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WAS HOLLYWOOD NICHT ERLAUBT - Sissy

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frisch ausgepackt<br />

schen Sex, Biertrinken, große Sprüche klopfen,<br />

Wohnungen verwüsten und den ‚echten‘ Terroristen<br />

dabei in die Quere kommen. Und der<br />

junge Israel Rodríguez spielt den Xabi grandios,<br />

fiebrig, nervös, physisch. Dass der kleine<br />

Gangster sich auf dem Strich wieder von einem<br />

älteren Mann aufreißen lässt – diesmal aber<br />

von einem ‚guten‘ Polizisten – und dadurch<br />

erst die Kurve kriegt, wird nicht weiter problematisiert.<br />

Ein Date im Knast jedenfalls ist eine<br />

interessante Happy-End-Variante. jk<br />

DRIFTER<br />

D 2007, Regie: Sebastian Heidinger, Edition Salzgeber<br />

Der junge dffb-Absolvent<br />

Sebastian Heidinger<br />

hat in seinem<br />

Dokumentarfilm Drifter<br />

Daniel, Angel und<br />

Aileen begleitet, drei<br />

Jugendliche, die sich<br />

am Bahnhof Zoo ihre<br />

Drogen besorgen, anschaffen<br />

gehen oder in<br />

Notunterkünften unterkommen. Es geht ihm<br />

um ihren Alltag, nicht um ihre Geschichte.<br />

Um das tägliche Durchhalten, Weitermachen<br />

und ‚Driften‘, ohne familiären Halt und mit<br />

wenig öffentlicher Unterstützung. Ein schonungsloser<br />

und sehr menschlicher Film über<br />

die Sucht und die prekären Beziehungen der<br />

um sie Kreisenden. „Es war unser Anspruch,<br />

uns als Personen komplett da reinzugeben. Auf<br />

der anderen Seite bist du als Regisseur natürlich<br />

ganz stur auf Material und gute Szenen<br />

angewiesen. Einerseits mussten wir im Sinne<br />

des Films überall dabei sein, andererseits aber<br />

auch das Gefühl behalten, dass wir ein paar Sachen<br />

nicht zeigen wollen, um die Jugendlichen<br />

zu schützen. Und natürlich ist es auch für uns<br />

hart, eine Fixszene zu drehen.“ (Sebastian Heidinger<br />

in der SISSY 02/09)<br />

MILK<br />

USA 2008, Regie: Gus van Sant, Highlight<br />

Ob Milk in 20 Jahren<br />

noch so sehenswert<br />

sein wird wie My own<br />

private Idaho heute,<br />

bleibt abzuwarten. Wo<br />

sich Idaho wegen van<br />

Sants intim-privater<br />

Metaphern in Bild<br />

und Figuren nie ganz<br />

erschließt und geheimnisvoll<br />

anziehend bleibt, ist Milk filmisch gesehen<br />

ein politisches Pamphlet. Ein wichtiges,<br />

großartig gespieltes und gesellschaftlich wirksames,<br />

keine Frage. Aber das Celluloid-Denkmal<br />

für den ersten offen schwulen Politiker der<br />

Welt ist nicht mit Preisen überhäuft worden,<br />

weil ein Meisterregisseur hier etwas filmisch<br />

wirklich Bemerkenswertes abgeliefert hätte.<br />

Sondern weil die Gesamtgesellschaft so weit<br />

war, Schwule im Kino 30 Jahre alte politische<br />

Forderungen stellen zu lassen, die zum großen<br />

Teil immer noch unerfüllt sind. Wer ihr dafür<br />

dankbar ist, hat Harvey Milk nicht verstanden.<br />

Es geht nicht darum, ihn zu feiern und sich<br />

über Erreichtes zu freuen, sondern darum, die<br />

alten Forderungen endlich umzusetzen. Als<br />

Anregung dafür ist van Sants Film so geeignet<br />

wie kaum einer vor ihm und sollte genau deswegen<br />

jetzt von jedem schwulen Mann auf diesem<br />

Planeten gesehen werden. ps<br />

ROSAS RACHE<br />

Filme und tagebücher seit 1960. Hrsg. v. Anke vetter.<br />

Martin Schmitz verlag 2009<br />

