WAS HOLLYWOOD NICHT ERLAUBT - Sissy
WAS HOLLYWOOD NICHT ERLAUBT - Sissy
WAS HOLLYWOOD NICHT ERLAUBT - Sissy
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sissy Ausgabe<br />
Homosexual’s Film Quarterly<br />
drei · September bis November 2009 · kostenlos<br />
s Ang Lee: Das Recht auf ein bisschen Glückseligkeit s Emma & Marie: Geheimes Geisterreich der Gefühle s Liebeslied für Yngve:<br />
Exzentrisch frisierte Heterojungs s Kommt Mausi raus?! Endlich! s Opern-Schwärmerei: Herb-zarte Jungmännlichkeit s Charlie David:<br />
Nischenexistenz s Louise hired a contract killer: Es braucht mindestens zwei Helden s Der Hochspringer: Sebastian Urzendowsky<br />
s Jack Smith: Endlich aus dem Safe befreit s Eck-Stacy: 15 Jahre „Oscar Wilde“ s „Ein Star ist eine Frau“: Ein kurzer Flirt mit Anna Magnani
<strong>Sissy</strong> drei<br />
Was, schon wieder ein Coming-Out-Film? Brauchen wir so was noch?<br />
Haben wir das nicht schon tausend Mal gesehen? Ist Queer Cinema<br />
nicht mehr als das?<br />
Der Junge mit den roten Haaren und der supercoolen Sonnenbrille<br />
(Modell von 1989) auf unserem Titel heißt Jarle und er ist Der<br />
Mann, der Yngve liebte. Also die Hauptfigur eines jener Coming-Out-<br />
Filme, die wir in der Tat unbedingt brauchen und den man so noch nie<br />
gesehen hat. Wie unser Autor bestenfalls anreißen kann, werden in<br />
der vor zwanzig Jahren angesiedelten Geschichte eines jugendlichen<br />
Möchtegern-Punksängers aus der immerhin viertgrößten<br />
Stadt Norwegens ganze Geflechte von popkulturellen Querverweisen,<br />
Jugend-Codes und Subkultur-Zeichen in einem<br />
handfesten und äußerst rührenden Identitätskonflikt queer<br />
infrage gestellt. Gleichzeitig sieht man mit Mitte/Ende Dreißig<br />
oder auch älter mit Nostalgie darauf, denn Subkulturen<br />
gibt es ja heute kaum noch. Wie die Jugendlichen von heute<br />
ihr Coming-Out erleben, wird sich in den Filmen der nächsten<br />
Jahre zeigen. Wir freuen uns auf sie.<br />
„Das Kino mit seinen klassischen Genres kann die Vorurteilskästchen<br />
nicht schließen, in die man Schwule immer<br />
noch steckt. Nur schwule Regisseure selbst können die klischeetriefenden<br />
Abziehbilder aus den Kinos und von den „Der Mann, der Yngve liebte“<br />
Bildschirmen verdrängen“, schrieb 1987 Hermann J. Huber<br />
in seinem Klassiker „Gewalt und Leidenschaft. Das Lexikon<br />
– Homosexualität in Film und Video“. Das war mit Visconti,<br />
Schroeter und Speck gegen die „Fummel-Spektakel“ und<br />
tragisch endenden „Hollywood-Melodramen“, gegen die<br />
komisch-exotischen Dreingaben homosexueller Figuren<br />
in die Massenunterhaltung gerichtet, denen Huber gerne<br />
eigene Bilder entgegenstellen wollte, die er aus 90-jähriger<br />
Kino- und Pornofilm(!)-Geschichte herausgesucht hatte.<br />
Bei nicht wenigen Schwulen und Lesben hatte er damit eine<br />
Filmleidenschaft entfacht und ein Gespür für die filmische<br />
Repräsentation schwuler Lebensentwürfe. Unser lieber<br />
Kollege, Wegbereiter, Schwärmer und Genießer Hermann<br />
J. Huber ist – viel zu früh – am 28. Juli gestorben. Bis zuletzt<br />
hat er, u.a. für die Zeitschrift „Adam“, das Queer Cinema auf Hermann J. Huber<br />
seine ganz persönliche Art begleitet und weiterhin „kantige<br />
Filme, glaubwürdige Antworten auch auf Aids und unerschrockene<br />
Auseinandersetzungen“ eingefordert.<br />
Wir tun das auch auf den folgenden Seiten und wünschen viel Spaß<br />
mit der SISSY III.<br />
vorspann<br />
3
mein dvd-regal<br />
4<br />
Rosa von Praunheim,<br />
Filmemacher<br />
OlivER SEcHtiNG<br />
5
kino<br />
Taking Woodstock<br />
von Ang Lee<br />
USA 2009, 120, DF und OmU<br />
Tobis, www.tobis.de<br />
Im Kino<br />
Bundesstart 3. September<br />
www.takingwoodstock.de<br />
Brokeback Mountain<br />
von Ang Lee<br />
CA/USA 2005, 134 Min<br />
Ufa, www.universumfilm.de<br />
Das Hochzeitsbankett<br />
von Ang Lee<br />
TW/USA 1993, 106 Min<br />
Arthaus, www.kinowelt.de/dvd<br />
JUST GO<br />
WITH THE FLOW<br />
von Thomas abelTshauser<br />
Nach „Das Hochzeitsbankett“ und „Brokeback Mountain“ geht es auch in Ang lees neuem Film um die<br />
Story eines schwulen Mannes. in der Komödie „taking Woodstock“ organisiert der junge Elliot ein Festival<br />
auf der grünen Wiese, das sich zum Geschichte machenden Ereignis auswächst und Elliot dabei hilft, sich<br />
selbst zu finden. im interview mit SiSSY am tag nach der Weltpremiere in cannes erklärt der 56-jährige UStaiwanesische<br />
Filmemacher seine vorliebe für schwule Figuren, seinen Außenseiterblick und warum er sich<br />
nicht auf ein Genre festlegen lassen will.<br />
s sissy: Was interessierte Sie an Woodstock? Der Mythos<br />
oder die Geschichte dieses Jungen?<br />
Ang Lee: Ich bin Elliott Tiber eher zufällig begegnet, in<br />
einer Fernsehstation in San Francisco, als gerade mein<br />
letzter Film Gefahr und Begierde herauskam. Er war<br />
wegen seiner Autobiographie dort und hinter den Kulissen<br />
gab er mir einen 1-Minuten-Pitch mit den besten<br />
Woodstock-Anekdoten, wie er das Festival initiierte und<br />
auch überlebte – und das hat mich überzeugt. Mir wurde<br />
vor allem klar, dass ich seit Der Eissturm nur Tragödien<br />
gedreht habe, sechs Stück in 13 Jahren, und dass es<br />
höchste Zeit war, etwas Leichtes zu machen, ohne jeden<br />
Zynismus. Ich hatte das Gefühl, dass ich mir nach all dem<br />
Drama das Recht auf ein bisschen Glückseligkeit und<br />
unschuldige Unterhaltung verdient hätte. Ich habe dann<br />
das Buch gelesen und wusste: Die Geschichte ist einfach<br />
perfekt dafür.<br />
Als Woodstock stattfand, im August 1969, lebten Sie noch<br />
in Taiwan. Was bedeutet Ihnen Woodstock?<br />
Damals sah ich es nur im Fernsehen und hörte die Musik.<br />
Erst später erkannte ich die symbolische Kraft, die es<br />
hatte. Es ging um die Unschuld einer jungen Generation,<br />
die sich vom alten Establishment löste, auf der Suche<br />
nach einer Möglichkeit, mit Menschen anderer Kulturen<br />
friedlich zusammenzuleben. Und auch mit der Natur<br />
selbst. Klar ging es auch um Sex, Drogen und Rock’n’roll.<br />
Damals wurden einige Dinge gepflanzt, die wir heute<br />
sehr viel ernster nehmen. Es ist ein ikonischer Event,<br />
tOBiS<br />
ohne Frage. Und es wurde romantisiert, verherrlicht. Als ich mit<br />
der Recherche begann, stellte ich schnell fest, dass es auch ziemlich<br />
schmutzig zuging, und ich meine damit nicht nur den Schlamm auf<br />
den Wiesen. Es war auch ein dreckiges Geschäft. Aber man muss der<br />
halben Million Hippiekinder zugute halten, dass es tatsächlich drei<br />
Tage voller Liebe, Friede und Musik wurden, gewaltfrei. Das wäre<br />
heute unvorstellbar und das vermisse ich.<br />
Was war das Schwierigste an diesem Dreh?<br />
Dass die Komparsen echt wirkten. Junge Leute heute haben einfach<br />
eine völlig andere Körperhaltung und sehen ganz anders aus. Das hat<br />
gar nicht so viel mit den Frisuren zu tun. Es war wirklich schwer,<br />
Jungs zu finden, die schlank und fit aussehen, ohne wie Sportstudio-<br />
Abonnenten zu wirken und komplett rasiert zu sein. Damals hatten<br />
Typen noch Schamhaare und sahen nicht aus wie Ken-Puppen!<br />
Das sagt viel mehr über den Unterschied von 40 Jahren aus als alles<br />
andere.<br />
Nach „Das Hochzeitsbankett“ und „Brokeback Mountain“ hat Ihr<br />
neuer Film wieder eine schwule Hauptfigur. Zufall?<br />
Wir alle sind doch unglaublich komplizierte Wesen und schwer in<br />
Schubladen zu stecken. Nehmen Sie nur Wilma, die Securitytranse in<br />
Taking Woodstock. Sie ist unglaublich stark und schwer zu definieren.<br />
Wer oder was ist er oder sie? Wir alle bestehen aus unendlich vielen,<br />
teilweise widersprüchlichen Elementen. Mich interessieren vor allem<br />
großartige, dramatische Geschichten, und die haben – zufällig oder<br />
nicht – oft mit Homosexualität zu tun. Sie faszinieren mich und ich<br />
versuche, sie so wahrhaftig wie möglich darzustellen und hoffe, die<br />
Zuschauer reagieren darauf ebenso komplex. Die drei Filme, die Sie<br />
hier vergleichen, sind doch grundverschieden, auch wenn zumindest<br />
die ersten beiden von Tabus handeln. Das Hochzeitsbankett ist ein<br />
traditionelles asiatisches Familiendrama, Brokeback Mountain ein<br />
epischer Western. Die Idee zu Das Hochzeitsbankett kam mir beim<br />
Duschen, das Drehbuch habe ich selbst geschrieben und es beinhaltet<br />
viel meiner eigenen Welt, etwa die Elternfiguren. Brokeback Mountain<br />
ist das krasse Gegenteil: Meine Lebenserfahrung könnte gar nicht<br />
weiter entfernt sein vom Dasein schwuler Rancher in Wyoming. Im<br />
Gegensatz zu den ersten beiden Filmen ist in Taking Woodstock das<br />
Schwulsein nicht das Thema oder der Kern der Geschichte, sondern<br />
Teil des Ganzen und wir nehmen es wie Hippies: Anything goes. Just<br />
go with the Flow. Alles geht, lass dich nur treiben. Wissen Sie, ich bin<br />
in Taiwan aufgewachsen, aber ich war immer ein Fremder, immer<br />
ein Außenseiter. Deshalb hasse ich es, in Schubladen oder Kategorien<br />
gesteckt zu werden. Ich möchte auch nicht mit einem bestimmten<br />
Genre identifiziert werden. Ich möchte als ich selbst gesehen werden,<br />
so kompliziert oder simpel ich auch sein mag, deswegen mache ich<br />
diese Art Filme. Aber ich möchte nicht, dass sie kategorisiert werden.<br />
Sie wechseln scheinbar problemlos zwischen Projekten in den USA und<br />
Asien…<br />
Ich arbeite sehr hart. So problemlos ist das nicht.<br />
Wo fühlen Sie sich eher zu Hause? Sie leben seit über 30 Jahren in Amerika.<br />
Die ehrlichste Antwort wäre: Ich lebe in meinen Filmen. Ich borge<br />
mir einen Film nach dem anderen als meine Heimat. So sehe ich das.<br />
Daneben ist natürlich New York mein Zuhause, weil dort meine Familie<br />
lebt, meine Frau, meine Kinder. Wenn ich nach Taiwan zurückkehre,<br />
um meine Mutter und meine Geschwister zu besuchen, fühlt<br />
sich das ein bisschen wie Heimkommen an, aber zugleich fühle ich<br />
mich wie ein Gast. Ich kann dort nicht auf die Straße, weil mich sofort<br />
Passanten erkennen und auf mich zustürzen. Ich habe dort keine<br />
Freiheit, keine Entspannung.<br />
Warum wechseln Sie so häufig die Genres? Nach dem Riesenerfolg<br />
von „Tiger & Dragon“ gab es doch bestimmt weitere Angebote, einen<br />
Schwertkampffilm zu drehen…<br />
Viele! Aber das hat mich nicht interessiert. Ich hatte das hinter mir.<br />
Und ich möchte als Regisseur nicht gemietet werden. Die Leute sollen<br />
Ang Lee (rechts) bei den Dreharbeiten zu „Taking Woodstock“.<br />
nicht wissen, was sie von mir erwarten können, das würde mir Angst<br />
machen. Wie können sie es wissen, wenn ich es selbst noch nicht mal<br />
weiß? Das gibt mir Freiheit und die Möglichkeit, den Nervenkitzel<br />
zu erleben, was ich in einem bestimmten Material entdecken könnte.<br />
Man muss sich wohl auf eine Art Genre einigen, damit sie es verkaufen<br />
können, auch dem Publikum. Aber davon abgesehen, finde ich, ist<br />
es besser, möglichst schwer durchschaubar zu sein. Glücklicherweise<br />
habe ich mir das Recht dazu verdient.<br />
Viele Ihrer Filme drehen sich um Identitätsfragen…<br />
Ja, die Konfrontation mit dem was man will und die Angst davor. Das<br />
ist so etwas wie mein roter Faden. Man kann vor sehr vielem Angst<br />
haben und man fühlt sich machtlos. Es ist wie eine negative Kraft.<br />
Je mehr man dagegen ankämpft, umso stärker zieht es einen an. Wie<br />
ein schwarzes Loch. Ich rede oft auf diese Weise über Filme und deshalb<br />
wähle ich auch so unterschiedliche Projekte, weil für mich auch<br />
Filme solche schwarzen Löcher sind. Sie können mich zerstören, aber<br />
wenn ich heil wieder rauskomme, ist es eine große Befriedigung. Das<br />
Erlebnis ist es wert.<br />
Sie fühlen sich von Themen angezogen, die Ihnen Angst machen?<br />
Die fremdartig sind, ja. Wenn sie mir zu vertraut sind, langweilen sie<br />
mich. Dann wird es nur noch Malen nach Zahlen. Ich beschäftigte<br />
mich ein, zwei Jahre mit einem Projekt und wenn ich erst am Ende<br />
herausbekomme, worum es wirklich geht, vielleicht auch erst, wenn<br />
der Film fertig ist und ich in Gesprächen meine Situation reflektiere,<br />
finde ich das faszinierend. Aber diesmal stand wie gesagt eher im Vordergrund,<br />
nach den belastenden Drehs der letzten Jahre etwas Optimistisches,<br />
Lebensbejahendes zu drehen.<br />
Haben Sie nach dieser „leichten“ Erfahrung mehr Lust auf Komödien<br />
bekommen?<br />
Auf jeden Fall. Es war eine sehr schöne, aber auch enervierende<br />
Erfahrung. Wenn in einer Komödie keiner lacht, hast du versagt.<br />
Bei einem anspruchsvollen Drama kann man immer behaupten, das<br />
Publikum hat es halt nicht geschnallt. Ich würde gerne einmal eine<br />
richtig platte Komödie ohne jede Bedeutung machen. Das muss die<br />
höchste Kunst sein. s<br />
6 7<br />
kino<br />
tOBiS
kino<br />
Mulligans<br />
von Chip Hale<br />
CA 2008, 90 Min, OmU<br />
Edition Salzgeber, www.salzgeber.de<br />
Im Kino<br />
Gay-Filmnacht im September<br />
www.gay-filmnacht.de<br />
Charlie David<br />
„Dante’s Cove“, Staffel 1 und 2,<br />
sind bei Pro-Fun Media erschienen.<br />
Charlie Davids Roman zum Film<br />
„Mulligans“ (250 Seiten, Paperback,<br />
$14.95) sowie das Nachfolgewerk<br />
„Boys Midflight“ (230 Seiten,<br />
Paperback, $16,95), die Geschichte<br />
der ersten schwule Liebe eines<br />
19-jährigen Models, sind bei Palari<br />
Publishing, Richmond erschienen.<br />
KEINE EXPLOSIONEN,<br />
KEINE VERFOLGUNGS JAGDEN,<br />
KEINE KINDER<br />
von axel schock<br />
Das kanadische Multitalent charlie David hat sich beim Spielfilm „Mulligans“ erstmals auch als<br />
Drehbuchautor und Produzent ausprobiert. Ein Gespräch über Schauspielangebote nach dem coming-Out,<br />
die schwule Kulturnische, enttäuschte Frauen und harte vorgaben für die ersten Eigenproduktionen.<br />
s Die Davidsons scheinen eine geradezu perfekte,<br />
glückliche Familie zu sein. Der Vater Nathan ein sportiver<br />
Golfnarr, die Mutter eine verständnisvolle beste Freundin<br />
für alle und Sohn Tyler (Derek James) ein smarter Strahlemann.<br />
Der hat seinen besten Freund Chase (Charlie<br />
David) eingeladen, den Sommer gemeinsam am idyllisch<br />
gelegenen Haus am See zu verbringen. Kurz bevor das<br />
Idyll in Pilcher-Kitsch abzudriften droht, bringt es Chase<br />
mit seinem eher beiläufigen Coming-Out jedoch ins Wanken.<br />
Der 27 Jahre junge Charlie David hat sich bereits in<br />
vielen beruflichen Feldern sehr erfolgreich ausprobiert:<br />
Er arbeitete als Model, war einige Jahre Mitglied der US-<br />
Boyband 4Now, bevor er sich als Schauspieler etablierte.<br />
Mit seiner Rolle in der Mystery-Soap Dante’s Cove, einer<br />
Hochglanz-Trashperle des schwul-lesbischen Fernsehsenders<br />
here! TV, schuf sich der Kanadier David in den<br />
USA einen ersten Fankreis. Für Out TV, das kanadische<br />
Pendant zu here tv, steht er bereits in der vierten Staffel<br />
als Moderator des lesbisch-schwulen TV-Reisemagazins<br />
Bump! vor der Kamera (hierzulande bei TIMM zu sehen).<br />
Mit dem Spielfilm Mulligans hat sich Charlie David nun<br />
erstmals auch als Drehbuchautor und Produzent ausprobiert.<br />
SISSY hat sich mit ihm getroffen.<br />
sissy: Du bist derzeit als Schauspieler sicherlich nicht<br />
gerade unterbeschäftigt. Wieso produzierst du denn jetzt<br />
auch noch?<br />
Charlie David: So habe ich wesentlich mehr Einfluss auf<br />
das Gesamtprojekt, als ich es als Schauspieler allein<br />
je haben könnte. Und als Schauspieler bist du ständig<br />
von der Gnade von Castingchefs, Regisseuren und Produzenten<br />
abhängig, die entscheiden, ob du einen Job<br />
bekommst. Jetzt stehe ich nun auf der anderen Seite der<br />
Macht und kann selbst entscheiden, welche Leute ich für<br />
ein Projekt haben will.<br />
„Bump!“, „Dante’s Cove“ oder Spielfilme wie „A Four Letter<br />
Word“ (2007) und „Kiss the Bride“ (2008) – Werden<br />
dir als offen schwuler Schauspieler keine anderen Rollen<br />
angeboten?<br />
Während meiner Zeit in der Boyband musste ich mein<br />
Schwulsein in der Öffentlichkeit verschweigen. Das wollte<br />
die Plattenfirma so. Damit war dann Schluss, nachdem<br />
ich die Rolle bei Dante’s Cove übernommen hatte. Meine<br />
Managerin Linda Carter hatte mir damals prophezeit:<br />
„Du wirst durch dein Coming-Out einige Rollen verlieren,<br />
und du wirst deshalb einige andere bekommen. Das Beste<br />
