Aktuelles vom Obersten Gerichtshof - KWR
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<strong>Aktuelles</strong> <strong>vom</strong> <strong>Obersten</strong> <strong>Gerichtshof</strong><br />
Der monatliche Newsletter<br />
der KARASEK WIETRZYK RECHTSANWÄLTE Dezember 2011<br />
Die Entscheidungen im vollen Wortlaut: http://www.ris.bka.gv.at<br />
Arbeitsrecht<br />
n Fürsorgepflicht<br />
Der Arbeitgeber hat aufgrund seiner Fürsorgepflicht den <strong>vom</strong> Arbeitnehmer verursachten Schaden vorrangig aus bestehenden<br />
Versicherungen zu decken, wenn sich dadurch die finanzielle Belastung des Dienstnehmers verringert. Das gilt insbesondere<br />
dann, wenn kein Regressanspruch des Versicherers gegen den Arbeitnehmer besteht (zB weil der Arbeitnehmer<br />
mitversichert ist oder ein Regressanspruch vertraglich ausgeschlossen wurde). OGH 25.10.2011, 9 ObA 69/11d.<br />
Gewerblicher Rechtschutz<br />
n Haftung<br />
Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach ständiger Rechtsprechung auch persönlich verantwortlich, wenn ein Lauterkeitsverstoß<br />
(= Verstoß gegen das UWG 1 ) fortdauert, obwohl sich die GmbH in einem Vergleich zur Unterlassung<br />
verpflichtet hat 2 . Um sich von dieser Haftung zu befreien, muss er nachweisen, dass er alles Zumutbare zur Abstellung<br />
des lauterkeitswidrigen Zustands unternommen hat 3 oder dass ihm dessen Beseitigung „geradezu unmöglich 4 “ gewesen<br />
ist 5 . OGH 22.11.2011, 4 Ob 158/11 f.<br />
n Zugaben<br />
Das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben gegenüber Verbrauchern ist bei richtlinienkonformer Auslegung<br />
des UWG 6 nur dann verboten, wenn es im konkreten Einzelfall irreführend, aggressiv oder sonst unlauter ist. 7 Das Zugabenverbot<br />
gegenüber Unternehmen gilt – im Gegensatz dazu – ganz allgemein 8 . Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken. OGH 22.11.2011, 4 Ob 162/11 v.<br />
Handelsvertreter<br />
n Ausgleichsanspruch<br />
Der Handelsvertreter hat auch dann einen Ausgleichsanspruch, wenn er den Handelsvertretervertrag kündigt, weil ihm wegen<br />
seines Alters eine Fortsetzung nicht mehr zugemutet werden kann. Das Vorliegen des Regelpensionsalters kann diese Unzumutbarkeit<br />
indizieren. Der Handelsvertreter muss in allen übrigen Fällen 9 der Eigenkündigung wegen Alters konkret darlegen, weshalb<br />
ihm eine Fortsetzung der Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann. OGH 16.09.2011, 9 ObA 105/10 x.<br />
Kapitalmarkt<br />
n Prospektpflicht<br />
Verbraucher können nach dem Kauf von Wertpapieren <strong>vom</strong> Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Wertpapiere öffentlich<br />
angeboten wurden und der Emittent kein Prospekt veröffentlicht hat 10 . Dieses Rücktrittsrecht besteht nicht, wenn der Emit-
tent nur die Veröffentlichung der endgültigen Bezugsbedingungen unterlassen hat. Der Verbraucher hat das Unterlassen<br />
der Prospektveröffentlichung nachzuweisen 11 . OGH 08.11.2011, 3 Ob 195/11 i.<br />
Patentrecht<br />
n Veröffentlichung<br />
Das Recht an der Erfindung gewährt kein ausschließliches Benützungsrecht. Es erlischt, wenn die Erfindung ohne vorherige Patentanmeldung<br />
veröffentlicht wird („unvollkommen absolut geschütztes Immaterialgüterrecht“). Ein rechtswidriges Verhalten liegt<br />
aber dann vor, wenn sich der Benutzer die Kenntnis von der Erfindung auf sittenwidrige Weise verschafft. OGH 19.09.2011, 17<br />
Ob 8/11 t.<br />
Rechnungslegung<br />
n Zwangsstrafe<br />
Nach „gefestigter Rechtsprechung“ des OGH entsprechen die Regelungen über die Rechnungslegungspflicht 12 in der Fassung<br />
des Budgetbegleitgesetz 2011 der österreichischen Verfassung und dem Recht der Europäischen Union 13 . Der Jahresabschluss<br />
kann bis zur Erlassung der Zwangsstrafverfügung straflos nachgereicht werden. Es kann selbst dann eine Zwangsstrafe verhängt<br />
werden, wenn das Unternehmen aus „technischen Gründen“ gehindert war, den Jahresabschluss bis zu diesem Zeitpunkt nachzureichen.<br />
OGH 24.11. 2011, 6 Ob 254/11 p.<br />
Wettbewerbsrecht („Kartellrecht“)<br />
n Unternehmer<br />
