Homosexual's Film Quarterly - Sissy
Homosexual's Film Quarterly - Sissy
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Krimikost gönnen. Für die Sonntag-<br />
Abende ohne UFO-Tatort. ps<br />
L-SHORtS<br />
CH/CA/uS/Fr 2004–2009, Edition Salzgeber<br />
Zwei Jahre nach der letzten<br />
Ausgabe von Liebesperlen<br />
freut sich die Kurzfilmverwöhnte<br />
Frau von<br />
Welt auf Nachschub. Und<br />
muss feststellen, dass die<br />
lesbische Welt ganz schön<br />
monothematisch geworden<br />
ist: In L-Shorts, den<br />
sieben beliebtesten Kurzfilmen der L-<strong>Film</strong>nacht,<br />
dreht sich vieles um Kinder, Kinder und<br />
nochmals Kinder. Da klaut Möchtegern-Mom<br />
Lillith in einer nächtlichen Einbruchsaktion<br />
die Spermien ihres Schwagers, den sie per Katzenhypnose<br />
ins Nirvana geschickt hat (Succubus);<br />
zwei Französinnen lassen sich von ihrer<br />
Wissenschaftsverrückten Freundin Fruchtbarkeitsdrinks<br />
andrehen, um eine künstliche<br />
Gebärmutter zu züchten (Pepita, Laura und<br />
Kitty), und eine Tankstellenbesitzerin trifft,<br />
vergessen an der Zapfsäule, die Tochter, die sie<br />
selbst nie hatte (Pit Stop). Wie gut, dass die US-<br />
Regisseurin Laura Terruso mit Dyke Dollar<br />
auch eine wirklich abgedrehte Story beigesteuert<br />
hat: Einst von lesbischen Aktivistinnen gedruckt,<br />
um auf ihre Benachteiligung im patriarchalen<br />
Finanzsystem hinzuweisen, erwacht<br />
ein Geldschein jedes Mal neu zum Leben, wenn<br />
er den Besitzer wechselt. Wie ein Flaschengeist<br />
weicht der „Dyke Dollar“ diesem dann nicht<br />
mehr von der Seite, bis er ihn zu einem homofreundlichen<br />
Menschen erzogen hat – eine<br />
herrlich schräge Utopie. ms<br />
REIFEPRÜFUNG<br />
Fr/uK/uS/CA 2001–2009, Edition Salzgeber<br />
15 ist ein schwieriges Alter.<br />
Man weiß noch nicht<br />
so viel, aber ahnt schon so<br />
manches, kann noch<br />
nichts, aber will schon<br />
mehr als alles. Auf Reifeprüfung<br />
sind gleich sechs<br />
<strong>Film</strong>e über 15-jährige<br />
Jungs drauf, die dem Zuschauer<br />
alles zwischen erstem Mal und letzter<br />
Unschuld erzählen. Lieblingsfilm des Rezensenten:<br />
Danach. Die Verfilmung eines Dennis-<br />
Cooper-Gedichts erzählt von drei jungen Perversen<br />
und einem unschuldigen Footballspieler<br />
und kommt ganz ohne Worte aus. Hübsch bunt<br />
und mit einer hübschen Pointe. Die hat auch<br />
Wofür hältst du mich?, ein kleines schottisches<br />
Proletarierdrama, in dem man nie genau weiß,<br />
wer wen wirklich will. Ein Sonnenstrahl trifft<br />
das Auge ist hübsch naturverbunden, obwohl<br />
es tränentreibend ist, jemandem dabei zuzusehen,<br />
wie er sich einem Baum anvertraut, weil er<br />
sonst niemandem hat, mit dem er über seine<br />
erste große Liebe reden kann. Dafür ist dieses<br />
Kleinod ganz wunderbar gedreht und erzeugt<br />
innerhalb weniger Bilder eine große Intimität<br />
und Nähe zu seinem Protagonisten. Das Jungsein<br />
eine immer schöne und einfache Sache ist,<br />
glaubt man vielleicht dann doch nur im Retrospekt.<br />
Reifeprüfung zeigt warum. ps<br />
KLEINE VANDALEN<br />
DE/CH 2007–2010, Edition Salzgeber<br />
Wenn man Kleine Vandalen<br />
als Indiz für die Qualität<br />
der Ausbildung an<br />
deutschen <strong>Film</strong>hochschulen<br />
anguckt, muss es dort<br />
von Leuten wimmeln, die<br />
genau wissen, wie man<br />
die Kreativität und das<br />
Talent ihrer Schützlinge<br />
in die genau richtigen Bahnen lenkt. Die sechs<br />
Kurzfilme von vor kurzem oder in Bälde von<br />