aber ist, wenn du dir deine eigenen Rollen schaffst, dann<br />
hast du die komplette Kontrolle über deine Karriere.“ Das<br />
war ein kluger Rat und ich habe ich daran gehalten.<br />
Du hast also eine schwule Nische entdeckt, die dir die passenden<br />
Rollen und ausreichend Arbeit verschafft?<br />
Die schwule Community ist in den USA zum Glück<br />
groß genug, dass sie mich durchfüttern kann (lacht).<br />
Die nächste Herausforderung wird sein, darüber hinauszukommen.<br />
Ich weiß allerdings noch nicht, was das<br />
für mich heißen soll. Dass ich Heteros spiele? Dass ich<br />
alles, nur keinen Schwulen mehr spielen möchte? Oder<br />
lieber Parts, bei denen die sexuelle Orientierung der<br />
Figur überhaupt keine Rolle spielt oder vielleicht sogar<br />
gar nicht bekannt ist…<br />
EDitiON SAlzGEBER<br />
„Mulligans“ ist dein Debüt als Drehbuchautor…<br />
Ich hatte mich vorher schon an Drehbüchern versucht. Meine Managerin<br />
Linda Carter, die auch meine Co-Produzentin ist, fand sie alle<br />
ganz gut, aber für mein Debütfilm stellte sie mir harte Regeln auf:<br />
keine Explosionen, keine Autoverfolgungsjagden, keine historischen<br />
Kulissen, keine Kinder und Tiere. (lacht) Also möglichst unproblematische<br />
Szenarien und eine überschaubare Zahl Charaktere und<br />
Schauplätze. Für mich lag es da nahe, eine Familiengeschichte zu<br />
erzählen.<br />
Mit dem Coming-Out deiner Filmfigur Chase eröffnen sich gleich zwei<br />
Konfliktherde: zum einen das Verhältnis der beiden Ehepartner, zum<br />
anderen das zwischen den beiden Freunden. Mit Derek James, dem Darsteller<br />
von Tyler bist du auch im wahren Leben sehr eng befreundet.<br />
Ich hatte von vornherein vor, ein Drehbuch für mich und Derek zu<br />
schreiben, denn unsere Freundschaft (zwischen einem heterosexuellen<br />
und einem schwulen Mann), ist eigentlich schon ein spannender<br />
Stoff für sich. Aber noch dynamischer macht es die zweite Ebene<br />
des Plots: Ein verheirateter Mann und Familienvater jenseits der 40<br />
hat sein Coming-Out und stellt damit das bisherige Familienleben<br />
völlig in Frage.<br />
Hattest du dabei ebenfalls ein reales Vorbild im Kopf?<br />
Mein eigenes Leben! Schließlich gab es Zeiten, da ich auch noch mit<br />
Frauen liiert war. Manchen habe ich erzählt, dass ich manchmal auch<br />
mit Männern schlafe, aber ihnen immer versichert, dass ich nur mit<br />
ihnen zusammen sein möchte. Manche zeigten sich auch sehr verständnisvoll.<br />
Aber ich habe mich gefragt: Kann ein Mann seine Ehefrau<br />
von Herzen lieben und doch auch erotische oder sexuelle Gefühle<br />
zu einem anderen Mann entwickeln? Natürlich ist das möglich, denke<br />
ich. In Mulligans spiele ich den Fall durch.<br />
Thea Gyll (Lindsay „Linz“ Peterson aus „Queer as Folk“) war ein großes<br />
Glück für die Realsierung wie auch nun für die Vermarktung des<br />
Films. Wie konntest du Sie dazu gewinnen? Mit außerordentlichen<br />
Gagen wohl kaum, oder?<br />
Nein, das in der Tat nicht. Aber sie ist eine gute Freundin von mir.<br />
ARSENAL – INSTITUTE FOR FILM AND VIDEO ART<br />
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06.08.09 22:42<br />
Wir haben beide ein Haus in Victoria/Kanada, dort haben wir auch<br />
PRESENT<br />
den Film gedreht. Die meiste Zeit des Jahres sind wir aus beruflichen<br />
Gründen allerdings in Los Angeles. Ich habe sie schon lange bewun- LIVE FILM! JACK SMITH!<br />
dert und in der zweiten Staffel von Dante’s Cove haben wir dann endlich<br />
auch zusammen gearbeitet. Bei einem Abendessen habe ich sie<br />
einfach mal gefragt: „Ich hab da dieses Drehbuch, nur eine kleine<br />
Sache, hast du mal Zeit da reinzuschauen – und vielleicht wäre die<br />
Rolle ja was für dich…“ Sie hat es dann tatsächlich über Nacht gelesen<br />
und mir am nächsten Tag bereits zugesagt. Für sie war die Rolle<br />
der Ehefrau Stacey eine neue Herausforderung und sie hat an mich<br />
geglaubt.<br />
Und wird es bei deinem nächsten Film nun Explosionen, Autojagden,<br />
Tiere und Kinder geben?<br />
(lacht) Tiere eher nicht. Vielleicht ein Rentier, für den Fall dass es<br />
doch noch ein Weihnachtsfilm werden sollte. Eine richtige Autojagd<br />
gibt es auch nicht, aber immerhin eine lange Autofahrt. Das Drehbuch<br />
FIVE FLAMING DAYS IN A RENTED WORLD<br />
BERLIN, OCT. 28 – NOV. 1, 2009<br />
stammt diesmal übrigens von Derek, eine Familienkomödie mit dem SPECIAL GUEST – MARIO MONTEZ LIVE!!!<br />
Titel Happy Hour. Darin muss ein Typ schleunigst heiraten, damit er<br />
das Erbe seiner verstorben Großmutter bekommen und legal im Land OVER 50 INTERNATIONAL GUESTS!<br />
bleiben darf. Und weil die Familie denkt, dass es sowieso Zeit für Mr.<br />
Right ist, setzen sie alles in Bewegung, um einen Ehemann für ihn zu<br />
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finden. Er überredet allerdings seinen besten heterosexuellen Freund, LECTURES! CONCERTS! INSTALLATIONS!<br />
den schwulen Lover und Bräutigam zu spielen…<br />
Und wie weit seid ihr?<br />
Ich bin gerade dabei, das Geld dafür aufzutreiben. Im November oder<br />
Dezember können wir hoffentlich drehen. Es wird etwas völlig anderes<br />
als Mulligans; das eine ist ein Drama, das andere eine Komödie.<br />
STAR-STUDDED HOMAGE<br />
TO RONALD TAVEL!<br />
Und du wirst auch mitspielen?<br />
Ich denke schon und ich hoffe, ich kriege den Part des Heterofreundes<br />
WWW.ARSENAL–BERLIN.DE<br />
(lacht). s JACK SMITH IN COLOGNE, 1974. PHOTO: E. MICHELIS<br />
8 9<br />
kino
kino<br />
SIE IST <strong>NICHT</strong>S.<br />
SIE IST NIEMAND.<br />
von birgiT binder<br />
Jesús Garays coming-Out-Drama „Eloïse“ läuft im September in der l-Filmnacht und<br />
ist ab 18. Oktober regulär im Kino zu sehen.<br />
s Ein blauer Wal hatte sich in den Mond verliebt. Während die anderen<br />
Wale nach Plankton suchten, stieg sie auf, um den Mond zu sehen.<br />
Sie war traurig. Nacht um Nacht sah sie den Mond, ohne ihn erreichen<br />
zu können. Und der Wal weinte und weinte. Eines Nachts schwamm<br />
der Wal in die tiefste Region des Meeres und sprang an die Oberfläche,<br />
höher als alle Wale jemals gesprungen waren. Aber der Mond war zu<br />
hoch und da sie ihn nicht erreichen konnte, warf sie ihm einen Kuss<br />
zu. Dieser Kuss war so voll von Liebe, dass das Wasser in der nächsten<br />
Nacht ein Abbild des Mondes reflektierte. (Eloïse zu Asia)<br />
Asia, 18, liegt im Krankenhaus im Koma, umsorgt von ihrer Mutter<br />
und ihrem Freund Nathaniel. Die filmischen Rückblenden, in denen<br />
der katalanische Regisseur Jesús Garay die Ereignisse vor Asias Einweisung<br />
erzählt, schrauben sich Schritt für Schritt immer weiter in die<br />
Vergangenheit der Architekturstudentin. Es ist ein langer Weg bis zu<br />
Asias Sprung, beginnt er doch, wie es sich für eine Tochter aus „besserem“<br />
Hause mit klammernder Über-Mutter gehört: Am Mensatisch<br />
mit zwei Freundinnen (die keine sind), den perfekten Boyfriend in spe,<br />
Nathaniel, beobachtend. Der hat zwar nur Augen für Asia, lädt aber<br />
dann doch alle Drei zum Kinobesuch mit zweien seiner Freunde ein.<br />
Wäre zuvor nicht Eloïse an ihrem Mittagstisch vorbei geschritten, über<br />
die sich Eríka und Norah abfällig äußern, bis Asia ihnen, ohne Eloïse<br />
kennengelernt zu haben, widerspricht, schauten wir dem Beginn einer<br />
bis zur Ödnis normierten Heterobeziehung in Barcelona zu.<br />
Garay inszeniert dieses auf dem Drehbuch von Christina Moncunill<br />
basierende Drama ohne Knalleffekte, ruhig, als atme man mühelos<br />
unter Wasser. Wenn Nathaniel und Asia in der Frontalen im Kino<br />
nebeneinander sitzen und auf die Leinwand, uns also, schauen, dann<br />
ist das wohl alltäglich zu nennen. Wenn Asia in einer kurzen Einstellung<br />
ihren Kopf zur Seite wendet und die Reihe entlang auf ein sich<br />
küssendes Paar schaut und erst dann Nathaniel ihre Hand halten lässt,<br />
ist das gleichzeitig ein kurzes Kommentar und eine feine Sequenz auf<br />
den vermeintlich natürlichen Zwang zur Reproduktion heterosexuellen<br />
Begehrens. Asia scheint die Situation zu genießen, nicht, weil sie<br />
agiert, sondern qua Imitation – Kino plus Händchenhalten mit Freund<br />
gleich prima, die da drüben machen’s ja genauso.<br />
Vielleicht ist es (nicht) der Kuss zwischen ihrem Freund Nathaniel<br />
und Uni-Freundin Eríka in der Disco, nachdem sich beide gut gelaunt<br />
ihres gemeinsamen homophoben Einverständnisses vergewissert<br />
haben, und (auch nicht) die Äußerung von Asias Mutter, die ihre Tochter<br />
von 23 Uhr bis 1 Uhr morgens mit den Worten „Du wirst mich endlich<br />
stolz auf dich machen!“ zum Lernen zwingt, die Asia eines Tages<br />
dem Aushang „Modelle gesucht“ in der Uni folgen lassen. Gewiss ist es<br />
ihre erste Abweichung vom geordneten Plankton-Ritual. „Ich wollte<br />
einmal etwas Impulsives tun“, wird sie Eloïse erklären, nachdem sie<br />
den ersten Schock, die offen lesbische Kommilitonin als Urheberin des<br />
Aufrufs im Zeichenraum wiederzufinden, überwunden hat. Im weiteren<br />
Verlauf des Films wird Asia dieses erste Auftauchen nicht mehr<br />
vergessen.<br />
Die am schwierigsten zu betrachtenden Szenen sind nicht die des<br />
inneren Mit-Sich-Selbst-Ringens von Asia, sondern die, deren erster<br />
Schein nicht eingelöst wird. Die ins Krankenhaus hastende Mutter (sie<br />
trägt bezeichnenderweise keinen Namen) findet Nathaniel am Krankenbett<br />
ihrer Tochter und stößt, Eloïse erwartend, hervor: „Wo ist<br />
sie?!“, woraufhin Nathaniel verwirrt zurückfragt: „Wer ist ‚sie‘?“ und<br />
die Mutter antwortet: „Sie ist nichts. Sie ist niemand“. Gerade diese<br />
beiden Figuren, die Mutter und Nathaniel, nie zur fratzenhaften Karikatur<br />
ach so normaler gesellschaftlicher Verhältnisse zu überzeichnen,<br />
ist ein besonderer Verdienst der Inszenierung. Bei allen stumpfen<br />
Äußerungen und tumbem Verhalten der beiden scheinen sie direkt aus<br />
jedermenschens Nachbarschaft auf die Straße getreten zu sein, nach<br />
jedem Gesetzbuch zu gewaltlos, um weggesperrt zu werden, aber nicht<br />
minder zerstörerisch, und zu ignorant-arrogant, um jemals ihren Status<br />
quo hinterfragt zu haben. Oder mit den Worten der Mutter: „Ich<br />
werde es verhindern!“, darauf Eloïse: „Was? Asias Glück?“<br />
„Eloïse“ ist bestes Schauspiel-Kino mit zwei Titelheldinnen, die<br />
eine Entdeckung sind. Dieser Film macht Mut, auch jenseits wohlbekannter<br />
Planktonbänke zu tauchen. Mit einer FSK 12 sind ihm in<br />
diesem Herbst viele junge Kino-ZuschauerInnen zu wünschen –<br />
Händchenhalten und Knutschen sind nicht obligatorisch. Und wenn<br />
wir tauchen wollen, um zu springen, dann so ungeduldig wie möglich,<br />
ohne Zögern. Geduld gehört sowieso zu den völlig überschätzten<br />
Tugenden. s<br />
Eloïse von Jesús Garay, ES 2009, 90 Min, OmU<br />
Pro-Fun Media, www.pro-fun.de<br />
Im Kino: L-Filmnacht im September, www.l-filmnacht.de<br />
Bundesstart: 18. Oktober 2009<br />
PRO-FUN MEDiA<br />
MAUSI KOMMT<br />
IM KINO RAUS<br />
von silvy Pommerenke<br />
Kaum ein lesbischer coming-Out-Film hat in Deutschland soviel Spaß gemacht wie „Kommt Mausi raus?!“,<br />
Angelina Maccarones erster Film. Unsere Autorin erinnert sich an einen Abend vor 14 Jahren.<br />
s Wieder einer dieser Abende, an denen kein Schwein anruft und<br />
alle anderweitig verabredet sind. Okay, dann also die Zeit mit Glotze,<br />
Chips und Bier verbringen. Es ist Mittwoch, der 7. Juni 1995 und<br />
gerade fängt auf dem Ersten ein Film an. Na, wenigstens etwas. Ich<br />
hasse es, wenn ich den Beginn verpasse, auch wenn der Titel Kommt<br />
Mausi raus?! mich jetzt nicht wirklich umhaut. Aus Ermangelung<br />
einer Fernbedienung bleibe ich auf meiner Couch und bei dem Film<br />
hängen und sehe eine freche Göre, die ihre Freundin zum Spielen<br />
abholen will. Na, das sieht doch schon mal ganz witzig aus. Womit<br />
ich allerdings nicht gerechnet habe ist, dass die nächste Szene eine<br />
typische Hamburger Altbauwohnung mit Pappbett, totalem Chaos,<br />
überfülltem Mülleimer und – jetzt wird es spannend – zwei nackten<br />
Frauen im Bett zeigt! Völlig überrascht vergesse ich Chips & Bier und<br />
bin die nächsten neunzig Minuten Feuer und Flamme!<br />
Damals war mir bereits klar, dass hier ein ganz besonderer<br />
Coming-Out-Film gezeigt wurde, der sich deutlich von den vorwiegend<br />
schwermütigen „Ich bin lesbisch und mir bleibt nur der Suizid<br />
oder die Zwangsheterosexualität übrig“-Filmen abhob. Wie sehr dieser<br />
Film Kultstatus erreichen würde, war Mitte der Neunziger allerdings<br />
noch nicht abzusehen. Angelina Maccarone, die damals noch<br />
unbekannte Drehbuchautorin und Co-Regisseurin, verpackte dabei<br />
auf äußerst humorvolle Weise das Coming out einer Kleinstadtlesbe<br />
in Klischees und Komik. Die damals ebenfalls noch unbekannte Julia<br />
Richter als Kati „Mausi“ Breuer verursachte mit ihren großen braunen<br />
Augen eine Revolution in hungrigen Lesbenherzen, und selbstredend<br />
sorgte auch Inga Busch als obercoole Jo für feuchte Träume.<br />
Eine der witzigsten Figuren ist aber wohl Katis Mutter, die von Gisela<br />
Keiner im tiefsten westfälischen Dialekt gegeben wird. Ganz großes<br />
Kino! Sämtliche Erfahrungen, die „datt Kati“ mit ihrer heterosexuellen<br />
Umwelt machte, hatte man ebenfalls erlebt. Sei es die bange Frage<br />
der besten Freundin, warum sie denn nie sexuell etwas von ihr wollte,<br />
über den Vorwurf, sie sei immer schon renitent gewesen und deswegen<br />
sei das Lesbischsein nur eine logische Konsequenz dieser Lebenseinstellung<br />
bis hin zu den Mackersprüchen, sie müsse es nur einmal<br />
richtig besorgt bekommen… Also Identifikationsfläche pur, die das<br />
Publikum in den Bann zog und zieht. Selbst die Heteros dürften ihren<br />
Spaß dabei haben.<br />
Angelina Maccarone hat diese urkomische Komödie mit extrem<br />
leichter Hand geschrieben. Vor allem die Szenen, als Mausi nach<br />
Hause in die Pampa irgendwo in Westfalen fährt, um sich endlich<br />
vor ihrer Mutter zu outen. Nachdem sie sich schließlich unter dem<br />
Deckmäntelchen der Verschwiegenheit der Mutter und der besten<br />
Freundin anvertraut hat, weiß es bereits eine halbe Stunde später<br />
das ganze Dorf. Ausgerechnet an diesem Wochenende ist auch noch<br />
Schützenfest, so dass die Nachricht wie eine Bombe einschlägt. Aber<br />
Kati hält sich wacker, auch wenn ihre Mutter ihr immer wieder Wurst<br />
auftischen will (obwohl sie doch jetzt Vegetarierin ist), die spießige<br />
Schwester sie mit Vorwürfen überhäuft, weil sie selbst keinen Mann<br />
abbekommen hat (und jetzt auch nicht mehr wird) und der Lover<br />
ihrer besten Freundin totalen Ärger macht, weil er Angst hat, dass<br />
Mausi seine Süße umpolt. Als dann auch noch die ehemalige Französisch-Lehrerin<br />
– Mausis erste große Liebe – mit Kind und Kegel auf<br />
dem Rummelplatz auftaucht und ihr einen Kuss abpflückt, da weiß<br />
Kati, dass ihr Platz definitiv nicht mehr in der Provinz ist. Aus dem<br />
langhaarigen Kleinstadtküken ist eine kurzhaarige Großstadtlesbe<br />
geworden und sehnsüchtig fährt sie nach Hamburg zu ihrer Liebsten<br />
Yumiko (Alexandra Wilcke) zurück, die ihr während der kritischen<br />
Tage in Westfalen am Telefon moralischen und seelischen Beistand<br />
gegeben hat.<br />
Kommt Mausi raus?! war der Anfang der Karriere Angelina Maccarones,<br />
denn zwei Jahre später folgte die ebenfalls unglaublich witzige<br />
Lesbenschmonzette Alles wird gut, und neben anderen Kinofilmen<br />
hat sie mit Fremde Haut von 2004 bewiesen, dass sie sich nicht<br />
nur auf Komödien versteht. Es ist wirklich höchste Zeit, dass Mausi<br />
endlich im Kino und als DVD rauskommt, denn es handelt sich hierbei<br />
auch um ein Stück lesbischer Zeit- und Kulturgeschichte. Außerdem<br />
kann man dann die in einem völlig desolaten Zustand befindliche<br />
VHS-Kassette (auf der man damals irgendwann zu nächtlicher Stunde<br />
den Film aufgezeichnet hatte) endlich gegen ein Medium des digitalen<br />
Zeitalters austauschen.<br />
Apropos damals: Es stellte sich am nächsten Tag heraus, dass<br />
ein Großteil meiner Freund/innen abends zuvor auch Kommt Mausi<br />
raus?! gesehen hatte. Einig waren wir uns schnell: Wir hatten lesbische<br />
Fernsehgeschichte live miterlebt und waren hellauf begeistert<br />
von dieser Coming-Out-Komödie, die auch heute nichts an Faszination<br />
eingebüßt hat! s<br />
