ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127
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Ordnungspolitische Positionen<br />
den eingestellt, um auf den zusätzlich markierten Parkplätzen mehr Bußgelder<br />
zu kassieren. Spendierfreudige Bürger dürfen ihr Namensschildchen auf Parkbänke<br />
und Theaterstühle nageln, weil sie für 200 Euro den Bank- oder Stuhl-<br />
Paten spielen. Ein Versicherungskonzern übernimmt für 15 000 Euro im Jahr<br />
die Kosten dafür, dass im Springbrunnen auf dem Marktplatz das Wasser weiter<br />
fließen kann – gleichzeitig trocknen andere Brunnen aus.<br />
Aber Sparen brachte bislang keine Lösung. Gespart wird ohnehin nichts, der<br />
Begriff „Sparen“ ist missbräuchlich: Es wird kein Geld für zukünftige Ausgaben<br />
zurückgelegt, vielmehr wird gekürzt. Sparbeträgen und Einnahmen, die sich<br />
im Bereich einiger Millionen bewegen wie etwa im Fall der Stadt Köln, stehen<br />
Defizite im dreistelligen Millionenbereich gegenüber: Die Defizite summieren<br />
sich bis 2014 auf 1,3 Milliarden Euro. Sparen saniert nicht die Haushalte, sondern<br />
führt zu unsicheren Lebensverhältnissen und fördert die Verarmung der<br />
Bürger mit geringem Einkommen.<br />
Gescheiterte Privatisierungsmodelle: Kommunen im Nachteil<br />
Das Versprechen lautete: Wenn die Verwaltung schlanker und wie ein Konzern<br />
betrieben (Konzern Stadt) wird, wenn öffentliche Unternehmen verkauft und<br />
Dienstleistungen an Private vergeben werden, dann würden die Kommunen<br />
gerettet.<br />
So haben die Städte Arbeitsplätze in ihren Verwaltungen abgebaut, Anteile ihrer<br />
Stadtwerke an Energiekonzerne und Wohnungsgenossenschaften verkauft<br />
sowie Reinigungsdienste und Buslinien an Privatunternehmen ausgelagert.<br />
Aber die kommunalen Haushalte sind jetzt noch höher verschuldet als zuvor,<br />
und noch mehr Beschäftigte schlagen sich mit Niedriglöhnen durch. Die Bürger<br />
stehen einer noch intransparenteren Bürokratie gegenüber und zahlen<br />
noch mehr für jede kleine Dienstleistung. Und in den verkauften Wohnungen<br />
steigen die Mieten schneller als zuvor.<br />
Der Verkauf von Anteilen der Stadtwerke wurde auch damit begründet, dass<br />
die Stadtwerke im deregulierten Markt von Energie und Verkehr nur mithilfe<br />
eines „strategischen Partners“ überleben könnten. Doch am besten haben die<br />
Stadtwerke überlebt, die nichts verkauft haben. Stadtwerke mit Konzernbeteiligung<br />
stehen dagegen schlecht da: So hat der Berliner Senat 49,9 Prozent der<br />
Berliner Wasserbetriebe im Jahr 2000 für 1,68 Milliarden Euro verkauft. Da -<br />
raufhin haben die Investoren Veolia und RWE 2 000 der 7 500 Arbeitsplätze abgebaut.<br />
Sie haben Investitionen zurückgefahren und Reparaturaufträge an<br />
Subunternehmer vergeben. Dem Landeshaushalt entgehen hohe Einnahmen,<br />
und der Wasserpreis ist inzwischen der höchste einer deutschen Großstadt.<br />
Ähnlich verlief es beim Verkauf städtischer Wohnungen. Berlin ist jetzt noch<br />
höher verschuldet als zuvor.<br />
Über 100 Städte haben Infrastrukturanlagen wie Kanalisationen, Schienennetze,<br />
Rathäuser und Messehallen im Rahmen von „Cross Border Leasing“ an US-<br />
Investoren verkauft und mieten sie zurück. Bei diesem Karussell-Geschäft zwischen<br />
jeweils sechs Banken trägt die öffentliche Hand gegen eine Versicherungsgebühr<br />
von wenigen Millionen Euro das Risiko für die Unterbrechung<br />
hoher Kredit- und Tilgungsflüsse zwischen den Banken. Arrangeur war vor allem<br />
die Deutsche Bank. Durch die von teuren Beratern übernommene Teilkündigung<br />
nach der Finanzkrise sind hohe Kosten entstanden, Risiken bestehen<br />
bis circa 2035 weiter. Ähnlich ergeht es Hunderten von Städten, die der<br />
Deutschen Bank „Spread Ladder Swaps“ abgekauft haben: Diese Zinswetten<br />
12 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)