Hochschulen abgegangenen Herren und Damen<br />
sind ein einziger Grund, sich auf ihre<br />
Langfilme zu freuen. Egal ob Josephine Frydetzkis<br />
Brandenburg-Melodram B96 mit einem<br />
wunderbaren Harry Baer, die Punkromanze<br />
Love Kills von Tor Iben oder das nächtlich-inzestuöse<br />
Bübchen-Schaulaufen Zwillinge von<br />
Florian Gottschick, hier haben sechs <strong>Film</strong>emacher<br />
Geschichten über die schwule Selbstfindung<br />
zu erzählen, die von brüllend komisch<br />
über sozialdramatisch bis hocherotisch jeden<br />
Anspruch bedienen, den man als homosexueller<br />
Kinozuschauer so haben kann. Wer sich in<br />
den nächsten drei Monaten nur eine DVD<br />
kauft, sollte diese kaufen, es lohnt sich über<br />
alle Maßen. (Siehe auch Seite 12.) ps<br />
A SINGLE MAN<br />
uS 2009, regie: Tom Ford, Senator<br />
Tom Fords schwelgerische<br />
und dramatisierte<br />
Isherwood-Verfilmung ist<br />
vor allem ein <strong>Film</strong> über<br />
das Älterwerden – und<br />
über die Unsichtbarkeit<br />
schwuler Lebensentwürfe<br />
in den USA vor den großenEmanzipationsbewegungen.<br />
„Der Vorwurf der Oberflächlichkeit,<br />
der den <strong>Film</strong> seit seiner Premiere bei den <strong>Film</strong>festspielen<br />
von Venedig fortwährend begleitet,<br />
blendet nicht nur konsequent aus, mit welcher<br />
Entschlossenheit Ford hier als schwuler<br />
Künstler Stellung bezieht. Er verfehlt zudem<br />
auch das innerste Wesen seiner filmischen<br />
Strategie. Letztlich gleicht A Single Man dem<br />
mit seinen riesigen Panoramascheiben und<br />
von Glas dominierten Außenwänden allen Blicken<br />
offenen John-Lautner-Haus, in dem der<br />
von Colin Firth gespielte George Falconer<br />
wohnt. Ford löst Isherwoods ‚stream of<br />
consciousness‘-Erzählung konsequent in einen<br />
Strom von Bildern auf, der Georges Innerstes<br />
offenbart. Seine makellosen, beinahe hermetisch<br />
wirkenden Einstellungen sind auf eine<br />
ganz und gar einzigartige Weise selbst gläsern,<br />
also durchsichtig und eben nicht oberflächlich.“<br />
(Sascha Westphal in SISSY 1/10)<br />
Vertrauensort,<br />
leseheimat,<br />
Anlaufstelle<br />
von PhIlIPP wagner<br />
Wer in Wien einen neuen regenbogennapf für den Kater<br />
braucht oder nicht-heterosexuelle Bücher oder DVDs, sollte in<br />
die Buchhandlung Löwenherz gehen. Mama kann man ruhig<br />
mitnehmen.<br />
s „Warum kaufst du eigentlich deine Sachen nur in der Buchhandlung<br />
Löwenherz?“, blickt mich mein Kollege über den Bildschirmrand<br />
hinweg fragend an. Was meint er bloß damit? „Meine Sachen“ ist ein<br />
doch recht weitgefächerter Begriff, und bei Löwenherz handelt es<br />
sich um eine spezielle Fachbuchhandlung.<br />
Aber nach genauer Selbstbetrachtung muss ich bekennen: Er hat<br />
schon recht. Wenn es sich nicht gerade um Flugtickets handelt, sind<br />
die Chancen recht hoch, dass ich die Löwenherzen aufsuche. Eigentlich<br />
bekomme ich da alles, was ich will: gedruckte Wissenschaft und<br />
Belletristik, Soundtracks, Klassik-CDs und Hörbücher, Independent-<br />
<strong>Film</strong>e und Hochglanzpornos auf DVD – und Regenbogennäpfe für<br />
meine Kater, Pins für den Anzug, Fahnen für die Parade.<br />
Meine erste Antwort auf die Frage des Kollegen ist: „Weil ich<br />
immer schon dort eingekauft habe.“ Das ist schon etwas wienerisch,<br />
zugegeben. Es fällt mir jedoch tatsächlich schwer, mich an eine Zeit<br />
„vor Löwenherz“ zu erinnern.<br />
Zum ersten Mal führte mich der Weg im Rahmen meines Studiums<br />