Kommt Mausi raus?! von Alexander Scherer und Angelina Maccarone, D 1995, 90 Min, dt. OF<br />
Edition Salzgeber, www.salzgeber.de<br />
Im Kino: L-Filmnacht im Oktober, www.l-filmnacht.de<br />
10 11<br />
kino<br />
EDitiON SAlzGEBER
kino<br />
s Stavanger, eine norwegische Stadt im<br />
Jahre 1989. Es ist das Jahr, in dem die Berliner<br />
Mauer fällt. Doch das ist Jarle Klepp ziemlich<br />
egal. Er befindet sich gerade mitten in der<br />
Pubertät, die eigenen Befindlichkeiten sind<br />
wichtiger als die Weltpolitik. „Eher fällt die<br />
Berliner Mauer, als dass wir in einen coolen<br />
Club kommen“, sagt einer aus Jarles Clique zu<br />
Beginn des Films, nachdem die Freunde mal<br />
wieder von Türstehern nach Hause geschickt<br />
worden sind. Die Betonung liegt auf den<br />
„coolen Clubs“, Berlin dagegen ist weit weg.<br />
Etwas später fällt die Mauer dann tatsächlich,<br />
Fernsehbilder von dem Ereignis flackern<br />
im Hintergrund, als Jarle und seine Mutter<br />
im Wohnzimmer sitzen. Beide beachten den<br />
Fernseher kaum, Jarle schießen ganz andere<br />
Dinge durch den Kopf. Er will seiner Mutter<br />
endlich gestehen, dass er in zwei Menschen<br />
gleichzeitig verliebt ist, in ein Mädchen und in<br />
einen Jungen. Doch wieder einmal bringt er es<br />
nicht über die Lippen…<br />
Stian Kristiansen klammert die historischen Ereignisse von 1989<br />
in seinem Spielfilmdebüt Der Mann, der Yngve liebte nicht aus, sondern<br />
legt den Schwerpunkt auf das, was für die Jugendlichen in dieser<br />
Zeit tatsächlich eine Rolle spielte. Man hatte sich zu entscheiden: cool<br />
oder uncool. Punk oder Popper. Skateboard oder Tennis. Nietengürtel<br />
oder pastellfarbene Lacoste-Hemden. Sonic Youth oder Synthiepop.<br />
Für Jarle ist die Entscheidung von Anfang an klar, er fällt sie in<br />
den ersten Minuten des Filmes – Jarle will zu den Coolen zählen. Bei<br />
einem Klassenausflug geht er auf seinen Mitschüler Helge zu, der mit<br />
seinen halblangen Haaren und dem verwaschenen Parka bereits zu<br />
den Coolen gehört. Beide tasten einander ab, typische Checker-Fragen<br />
werden ausgetauscht. Nachdem sie sich darüber einig sind, dass<br />
„Psychocandy“ von The Jesus And Mary Chain zu den besten Alben<br />
der Achtziger gehört, kommt es zum Handschlag, die neue Freundschaft<br />
ist besiegelt.<br />
Mit Liebe zum Detail rekonstruiert Regisseur Kristiansen eine<br />
Zeit, als Jugendkulturen noch übersichtlich waren. Die Trennlinie<br />
verlief zwischen Angepassten und Nichtangepassten. Zwischenstufen<br />
und Ambivalenzen schienen auf den ersten Blick nicht zu existieren.<br />
Die Wahl der Musik war bereits ein klarer Ausdruck von<br />
POP ALS<br />
LEBENSHILFE<br />
von marTin büsser<br />
Jarle, ein norwegischer teenie und angehender Popstar, schreibt für seine Freundin<br />
ein liebeslied und nimmt es auf tonband auf. Dann verliebt er sich in Yngve und<br />
schenkt stattdessen ihm die cassette. Weil in „Der Mann, der Yngve liebte“ coming-<br />
Out und Popmusik untrennbar miteinander verbunden sind, ist unser Autor diesem<br />
zusammenhang mal auf den Grund gegangen.<br />
Weltanschauung. Wer Punk und Indie-Rock hörte, gab sich als Nonkonformist<br />
zu erkennen, war politisch tendenziell eher links. „Wahrer<br />
Kommunismus hat ja nie existiert“, wirft Helge beispielsweise im<br />
Schulunterricht ein, als der Lehrer mit glänzenden Augen das Ende<br />
des Sowjetkommunismus verkündet. Die anderen hingegen, die Disco<br />
und Elektropop hören, gelten als angepasste Konsum-Kids, unreflektiert,<br />
unkritisch, schnöselige Kinder reicher Eltern. So zum Beispiel<br />
ein Mitschüler, stets in hellblauem Anorak gekleidet, der Jarle und<br />
Helge hinterher läuft, auch zu den Coolen gehören möchte, aber deren<br />
Codes nicht kennt. Als er mitbekommt, dass die Band, in der Jarle und<br />
Helge spielen, demnächst einen Auftritt hat, fragt er allen Ernstes:<br />
„Klingt eure Musik so wie die Dire Straits?“<br />
Mit den Dire Straits hat die Mathias Rust Band rein gar nichts zu<br />
tun. Sie spielen Punk, ihr heimlicher Hit heißt „Pussy Satan Anarchy<br />
Commando“, eine Aneinanderreihung von allem, was sich irgendwie<br />
skandalös und verrucht anhört. Selbstverständlich handelt es sich<br />
um eine reine Jungs-Combo. Die einzige Frau im Proberaum, Jarles<br />
Freundin Cathrine, darf lediglich zuhören und kritische Kommentare<br />
zur Musik beisteuern, die bei den Jungs allerdings auf taube<br />
Ohren stoßen.<br />
ARSENAl<br />
Bereits in diesen Proberaum-Szenen deutet Kristiansen<br />
mit subtilem Humor an, dass die Coolen vielleicht doch<br />
nicht so nonkonformistisch sind, wie sie gerne wären. Die<br />
Verbissenheit, mit der sie für ihren ersten Liveauftritt<br />
proben, hat eher etwas von protestantischem Arbeitsethos<br />
als von lockerer Scheißegal-Haltung. Ähnlich verbissen,<br />
nämlich als reines Pflichtprogramm, erscheint<br />
längst auch die Beziehung von Jarle zu seiner Freundin<br />
Cathrine. In einer Band zu spielen und eine Freundin zu<br />
haben, erweisen sich als unhinterfragte hetero normative<br />
Statussymbole, die für Jarle erst ins Wanken geraten, als<br />
ein neuer Mitschüler auftaucht – Yngve. Der spielt hervorragend<br />
Tennis, liebt die „Synthiepop“-Band Japan<br />
und gehört damit eigentlich zu den Uncoolen, zu den<br />
Poppern. Trotzdem fühlt sich Jarle zu Yngve hingezogen,<br />
eines Nachmittags besucht er ihn, beide liegen in Yngves<br />
Zimmer, lauschen der leicht ätherischen Stimme von<br />
Japan-Sänger David Sylvian, während Yngve verträumt<br />
in den Himmel blickt und Jarle erzählt, was für Figuren<br />
er gerade in den Wolken sieht. Um Jarle ist es geschehen.<br />
Er verliebt sich in diesen Mitschüler, der so gar nicht in<br />
das Bild des angepassten Poppers passen will, sondern<br />
eine Fähigkeit besitzt, die der Punk-Clique völlig fremd<br />
ist: den Tagtraum, das Abschweifen, die poetische Flucht<br />
aus der provinziellen Enge.<br />
Es gehört zu den Stärken von Der Mann, der Yngve<br />
liebte, dass alle Gender-Fragen, die der Film aufwirft,<br />
auch auf der Ebene der Musik und der jugendkulturellen<br />
Codes aufgegriffen werden, ohne dass die Musik dabei<br />
nur illustrierenden oder nostalgischen Soundtrack-Charakter<br />
hat. Sie demonstriert vielmehr auf einer zweiten<br />
Ebene, dass ein bestimmter Sound, ein bestimmter Habitus<br />
und ein bestimmtes Outfit unmittelbar mit Gender-<br />
Positionierung einhergehen. Es gibt keinen von Gender<br />
losgelösten Pop. Und es gelingt Regisseur Kristiansen,<br />
die Coolness-Codes seiner Protagonisten infrage zu stellen,<br />
denn Jarle wird immer stärker von Zweifeln über seinen<br />
bisherigen Lebensentwurf heimgesucht.<br />
Die Punk-Clique und das Auftreten der Mathias Rust<br />
Band erweisen sich letztlich als das, was der Musikwissenschaftler<br />
Matthew Bannister in seinem Buch „White<br />
Boys, White Noise: Masculinities and 1980s Indie Guitar<br />
Rock“ als „homosoziale Gemeinschaften“ bezeichnet hat.<br />
„Homosozialität“, führt er aus, „bedeutet eine männlich<br />
definierte soziale Hierarchie, die darauf aufbaut, dass<br />
man jederzeit der Homosexualität bezichtigt werden<br />
kann“. Es ist ein wenig wie im Fußball: Männerkörper reiben<br />
aneinander, prallen aufeinander, sie duschen gemeinsam,<br />
doch gerade wegen dieser extremen körperlichen<br />
Nähe wird homosexuelles Begehren zum größten Tabu.<br />
Obwohl „Punk“ ursprünglich eine Slang-Bezeichnung<br />
für ein homosexuelles Vergewaltigungsopfer im Gefängnis<br />
war, ist Punk sehr schnell zu einer heteromaskulinen<br />
Bewegung geworden. Hatten Mitte der 1970er noch<br />
Punk-Musikerinnen wie The Slits oder der transsexuelle<br />
Musiker Wayne/Jayne County herkömmliche Geschlechterrollen<br />
in Frage gestellt, so sollte sich Punkrock – mit<br />
Betonung auf Rock – im Laufe der 1980er endgültig<br />
zu einem maskulinen Stil entwickeln, der kaum mehr<br />
Gefühle jenseits von Aggressivität zuließ. Genau dieses<br />
Bild spiegelt auch die Mathias Rust Band im Film wider,<br />
kontrastiert von der eigenartig amorphen Musik Japans,<br />
die dem gegenüber so flüchtig und fragil erscheint wie<br />
die Bewegung der Wolken, die Yngve beobachtet. Der<br />
Gesang von David Sylvian steht für das Brüchige, Tastende,<br />
Nicht-Festgelegte, ist deswegen also tendenziell<br />
queer. Denn erst mit dem von vielen Punks abgelehnten<br />
Synthiepop, mit New Wave und so genanntem Postpunk,<br />
kam es in den 1980ern zu einer gravierenden Verqueerung<br />
der Popmusik. Im Vorwort zu Simon Reynolds<br />
Postpunk-Exegese „Rip It Up And Start Again“, schreibt<br />
Klaus Walter: „Die Auswirkungen der von Postpunk ausgelösten<br />
geschlechter- und stilpolitischen Erschütterungen<br />
lassen sich in den Achtzigern bis an die Spitze der<br />
Charts nachverfolgen. Nie zuvor – und auch danach nie<br />
wieder – gab es derart viele Hits von Acts, die so offensichtlich<br />
von der heterosexuellen Norm abwichen: Soft<br />
Cell, Bronski Beat, Frankie Goes To Hollywood, Culture<br />
Club, Wham!, Marilyn… und selbst Heterojungs wie die<br />
Gebrüder Kemp kamen mit Spandau Ballet daher, als<br />
wollten sie beim Maskenball der Friseur innung auftreten.“<br />
Zu diesen exzentrisch frisierten Heterojungs zählte<br />
auch David Sylvian von Japan.<br />
Die hier nur kurz skizzierte Widersprüchlichkeit des<br />
1980er-Pop zwischen schwulen und androgynen Chartstürmern<br />
und nonkonformistischen, aber heteronormativen<br />
Punkrockern wird in Der Mann, der Yngve liebte in<br />
ihrer ganzen Komplexität anhand von Jarles Coming-Out<br />
durchgespielt – ein Wechselbad der Gefühle, hin- und<br />
hergerissen zwischen schwuler Hingabe und zwanghaft<br />
aufrecht erhaltener Homophobie, von Darsteller Rolf<br />
Kristian Larsen so brillant gespielt, als sei es sein eigenes<br />
Dilemma.<br />
Pop und Alltag koexistieren im Film wie zwei einander<br />
umkreisende, aber doch höchst unterschiedliche<br />
Planeten. Pop ist Verheißung, bunte und abenteuerliche<br />
Glam-Welt, die so gar nichts mit dem eigenen Lebensumfeld<br />
gemein hat. Im Pop werden ungelebte und uneingestandene<br />
Träume kompensiert. Jarle traut sich nicht,<br />
seinen Freunden und seinen getrennt lebenden Eltern zu<br />
gestehen, dass er einen Jungen liebt. Doch schon vor dem<br />
Coming-Out hängen in seinem Zimmer homoerotisch<br />
aufgeladene Poster von The Smiths, einer Band, die auch<br />
in Jarles Punk-Clique akzeptiert wird. Solche Details<br />
werden in Der Mann, der Yngve liebte immer wieder eingestreut,<br />
um zu zeigen, wie wichtig Pop zumindest in den<br />
1980ern für die jugendliche Identitätsfindung war und<br />
wie stark über Pop auch sexuelle Präferenzen verhandelt<br />
wurden. Indem man zum Beispiel Fan von The Smiths<br />
sein konnte, ohne deswegen gleichzeitig unter Gleichaltrigen<br />
als schwul zu gelten, half Pop, mit sexuellen Identitäten<br />
zu spielen, bevor man sich zu entscheiden hatte, sie<br />
auch zu leben.<br />
Nach Cam Archers Wild Tigers I Have Known ist mit<br />
Der Mann, der Yngve liebte ein weiterer Film entstanden,<br />
in dem Musik als Begleitung des Coming-Out eine zentrale<br />
Rolle spielt. Während Musik in Archers Film jedoch<br />
Soundtrack bleibt, der die innere Zerrissenheit des jungen<br />
Protagonisten klanglich umsetzt, wird sie in Der Mann,<br />
der Yngve liebte zum Kommunikationsmittel, mit dessen<br />
Hilfe die Protagonisten untereinander mal bewusst, mal<br />
unbewusst sexuelle Identitäten aushandeln. Damit ist der<br />
Film letztlich eine große Liebeserklärung an die symbolpolitische<br />
Kraft des Pop. s<br />
Der Mann, der Yngve liebte von Stian Kristiansen, NOR 2008, 98 Min<br />
Arsenal, www.arsenalfilm.de<br />
Im Kino: Gay-Filmnacht im Oktober, www.gay-filmnacht.de<br />
On the Wild Side. Die wahre<br />
Geschichte der Popmusik.<br />
von Martin Büsser<br />
EVA, www.europaeischeverlagsanstalt.de<br />
Testcard. Beiträge zur Popgeschichte.<br />
Hrsg. Martin Büsser<br />
www.testcard.de<br />
White Boys, White Noise<br />
von Matthew Bannister<br />
Barnes & Noble,<br />
www.barnesandnoble.com<br />
Rip it up and start again<br />
von Simon Reynolds<br />
Faber and Faber, www.faber.co.uk<br />
Wild tigers I have known<br />
von Cam Archer<br />
Edition Salzgeber, www.salzgeber.de<br />
12 13<br />
kino
kino<br />
EDitiON SAlzGEBER<br />
zUM<br />
FRESSEN<br />
GERN<br />
von rüdiger suchsland<br />
Sophie laloys glänzendes Kinodebüt „Emma & Marie“,<br />
ein Psychothriller über liebe und sexuelles Erwachsen,<br />
durchlöchert die nur scheinbar festgefügte Grenze zwischen<br />
Autorenkino und Genre.<br />
s Harmonische Musik erklingt aus dem Off, man sieht Bilder eines<br />
Aufbruchs, eine Familie fährt im Auto von zu Hause weg. Während<br />
die Filmtitel noch über die Leinwand laufen, zeigen die ersten Bilder<br />
das Auto in der Fahrt: aus der Distanz, von oben, von der Seite. Man<br />
glaubt diese Bilder ganz vage wiederzuerkennen, und vielleicht ist es<br />
ein subtil gesetztes Zeichen der Regisseurin Sophie Laloy, vielleicht<br />
auch nur zufällige Koinzidenz, dass diese allerersten Einstellungen<br />
jenen ähneln, mit denen Michael Haneke seine Funny Games beginnen<br />
lässt. Auch die Musik, die einen hellen, harmonischen Grundklang<br />
mit leichten Disharmonien mischt, betont eher das Vage der Situation,<br />
baut subtil Atmosphären der Unsicherheit, ja: Bedrohung auf.<br />
Noch ist dies versteckt in der Freude der Wiederbegegnung der<br />
beiden Kindheitsfreundinnen Emma und Marie, die sich hier erstmals<br />
nach Jahren sehen. Doch die Blicke sprechen bereits eine andere<br />
Sprache: Verwunderung ist bemerkbar, genaue Beobachtung, Reserve.<br />
Noch weiß Marie vermutlich selbst nicht, wie ihr genau geschieht: zu<br />
überwältigend ist die Macht des Neuen. In Lyon wird sie am Konservatorium<br />
eine Ausbildung zur Pianistin beginnen, darum ist sie bei<br />
Emma eingezogen. „Ich werde im Zimmer meiner Eltern schlafen“,<br />
sagt diese zu Beginn, offenbar ist mit deren schneller Rückkehr nicht<br />
zu rechnen. Marie wird in Emmas alten Raum ziehen. Etwas später<br />
erfahren wir, dass Emmas Vater tot ist, die Mutter in den USA lebt.<br />
So weit der äußere Rahmen. Nach wenigen Minuten schon ist die<br />
Meisterschaft dieses Films offensichtlich: Bewunderswert, wie Laloy<br />
ein spannungsreiches Beziehungsnetz entfaltet, bestimmt von wechselseitiger<br />
Irritation, versteckten Vorwürfen, Misstrauen und heimlichem,<br />
ungelenktem Begehren. Die Beziehung der beiden jungen<br />
Frauen ist nicht aufrichtig. Schon früh steht viel Unausgesprochenes<br />
im Raum: Eine Vergangenheit, die offenbar Narben auf der Seele hinterließ<br />
– Emma habe sich sehr verändert, bemerkt Marie. „Ich war<br />
früher sehr schüchtern“, sagt Emma, und dann der Vorwurf, dass<br />
die Freundin irgendwann nicht mehr angerufen habe… Irgendetwas<br />
scheint vorgefallen. Immer rätselhafter wird das Verhältnis der beiden<br />
– intensiv und großartig gespielt von Judith Davies und Isild Le<br />
Besco – und mündet in einen Zweikampf der Gefühle. Die Musik ist<br />
jeweils als dramaturgisches Zeichen eingesetzt: Ob Ravels „Pavane<br />
pour une enfante défunte“ oder Schumanns „Carnaval“, Mussorgskys<br />
„Bilder einer Ausstellung“ – immer wieder geht es um Parallellwelten<br />
des Phantastischen, um das geheime Geisterreich der Gefühle.<br />
Die beiden sind denkbar unterschiedlich. Marie entspricht dem<br />
Klischees eines jungen Provinzmädchens: neugierig, offen, aber auch<br />
brav und langweilig. Emma gibt dem Betrachter mehr Rätsel auf:<br />
irgendwie spröde und streng, altklug und viel stärker als die Freundin.<br />
Eine Femme Fatale, auf ihre Art. Das entspricht durchaus dem<br />
schon früh angedeuteten Horror-Genre, in dem ein unschuldiges<br />
Wesen das Stahlbad der Todesgefahr überstehen muss, um stark zu<br />
werden – oder mindestens erwachsen.<br />
Aber in der Dynamik, die der Film entfaltet, verändern sich die<br />
Figuren bald, wechseln ihre Rollen. Und so wie im Film Noir die<br />
Dunkelhaarige meist die Femme Fatale und Stärkere, die der Nacht<br />
Verfallene ist, die Blonde dagegen das Unschuldige, Engelhafte,<br />
Reine verkörpert, so bekommt auch hier plötzlich Marie die Oberhand,<br />
erscheint Emma als die Verletzliche, Sensible. Und dann wieder<br />