MEINE MÜTTER –<br />

SPURENSUCHE IN RIGA.<br />

D 2008, Regie: Rosa von Praunheim, Basis Film<br />

„Das Private ist politisch“,<br />

fand nicht nur<br />

die bundesrepublikanischeSchwulenbewegung<br />

der 70er Jahre,<br />

sondern findet bis heute<br />

Rosa von Praunheim.<br />

15 Jahre nach seiner<br />

Autobiografie mit Tagebuchausschnitten<br />

„50<br />

Jahre pervers“ lässt er nun ein weiteres Mal in<br />

seine Aufzeichnungen blicken. Keine einfache<br />

Aufgabe für die Herausgeberin Anke Vetter,<br />

aus den zahlreichen Kladden eine Auswahl zu<br />

treffen und zur 336 Seiten starken, reich bebilderten<br />

„Rosas Rache“ zusammenzustellen.<br />

Die ersten Einträge aus 1960. Der 17-jährige<br />

Holger nennt sich noch lange nicht Rosa und<br />

vom selbstbewusst kämpferischen Schwulenaktivisten<br />

Praunheim ist noch nichts zu<br />

spüren: Einen Freund, den er in Verdacht hat,<br />

„widergeschlechtlich veranlagt“, zu sein, will<br />

er sich lieber vom Leib halten. Als frischgebackener<br />

Student an der HdK Berlin bereitet ihm<br />

die von Schwulen bevölkerte Welt der Künstler<br />

heftige Sorge: „Es ist so schwer, charakterfest<br />

zu bleiben“. 1962 schließlich hat er zum ersten<br />

Mal Sex mit einem Mann: „Es war ein großes<br />

Erlebnis für mich. Obwohl ich nicht pervers zu<br />

sein glaube, war es für mich so ästhetisch, dass<br />

ich es nicht bereue“. „Rosas Rache“ enthüllt<br />

Praunheims Persönlichkeit wie seine künstlerischen<br />

Überzeugungen: „Ich brauche Leute,<br />

die darauf eingehen, mich anzuregen.“ Solch<br />

Inspirationsquellen findet er immer wieder,<br />

meist sind es kämpferische Frauen und Exzentrikerinnen<br />

wie Lotti Huber, Charlotte von<br />

Mahlsdorf und seine Tante Luzi Krynn (Die<br />

Bettwurst). Nicht mit allen klappt die kreative<br />

Symbiose. Die Faszination für die „völlig ver-<br />

rückte“ und „irre provozierende“ Nina Hagen<br />

schlägt nach wenigen Wochen der Zusammenarbeit<br />

um. „Ich sehe sie immer mehr als kapitalistische<br />

Glamourhure. Erfolg um jeden Preis,<br />

absolut egozentrisch. Ich sehe nichts Progressives<br />

mehr an ihr.“<br />

Aber auch gegen sich selbst ist Praunheim<br />

schonungslos. Er klagt über Geldsorgen und<br />

mangelnde Anerkennung und gesteht seinen<br />

Neid auf den Erfolg von Regiekollegen wie<br />

Werner Herzog, Tom Tykwer und Rainer Werner<br />

Fassbinder.<br />

„Filme zu machen ist nicht die Hauptsache, die<br />

Hauptsache ist, intensiv zu leben: Erfahrungen,<br />

Abenteuer, Erkenntnisse“ (1972).<br />

„Auf den Friedhof zu<br />

Mutter, anschließend<br />

in das Pornokino“<br />

heißt es einmal lapidar.<br />

Erst kurz vor ihrem<br />

Tod hatte Gertrud<br />

Mischwitzky, mit der<br />

er viele Jahre zusammen<br />

in seiner Berliner<br />

Wohnung zusammengelebt<br />

hatte, ihm offenbart, dass er nicht ihr<br />

leiblicher Sohn, sondern ein Kind aus einem<br />

Rigaer Waisenhaus ist. Die Suche nach seiner<br />

wahren Mutter, die ihn tief in die Geschichte<br />

Lettlands und in die Zeit der Besatzung durch<br />

die deutsche Wehrmacht führte, dokumentiert<br />

Praunheim in seinem berührenden Film<br />

Meine Mütter, der nun als DVD erschienen ist.<br />

Die Recherche ist nach vielen Irrwegen zuletzt<br />

schließlich erfolgreich. „Der Tag, vor dem ich<br />

