitig langfristig Einnahmen aus<br />
Steuern.<br />
Folgen der Bankenrettung für die Kommunen<br />
Allein die von der in den Jahren 2005 bis 2009 regierenden Großen Koalition<br />
zu verantwortende Steuergesetzgebung verursacht bei den Kommunen zwischen<br />
2009 und 2013 etwa 20 Milliarden Euro Mindereinnahmen. Mit ihrem<br />
ersten Beschluss kürzte die seit 2009 amtierende neue Bundesregierung aus<br />
CDU, CSU und FDP den Bundeszuschuss zu den Mieten, die die Kommunen<br />
für die Bezieher des Arbeitslosengeldes II übernehmen müssen. Mit dem<br />
Wachstumsbeschleunigungsgesetz verursacht sie bei den Kommunen einen<br />
jährlichen Einnahmeausfall von 1,6 Milliarden Euro. 2010 kürzte die Regierung<br />
zusätzlich das Wohngeld und strich die Zuschüsse zur Rentenversicherung<br />
der Arbeitslosen ganz. Auch damit werden die Kommunen in Zukunft belastet,<br />
da sie nach der neuen Gesetzgebung auch die Grundsicherung im Alter,<br />
also die Aufstockung von Armutsrenten, übernehmen müssen.<br />
Im Steuerkonzept der Regierungspartei FDP heißt es: „Die Bürger sollen merkbar<br />
an der Finanzierung der gemeindlichen Aufgaben beteiligt sein.“ Gleichzeitig<br />
wollen FDP und CDU die Gewerbesteuer, also die wichtigste Einkunftsquelle<br />
der Kommunen, abschaffen. Sie wollen sie durch eine „kommunale Bürgersteuer“<br />
ersetzen, die auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer aufgeschlagen<br />
wird.<br />
Auch die Landesregierungen, die seit 2008 Milliarden-Zuschüsse an ihre insolventen<br />
Landesbanken zahlen, kürzen ihre Zuwendungen an die Kommunen<br />
noch heftiger als vorher. In Sachsen etwa werden deshalb Stellen für Schulsozialarbeiter<br />
und der kostenlose Schülertransport abgeschafft. Weil die Landesregierungen<br />
auch die Zuschüsse an die kommunalen und universitären Krankenhäuser<br />
kürzen, beschleunigen sie gezielt deren Verkauf an private Klinikketten,<br />
wie zum Beispiel in Schleswig-Holstein.<br />
Gesetzes- und Verfassungsbruch der Regierung<br />
Nach Artikel 28 des Grundgesetzes genießen die Kommunen das Recht der<br />
Selbstverwaltung. Der Staat muss gewährleisten, dass dies nach den ebenso in<br />
Artikel 28 enthaltenen Grundsätzen des demokratischen und sozialen Rechtsstaates<br />
funktioniert. Doch die Regierungen begehen Gesetzes- und Verfassungsbruch.<br />
Den Kommunen werden immer mehr Aufgaben übertragen, die<br />
den demokratischen und sozialen Grundsätzen entsprechen sollen, aber<br />
gleichzeitig werden den Kommunen die dafür notwendigen Finanzen vorenthalten.<br />
Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)<br />
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