doch nicht. Und doch wieder… Keine der beiden Seiten scheint<br />
hier klar unterlegen, hin und her reißt der Film die Sympathien der<br />
Zuschauer.<br />
Sophie Laloys glänzendes Kinodebüt Emma & Marie (Je Te Mangerais)<br />
ist ein Psychothriller über sexuelles Erwachen und Begehren.<br />
Nahe der Ästhetik des Horrorkinos durchlöchert dieser Film die nur<br />
scheinbar festgefügte Grenze zwischen Autorenkino und Genre. Ein<br />
eindrucksvolles Debüt, ein Noir-Melo mit Anleihen an Cocteau und<br />
Tourneur, mit dem sich Laloy als neue, eigenständige Stimme im<br />
französischen Kino zu erkennen gibt und zugleich die große Tradition<br />
des französischen Autorenfilms fortsetzt.<br />
Eine ganz radikale Sicht auf den Film würde hervorheben, dass<br />
Emma fast nur als Nachtgestalt existiert, dass sie nur abends auftaucht,<br />
dunkle Kleider trägt… Dass sie also fast ein Phantom ist, vielleicht<br />
zu großen Teilen nur in Maries Einbildung existiert. Emma<br />
& Marie ließe sich ganz und gar aus Maries Sicht beschreiben: Als<br />
Geschichte eines netten, aber etwas unbedarften Provinzgirls, das<br />
seine sexuelle Identität erst noch finden muss, das zwischen den<br />
Gefühlen für die Jungs im Konservatorium und die beste Freundin<br />
nicht recht gewichten kann, das diese Freundin so ungemein bewundert,<br />
dass es eins werden will mit ihr, die Erwachsensein und stilvolles<br />
Leben, Selbstständigkeit und große Welt verkörpert, den Abschied<br />
von den Eltern, den es selbst noch nicht vollzogen hat. Auch als emotionale<br />
Biographie einer Künstlerin, die unter Lampenfieber leidet, und<br />
sich mit der geheimnisvollen Pianistin Brigitte Engerer identifiziert.<br />
Umgekehrt, aus Emmas Sicht, geht es um Aneignung und Verschmelzung:<br />
Sie trägt schwer an einer unbewältigten Vergangenheit,<br />
versteckt ihre Verletzlichkeit hinter spröden, kühlen Gesten – bevor<br />
sie sich in hysterischen Ausbrüchen entlädt. Marie hat für Emma die<br />
unbelastete Normalität und festgefügte Identität, nach der sie sich<br />
sehnt. Sie findet ihren Halt nur im Schein: in Lügen und der Mode.<br />
Nur so erhält sie die Aufmerksamkeit, die sie offenbar so dringend<br />
benötigt.<br />
Ist dies nun eine Liebesgeschichte? Vielleicht. Jedenfalls aber<br />
keine einfache Coming-Out-Geschichte oder eine unglückliche lesbische<br />
Love-Story. Bestimmt aber sind Emma und Marie einander in<br />
einer ganz eigenen Form von Liebe verbunden. Das zeigt sich gerade<br />
am Ende des Films: Da löst sich in einer finalen Erschütterung die<br />
Härte in Maries Blick, und in den letzten Minuten des Films kulminiert<br />
alles, was die Regisseurin Sophie Laloy zuvor über 90 Minuten<br />
aufgebaut hat. s<br />
Emma & Marie<br />
von Sophie Laloy<br />
FR 2009, 96 Min, OmU<br />
Edition Salzgeber, www.salzgeber.de<br />
Im Kino<br />
L-Filmnacht im November<br />
www.L-Filmnacht.de<br />
Danach regulär in den Kinos<br />
14 15<br />
kino
kino<br />
ALLES, <strong>WAS</strong> <strong>HOLLYWOOD</strong><br />
<strong>NICHT</strong> <strong>ERLAUBT</strong><br />
von sascha WesTPhal<br />
Der eitle Hollywood-Star Guy Stone bezaubert auf der leinwand die Hausfrauen und vernascht in seinem<br />
Bungalow heimlich seine männlichen Fans. Das kann nicht lange gut gehen. „Straight Jacket“ ist eine grelle<br />
Satire über Pirouetten in der zwangsjacke und bunte Dekors in einer moralpolitisch schwarzen zeit.<br />
s Hollywood in den frühen 50er Jahren. Über dem Tor zu den mittlerweile<br />
schon ein wenig heruntergekommenen SRO-Studios prunkt<br />
in großen schwarzen Lettern vollmundig der Reklamespruch: „Where<br />
the stars don’t burn out“. Wo die Sterne nicht ausbrennen – das ist<br />
das große Versprechen nicht nur der Traumfabrik, sondern Amerikas<br />
in dieser Dekade. Doch die Wirklichkeit sieht natürlich ganz anders<br />
aus. Die großen Träume und Hoffnungen nach dem Ende des Zweiten<br />
Weltkriegs sind Sternen gleich explodiert. Was danach noch von<br />
ihnen übrig war, konnte nur zu einem schwarzen Loch namens Kalter<br />
Krieg kollabieren. Und das ist 1953 schon auf dem besten Weg, Hollywood<br />
und mit ihm gleich auch noch alles andere zu verschlucken.<br />
Guy Stone, der gerade am hellsten strahlende Stern am SRO-<br />
Himmel, bekommt von all dem allerdings kaum etwas mit. Dafür ist<br />
der „begehrteste Junggeselle Amerikas“ viel zu sehr mit sich selbst<br />
beschäftigt. Ihn interessiert nur, ob er die Titelrolle in Ben Hur<br />
bekommt, dem prestigeträchtigen Monumentalfilm, den der Filmmogul<br />
und SRO-Besitzer Saul Ornstein gerade vorbereitet. Auch wenn er<br />
Abend für Abend durch dieses andere, verborgene Los Angeles streift,<br />
durch die Welt, die John Rechy so treffend „City of Night“ genannt<br />
hat, denkt er nur an sich. Einmal betritt er eine Schwulen-Bar gar mit<br />
den Worten: „Und wer ist heute der glückliche Gewinner?“.<br />
Eroberungen für eine Nacht, mehr will Guy gar nicht. Und die<br />
fallen ihm, seinem Starruhm sei’s gedankt, wahrhaftig in den Schoß.<br />
Aber einmal kommt es dann, wie es kommen musste. Schließlich<br />
hat Guy mit seiner Arroganz und seiner Sorglosigkeit wenn nicht<br />
das Schicksal, so doch zumindest all die herausgefordert, denen ein<br />
schwuler Kinostar ein Dorn im Auge ist. Er gerät in eine Razzia des<br />
berüchtigten Vice Squad des LAPD und wird mit Handschellen aus<br />
dem Club geführt, vor dem schon ein Photograph eines der Skandalblättchen<br />
dieser Zeit wartet. Diese Photos könnten Guy für immer<br />
ruinieren. Also greift seine Agentin, die toughe Jerry Albrecht, nach<br />
einem letzten Strohhalm: Guy muss heiraten und zwar sofort. Ein<br />
williges und zudem auch noch unsterblich in den Star verliebtes Opfer<br />
ist in Gestalt Sallys, der blonden Sekretärin Saul Ornsteins, schnell<br />
gefunden. Schon bald läuten die Hochzeitsglocken und das neue<br />
Traumpaar Hollywoods ist erschaffen. Dass Sally nicht einmal ahnt,<br />
warum Guy auf getrennten Schlafzimmern besteht, ist dabei ganz im<br />
Sinne der Drahtzieher dieser Ehe-Scharade, um so besser spielt sie<br />
die ihr zugedachte Rolle.<br />
Wer nun bei dem von Carrie Preston und Matt Letscher gespielten<br />
Paar an Rock Hudson und seine kurzzeitige Ehefrau Phyllis Gates<br />
denkt, hat natürlich Recht. Straight-Jacket, Richard Days Verfilmung<br />
seines gleichnamigen Theaterstücks, bedient sich schon geradezu<br />
schamlos bei dieser besonders traurigen Episode aus Hollywoods (Celluloid)<br />
Closet. Im November 1955 hat der in Wirklichkeit allerdings eher<br />
zurückhaltende Rock Hudson die Sekretärin seines mächtigen Agenten<br />
Henry Wilson auf dessen Betreiben hin geheiratet. Die Hochzeit sollte<br />
endgültig alle Gerüchte aus der Welt schaffen, die den aufstrebenden<br />
Star damals umschwirrten. 1958, nach nicht einmal drei Jahren Ehe,<br />
reichte Phyllis Gates die Scheidung ein und bezichtigte Hudson „seelischer<br />
Grausamkeit“ und konsequenter Vernachlässigung. Er willigte<br />
ein, und so endete dieses Kapitel in seinem Leben erstaunlich unspektakulär,<br />
zumindest so weit es die Öffentlichkeit betraf.<br />
Day folgt weitgehend der Version der Geschichte, die Gates nach<br />
dem Tod Hudsons in ihrer Autobiographie „My Husband, Rock Hudson“<br />
erzählt, und streut auch sonst noch jede Menge Anspielungen auf<br />
das Paar ein. So sollen die Dreharbeiten zu Ben Hur in Italien stattfinden.<br />
Dort hat Hudson Wem die Stunde schlägt gedreht. Die Affäre, die<br />
er in diesen Monaten mit einem italienischen Schauspieler hatte, ist<br />
seiner Frau zu Ohren gekommen, die daraufhin sofort die Scheidung<br />
eingeleitet hat. Gates hat später dann als Innenarchitektin Karriere<br />
gemacht. Das erste, was Sally nach der Hochzeit in Angriff nimmt, ist<br />
eine komplette Umdekoration von Guys Haus, das übrigens wie Hudsons<br />
in den Hügeln über dem Sunset Boulevard liegt.<br />
Aber trotz all dieser kleinen und großen Verweise ist Days Technicolor-bunte<br />
Camp-Version der 50er Jahre und ihrer Popkultur kein<br />
film à clef, kein Schlüsselfilm, im eigentlichen Sinne. Die Geschichte<br />
dieser Ehe und die sie umgebenden Gerüchte sind für ihn genauso<br />
wie der wild wuchernde Antikommunismus, den er dann in der<br />
zweiten Hälfte seiner Satire ins Visier nimmt, nur ein Symptom des<br />
ganzen Wahnsinns einer durch und durch repressiven Ära. Straight<br />
Jacket – das ist die Zwangsjacke der so genannten Normalität, in die<br />
das heteronormative, kapitalistische und zutiefst paranoide Amerika<br />
der 50er wie der 00er Jahre ohne Rücksicht auf Verluste jeden steckt,<br />
der anders ist. s<br />
Straight Jacket von Richard Day, USA 2004, 96 Min, OmU<br />
Edition Salzgeber, www.salzgeber.de<br />
Im Kino: Gay-Filmnacht im November, www.gay-filmnacht.de<br />
EDitiON SAlzGEBER<br />
WARUM BRINGEN WIR<br />
DEN CHEF <strong>NICHT</strong> UM?<br />
von jessica ellen<br />
Der Arbeitsmarkt bestimmt das Geschlecht. Der neue Film der „Aaltra“-Regisseure Gustave de Kervern<br />
& Benoît Delépine betreibt unglamouröses Gender-Bending in einer rabenschwarzen Komödie. Unsere<br />
Autorin findet nicht nur das suchtbildend.<br />
s Schon die Eingangsszene ist von jener makabren Komik, die einen<br />
einstimmt auf das was kommt: Eine Einäscherung zu den Klängen<br />
der Internationalen als ironischer Abgesang – und alles klemmt. Also<br />
muss mit ein bisschen Gewalt nachgeholfen werden. Hier wird mehr<br />
zu Asche werden als nur der anonyme Verstorbene auf dem Foto.<br />
Der Sozialismus mag tot sein, aber die Anarchie, auch die sexuelle,<br />
ist höchst lebendig, wenn sich Protagonisten wie Louise (Yolande<br />
Moreau) und Michel (Bouli Lanners) ihrer annehmen.<br />
Doch bevor sie sich begegnen, muss der Turbo-Kapitalismus noch<br />
seine hässliche Fratze zeigen. Dafür brauchte das Regie-Duo Gustave<br />
de Kervern und Benoît Delépine nur die Zeitung zu lesen: Ein netter<br />
Unternehmer hatte seinen Arbeitern neue Arbeitskleidung spendiert<br />
und am darauf folgenden Wochenende alle Maschinen „ihres“ Betriebes<br />
nach Osteuropa transferieren lassen. Genau das passiert Louise<br />
samt Kolleginnen. Sie legen ihre Abfindungen zusammen und überlegen,<br />
was damit getan werden könnte. Louise meldet sich zu Wort:<br />
„Was haltet ihr davon, den Boss abknallen zu lassen?“ Eine gute Idee,<br />
finden alle, der Vorschlag wird einstimmig angenommen und Louise<br />
mit der organisatorischen Umsetzung betraut. Wir erfahren, dass<br />
Louise als Mann im Knast war und nur den Fummel angelegt hat,<br />
um den mies bezahlten Job als Näherin zu kriegen. Da der ehemalige<br />
Mit-Knacki bedauerlicherweise nicht mehr im Geschäft ist und so als<br />
Auftragsmörder ausfällt, sucht Louise weiter und findet den Wachmann<br />
Michel, der sich eine Fremdenlegionärsbiographie zugelegt<br />
hat, aber nicht schießen kann. Was hier nicht stimmt, wird schnell<br />
klar: Ein dickes Mädchen, das Michel verblüffend ähnelt, schwingt<br />
den Wurfhammer, der in der Ferne verschwindet. „Meinst Du nicht,<br />
dass Du mal über eine Hormonbehandlung nachdenken solltest“,<br />
fragt die Sportlehrerin spitz. Aber aus der Sportlerkarriere ist trotz<br />
allem nichts geworden, statt dessen langweilt sich Michel in seinem<br />
Job als Wachmann im Trailerpark.<br />
Mit Hilfe von Lebensmüden kommen Louise und Michel ihrem<br />
Plan und einander Schritt für Schritt näher – von der Picardie nach<br />
Brüssel und schließlich auf die Insel Jersey. Nur müssen sie jedes Mal<br />
feststellen, dass der gerade Umgelegte gar nicht der Oberboss ist…<br />
Die Regisseure verstehen ihren Film als schwarze Komödie für<br />
alle, die von gierigen Bossen und Bankstern die Nase voll haben,<br />
und als eine Hommage an die Anarchistin Louise-Michel, die nicht<br />
zögerte, Waffen in die Hand zu nehmen und ein Attentat gegen Napoleon<br />
III. anzuzetteln. „Um so viel Energie und Entschlossenheit zu<br />
verkörpern, braucht es mindesten zwei Helden.“<br />
Darüber hinaus wird auch eine fröhliche Geschlechterrollenunordnung<br />
gestiftet. Selten ist im Kino ein „Genderbending“ so ruppig<br />
und unglamourös daher gekommen: Louise, der Knacki, ist überhaupt<br />
nicht weiblich, und das wirkt umso komischer, als er von einer<br />
Frau gespielt wird. Das Pendant Michel ist eine Frau, die als Mann<br />
auftritt und von einem Mann dargestellt wird und dabei mehr auf<br />
Köpfchen als auf selbstgeübte Brutalität setzt. So entsteht ein bissiger<br />
Kommentar über die brüchige Inszenierung von Geschlechtsidenti-<br />
täten, die nicht mehr das Pathos eigentlicher Selbstverwirklichung<br />
beschwört, sondern die Absurdität einer Anpassung an die Gegebenheiten<br />
des Arbeitsmarktes auf die Spitze treibt, um ihr eine höchst<br />
radikale Absage zu erteilen.<br />
Beide Hauptdarsteller sind auch als RegisseurInnen (und KomikerInnen<br />
mit Mut zur Hässlichkeit) dem deutschen Kinopublikum<br />
bekannt geworden. Yolande Moreau führte gemeinsam mit Gilles<br />
Porte Regie bei Quand la mer monte und spielte die weibliche Hauptrolle.<br />
Bouli Lanners erster Langspielfilm Ultranova wurde auf der<br />
Berlinale 2006 gezeigt, und Eldorado, bei dem er auch eine Hauptrolle<br />
übernahm, lief erst vor kurzem in hiesigen Kinos. Im Winter<br />
wird Yolande Moreau auch als Seraphine im dem gleichnamigen<br />
Biopik zu sehen sein. Warnung: Yolande Moreaus Leinwandpräsenz<br />
kann suchtbildend sein! s<br />
Louise hires a contract killer<br />
von Gustave de Kervern &<br />
Benoît Delépine<br />
FR 2008, 94, DF<br />
Kool Film, www.koolfilm.de<br />
Im Kino<br />
Bundesstart 24. September<br />
16 17<br />
kino<br />
KOOl FilM
kino<br />
zWISCHEN<br />
MENSCHEN<br />
UND<br />
KAMERAS<br />
von andré Wendler<br />
Petr kehrt Prag den Rücken und nimmt eine Stelle als lehrer in<br />
der tschechischen Provinz an. Seinen Schülern will er Biologie<br />
vermitteln, über seine eigene Natur aber ist er sich nicht im<br />
Klaren. „Der Dorflehrer“ von Bohdan Sláma läuft ab dem 27.<br />
August in den Kinos. SiSSY hat viel Schönes darin entdeckt.<br />
s „Und damit endete alles Schöne, was zwischen uns war.“ Wenn<br />
einer so etwas über eine Beziehung zu einem anderen Menschen sagen<br />
muss, wie soll man darauf reagieren? Wie soll man mit so etwas umgehen?<br />
Bohdan Slámas Film umkreist diese Aussage in zwei unglaublich<br />
schönen und mit Vorsicht konstruierten Plansequenzen. Ein junger<br />
Mann kommt zu seinen Eltern in die Großstadt und wird ihnen mitteilen,<br />
dass er homosexuell ist. So wie er das schon seiner Ex-Freundin<br />
gegenüber getan hat, worauf hin alles Schöne endete, was zwischen<br />
ihnen war. Vater, Mutter, Sohn und Kamera umtanzen sich in dieser<br />
Prager Wohnungs-Sequenz wie Bienen, wie sie der Vater auf dem Balkon<br />
züchtet, einander beim Honigtanz. Immer wieder und fast wie<br />
zufällig kommen Kamera und Filmfiguren zum Stillstand, schauen<br />
sich frontal an oder taxieren ihre Profile. Am Rand des Bildes die beiden<br />
Köpfe von Mutter und Sohn. Ihre hochgesteckten blonden Haare,<br />
die schwarze, etwas altmodische Brille, das leichte blau-grüne Sommerkleid,<br />
ihre sorgenfaltige Stirn. Sein Schädel, der manchmal etwas<br />
dümmlich, manchmal etwas teilnahmslos, immer aber traurig von der<br />
Leinwand glotzt. Und zwischen ihnen: soviel Schönes. Ein silbernes<br />
Morgenlicht, das Summen der Bienen, gleich die traurige Arie, die der<br />
Vater dreimal am Tag hört und die die Mutter nicht mehr ertragen<br />
kann. Wenn die Musik losgeht, springen Mutter und Kamera auf, sie,<br />
die Mutter, wirft fast ihre Kaffeetasse hinunter und geht in ein anderes<br />
Zimmer. Die Kamera bleibt im Flur und sieht von ferne zu. Dann<br />
einer der wenigen Schnitte. Die vier stehen auf dem Balkon und rauchen,<br />
wie um die Leere zwischen sich mit Rauch zu füllen. „Rauch<br />
nicht“, sagt der Vater und gibt ihr eine Zigarette.<br />
Das Schönste dieser Szene, die wunderbar melancholische Frauenstimme,<br />
die von einer weinenden Bratsche und einem trägen Cembalo<br />
begleitet wird, bleibt über diesen und auch den nächsten Schnitt,<br />
zurück aufs Land, erhalten. Dort rudert eine Frau einen alten grauen<br />
Kahn ans Ufer, steigt barfuß in den Uferschlamm und bringt Blumen<br />
und eine Flasche frische Milch. Erst als der Dorflehrer seine Kopfhörer<br />