dorthin. Ich begann mich für Homo/Sexualitätsgeschichte zu<br />
interessieren und brauchte Literatur zu diesem Thema. Wer mir die<br />
Buchhandlung Löwenherz empfohlen hat – und ob das überhaupt<br />
passiert ist –, kann ich nicht mehr sagen. Und obwohl ich vorher noch<br />
nie dort gewesen war, wurde mir schnell klar, dass sie die beste Wahl<br />
dafür ist. Auf die Idee, mich in die Uni- und Institutsbibliotheken zu<br />
bemühen, bin ich gar nicht gekommen.<br />
Nichts Besseres konnte mir also passieren. Der helle Laden der<br />
Löwenherzen ist mir seitdem bibliophiler Vertrauensort, Leseheimat<br />
und Anlaufstelle für die vielfältigsten Lebensprobleme (Regenbogennäpfe!)<br />
geworden. Vielleicht bin ich vorbelastet. Meine Eltern haben<br />
einander im Buchhandel kennen gelernt. Und innerfamiliär waren<br />
wir uns immer einig: Bücher kann man/frau gar nicht genug lesen.<br />
Bei den DVDs bin ich bei weitem nicht so suchtgefährdet wie bei<br />
den Büchern, aber die Löwenherzen machen es einem schon schwer:<br />
Der für Buchhändler erstaunlich vorurteilsfreie Umgang mit <strong>Film</strong>en<br />
(schon zu VHS-Zeiten!) hat ein Angebot von vermutlich an die<br />
1.000 schwulen <strong>Film</strong>en wachsen lassen, das auch mich immer wieder<br />
schwach werden lässt.<br />
Mein persönlicher Suchtmittelindex: der viermal jährlich erscheinende<br />
Katalog. Gut aufbereitet und warmherzig werden Neuerscheinungen<br />
vorgestellt, Empfehlungen abgegeben und Veranstaltungen<br />
angekündigt. Denn es versteht sich von selbst, dass die Löwenherzen<br />
ihre Aktivitäten nicht auf den Verkauf von Büchern und anderen Spei-<br />
Jürgen Ostler, Thomas Kriegel und Veit Schmidt<br />
chermedien beschränken. Selbstverständlich sind sie in der Wiener<br />
Szene fest verankert und oft Schauplatz szenepolitischer Treffen. Eng<br />
verbunden ist die Geschichte der Buchhandlung mit der Etablierung<br />
der Regenbogenparade (des Wiener CSD) und des Regenbogenballs.<br />
Erste Ansprechpartner sind die Löwenherzen, wenn es um Projekte<br />
wie Ausstellungen geht, die das schwullesbische Leben in Wien bzw.<br />
Österreich behandeln. Und schließlich zahlt es sich auch immer aus,<br />
auf einen Tratsch vorbeizukommen – sei es mit den Löwenherzen<br />
oder den KundInnen, die gerade da sind. So kann es auch passieren,<br />
dass Beratungsgespräche („Ich suche etwas in Richtung …“) zu Gruppendiskussionen<br />
werden.<br />
StammkundInnen genießen natürlich gewisse Vorteile. Wer öfter<br />
dort einkauft, bekommt gerne auch „ungefragt“ Empfehlungen. Auf<br />
das Wagnis sollte man sich einlassen. Denn die Löwenherzen empfehlen<br />
nicht nur Lektüre aus dem immerselben Topf, sondern schlagen<br />
auch Bücher und <strong>Film</strong>e vor, die mal ganz anders sind, als man sie<br />
ansonsten konsumiert. Diese Buchhandlung ist tatsächlich noch eine<br />
echte Bildungseinrichtung.<br />
Also, es ist wirklich eine seltsame Frage, warum ich alle „meine<br />
Sachen“ nur in der Buchhandlung Löwenherz kaufe. s<br />
PS: Meine Mutter ist mittlerweile auch Stammkundin.<br />
PPS: Löwenherz bietet gerade wieder einen Ausbildungsplatz an.<br />
Bewerbung bitte an buchhandlung@loewenherz.at<br />
Philipp Wagner ist Historiker und Autor von „Homosexualität und<br />
Gesellschaft. Ein Beitrag zur Geschichte der Homosexuellenbewegung<br />
in Wien nach 1945“.<br />
Homosexualität und<br />
Gesellschaft<br />
von Philipp Wagner<br />
124 Seiten, kartoniert<br />
VDM Verlag Dr. Müller,<br />
www.vdm-verlag.de<br />
44 45<br />
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