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Programmheft - Badisches Staatstheater - Karlsruhe

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wo er seitdem lebt. In der Sowjetunion<br />

wurde Pärt zwar während seiner Studienzeit<br />

bei Heino Eller in Talinn 1962 für seine<br />

tonal komponierten Werke geehrt, später<br />

aber für seine seriellen Stücke gerügt.<br />

Als bei der Ausreise die sowjetischen<br />

Beamten in Brest in seinem Gepäck Noten<br />

und einen Reiseplattenspieler vorfanden,<br />

musste er ihnen angeblich etwas vorspielen<br />

und rührte die Polizisten mit seinem<br />

Cantus in memoriam Benjamin Britten.<br />

„Ich sah, wie die Macht der Musik Menschen<br />

verändert“, wird als Zitat seiner<br />

Frau überliefert.<br />

Einer ähnlich klaren Struktur wie Cantus<br />

folgt auch Pärts kurzes Stück Arbos, mit<br />

dem das heutige Konzert beginnt. Ursprünglich<br />

1977 entstanden für sieben<br />

oder acht Blockflöten und drei Triangeln ad<br />

libitum, bearbeitete Pärt Arbos 1986 und<br />

2001 für je vier Trompeten und Posaunen,<br />

Pauke und Schlagzeug. Auch hier überlagert<br />

der Komponist verschiedene zeitliche<br />

Ebene, diesmal drei, die für die Elemente<br />

Äste, Stamm und Wurzeln mit ihrer eigenen<br />

Lebenszeit des titelgebenden Baumes<br />

stehen, wie Paul Hillier in seiner maßgeblichen<br />

Studie über Arvo Pärt erläutert.<br />

Sergej Prokofjew<br />

Klavierkonzert Nr. 4 B-Dur (1931)<br />

Im deutlichen Kontrast zu Pärts schwebenden<br />

Klangflächen stehen Sergej<br />

Prokofjews akzentuierten Akkorde und<br />

schnellen Skalen, die das Vierte Klavierkonzert<br />

prägen. Der russische Komponist<br />

schrieb es im Auftrag des amerikanischösterreichischen<br />

Pianisten Paul Wittgenstein,<br />

der im Ersten Weltkrieg in Russland<br />

so stark verwundet wurde, dass sein<br />

rechter Arm amputiert werden musste. Er<br />

beschloss jedoch, seine Karriere mit der<br />

ihm verbliebenen linken Hand fortzusetzen,<br />

arrangierte zahlreiche Werke und ließ<br />

sich von Komponisten wie Maurice Ravel<br />

und eben Prokofjew neue schreiben. Dessen<br />

Klavierkonzert wies Wittgenstein 1931<br />

jedoch in einem Brief zurück: „Ich danke<br />

Ihnen für das Konzert, aber ich verstehe<br />

darin keine einzige Note und werde es<br />

niemals spielen!“ Tatsächlich dauerte es<br />

weitere 25 Jahre, bevor das Konzert 1956<br />

in Berlin uraufgeführt wurde.<br />

Bereits während der Arbeit am Konzert<br />

kamen Prokofjew Zweifel, ob sein Konzert<br />

den Erwartungen des Pianisten gerecht<br />

werden würde. Er zerbreche sich den Kopf,<br />

schrieb er Wittgenstein, „bei der Vorstellung,<br />

welchen Eindruck es als Musik wohl<br />

auf Sie machen wird. Schwieriges Problem!<br />

Sie sind ein Musiker des neunzehnten<br />

Jahrhunderts, ich – des zwanzigsten.“ In<br />

Prokofjews Viertem Konzert dominiert<br />

das motorische Element; scharf akzentuiert<br />

begleiten die kurzen Staccati des<br />

Orchesters die äußerst virtuosen Skalen<br />

des Solo-Klaviers. Deutlich lässt sich hier<br />

der Einfluss von Prokofjews Arbeit für das<br />

Ballett erkennen. Ab 1922 lebte Prokofjew<br />

in Paris und schrieb mehrere Werke für<br />

Sergej Djaghilews revolutionäre Truppe<br />

Ballet russes.<br />

Unaufhaltsam springt das Werk vor allem<br />

im ersten und dritten Satz durch unerwartete<br />

harmonische Kombinationen,<br />

wechseln sich schnelle Läufe im Klavier<br />

mit harten Tonwiederholungen sämtlicher<br />

Instrumente und drängenden Pizzicati<br />

der Streicher ab. Im zweiten Satz, einem<br />

ausgedehnten Andante, ändert sich plötzlich<br />

die Stimmung, nun dominieren breite<br />

Streicherklänge statt des peitschenden<br />

Motors; in den lyrischen Melodien der<br />

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