abnimmt und die Frau begrüßt, wird die Musik auch auf der<br />
Tonspur leiser. Die Dinge wandern aus der Geschichte ins Kino und<br />
zurück. Für uns als Publikum ist die Musik so real, so greifbar und<br />
ergreifend, so wirksam wie für die Filmfiguren, die sie einmal aufregt,<br />
einmal tröstet und einmal traurig macht. Unsere Gefühle sind<br />
ihre Gefühle und wir leihen sie ihnen gern, denn außer Licht und<br />
Kamerabewegung haben sie in dieser Welt wie aus dem Bilderbuch<br />
nicht viel. Aber dieses Licht teilen sie bereitwillig mit uns. Da gibt es<br />
das schreiende Sommermittagslicht, das sich in roten Kirschen und<br />
grünen Blättern verfängt. Es gibt das Spätnachmittagslicht, das sich<br />
in der Oberfläche eines Sees bricht. Es gibt das Licht bunter Lichterketten<br />
auf einem etwas lausigen Dorffest mit zu lauter Musik. Und es<br />
gibt das müde gewordene Licht einer Nachttischlampe, das man kurz<br />
vor dem Einschlafen mit einem leisen Klick ausknipst.<br />
Der Film weiß bis zum Schluss nicht so recht, ob diese realen oder<br />
ausgedachten Probleme sich irgendwie lösen lassen, ob es zu viele<br />
oder zu wenige sind, ob man vor ihnen davon laufen soll oder zu ihnen<br />
zurückkehrt, ob die Jungen morgen eine Antwort finden werden oder<br />
die Alten gestern schon immer gewusst haben, was man tun soll. Mir<br />
ist es im Grunde genommen auch egal: Ich bin nicht homosexuell, sondern<br />
schwul, ich lebe nicht in Tschechien, bin kein Lehrer und muss<br />
keine Kälber zur Welt bringen. Insofern berührt mich die kritische<br />
Aufregung, die der Film wegen seiner etwas altmodischen und vielleicht<br />
stellenweise klischeehaften Geschichte verursacht hat, auch<br />
nicht. Ich weiß nichts über das Leben homosexueller Männer auf dem<br />
Land. Aber ich habe von diesem Film etwas Wunderbares über das<br />
Schöne, was zwischen Menschen sein kann, erfahren. Weil es etwas<br />
ist, was es so vielleicht nur im Kino gibt: ein Klang, ein Blick, die zärtliche<br />
Geste einer Kamerafahrt, die Unerbittlichkeit einer Einstellung,<br />
die einfach drauf bleibt: auf einem peinlichen Annäherungsversuch,<br />
auf der blutigen Geburt einer kleinen Kuh oder auf den schrecklichen<br />
Flirtversuchen eines Dorftrunkenboldes. Wo man sich als dritte Person<br />
abwenden müsste, kann die Kamera dabei bleiben, stumm mitreden,<br />
zurückhaltend intervenieren und diesen Raum, der die Menschen voneinander<br />
trennt, mit schönen, hellen, lauten und schnellen Dingen füllen.<br />
Was ich deswegen vom Schicksal des Dorlehrers halte, spielt keine<br />
Rolle: Er hat sich am Ende mit seiner Familie, seinen Beziehungen, seinen<br />
Männern und Frauen, seinen Aufgaben und seinen Orten soweit<br />
versöhnt, dass ich ihn mit seinen zauberhaften Traumkitschbildern<br />
getrost allein lassen kann, bis ich ihn eines Tages wieder sehen werde.<br />
Oder auch nicht, aber auch das macht nichts, denn das Kino vergisst so<br />
schnell nichts und auch den Dorflehrer, dem vorgeworfen wird, dass er<br />
immer vor allem wegläuft, werde ich hier wieder zu finden wissen. s<br />
Der Dorflehrer<br />
von Bohdan Sláma<br />
CZ/DE/FR 2008, 110, DF und OmU<br />
Neue Visionen, www.neuevisionen.de<br />
Im Kino<br />
Bundesstart 27. August<br />
NEUE viSiONEN<br />
AUF TEUFEL KOMM RAUS<br />
von PaTrick heidmann<br />
Wenn er mal lust auf eine Spielfilmhauptrolle hat, kann man sich auf etwas gefasst machen. in „Berlin ’36“ (Kinostart am 10.<br />
September) spielt Sebastian Urzendowsky eine von den Nazis geförderte leichtathletin(!) – eine Abwechslung nach seinen Rollen<br />
als Serienmörder, jugendlicher Pädophiler und Kz-Häftling. Ein Porträt über den vielleicht intensivsten deutschen Schauspieler<br />
seiner Generation.<br />
s Männer in Frauenkleidern – das gibt es nicht oft zu sehen im<br />
deutschen Kino, und wenn doch, dann hat man meistens das Pech, in<br />
einen Film mit bewegten Männern oder, schlimmer noch, mit Thomas<br />
Gottschalk geraten zu sein. In Berlin ’36 aber ist es Sebastian<br />
Urzendowsky, der sich schnell das Blümchenkleid überzieht, bevor<br />
seine Mutter ihn wieder in kurzen Hosen erwischt – und wer die hiesige<br />
Filmlandschaft in den vergangenen Jahren ein wenig verfolgt<br />
hat, weiß, dass das eine gute Nachricht ist.<br />
Die meisten anderen Kollegen in seinem Alter blicken nach gut<br />
zehn Jahren Schauspielerei zurück auf eine Handvoll Teenie-Komödien<br />
und ein paar Nebenrollen in Fernsehkrimis. Was man eben so<br />
spielt, wenn es einen schon in jungen Jahren und ohne Ausbildung mit<br />
aller Macht vor die Kameras zieht. Ganz anders Urzendowsky. Eigentlich<br />
habe er nie Schauspieler werden wollen, behauptet der zurückhaltende<br />
24-Jährige von sich, weswegen er sich nach seinem Auftritt mit<br />
dreizehn im TV-Film Paul Is Dead immer nur für ausgewählte Projekte<br />
entschiede habe, auf die er richtig Lust hatte.<br />
Eher als Hobby also drehte der zierliche junge Kerl mit den<br />
braunen Teddy-Augen mit renommierten Regisseuren wie Dominik<br />
Graf (Der Felsen) und Hans-Christian Schmid (Lichter), hielt sich<br />
geschmackssicher fern von alterstypischen Banalitäten und Albernheiten<br />
und spielte all die Rollen, an die man sich nur traut, wenn man<br />
keinen Gedanken an Ruhm oder Image verschwendet. In Ein Leben<br />
lang kurze Hosen tragen teilte er sich mit Tobias Schenke die Rolle<br />
des Serienmörders Jürgen Bartsch, im kammerspielartigen Drama<br />
Pingpong spielte er ebenso furios wie feinsinnig einen traumatisierten<br />
Jugendlichen, der eine Affäre mit der Mutter seiner besten Freundin<br />
beginnt, im Oscar-Gewinner Die Fälscher war er ein KZ-Häftling<br />
und in Guter Junge mit beeindruckender Intensität ein Pädophiler,<br />
der sich an kleine Jungs ranmacht. Demnächst läuft außerdem Es<br />
kommt der Tag in den Kinos, in dem er den Sohn einer von Iris Berben<br />
gespielten Terroristin gibt.<br />
Die Rolle der erst von der eigenen Mutter, später von den Nazis<br />
zum Frausein verdammten Hochspringerin Marie Ketteler in Berlin<br />
’36 ist nun ein weiterer Stein in Urzendowskys Mosaik komplexer<br />
Charakterstudien, und einmal mehr legt er dabei eine Subtilität an<br />
den Tag, wie sie auf der Leinwand nicht an der Tagesordnung ist. Sehr<br />
wenig verrät der auf wahren Begebenheiten basierende Film über diesen<br />
Menschen, sein Innenleben oder auch nur seine sexuelle Orientierung<br />
und positioniert gar Karoline Herfurth als jüdische Konkurrentin<br />
als eigentliche Protagonistin der Geschichte. Doch wann immer<br />
die Kamera die weichen, von dunklen Locken umrahmten Gesichtszüge<br />
Urzendowskys streift, tut sich wie von selbst ein Blick in die<br />
verstörte und verunsicherte Seele seiner Figur auf, die erahnen lässt,<br />
wovon dieses konventionelle Drama alles hätte erzählen können.<br />
Kein Wunder, dass sich der Berliner das mit dem unbedingten<br />
Willen zum Leben als Schauspieler längst anders überlegt hat: Nach<br />
dem Abitur entschied er sich für eine klassische Ausbildung an der<br />
Schauspielschule, deren Abschluss diesen Herbst bevorsteht. Der<br />
Schritt auf die Theaterbühnen reizt ihn momentan sehr, außerdem<br />
natürlich filmische Herausforderungen wie etwa seine erste internationale<br />
Produktion The Way Back, die er gerade mit Regisseur Peter<br />
Weir und Kollegen wie Colin Farrell und Ed Harris drehte. Gar nicht<br />
auszudenken, was für darstellerische Sternstunden Urzendowsky<br />
dem deutschen Kino noch bescheren wird, jetzt wo er die Sache endlich<br />
ernsthaft angeht. s<br />
Berlin ’36<br />
von Kaspar Heidelbach<br />
D 2009, 100 Min, dt. OF<br />
X Verleih<br />
www.x-verleih.de<br />
Im Kino<br />
Bundesstart 10. September<br />
18 19<br />
portrait<br />
PEtER ROHlFS
tellerrand<br />
20<br />
O BEAUTY,<br />
O HANDSOMENESS,<br />
GOODNESS!<br />
von klaus kalchschmid<br />
Der Opern-Film von heute hat für den homosexuellen Mann einiges zu bieten.<br />
Auch SiSSY gerät ins Schwärmen!<br />
WilFRiED HöSl<br />
s Wer heute in die Oper geht – und die Schwulen unter den Männern<br />
zwischen 25 und 50 machen da geschätzte 50% aus –, erwartet<br />
nicht nur schönen Gesang und Sexappeal in der Stimme. Heute<br />
muss das, was sich auf der Bühne zwischen den handelnden Personen<br />
ereignet, müssen die großen Gefühle, wenn sie denn intensiv über die<br />
Rampe kommen sollen, von Sängerdarstellern gespielt und gesungen<br />
werden, denen man ihre Figuren in jeder Minute glaubt; von Menschen,<br />
die auch altersmäßig keine Lichtjahre von einem Tamino oder<br />
Romeo, Oktavian oder Lenski entfernt sind. An der Rampe stehen und<br />
wunderbar singen, das genügt erst recht nicht, wenn Gesichter und<br />
Gestik in Nahaufnahme auf der großen Leinwand oder auf DVD zu<br />
sehen sind. In den letzten Jahren, ja bereits Jahrzehnten hat sich da<br />
viel geändert. Heute überzeugen viele, wenn nicht die meisten Sänger<br />
auch als Darsteller. Nicht erst mit Anna Netrebko und Rolando Villazón<br />
hat das begonnen, sondern wohl schon vor mittlerweile über<br />
dreißig Jahren mit der bis heute faszinierenden Inszenierung Patrice<br />
Chéreaus von Wagners „Ring des Nibelungen“ in Bayreuth. Nicht<br />
umsonst war und ist der bei der Premiere 1976 gerade mal 31-jährige<br />
Franzose zugleich Theater-, Film- und Opernregisseur.<br />
Männerpaare<br />
Die schwule Operntrulla oder -tucke, wie man sich unter Gleichgesinnten<br />
gerne augenzwinkernd und selbstironisch nennt, liebt die<br />
großen Diven à la Maria Callas, Edita Gruberova oder Renée Fleming,<br />
aber ein Männer-Paar wie im neuen Salzburger „Don Giovanni“ beflügelt<br />
schwule Fantasien doch erheblich mehr: Zwei Machos, die beiden<br />
verdammt sexy aussehenden und spielenden Darsteller von Giovanni<br />
und seinem Diener Leporello, knien da im düsteren Grimm’schen<br />
Märchenwald hintereinander und spielen eine Verführungsszene<br />
zwischen Mann und Frau. Christopher Maltman und Erwin Schrott<br />
macht das sichtlich Spaß, wie umgekehrt der Zuschauer sich bei den<br />
nicht selten nackten, muskulösen Oberkörpern der beiden wie ein<br />
Voyeur fühlt. Und erinnert sich vielleicht an ein nicht minder erotisches<br />
Paar in der gleichen Oper: Denn in der Verfilmung von Peter<br />
Sellars aus dem Jahr 1990 verhalfen sich zum Verwechseln ähnlich<br />
sehende schwarze Zwillingsbrüder, die ebenfalls mit Lust am Sichzur-Schau-Stellen<br />
und mit enormer physischer Präsenz spielten,<br />
wechselseitig zu Liebesabenteuern. Bei diesen Brüdern im realen<br />
Leben war der Identitätswechsel auch ohne Kleidertausch verwirrend.<br />
Zwei Männer waren das hier wie dort, von denen man nicht<br />
genau weiß, was und wieviel sie eigentlich verbindet, mehr wohl als<br />
das Verhältnis von Herr und Diener. In Salzburg ist das Leben des<br />
schon zu Beginn angeschossenen Giovanni vom Fixen abhängig, von<br />
den Schüssen, die ihm der Diener immer wieder setzt, ohne die der<br />
Frauenheld das finale Aufbäumen in der letzten Nacht seines Lebens<br />
nicht mehr so lange hätte hinauszögern können.<br />
Die Beziehung der Freunde Lenski und Onegin in Tschaikowskys<br />
„Eugen Onegin“ geht mutmaßlich über Freundschaft hinaus, wie<br />
Krzysztof Warlikowski das in München zeigen wollte. Da sind die<br />
beiden ein verkappt schwules Paar, das sich seine Neigungen nicht<br />
einzugestehen traut. Auch wenn Andrea Breth mit Peter Mattei und<br />
Joseph Kaiser in Salzburg 2007 den aus der Biographie des Komponisten<br />
gewonnenen Subtext nicht mitinszenierte, hatten wir es doch<br />
ebenfalls mit zwei attraktiven Männern zu tun, deren Intensität die<br />
breite Bühne des Großen Festspielhauses mühelos füllte: Vor allem<br />
der junge Kanadier Joseph Kaiser, mit seiner großen, mächtigen<br />
Gestalt und den durchdringend blauen Augen ein Bild und Baum von<br />
einem Mann, konnte in seiner Eifersucht bei Tschaikowsky wie ein<br />
Berserker wüten, besaß aber auch als Tamino in der „Zauberflöten“-<br />
Verfilmung von Kenneth Branagh eine enorm männliche und zugleich<br />
sensibel weiche Ausstrahlung. Man denke nur an die Szene gleich zu<br />
Beginn, wenn er da im Schützengraben traumverloren eine Blume<br />
pflückt oder an die schwarz-weiße Traumsequenz, in der er mit<br />
Pamina in slow motion Walzer tanzt.<br />
Oben: Erwin Schrott und Christopher Maltman in Claus Guths„Don Giovanni“.<br />
Unten: Rolando Villazón in Bartlett Shers „Roméo et Juliette“.<br />
Ganze Seite links: Pavol Breslik und John Mark Ainsley in Dieter Dorns „Idomeneo“.<br />
tellerrand<br />
Auch Annette Dasch ist mit Partien in Mozart-Opern berühmt<br />
geworden. Nach „Figaro“-Gräfin, Aminta in „Il re pastore“ zum<br />
Mozartjahr in Salzburg und Donna Elvira an der Mailänder Scala gab<br />
sie letztes Jahr ihr Debüt als Elettra im Münchner „Idomeneo“ und<br />
war gleichzeitig in Salzburg die andere der großen leidenschaftlich<br />
liebenden Frauen im „Giovanni“, die Donna Anna. In München gab sie<br />
die zwischen Furor und Sehnsucht nach Idylle schwankende mykenische<br />
Königstochter, die vergeblich den Kreterprinzen Idamante<br />
begehrt, als sinnliche Frau, die von ihrem eigenen Zorn schließlich<br />
verzehrt wird. Ein voller, saftiger Sopran stand ihr als Stimme dafür<br />
zur Verfügung. Claus Guth machte in Salzburg ebenfalls aus der vermeintlich<br />
von Don Giovanni gleich zu Beginn der Oper sexuell Genötigten<br />
eine leidenschaftlich Liebende. Keinen Zweifel ließ Guth an der<br />
Frage, was sich zwischen ihr und dem Don abgespielt hat, während<br />
im Orchestergraben noch die Ouvertüre tobte: Hier ist es nicht die<br />
Verlobte Don Ottavios, die den potentiellen Vergewaltiger loswerden<br />
will, hier ist es Don Giovanni, der sich von der aktiven Frau bedroht<br />
sieht und dann doch einen besonderen Thrill dabei erlebt, wenn sie<br />
ihm das Hemd vom Leib reißt. Traumpaar könnte man die beiden<br />
dennoch kaum nennen, weil sie in der Oper auch zu keinem werden.<br />
Traumprinzen und -prinzessinnen<br />
Anna Netrebko und Rolando Villazón dagegen machten in Jules Massenets<br />
„Manon“ an der Berliner Lindenoper von der ersten bis zur letzten<br />
Sekunde glaubhaft, dass hier zwei Menschen, wie sie unterschiedlicher<br />
nicht sein könnten, bis in den Tod voneinander nicht loskommen.<br />
Anfangs trifft Student auf verwöhntes, gelangweiltes Mädchen in einem<br />
Straßencafé, dann zeigt Regisseur Vincent Paterson beide barfuß und<br />
21<br />
ORF / Ali ScHAFlER<br />
cläRcHEN BAUS-MAttAR UND MAttHiAS BAUS
BAYERiScHE StAAtSOPER<br />
EDitiON SAlzGEBER<br />
tellerrand<br />
in Dessous als glühend Verliebte in einer Mansarde, von Netrebko und<br />
Villazón erotisch aufgeladen gesungen und gespielt, während sie sich<br />
später als glamouröses Paar der Goldenen 20er auf dem Parkett der<br />
Eitelkeiten bewegen. Schließlich begegnet die als leichtes Mädchen<br />
Eingekerkerte ein letztes Mal dem Mann ihres Lebens, den sie ein<br />
Leben lang immer wieder betrog. Wie der Mexikaner und die Russin<br />
das spielten, war zu recht 2007 trotz aller Kritik an der vermeintlichen<br />
Oberflächlichkeit der Regie ein Ereignis. In Salzburg hätten die beiden<br />
ihren Erfolg des Jahres 2005 mit Verdis „Traviata“ fortsetzen sollen,<br />
doch die Schwangerschaft der jungen Russin, die von Erwin Schrott<br />
einen Sohn bekam, war die große Chance für Nino Machaidze: An der<br />
Seite von Villazón war sie in Charles Gounods „Roméo et Juliette“ eine<br />
Julia, der man das schwärmerische naive Mädchen, die plötzliche Reife<br />
zur Frau und die Intensität der Sterbeszene gleichermaßen glaubte.<br />
Und Villazón konnte einmal mehr den Ausdruck des schwärmerisch<br />
Liebenden in sein burschikoses Spiel und die verzehrende Intensität<br />
seiner unverwechselbaren Tenor-Stimme legen.<br />
Oben: Anja Harteros und Jonas Kaufmann in Richard Jones’ „Lohengrin“.<br />
Unten: Joseph Kaiser in Kenneth Branaghs Verfilmung der „Zauberflöte“.<br />
Das jüngste Traumpaar der Oper freilich heißt Jonas Kaufmann<br />
und Anja Harteros. Bei den diesjährigen Münchner Opernfestspielen<br />
sangen sie im „Lohengrin“ Wagners Schwanenritter und Elsa. Selten<br />
haben der Gralsgesandte und die des Brudermords Verdächtigte,<br />
die er vor dem mutmaßlichen Tod errettet, so natürlich gespielt und<br />
gesungen wie hier. Der fesche, schöne Zimmermann auf der Walz<br />