Der Bund führt neben der Hoheitsverwaltung auch Betriebe gewerblicher Art. Er ist insoweit Unternehmer im Sinn des Umsatzsteuergesetzes<br />
14 . Er gilt damit aber auch in den Bereichen, in denen er keine steuerbaren Umsätze erzielt, als Unternehmer. Zu<br />
diesen Bereichen gehört auch die Hoheitsverwaltung, also zB die Ausübung der Gerichtsbarkeit 15 . OGH 16.09.2011, 16 Ok<br />
6/11.<br />
n Sachverständigengutachten<br />
Ein Sachverständigengutachten ist eine „sonstige Leistung“ im Sinn des Umsatzsteuergesetzes 16 . Die Leistung gilt damit nach den<br />
neuen Leistungsortregelungen als am Ort des Empfängers (hier: OLG Wien) ausgeführt. Der Bund, vertreten durch das OLG<br />
Wien, ist als Leistungsempfänger auch Steuerschuldner 17 . Das OLG Wien hat deshalb auch die Abgabenmeldung beim zuständigen<br />
Finanzamt zu erstatten. OGH 16.09.2011, 16 Ok 6/11.<br />
Zivilverfahren<br />
n Erhebliche Rechtsfrage<br />
Der OGH entscheidet grundsätzlich nur, wenn eine „erhebliche Rechtsfrage“ vorliegt 18 . Die Auslegung eines Vertrags (und damit<br />
auch die Auslegung eines außergerichtlichen Generalvergleichs) bildet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn das Berufungsgericht<br />
ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt hat 19 . OGH 20.10.2011, 2 Ob 170/11 f.<br />
n Beweispflicht<br />
Allgemein bekannte oder gerichtskundige Tatsachen müssen nicht bewiesen werden 20 . Der Umstand, dass ein Register (Firmenbuch,<br />
Grundbuch) öffentlich ist, bedeutet nicht, dass die dem Register zu entnehmenden Tatsachen allgemein bekannt oder<br />
gerichtskundig sind. Gerichtskundigkeit erfordert, dass der Richter die Tatsache kennt, ohne erst in bestimmte Unterlagen Einsicht<br />
nehmen zu müssen. Es reicht auch nicht aus, dass Tatsachen ohne weiteres aus den Akten desselben Gerichts zu ersehen sind 21 .<br />
OGH 12.10.2011, 3 Ob 166/11 z.<br />
n Verfahrenshilfe<br />
Das Gericht kann die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Verfahrenshelfer anordnen, wenn eine Verfahrenspartei kein ausreichendes<br />
Einkommen oder Vermögen hat 22 . Das Gericht hat dabei nur den (grundsätzlichen) Beschluss auf Beigabe eines<br />
Rechtsanwalts zu fassen. Die Auswahl und Bestellung eines konkreten Rechtsanwalts erfolgt durch die zuständige Rechtsanwaltskammer.<br />
Gegen diese Aufgabenverteilung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. OGH 04.10.2011, 10 Ob 78/11 k.
1 Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 (UWG).<br />
2 RIS-Justiz RS0079491.<br />
3 OGH 12.02.2002, 4 Ob 282/01 a.<br />
4 § 878 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB).<br />
5 OGH 13.07.1999, 4 Ob 170/99 z.<br />
6 Vgl FN 1.<br />
7 RIS-Justiz RS0126589.<br />
8 § 9a Abs 1 Z 2 Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 (UWG).<br />
9 Hier: Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach § 253b ASVG.<br />
10 § 5 Kapitalmarktgesetz (KMG).<br />
11 8 Ob 38/11 p.<br />
12 §§ 277 ff Unternehmensgesetzbuch (UGB).<br />
13 OGH 18.07.2011, 6 Ob 129/11 f ua.<br />
14 § 2 Umsatzsteuergesetz (UStG).<br />
15 § 3a Abs 5 Umsatzsteuergesetz (UStG).<br />
16 § 3a Umsatzsteuergesetz (UStG).<br />
17 § 19 Abs 1 Umsatzsteuergesetz (UStG).<br />
18 § 502 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO): „Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung<br />
einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung<br />
erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des <strong>Obersten</strong> <strong>Gerichtshof</strong>s abweicht oder eine solche Rechtsprechung<br />
fehlt oder uneinheitlich ist.“<br />
19 RIS-Justiz RS0042936 [T7].<br />
20 § 269 Zivilprozessordnung (ZPO).<br />
21 RIS-Justiz RS0040240 [T4].<br />
22 § 63 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO): „Verfahrenshilfe ist einer Partei, wenn diese eine natürliche Person ist, so weit zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen als sie außerstande<br />
ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung<br />
nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.[…]“.<br />
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