mich gefürchtet hatte, der Dreh im Zentralgefängnis<br />

von Riga. Ich bekam Panik, als ich<br />

vor dem Tor stand. (…) Ein Oberarzt und eine<br />

Wärterin führten uns in einen kleinen Raum<br />

mit einem gynäkologischen Stuhl. Sehr wahrscheinlich<br />

bin ich hier geboren worden“, notiert<br />

er während der Dreharbeiten im Tagebuch.<br />

Im Interview, das der DVD als Bonus beigegeben<br />

ist, resümiert Praunheim: „Mein Passname<br />

ist Holger Mischwitzig, mein Geburtsname<br />

Holger Radke. Mein Künstlername ist Rosa<br />

von Praunheim (…) Das ist der Name auf den<br />

ich stolz bin. Ich habe mich selbst geschaffen,<br />

so wie ich mich empfinde und trotzdem bin ich<br />

meinen beiden Müttern dankbar.“ as<br />

NACHRUF<br />

von jan künemund<br />

zum tod von Pina Bausch (1940–2009)<br />

s www.youtube.com/watch?v=8rK6TJyGAHw: Ein Mann mit unbeweglichem<br />

Gesichtsausdruck. Nach dem Orchestervorspiel singt eine<br />

Frau „The Man I Love“ von George Gershwin. Der Mann übersetzt<br />

die Zeilen des Lieds in Gebärden. Bei „big and strong“: großer Bizeps.<br />

Bei „smile“: nach oben gerichtete Mundwinkel. Bei „understand“:<br />

Zeigefinder, der von der Stirn auffährt. Bei „who would? would you?“:<br />

ein mehrfaches Hin und Her der Hand zu sich und von sich weg.<br />

Lutz Förster tanzt „The Man I Love“ im Stück „Nelken“ von Pina<br />

Bausch, die am 30. Juni verstarb. In ihrem Tanztheater waren die<br />

Tänzer nie abstrakte Zeichen im Raum, sondern Körper, angefüllt mit<br />

Begehren, Aggression, Zärtlichkeit, Sehnsucht. Der Tanz von Förster<br />

entstand aus dem erinnerten Versuch, einem tauben Mann seine<br />

Liebe zu gestehen – Pina Bausch machte daraus die bewegte Tragödie<br />

eines Menschen, der seine Gefühle nicht artikulieren kann.<br />

Some day he’ll come along, the man I love;<br />

And he’ll be big and strong, the man I love;<br />

And when he comes my way, I’ll do my best to make him stay.<br />

Eine gestreckte<br />

Hand zwischen<br />

den Augen („The“)<br />

wird zur Brust<br />

heruntergenommen<br />

(„Man“), vor<br />

der Brust bilden<br />

die drei mittleren<br />

Finger eine Höhle,<br />

der Daumen zeigt<br />

zum Brustkorb,<br />

der gespreizte kleine Finger zeigt nach außen („I“), beide Arme werden<br />

über der Brust verschränkt, die Hände zur Faust geschlossen<br />

(„Love“).<br />

Pina Bausch im Film: Was tun Pina Bausch und ihre Tänzer in Wuppertal?<br />

(Klaus Wildenhahn 1983), Fellinis Schiff der Träume (Federico<br />

Fellini 1983), Eines Tages fragte mich Pina (Chantal Akerman 1985),<br />

A Primer for Pina (Susan Sontag 1985), Die Klage der Kaiserin (Pina<br />

Bausch 1989), Damen und Herren ab 65 (Lilo Mangelsdorff 2002),<br />

Sprich mit ihr (Pedro Almodóvar 2002), Coffee with Pina (Lee Yanor<br />

2003, Bild oben) s<br />

32 33<br />

lEE YANOR (FilMStill AUS „A cOFFEE WitH PiNA“)<br />

PiNA BAUScH (FilMStill AUS „NElKEN – lES OEillEtS“, 1983)<br />

nachruf<br />

EIN GUTES BUCH.<br />

EIN GUTER FILM.<br />

EIN WICHTIGES THEMA.<br />

HARVEY MILK – EIN LEBEN<br />

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DAS PACKENDE BUCH VON RANDY SHILTS<br />

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THE TIMES OF HARVEY MILK<br />

DER OSCAR-PRÄMIERTE DOKUMENTARFILM VON<br />

ROBERT EPSTEIN UND RICHARD SCHMIECHEN<br />

WWW.SALZGEBER.DE

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