und das Mädel mit seinen geflochtenen Zöpfen in der weiten Latzhose<br />
waren so sichtbar verliebt, dass das geheimnisumwitterte Frageverbot,<br />
das Lohengrins Herkunft verschleiert und schon in der ersten<br />
Brautnacht zur Katastrophe führt, hier eine Beziehung zerstörte, die<br />
in der Inszenierung von Richard Jones gerade auf zunehmende Nähe<br />
baute – in einem drei Akte immer weiter fortschreitenden Verfertigen<br />
eines Hauses. Ohne den smarten Jonas Kaufmann mit seinen dunkelbraunen<br />
Locken und die Halbgriechin mit nicht minder schönem Profil<br />
und großartiger Haarpracht wäre das kühne Konzept von Richard<br />
Jones wohl kaum aufgegangen.<br />
Travestie und Frauenpaare<br />
Wagner liegt ihm denkbar fern, aber wer Pavol Breslik als Mozarts<br />
Idamante im „Idomeneo“ live in München, im Kino oder auf DVD<br />
erlebt hat, weiß, warum Regisseur Dieter Dorn unbedingt einen<br />
Tenor und keinen Mezzosopran in der Rolle des noch 1781 für einen<br />
Kastraten komponierten Kreter-Prinzen haben wollte. So viel herbzarte<br />
Jungmännlichkeit, so viel Ausstrahlung, Präsenz in Spiel und<br />
fein timbrierter heller Stimme sind überaus selten. An der Seite von<br />
Edita Gruberova verkörperte der 30-jährige Slowake an der Bayerischen<br />
Staatsoper zuletzt den Sohn der berüchtigten Giftmischerin<br />
Lucrezia Borgia in Donizettis gleichnamiger Oper. Sein Gennaro<br />
an der Seite von einem Dutzend Freunde – hübscher junger, immer<br />
latent aggressiver Männer in wadenfrei hochgekrempelten Anzügen<br />
– singt das eigentliche Liebesduett der Oper, die keine Liebeshandlung,<br />
sondern vor allem einen Mutter-Sohn-Konflikt enthält, mit der<br />
wunderbar androgyn wirkenden Alice Coote als Maffio Orsini: „Ah!<br />
non posso abbandonarti! Mio Gennaro! – Ich kann dich nicht verlassen,<br />
mein Gennaro!“ und „Ah! non io lasciar ti vo! Caro Orsini! – Ich<br />
will dich nicht lassen, liebster Orsini!“ singen sie sich minutenlang<br />
zu und beider Stimmen mischen sich aufs Schönste. Ein Schelm, der<br />
Böses dabei denkt!<br />
Nicht minder aufregend ist der Oktavian einer Sophie Koch,<br />
auch sie ein Mezzo, der in der Baden-Badener Inszenierung des<br />
Strauss’schen „Rosenkavaliers“ in der Hosenrolle des Oktavian schon<br />
zu Beginn in weißem Hemd und kurzer Hose seine Marschallin in<br />
Gestalt der schönen Renée Fleming anschmachten darf und das mit<br />
ausgesuchter Eleganz und Charme tut: Zwei Damen, die sich da küssen<br />
und herzen als 35-jährige Frau und ihr 17-jähriger Geliebter – wie<br />
im Text Hugo von Hofmannsthals vorgesehen – nach einer leidenschaftlichen<br />
Liebesnacht, über die das Orchestervorspiel keinerlei<br />
Zweifel aufkommen lässt. Im zweiten Akt stößt Oktavian als Überbringer<br />
der silbernen Rose, also als „Rosenkavalier“, auf die gleichaltrige<br />
Sophie der Diana Damrau, die einem geilen Halbedelmann vom<br />
Lande verheiratet werden soll. Schöner als die beiden zusammen singen,<br />
kann ein Duett zwischen einem hohen Sopran und einem glühenden<br />
Mezzo nicht klingen und nicht aussehen. Im dritten Akt freilich<br />
wird die Geschlechterverwirrung perfekt: Denn nun muss der junge<br />
Mann in Gestalt einer Frau den Burschen spielen, der ein Mädel mimt,<br />
um so dessen Sexsucht öffentlich bloßzustellen.<br />
Mann und Frau, Männerpaare, Frauenpaare, die Frau, die einen Mann<br />
spielt, der eine Frau darstellt: Das Spiel der Geschlechteridentitäten<br />
bedient die Oper virtuos und treibt es gerne auch mal auf die Spitze.<br />
Vielleicht ist es ja das, was so richtig „queer“ ist an dieser Gattung<br />
und den Anteil der schwulen Männer jeden Abend prozentual weit<br />
ausschlagen lässt. s<br />
Roméo et Juliette von Charles Gounod, Inszenierung: Barlett Sher, Bildregie: Brian Large<br />
Salzburger Festspiele, D/A 2008, ca. 163 Min, frz. OF mit dt. UT<br />
Im Kino: Classica im Kino im September<br />
Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart, Inszenierung: Claus Guth, Bildregie: Brian Large<br />
Salzburger Festspiele, D/A 2008, 176 Min, OmU<br />
Im Kino: Classica im Kino im Oktober<br />
Otello von Giuseppe Verdi, Inszenierung: Stephen Langridge, Bildregie: Peter Schöndorfer<br />
Salzburger Festspiele, D/A 2008, ca. 142 Min, ital. OF mit dt. UT<br />
Im Kino: Classica im Kino im November<br />
Alice in Wonderland von Unsuk Chin, Inszenierung: Achim Freyer, Bildregie: Ellen Fellmann<br />
Münchner Opernfestspiele, D 2007, 123 Min, engl. OF mit dt. UT<br />
Im Kino: Classica im Kino im Dezember<br />
Kinos und Termine unter www.classica-im-kino.de<br />
KiNOWElt<br />
Der Moment<br />
von EgbErt Hörmann<br />
Egbert Hörmann, der die SiSSY auch gerne einmal mit der Frage, ob sie zu lange in der Maske gesessen<br />
hätte, darauf hinweist, wenn sie cary Grant mit Gary cooper verwechselt, ist freier Autor, Filmkritiker,<br />
Kulturjournalist und Übersetzer und lebt in Berlin und St. Petersburg. Er sichtet seit Jahren für die Berlinale<br />
und hat 1984 mit Wieland Speck zusammen das Drehbuch zu „Westler“ geschrieben. zuletzt erschien von<br />
ihm der wunderbare Essayband „cruising mit den Wonderboys (Und andere schwule Erkenntnisse)“, im<br />
September erscheint „F*ck – Wenn Sex daneben geht“, für das er einige Geständnisse einschlägiger Autoren<br />
gesammelt hat. Außerdem arbeitet er seit längerem an seinem Meister- bzw. Monsterwerk, den intimen<br />
Memoiren „Weiße Nächte eines alten Kindes“.<br />
s Orson Welles beantwortete einmal die Frage „Was ist<br />
ein Star?“ mit dem delphischen Satz: „Ein Star ist eine<br />
Frau.“ Auf weitere Erklärung gedrängt, antwortete er:<br />
„Wenn es jetzt keine Stars mehr gibt, liegt das daran,<br />
dass es keine Frauen mehr gibt.“ Er meinte sicher damit,<br />
dass es diese geheimnisvollen, entrückten Hollywood-<br />
Lichtgestalten nicht mehr gibt, die die Logik außer Kraft<br />
setzen und sich auf eine Art und Weise benehmen, die<br />
ein Mensch weder verstehen kann noch möchte. Man<br />
muß sie ja nicht immer mögen, aber Bette Davis, Mae<br />
West, Joan Crawford, Rita Hayworth, Marlene Dietrich,<br />
Eli za beth Taylor und Greta Garbo waren einfach ein<br />
anderes Kaliber als Whoopie Goldberg, Sandra Bullock<br />
oder Meryl Streep.<br />
Schwule haben eine ganz spezifische Beziehung zu<br />
den klassischen weiblichen Stars. Wir haben, der Camp-<br />
Theorie Susan Sontags folgend, einfach eine Schwäche<br />
für das Extreme, Außerordentliche, Barocke, Schmuckvolle,<br />
Künstliche. Aufgrund ihrer kollektiven Geschichte<br />
verstehen Schwule das Spiel mit den Masken und Sexualitäten,<br />
sie schätzen das Synthetische und genießen das<br />
Theatralische, das an sich zum Wesen der Frau gehört.<br />
Und niemand war so cool wie die großen Diven, und<br />
Schwule verstehen das instinktiv: Cool sein ist der Ort<br />
wirklicher, unangestrengter Männlichkeit, das Hemingwaysche<br />
„grace under pressure“, wie es am besten von<br />
Frauen gehandhabt wird.<br />
Ein solches Ausnahmefleisch wird es nicht mehr<br />
geben – die größte italienische Schauspielerin war die<br />
1908 geborene Anna Magnani, der 1945 mit Roma, città<br />
aperta die seltene Besonderheit gelang,<br />
„ihre eigene meteorische Flugbahn mit<br />
dem geheimnisvollen und widersprüchlichen<br />
Orbit jenes Kometen zu kreuzen,<br />
der Geschichte genannt wird.“ (Alberto<br />
Moravia)<br />
1972. Eine 60-Sekunden-Sequenz,<br />
die letzte, ehrlichste und verstörendste<br />
eines doch recht „verkochten“ Films. Es<br />
ist Nacht, es ist schon spät. Das Klappern<br />
hochhackiger Schuhe auf dem<br />
Kopfsteinpflaster. Wir sehen von hinten<br />
eine Frau, die allein die Via degli Astalli<br />
hinuntergeht, zum Palazzo Altieri. Ein<br />
Mann folgt ihr. Es ist derselbe Mann, der<br />
1948 in Rossellinis skandalösem Amore<br />
den Schafhirten spielte, den Magnani in<br />
einem Anfall religiöser Trance für einen Heiligen hält,<br />
sich ihm hingibt und den Dörflern dann erzählt, sie sei<br />
das auserwählte Instrument einer unbefleckten Empfängnis<br />
geworden.<br />
„Anna“, ruft der Mann flehend. Anna Magnani geht<br />
ungerührt weiter. „Anna, Anna“, hört man ihn noch<br />
einmal. Magnani bleibt stehen, ohne sich umzudrehen.<br />
„Was ist deine Meinung zu Rom? Wie du weißt, bist du<br />
fast ein Symbol von…“ Sie dreht sich um und starrt ihn in<br />
der Dunkelheit mit funkelnden Augen an. „Was weiß ich!<br />
Was soll das Zeug!“ Er läßt nicht locker. „Wölfin und Vestalin,<br />
Aristokrat, Bettler, Gaukler… wie würdest du sagen<br />
bist du Rom ähnlich?“ – „Geh weg, geh nach Hause. Geh<br />
schlafen.“ Anna Magnani wendet sich ab und betritt den<br />
Palazzo. In der Tür wendet sie ihm die tragische Maske<br />
ihres Gesichts zu. Sie sagt die letzten Worte, die sie auf<br />
der Leinwand sprechen sollte: „Ich vertraue Dir nicht.“<br />
Und das schwere Portal schließt sich hinter ihr. Verwirrt<br />
und unsicher bleibt der Mann zurück. Es ist Federico<br />
Fellini, der Kollege aus neorealistischen Tagen. Der Film<br />
ist sein Roma, und er enthält Magnanis finale Zurückweisung<br />
aller öffentlichen Personae und all der Rollen<br />
(Mutter, Hure, Krawallschwester, „popolana“, Vorstadtpflanze),<br />
die auf sie projiziert worden waren, und sie läßt<br />
uns mit einem kurzen, fragmentarischen Blick in ihre<br />
intime Einsamkeit zurück. s<br />
Fellinis Roma<br />
von Federico Fellini<br />
United Artists<br />
Rom, offene Stzadt<br />
Roberto Rossellini<br />
Arthaus, www.kinowelt.de/dvd<br />
Cruising mit den Wonderboys<br />
von Egbert Hörmann<br />
Querverlag, www.querverlag.de<br />
F*ck – Wenn Sex daneben geht<br />
Hrsg. Egbert Hörmann<br />
Querverlag, www.querverlag.de<br />
22 23<br />
film-flirt
profil<br />
Uzi PARNES<br />
MR. SMITH<br />
GOES TO<br />
BERLIN<br />
von Paul schulz · inTervieW von Paul schulz und jan künemund<br />
im Oktober findet in Berlin fünf tage lang an zwei Orten mit über 50 Gästen ein<br />
Festival mit dem titel „live Film! Jack Smith! Five Flaming Days in a Rented World“<br />
statt. viele werden sich jetzt fragen: Jack wer?<br />
s Erstmal: Jack Smith ist einer der wichtigste Künstler der amerikanischen<br />
Postmoderne. Ohne ihn würde es unabhängiges Kino und<br />
experimentelles Theater in ihrer jetzigen Form nicht geben. Er gilt<br />
als Erfinder der modernen Performancekunst und hat Drag schon<br />
gelebt, als Susan Sontag noch nicht mal darüber geschrieben hatte.<br />
Er wohnte von 1953 bis 1989 in New York und schuf dort aus Müll<br />
und überaltertem Film sein eigenes gedankliches Universum. Sein<br />
bekanntester Film Flaming Creatures ist in den USA bis heute wegen<br />
Obszönität und Pornografie offiziell verboten. Sein größtes Idol war<br />
die Schauspielerin Maria Montez, Star zahlloser Hollywood-Kostümschinken<br />
der 1940er. Für Federico Fellini, John Waters, David<br />
Lynch, Nan Goldin, Laurie Anderson, Cindy Sherman, Todd Haynes<br />
und viele andere war wiederum Smiths Arbeit so beeindruckend,<br />
dass sich sein Einfluss in ihren Werken direkt nachweisen lässt.<br />
Andy Warhol, Ken Jacobs und Robert Wilson haben mit ihm zusammen<br />
gearbeitet, ihn sehr bewundert und sich künstlerisch bei ihm<br />
bedient, wo es nur ging.<br />
Daraus folgt: Jack Smith kennt außerhalb relativ enger cineastischer<br />
und künstlerischer Zirkel kein Mensch. Obwohl er Regisseur,<br />
Schauspieler, Fotograf, Performer und multimedialer Künstler war.<br />
Das liegt hauptsächlich daran, dass Smith wirklich etwas gegen den<br />
Kapitalismus und seine Vermarktungsstrategien hatte: Er war Anarchist.<br />
Und als solcher ein Kontrollfreak, was seine Arbeit, und eine<br />
Nervensäge, was seine Kontakte zum Kunstbetrieb anbelangte. Er<br />
war Zeit seines Lebens arm. Und der vielleicht erste wirklich queere<br />
Mensch der Welt.<br />
Außerdem: Jack Smith war über den Skandal, den sein erster Film<br />
Flaming Creatures auslöste, und das nachfolgende Verbot des Films,<br />
so schockiert und enttäuscht, dass er danach nur noch einen anderen<br />
Langfilm (Normal Love) und einige wenige Kurzfilme fertig stellte.<br />
Diese und der Rest seines filmischen Werkes waren Teil von Performances,<br />
bei denen der Künstler die Filme ständig und noch während<br />
der Aufführung umschnitt, kommentierte und inhaltlich ergänzte.<br />
Als Smith 1989 an den Folgen von Aids starb, gründeten Underground-Performerin<br />
Penny Arcade und der Filmhistoriker J. Hoberman<br />
die „Plaster Foundation“ zur Verwaltung seines Nachlasses. Der<br />
Non-Profit-Organisation gelang es im Laufe von 15 Jahren, Smiths<br />
Film-Material restaurieren zu lassen und eine große Retrospektive<br />
im P.S. 1 auszurichten. Im Jahr 2004 wurde Smiths Erbe vor Gericht<br />
seiner Schwester zugesprochen, die sich für seine Homosexualität<br />
und für seinen Aids-Tod geschämt hatte und Smiths Gesamtwerk<br />
ohne Umschweife an eine New Yorker Galerie verkaufte.<br />
Und so kommt es, dass: Vom 28.Oktober bis einschließlich 1. November<br />
veranstalten das Kino Arsenal und das „Hebbel am Ufer“ in<br />
Berlin eine fünftägige Jack-Smith-Offensive, kuratiert von Schauspielerin<br />
Susanne Sachsse, Kulturwissenschaftler Marc Siegel und<br />
Stefanie Schulte Strathaus, eine der Leiterinnen des Arsenal Instituts<br />
für Film und Video e.V. Unter dem Motto „Live Film! Jack Smith! Five<br />
Flaming Days in a Rented World“ werden so gut wie alle von Smiths<br />
Filmen zum ersten Mal gemeinsam zu sehen sein. Aber um Smiths<br />
Anspruch an Film als Performance auch zwanzig Jahre nach seinem<br />
Tod gerecht werden zu können, reicht die einfache Projektion seiner<br />
Werke nicht. Deswegen haben die Kuratoren über 50 Künstler,<br />
Autoren und Wissenschaftler eingeladen, sich 2009 mit Smiths Werk<br />
auseinander zu setzen. Darunter so unterschiedliche Menschen wie<br />
Bruce LaBruce, Diedrich Diederichsen, Rainald Goetz, Eric D. Clark,<br />
Ulrike Ottinger, Guy Maddin, Tim Stüttgen und Katharina Sieverding.<br />
Dabei sind Konzerte, Performances, Installationen, Vorträge<br />
und eine ganze Reihe neuer Filme herausgekommen, die im Laufe der<br />
Offensive unter Teilnahme der Macher gezeigt und aufgeführt werden.<br />
Stargast der Offensive ist der Hauptdarsteller vieler Jack-Smith-<br />
Filme, Warhol-Superstar Mario Montez, der aus diesem Anlass zum<br />
ersten Mal seit dreißig Jahren in der Öffentlichkeit auftritt. Darüber<br />
musste SISSY reden.<br />
sissy: Könnt ihr uns als erstes mal erklären, warum es das Festival erst<br />
jetzt gibt? Smith ist ja schon eine ganze Weile tot.<br />
Stefanie: Na weil wir die Filme erst jetzt haben! Und zwar alle. Das<br />
Arsenal ist weltweit die einzige Institution, die das sagen kann. Wir<br />
haben die gesammelten restaurierten Jack-Smith-16mm-Positive<br />
sowie Digitalisierungen der Super8-Filme in den letzten Jahren von<br />
der „Plaster Foundation“ sozusagen „geerbt“.<br />
Warum erbt das Arsenal das Gesamtwerk eines New Yorker Undergroundstars<br />
und nicht zum Beispiel das MoMA?<br />
Marc: Jerry Tartaglia, der die Filme im Auftrag der Foundation restauriert<br />
hatte, hat ein sehr gutes Verhältnis zu Berlin, weil er einige<br />
wenige Jack-Smith-Filme schon im Rahmen der Berlinale gezeigt<br />
hatte und hier immer gut aufgenommen worden war. Als die „Plaster<br />
Foundation“ sich im letzten Jahr aus verschiedenen Gründen auflösen<br />
musste, wurde ein Nachfolger gesucht.<br />
Es gab angeblich Erbstreitigkeiten. Kannst du die kurz erklären?<br />
Marc: Ich kann es versuchen. Als Jack Smith 1989 starb, war seine<br />
Schwester nicht an den Filmen interessiert. Alles was sie wollte, war<br />
Jacks Modeschmuck und ihren schwulen, an Aids gestorbenen Bruder<br />
so schnell wie möglich vergessen. Penny Arcade und die Foundation<br />
haben sich über zehn Jahre um die Filme und den Nachlass gekümmert,<br />
alles restauriert, geordnet, aufbewahrt und dafür gesorgt, dass<br />
Smith wieder bekannter wurde. Dann hat die Schwester irgendwo<br />
gehört, der Smith-Nachlass wäre jetzt Millionen wert und hat die<br />
Foundation auf Herausgabe ihres Erbes verklagt. Und den Prozess<br />
natürlich gewonnen, weil leider auch in den USA Blutsverwandschaft<br />
mehr Gewicht hat. Sie bekam die Rechte an allen Negativen und am<br />
Gesamtwerk. Und hat alles sofort an die Gladstone Gallery in New<br />
York verkauft. Jack Smith ist einer dieser klassischen Fälle, wo die<br />
Familie nach dem Aids-Tod eines schwulen Mannes das Erbe einfach<br />
an sich reißt, obwohl Smith mit seiner Schwester schon lange keinen<br />
Kontakt mehr hatte und seine Freunde seine eigentliche Familie<br />
waren.<br />
Jetzt bin ich verwirrt. Wer hat denn nun die Rechte, das Arsenal oder<br />
die Gladstone Gallery?<br />
Stefanie: Die Rechte liegen bei der Galerie, dort sind auch die Negative.<br />
Aber wir können die restaurierten Positive im Rahmen unseres<br />
Kulturauftrags und im „educational context“ aufführen. Als wir<br />
angefragt wurden, ob wir hier archivierend tätig werden wollen,<br />
haben wir uns natürlich sehr gefreut und waren sehr aufgeregt. Das<br />
ist schon eine richtig schöne Sache.<br />
Susanne: Die Frage war aber: Wie kriegt man das jetzt zu den Leuten,<br />
wie organisiert man 2009 die Rezeption seiner Filme.<br />
Stefanie: Du kannst sie ja nicht einfach ins Kino bringen, weil sie bis<br />
auf wenige Ausnahmen Teil einer performativen Praxis waren und<br />
auch weiter sein sollen.<br />
Susanne: Also haben wir Künstler, Wissenschaftler und Filmemacher<br />
gefragt, ob sie Lust haben, sich wieder oder ganz neu mit Jack Smiths<br />
Werk auseinander zu setzen. Und aus ihren Ideen, zusammen mit den<br />
Filmen, entsteht nun das Festival. Es war uns dabei wirklich wichtig,<br />
Theorie und künstlerische Praxis zueinander zu bringen.<br />
Soweit zum Hintergrund. Jetzt werden wir persönlich: Was ist das<br />
Tolle an Jack Smith?<br />
Marc: Als ich Flaming Creatures zum ersten Mal gesehen habe, hat<br />
der Film mein Leben verändert. Weil er mir eine ganz neue Welt aufgemacht<br />
hat, in der Gender und Sexualität auf eine Art zusammengebracht<br />
wurden, die ich so vorher noch nie gesehen hatte. Jack Smiths<br />
Arbeiten zeigen uns, dass einen Schwanz zu haben nicht bedeutet,<br />
dass man ein Mann ist, oder eine Vagina zu haben nicht heißt, dass<br />
man eine Frau ist. Die Geschlechter lassen sich durch die Fragmen-<br />
24 25<br />
profil
profil<br />
Foto Links: Mario Montez als Meerjungfrau. Foto Rechts: Francis Francine als Rosa Fee. Beide Fotos aus „Normal Love“<br />
Susanne Sachsse<br />
ist Schauspielerin,<br />
Regisseurin<br />
und Künstlerin.<br />
Engagements an<br />
verschiedenen<br />
Staatstheatern, seit<br />
2000 freiberuflich.<br />
2001 gründete<br />
Sachsse mit anderen Künstlern das<br />
Kollektiv CHEAP. Im Film ist sie u.a.<br />
als Gudrun in Bruce LaBruces „The<br />
Raspberry Reich“ (2004) und Hella<br />
Bent in LaBruces „Otto; or, Up With<br />
Dead People“ (2008) zu sehen.<br />
Marc Siegel<br />
ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter im<br />
Sonderforschungsbereich<br />
„Kulturen<br />
des Performativen“<br />
an der Freien<br />
Universität Berlin.<br />
Schwerpunkte<br />
seiner Forschung sind Experimentalfilm<br />
und Queer Studies.<br />
Mitherausgeber von „Outside: Die<br />
Politik queerer Räume“ (bbooks,<br />
2005). Er arbeitet als freie Filmkurator<br />
und ist auch Mit-Begründer<br />
des Künstlerkollektivs CHEAP.<br />
Stefanie Schulte-Strathaus<br />
Film- und Videokuratorin,<br />
lebt und<br />
arbeitet in Berlin.<br />
Vorstandsmitglied<br />
im Arsenal – Institut<br />
für Film und Videokunst.<br />
Mitglied<br />
im Auswahlkomitee<br />
des Forums und verantwortlich für<br />
Forum Expanded im Rahmen der<br />
Berlinale. Veröffentlichungen u.a.<br />
in „Frauen und Film“, „The Moving<br />
Image“, „Texte zur Kunst“, „Ästhetik<br />
& Kommunikation“, „Schriftenreihe<br />
Kinemathek“ sowie in Festivalund<br />
Ausstellungskatalogen.<br />
LIVE FILM! JACK SMITH!<br />
Five Flaming Days in a Rented World<br />
28. Oktober bis 1. November im Kino Arsenal und im HAU 1 Berlin<br />
www.arsenal-berlin.de, www.hebbel-am-ufer.de<br />
tierung des Films den Körpern nicht mehr<br />
klar zuordnen. Das fand ich unglaublich<br />
befreiend. Weil es eine der Bedeutungen von<br />
„queer“ ist, die ich sehr wichtig finde. Eine<br />
junge Studentin von mir sagte mal, nach dem<br />
ich den Film in einem Seminar gezeigt hatte:<br />
„Ich habe noch nie eine solche Vielfalt an<br />
Weiblichkeit gesehen.“<br />
Susanne: Das kann ich so bestätigen. Flaming<br />
Creatures aber auch Normal Love waren<br />
Offenbarungen für mich, weil ich an viel<br />
von dem glaube, was er da zeigt: die Auflösung<br />
geschlechtlicher Kategorien und sexueller<br />
Identitäten, oder auch sein Umgang<br />
mit Drag. Da geht es nicht um die perfekte<br />
Imitation von Weiblichkeit, sondern um die<br />
Repräsentation von Weiblichkeit in männlichen<br />
Körpern. Brustbehaarung macht Drag<br />
für mich als Frau einfach gleich noch mal<br />
so sexy. Ich habe das gesehen und gedacht,<br />
in dieser Welt – die sehr queer ist – in der<br />
könnte ich mich zurechtfinden, da käme ich<br />
klar. Denn: Ich kann mich nicht als homosexuell<br />
oder heterosexuell beschreiben und<br />
will das auch gar nicht. Und müsste das in<br />
dieser utopischen Jack-Smith-Welt auch<br />
nicht. Aber was heißt utopisch – es hat sie ja<br />
gegeben, diese Welt. Zumindest in der Drehsituation<br />
und in der Szene, in der Smith sich<br />
bewegt hat.<br />
Marc: Es ist in diesem Zusammenhang auch<br />
wichtig zu erwähnen, dass die Filme ja nicht<br />
narrativ sind. Geschlechterkategorien und<br />
andere soziale Kategorien werden genau so<br />
außer Kraft gesetzt wie filmische.<br />
Das macht die Filme aber auch schwerer<br />
zugänglich als die von Warhol oder anderen<br />
Smith-Zeitgenossen.<br />
Susanne: Was ja nichts Schlimmes ist. Warhol<br />
war ein Marketinggenie, das verkaufen wollte.<br />
Sich und seine Kunst. Smith war ganz anders.<br />
Marc: Ich finde, man kann die beiden eigentlich<br />
nicht vergleichen. Warhol war der<br />
reichste Experimentalfilmer aller Zeiten und<br />
hat im Gegensatz zu Smith ganz klar für einen<br />
Markt produziert, auf dem er seine Kunst verkaufen<br />
wollte. Smith fand das Verkaufen von<br />
Kunst eher widerlich.<br />
Ist er deshalb nicht berühmt?<br />
Marc: Vielleicht. Da kommt viel zusammen.<br />
Er mochte Kommerzialität insgesamt nicht.<br />
Er fand das ganze kapitalistische System, das<br />
er in „Landlords“ (Vermieter) und „Tenants“<br />
(Mieter) aufgeteilt hatte, schrecklich.<br />
Susanne: Aber er war dabei nicht unromantisch.<br />
Mein Lieblingszitat von ihm lautet:<br />
„Anarchy is the giving part of politics.“ Ist das<br />
nicht toll?<br />
Kommen wir noch mal zum Festival selbst. Wie<br />
habt ihr Mario Montez dazu bekommen, nach<br />
dreißig Jahren wieder aufzutreten?<br />
Marc: Als wir im März die teilnehmenden<br />
Künstler eingeladen haben, um mit ihnen<br />
zusammen die Filme zu schauen, war auch<br />
der Warhol-Drehbuchautor Ronald Tavel<br />
dabei, der eng mit Smith, Warhol und Montez<br />
zusammengearbeitet hatte. Er hatte viel Spaß<br />
an der Auseinandersetzung mit einer ganz<br />
neuen Generation von Smith-Fans. Während<br />
seiner Heimreise ist er dann ganz überraschend<br />
gestorben. Wir hatten Mario schon<br />
angefragt und er hatte abgelehnt. Tavels Tod<br />
hat Mario Montez sehr getroffen und dazu<br />
gebracht, noch einmal neu darüber nachzudenken,<br />
ob und wie er Smith, dem er ja viel zu<br />
verdanken hat, jetzt ehren kann. Deswegen<br />
kommt er nach Berlin, um seine Erinnerungen<br />
einer jüngeren Generation mitzuteilen.<br />
Stefanie: Was natürlich schön für uns ist,<br />
obwohl der Anlass ein trauriger ist.<br />
Zu Ehren von Tavel inszeniert Ihr sein Stück<br />
„The Life of Juanita Castro“. Wer ist daran<br />
beteiligt?<br />
Stefanie: Rainald Goetz übernimmt die Rolle<br />
Tavels als Regisseur, Bruce LaBruce spielt<br />
Juanita und Katharina Sieverding wird Fidel<br />
sein. Darauf freue ich mich schon sehr. Das<br />
wird sicher einer der Höhepunkte des Festivals.<br />
Bleibt es denn bei dieser einmaligen Aktion, oder<br />
gibt es Nachfolgeprojekte?<br />
Stefanie: Teile des Festivals werden in Frankfurt<br />
noch einmal aufgeführt werden. Und die<br />
entstandenen Filme können natürlich überall<br />
gezeigt werden. Es gibt schon Interesse aus<br />
Toronto, New York und noch von ein paar<br />
anderen Orten, zu denen wir gute Beziehungen<br />
haben, etwas Ähnliches zu machen.<br />
Marc: Das Festival soll eher ein Anfang als ein<br />
einmaliges Ereignis sein. Es soll dazu führen,<br />
Jack Smith wieder dauerhaft in die Welt zu<br />
bringen. s<br />
LITTLE SHOP OF CULTURE<br />
ein Film-TreaTmenT von ciTizen_b<br />
Frankfurt am Main. Außen, Nacht, Regen. Die Alte Gasse, die schwule Hauptstraße der hektischen<br />
Bankenmetropole. Montage: Die Fassaden einiger schwuler Szenekneipen, ein paar attraktive Edelstricher,<br />
die nach dem nächsten zahlungskräftigen Sugardaddy Ausschau halten, Autos mit potentiellen Freiern<br />
fahren vorbei und hupen. Es blitzt und donnert. zoom auf das hell erleuchtete Schaufenster der schwullesbischen<br />
Oscar Wilde Buchhandlung, die jetzt im Herbst ihr 15-jähriges Bestehen feiert.<br />
s Die Oscar Wilde Buchhandlung. Innen. Der Inhaber, Harald Eck,<br />
ein bemerkenswert gut aussehender Endvierziger mit Schnauzbart<br />
und Brille, thront hinter seinem Tresen, zählt die Tageseinnahmen<br />
und kichert so unbekümmert wie der Dalai Lama, während er von<br />
den Gründerjahren seines Medienimperiums berichtet.<br />
Rückblende in schwarz-weiß: Wir sehen eine Lesung mit Armistead<br />
Maupin, eine Signierstunde mit Ralf König, eine bewegende<br />
Lesung mit Erica Fischer, einen Auftritt von Mirjam Müntefering.<br />
Populäre Szeneautoren wie Bernd Aretz, Detlef Meyer, Mario<br />
Wirz oder Boris von Brauchitsch geben sich die Klinke in die Hand.<br />
Schwule und Lesben sitzen auf einer gemütlichen Ottomane und blättern<br />
in Büchern und Hochglanzmagazinen. Eine tätowierte LKW-<br />
Lesbe parkt ihren riesigen Supertruck mit Anhänger direkt vor der<br />
Buchhandlung und fragt nach der neuen „Lespress“. Matthias, ein<br />
attraktiver rothaariger Mitarbeiter von Oscar Wilde, winkt mit einer<br />
Regenbogenfahne und küsst seinen Freund. Ein harter Lederkerl in<br />
Chaps kauft eine Billy-Puppe. Claudia, eine ehemalige Mitarbeiterin<br />
von Oscar Wilde, hält ihr Baby in die Kamera und lacht. Ein Schimpanse<br />
im Smoking läuft auf Rollschuhen durch den Laden und dreht<br />
Pirouetten. Karin, eine resolute Mitarbeiterin von Oscar Wilde, fährt<br />
mit ihrem Fahrrad bei der CSD-Parade mit und präsentiert eine<br />
Oscar-Wilde-Fahne. Die homosexuelle Intelligentia der Mainmetropole<br />
diskutiert und lamentiert zwischen Türmen von Büchern, DVD-<br />
Hüllen und kitschigem Regenbogentinneff, während Eck und seine<br />
Crew Kaffee und Kuchen servieren und Sektflaschen öffnen. Im Hintergrund<br />
läuft „I Will Survive“ von Gloria Gaynor.<br />
Voice-over (Eck): „Das war 1994. Wir wollten schon ein bisschen<br />
mehr bieten als nur ein paar schwule Schmöker, Photobände, Coming-<br />
Out-Ratgeber, Reiseführer und Postkarten. Uns schwebte eine allumfassende<br />
homosexuelle Medienhandlung vor. Mit Büchern, Magazinen,<br />
CDs und Videokassetten für Lesben, Schwule und Transgender.<br />
Damals gab es noch Videokassetten (seufzt). Wir setzten nicht nur auf<br />
kurzfristig aktuelle Filmhits, an die sich heute kein Schwein mehr<br />
erinnern kann, sondern auch auf etwas anspruchsvollere Kost wie<br />
Derek Jarman, Almodóvar oder James Bidgood. Oscar Wilde ist quasi<br />
ein Hotspot, in dem sich (beinahe) alles, was mit schwulem und lesbischem<br />
Film zu tun hat, konzentriert und wo Mann oder Frau ohne<br />
große Sucherei findet, was er oder sie sucht. Wir haben eine Backlist,<br />
die sich sehen lassen kann. Insgesamt bestimmt mehr als 800 Titel.<br />
Über die Filme informieren wir unsere Kunden regelmäßig durch<br />
einen speziellen Newsletter.“<br />
Eck, der gut ein Drittel seiner Studentenzeit im Heidelberger<br />
Gloria-Programmkino verbrachte, und so schon früh zu einem homophilen<br />
Cineasten wurde, kennt sich nicht nur mit den Spielfilmen,<br />
Komödien, Dokus und Fernsehserien von Edition Salzgeber, Pro Fun,<br />
Arthaus, CMV Laservision und Absolut Medien aus. Auch die Meisterwerke<br />
von Cazzo, Bel Ami, Cadinot, Titan, Wurstfilm und Dolphin<br />
sind dem charismatischen Dandy keineswegs fremd. Viele von ihnen<br />
hat er sogar eigenhändig durchgeprüft.<br />
Harald Ecks Lieblingsfilme: 1. Ein Mann namens Herbstblume, 2. Der Mann meines<br />
Herzens, 3. Felix, 4. Taxi zum Klo, 5. Wiegenlied für eine Leiche.<br />
„Schon bald wurde Oscar Wilde ein fester Bestandteil der Community.<br />
Der Laden war und ist eine Institution, ein Auskunftsbüro<br />
für alles Mögliche und Unmögliche in der Frankfurter Szene“, erzählt<br />
Eck, während er eine Mentholzigarette anzündet. „Drei Jahre später<br />
haben wir dann unseren Onlineshop eröffnet, der 1999 zur besten<br />
Themenbuchhandlung im Internet gekürt wurde und den E-Commerce-Oscar<br />
auf der Frankfurter Buchmesse gewann.“ Der Internetshop<br />
ist gerade rechtzeitig zum Jubiläum generalüberholt und modernisiert<br />
worden.<br />
Überhaupt planen Eck und seine MitarbeiterInnen eine grandiose<br />
Festwoche zum 15. Geburtstag, zeitgleich zur diesjährigen Buchmesse.<br />
„Eine Fotoausstellung zur Geschichte des Ladens, eine Ausstellung<br />
mit weiblichen und männlichen Aktbildern, mindestens drei<br />
Lesungen, ein großer Sektempfang am 17. Oktober mit Prominenz und<br />
bis zu 50% Rabatt auf alle DVDs (vom 1. bis 17. Oktober) und Pipapo“,<br />
verspricht Eck – und schaut optimistisch in die Zukunft. „Und 2019<br />
kommt ja auch schon das 25. Jubiläum. Dann sehen wir weiter!“<br />
Die Kamera fährt auf den sympathischen Unternehmer zu, der<br />
einen Rauchring ins Kameraobjektiv haucht und leicht diabolisch<br />
strahlt wie ein Honigkuchenpferd auf Eck-Stacy. – The End – s<br />
Keiner küsst wie Daddy Cool<br />
von Citizen_b<br />
Himmelstürmer Verlag,<br />
www.himmelstuermer-verlag.de<br />
Webshop: www.oscar-wilde.de<br />
26 27<br />
profil<br />
PRivAt
frisch ausgepackt<br />
Neu auf DVD<br />
von jan künemund, Paul schulz und axel schock<br />
TEENAGE ANGST<br />
D 2008, Regie: thomas Stuber, Edition Salzgeber<br />
Tief fliegt die Kamera<br />
über eine Flussidylle<br />
und nimmt das malerische<br />
Schlossinternat in<br />
den Blick. Was wie ein<br />
öffentlich-rechtlicher<br />
P r i met i me -T V-F i l m<br />
beginnt, mit hochglänzenden<br />
Aufnahmen<br />
deutscher Landschaften<br />
und attraktiven Gesichtern deutscher<br />
Jungschauspieler (Dinda, Kohrt, Ginsburg und<br />
Kocaj), wird schnell zu einer eisigen aktuellen<br />
Version der „Verwirrungen des Knaben Törless“.<br />
Die Söhne aus besten Kreisen, unterfordert<br />
von einem pseudo-liberalen Lehrpersonal,<br />
finden ihre eigenen sadistischen Herren-Rituale,<br />
um sich stets und ständig zu beweisen,<br />
dass sie die Auserwählten sind, eine natürliche<br />
Selektion künftiger Manager und Führer, für<br />
die die „Kinderkacke“ der bürgerlichen Ideale<br />
keine Perspektive darstellt. Ein Ideologe,<br />
sein brutaler Handlanger, ein feiger Mitläufer<br />
und ein masochistisch veranlagter Außenseiter,<br />
von ihren Eltern „abgeparkt am Arsch der<br />
Welt“ – eine brodelnde Mischung aus pubertärem<br />
Größenwahn, Gewaltphantasien und<br />
pseudointellektueller Rechtfertigung dumpfster<br />
Triebe. Für einen Augenblick deutet sich<br />
eine homoerotische Allianz zwischen Opfer<br />
und Mitläufer an, die aber vom Gruppenzwang<br />
erstickt wird. Thomas Stubers engagierte<br />
Jugendgewalt-Studie wird konsequent bis zum<br />
bitteren Ende durchgespielt und schlägt sich<br />
keinesfalls auf die Seite der moralisch argumentierenden<br />
Erwachsen – diese erscheinen<br />
allenfalls als Witzfiguren mit hohlen Sprüchen<br />
und selbstgefälliger Ignoranz, die am Ende<br />
dafür (gerechterweise?) die Strafe zahlen müssen.<br />
Shootingstar Franz Dinda spielt die spannendste,<br />
weil ambivalenteste Figur des Mitläufers<br />
Stürmer. jk<br />
REICH MIR DEINE HAND<br />
F/D 2008, Regie: Pascal-Alex vincent, Edition Salzgeber<br />
Antoine und Quentin sind Brüder, achtzehn,<br />
von zu Hause abgehauen und auf dem Weg<br />
zu sich selbst. Zwillinge, die noch niemals<br />
getrennt waren, in Hassliebe vereint und von<br />
großer Attraktivität für ihre Umwelt. Zum<br />
Maultrommel-Sound der Band Tarwater (den<br />
28<br />
Soundtrack gibt es bei<br />
der DVD dazu) rückt<br />
der Spielfilm mit großer<br />
Intensität den fast identischen<br />
Jungs auf den<br />
Leib. Reich mir deine<br />
Hand, das poetischatmosphärischeLangfilmdebüt<br />
des französischen<br />
Filmemachers<br />
Pascal-Alex Vincent, ist auch eine Hommage<br />
an die amerikanischen Filme der 70er Jahre,<br />
dem so genannten ‚New Hollywood‘, und wie<br />
diese ein Roadmovie. Das Unterwegssein der<br />
Figuren ist dabei ganz wörtlich zu verstehen:<br />
Sie gehen auf eine Reise, sind auf der Suche –<br />
nach Liebe, nach Orientierung, nach Glück,<br />
nach dem Leben und nach sich selbst. Am<br />
Ende werden die Erfahrungen sie verändert<br />
haben. Wie bei jedem Roadmovie geht es nicht<br />
um das Ziel der Reise, sondern um die Reise<br />
selbst, geprägt von zufälligen Begegnungen<br />
und Erlebnissen. Die Landschaft wird fast<br />
zu einer dritten Hauptfigur, die die Reisenden<br />
einverleibt, abstößt, ihre Gefühle spiegelt<br />
und sie immer wieder herausfordert. Die beiden<br />
Jungs müssen sich selbst behaupten und<br />
hinterfragen, gegen den anderen durch- und<br />
absetzen. „Wer bin ich?“ – diese Frage wird für<br />
die beiden auf dieser Reise existenziell. Auf der<br />
Suche nach einer Antwort werden sie ein Stück<br />
weit erwachsen.“ (Thomas Abeltshauser in der<br />
SISSY 01/09)<br />
MA MÈRE – MEINE MUTTER<br />
FR 2007, Regie: christophe Honoré, cMv laservision<br />
Papa ist tot. Mama<br />
und ihr Sohn bleiben<br />
allein auf Gran Canaria<br />
zurück. Mama sagt:<br />
„Vergiss nicht, so zu tun,<br />
als wärst du traurig!“<br />
und „Wenn du mich<br />
wirklich liebst, sagst<br />
du mir, wie abscheulich<br />
ich bin!“ Mama ist Isabelle<br />
Huppert. Ihr Sohn vermisst seinen Vater<br />
dann doch und äußert das, wie es in französischen<br />
Skandalfilmen Brauch ist: Er läuft sehr<br />
lange nackt herum, uriniert auf die Familienfotos<br />
und verliert sich in einem Strudel aus<br />
polymorphen Perversionen, Drogen und Alkohol,<br />
um am Ende wieder in Mamas Armen und<br />
zwischen ihren Schenkeln zu landen. Inzest<br />
als die finale Rückkehr in den Schoß der Familie.<br />
Ma mère ist die Verfilmung eines posthum<br />
veröffentlichten Romans von Georges Bataille<br />
und ist nach Chansons D’amour und Dans Paris<br />
schon die dritte Zusammenarbeit von Hauptdarsteller<br />
Louis Garrel und Regisseur Christoph<br />
Honoré. Man kann den Film als Kritik<br />
an einem System sehen, in dem alles und jeder<br />
käuflich ist und auch die Familie keinen Schutz<br />
vor Verletzungen mehr bietet. So hat Honoré<br />
ihn wohl gemeint. Aber wenn man Ma mère<br />
einfach als erotische Schlacht zwischen einer<br />
phänomenalen Isabelle Huppert und dem in<br />
jeder Hinsicht unterlegenden Louis Garrel<br />
guckt, hat man mehr Spaß. ps<br />
PALERMO ODER WOLFSBURG<br />
D 1980, Regie: Werner Schroeter, Filmgalerie 451<br />
Werner Schroeters<br />
Gastarbeiter-Oper aus<br />
dem Jahr 1980 ist drei<br />
Stunden lang. Langeweile<br />
kommt nicht auf,<br />
denn der Film wechselt<br />
zweimal komplett<br />
den Ton und den Ort.<br />
Der schöne Nicola (das<br />
‚Lämmchen‘) bricht aus<br />
Sizilien auf, geht in Deutschland vor die Wölfe<br />
und schließlich wird ihm in einer grellen<br />
Gerichtsverhandlung der Prozess gemacht. Der<br />
Film, 1980 immerhin mit dem Goldenen Bären<br />
der Berlinale ausgezeichnet, verbindet grandios<br />
gewagt die größten Gegensätze: Palermo<br />
und Wolfsburg, sinnliche Landschaften ohne<br />
Perspektive und kalte Industrieorte voller<br />
Gewalt, weinende Männer und harte Frauen,<br />
sizilianische Volksgesänge und das von Juliane<br />
Werding anmoderierte und von Isolde Barth<br />
kaputtgekrächzte „Zwei kleine Italiener“. Eine<br />
größenwahnsinnige Sensation, doch – wie<br />
immer bei Schroeter – zutiefst humanistisch.<br />
Man muss den Regisseur selbst darüber reden<br />
hören, um das alles zu verstehen – und das<br />
kann man auch in dieser vorbildlichen DVD-<br />
Ausgabe, denn es gibt noch ein kurzes Interview<br />
mit ihm aus 2008 als Bonus. jk<br />
ABFALLPRODUKTE DER LIEBE<br />
D 1996, Regie: Werner Schroeter, Filmgalerie 451<br />
Vielleicht ist es ein<br />
Missverständnis, große<br />
Opernkünstler zu fragen,<br />
was sie privat über<br />
Liebe und Tod denken,<br />
und sich davon zu<br />
versprechen, dadurch<br />
hinter das Geheimnis<br />
ihrer besonderen<br />
Ausdrucksfähigkeit zu<br />
kommen. Doch was in diesem Dokumentar-<br />
film des ausgesprochenen Opernliebhabers<br />
Werner Schroeter aus diesem Missverständnis<br />
heraus entsteht, ist vielleicht noch schöner<br />
als der musiktheoretische Erkenntnisgewinn.<br />
Zehn Lieblingssänger(innen) Schroeters in<br />
einer mittelalterlichen Abtei, Freunde, Schauspieler,<br />
nackte Jünglinge auf Pferden, eine<br />
Korrepetitorin und ein Stab an Licht-, Kostüm-<br />
und Makeup-Künstlern erwecken Arien zum<br />
Leben, stellen einander Fragen, werden vom<br />
Regisseur herumgescheucht. Die Anstrengung<br />
schwankt zwischen grandioser Inszenierung<br />
der Stimmen, Körper und Gesichter (was vor<br />
allem der Kamerafrau Elfi Mikesch zu verdanken<br />
ist), der Herstellung eines perfekten dramatischen<br />
Moments in und durch Kunst, und<br />
dem Versuch, hinter die Masken zu schauen<br />
– Musikclip und Making-Off zugleich. Und so<br />
sieht man Opernstars joggen, tanzen, weinen,<br />
Suppe kochen und zuhören, Isabelle Huppert<br />
Mozart singen und die große Anita Cerquetti<br />
die Lippen zu ihrer fast vierzig Jahre alten Aufnahme<br />
von „Casta Diva“ bewegen. Und einen<br />
Regisseur, der von den vielen an Aids verstorbenen<br />
Freunden erzählt und sich seinen privaten<br />
Callas-Gottesdienst aus Liebes- und Todesarien<br />
zusammenstellt. Das ist großartig und<br />
vermessen zugleich, doch alle machen mit. „Im<br />
Theater wird man von jedermann fortwährend<br />
beleidigt“, erzählt Martha Mödl. jk<br />
SÜNDIGER SOMMER<br />
USA 1970, Regie: Barbara Peeters, Edition Salzgeber<br />
Sie hatten Titel wie<br />
Caged Heat, 10 Violent<br />
Women oder Chained<br />
Girls – die Filme der<br />
‚Lesploitation‘-Welle<br />
der 1960er und frühen<br />
1970er, die lesbische<br />
Themen als Vorwand<br />
nahmen, um bei jeder<br />
nur möglichen Gelegenheit<br />
unbekleidete Frauen zu zeigen. Das Lesbischsein<br />
wird darin oft dröge diskutiert, und<br />
die meisten Frauen waren am Ende entweder<br />
geheilt oder tot. Sündiger Sommer ist, obwohl<br />
er eindeutig in dieser Tradition steht, etwas<br />
Besonderes. Natürlich ist die technische Ausstattung<br />
aufs Schönste billig und die Sets zeitbedingt<br />
ein Alptraum aus giftgrünen Flokatis,<br />
pseudoindischen Wandbehängen und niedlichen<br />
Blümchentapeten. Auch treten Hippiebands<br />
auf und Tanzgruppen in unvorteilhaften<br />
Ganzköpertrikots. Und natürlich ist Adria und<br />
Denise, den beiden gelangweilten Hausfrauen,<br />
die beim Beobachten eines jungen lesbischen<br />
Paares auf Ideen kommen, kein männerloses<br />
Happy-End bestimmt. Aber völlig unbeeindruckt<br />
davon ist die Geschichte wirklich<br />
ergreifend, die Hauptdarstellerin Elizabeth<br />
Plump ein Traum und Regisseurin Barbara<br />
Pe(e)ters gelingen immer wieder Bilder von<br />
großer poetischer Kraft – wie die unbewegten,<br />
in Grimassen erstarrten Karussellpferde<br />
am Anfang, die auf die gezügelte Energie und<br />
die boykottierten Selbstverwirklichungen der<br />
Hausfrauen hindeuten, die sich in ihren lesbischen<br />
Fantasien viel eher mit echten Pferden in<br />
weite Landschaften träumen, dem Sonnenuntergang<br />
entgegen reitend… jk<br />
ANNA & EDITH<br />
D 1975, Regie: Gerrit Neuhaus, Edition Salzgeber<br />
Ein warmherziger und<br />
kämpferischer Lesbenfilm-Klassiker<br />
aus<br />
Deutschland, von vier<br />
Frauen ins dröge deutsche<br />
Fernsehen der<br />
1970er Jahre gehievt:<br />
Cristina Perincioli<br />
und Cillie Rentmeister<br />
schrieben, Regina Ziegler<br />
produzierte und Alexandra von Grote setzte<br />
durch. „Auf der einen Seite ist Anna & Edith<br />
ein klassischer Agit-Prop-Film jener Zeit, auf<br />
der anderen Seite ein wichtiges Zeitdokument<br />
und der erste selbstbewusste Lesbenfilm der<br />
deutschen Fernsehgeschichte, in der lesbische<br />
Liebe nicht direkt ins Verderben führt, in dem<br />
zum ersten Mal ein leidenschaftlicher Kuss<br />
zwischen zwei Frauen zu sehen war. Wenn<br />
man sich den Film heute ansieht, ahnt man<br />
nicht, welche Bedeutung er zum Zeitpunkt seiner<br />
Entstehung für vier daran beteiligte Frauen<br />
erlangte. Für die einen als Lebenselixier, für<br />
die anderen als Albtraum und Sprungbrett<br />
zugleich.“ (Diana Näcke in der SISSY 02/09)<br />
LOVE STORIES –<br />
JUNGS ZUM VERLIEBEN<br />
USA/cA/FR/SE 2007, Edition Salzgeber<br />
Plötzlich ist er da, der<br />
Moment, der so oder so<br />
alles verändern wird.<br />
Ein Liebesgeständnis<br />
dem ‚besten Freund‘<br />
gegenüber wird im besten<br />
Fall erwidert – im<br />
anderen Fall wird er<br />
die Freundschaft verändern,<br />
vielleicht sogar<br />
zerstören. Insofern sind das alles hier eigentlich<br />
Beinahe-Love-Stories, die das Potential<br />
großer Liebesgeschichten in sich tragen, aber<br />
eigentlich nur diesem entscheidenden Moment<br />
entgegenfiebern.<br />
Wie sie das tun ist natürlich wieder ganz<br />
unterschiedlich. Die WG der schwedischen<br />
Jungs in Mitbewohner scheint so selbstverständlich<br />
jungshaft wortkarg, das jedes emotionale<br />
Geständnis quasi unmöglich erscheint.<br />
Die Teenies auf dem Land in Silver Road und<br />
Heartland müssen wahrscheinlich erst in die<br />
Stadt ziehen, bevor das möglich wird, was sie<br />
sich wünschen. In einigen Geschichten spielt<br />
die verrinnende Zeit eine Rolle, bis der Traummann<br />
heiratet oder weggeht, um sein Studium<br />
zu beginnen. Filme, die sich auf einen besonderen<br />
Moment konzentrieren, funktionieren hervorragend<br />
auch in der Kurzform. Hintereinander,<br />
das heißt 96 Minuten am Stück, ist das eine<br />
ziemlich aufwühlende Angelegenheit. jk<br />
COMING OF AGE, VOL. 2<br />
cMv laservision<br />
Zwei Jungs treffen sich<br />
am Rande einer Sportveranstaltung.<br />
Mit<br />
Sport haben sie beide<br />
nichts zu tun, der eine<br />
liest Dickens und hört<br />
Velvet Underground<br />
mit dem Walkman (es<br />
ist 1997!), der andere<br />
will nur zu seinem Lieblingsort<br />
auf dem Dach der Anlage. Zwischen<br />
beiden funkt es sofort, sie können über Dickens<br />
und Rimbaud reden, über depressive Musik<br />
sowieso, über Schule & Französisch Lernen…<br />
da liegt es nahe, dass der eine den anderen<br />
irgendwann küssen will. Leider ist der noch<br />
nicht soweit und flüchtet. Der allein Gelassene<br />
spiegelt sich schließlich im wegfahrenden<br />
Auto. Nicht mehr und nicht weniger erzählt<br />
Robert Little in seinem Kurzfilm The Good<br />
Son, dem schönsten Beitrag auf dieser Sammlung<br />
über das schwule Großwerden. Ansonsten<br />
variieren die Filme dieses Thema eher experimentell<br />
– als Spielerei eines diskriminierten<br />
Hetero-Teenagers, der unter lauter Homosexuellen<br />
aufwächst oder als persönlicher Essay<br />
eines Beziehungsgestörten, der sich selbst mit<br />
der Kamera analysiert, obwohl er eigentlich ein<br />
schwules Märchen drehen will. jk<br />
LIEB MICH! GAy SHORTS 2<br />
MX 1996–2008, Pro-Fun Media<br />
frisch ausgepackt<br />
Unter diesem etwas<br />
verzweifelten Befehl<br />
sind hier sechs Kurzgeschichtenversammelt,<br />
die sich bis auf<br />
Mr_Right_ 22 vor allem<br />
auf Bilder, Körper und<br />
Musik verlassen und<br />
nicht auf Dialoge. Am<br />
witzigsten funktioniert<br />
das in den 3½ Minuten Brüderliebe der<br />
Geschwister Pfister, deren Ferkeleien von der<br />
Mutter einfallsreich vereitelt werden. In Arie<br />
ereignet sich ein Coming-Out als Tanz, im<br />
Duett eines Choreographen mit einem verlieb-<br />
29
frisch ausgepackt<br />
ten Tänzer, vor den Augen der verschmähten<br />
Freundin und des Konkurrenten. Erfasst hier<br />
die Kamera den Tanz dreier Männer, so ist der<br />
grandiose Bramadero von Julián Hernández<br />
selbst ein Tanz – in der Art und Weise, wie<br />
zwei Körper im Raum inszeniert werden, wie<br />
die Kamera sie umschleicht, ohne eigentlich<br />
eine Geschichte zu erzählen. Auch in dieser<br />
‚entschärften‘ (d.h. um 2½ explizite Minuten<br />
gekürzten) Version ist das atemberaubend:<br />
Zwei Jungs treffen in einem Hochhaus-Rohbau<br />
über der urbanen Kulisse von Mexico City aufeinander,<br />
betrachten sich, bedrohen sich, ficken<br />
– bis einer von beiden ausrastet und den anderen<br />
tötet. Die Szenerie umfasst einen gesamten<br />
Tag, bis die Nacht die Großstadt in Schwarz<br />
hüllt. Kein Wort fällt zwischen den beiden. Auf<br />
der Tonspur nur entfernte Baugeräusche und<br />
Verkehrslärm, ein leicht sich steigerndes elektronisches<br />
Wabern, am Ende ein Tango, „En<br />
esta tarde gris“ („An diesem grauen Abend“).<br />
Hernández, mehrfacher TEDDY-Gewinner<br />
(Mil Nubes und zuletzt Rabioso Sol, Rabioso<br />
Cielo) umkreist mit seinen Filmen eigentlich<br />
immer das schwule Begehren an sich, gerne<br />
auch mal drei Stunden lang. Hier inszeniert er<br />
knapp 20 Minuten Rausch und berauscht sich<br />
selbst dabei. jk<br />
BROADWAy FIEBER<br />
USA 1997, Regie: victor Mignatti, Edition Salzgeber<br />
Diese drei haben wirklich<br />
keinen blassen<br />
Schimmer. Marc und<br />
Robert wollen ins ‚Village‘<br />
ziehen und den<br />
Broadway erobern.<br />
Doch der eine kann<br />
nicht sprechen und<br />
der andere stirbt vor<br />
Nervosität (und will<br />
sowieso lieber Songwriter werden). Modeopfer<br />
Cynthia will bei Tina Brown arbeiten, hat<br />
statt eines Lebenslaufs aber nur einen reichen<br />
Vater vorzuweisen. Außerdem sind dummerweise<br />
schon die 1990er angebrochen – Stephen<br />
Sondheim hat schon lange kein erfolgreiches<br />
Musical mehr geschrieben und Tina Brown<br />
ist bei Vanity Fair schon auf dem Absprung.<br />
Auch in Manhattan ist es chic geworden, cool<br />
zu sein – da ist nicht viel Hoffnung für Träumer<br />
wie die drei. Oder gerade doch: Eine Wohnung<br />
findet Marc, weil der Hausmeister gerade<br />
etwas körperliche Zuwendung nötig hat und<br />
auch das Dilettieren im Songwriting fällt nicht<br />
so auf, wenn das Liebeslied an den Angehimmelten<br />
ins Schwarze trifft. Victor Mignatti<br />
hat eine warmherzige Komödie über kunst-<br />
und liebeshungrige Spinner gedreht, mit viel<br />
Greenwich Villager Lokalkolorit und wirklich<br />
schönen Gags – wie dem mit den beiden betagten<br />
Touristinnen, die den damals noch zweit-<br />
30<br />
größten New Yorker Wolkenkratzer betrachten<br />
und ausrufen: „Sieh mal, das Entire State<br />
Building!“ Oder von Robert, der auf der Christopher<br />
Street einen Souvenirladen betritt und<br />
nach einer Geburtstagskarte für seine Mutter<br />
sucht: „Haben Sie auch welche ohne Erektionen?“<br />
jk<br />
BIG EDEN<br />
USA 2000, Regie: thomas Bezucha, Pro-Fun Media<br />
Henry Hart ist Ende 30<br />
und muss nach Hause.<br />
Sein Großvater liegt<br />
im Sterben. Also fährt<br />
der eingefleischte New<br />
Yorker Single zurück<br />
nach Big Eden, ein Nest<br />
in den Bergen von Montana,<br />
dahin wo er großgeworden<br />
ist. Dort wird<br />
die Stadtmaus erst langsam wieder zur Landmaus<br />
und trifft dabei den Mann ihres Lebens.<br />
Kein anderer Film mit schwuler Thematik hat<br />
je so viele Preise gewonnen wie Big Eden. Wohl,<br />
weil er auf so vielen Ebenen gut funktioniert:<br />
als romantische Komödie, als amerikanischer<br />
Heimatfilm, als queere Utopie über das Zusammenleben<br />
der Geschlechter und Generationen<br />
und als großartiges Schauspielerkino. Oscarpreisträgerin<br />
Louise Fletcher, Tim DeKay und<br />
Eric Schweig als schwuler Indianer werfen sich<br />
so elegant die emotionalen Bälle zu, dass es eine<br />
Freude ist, ihnen dabei zuzusehen. Regisseur<br />
und Drehbuchautor Thomas Bezucha hat mit<br />
Big Eden ein kleines Meisterwerk geschaffen,<br />
das leicht und schlüssig eine Menge komplexer<br />
Themen anspricht, ohne dabei je belehrend<br />
oder gar langweilig zu sein. ps<br />
3-DAy WEEKEND<br />
USA 2008, Regie: Bob Williams, Pro-Fun Media<br />
Ein Ritual. An jedem<br />
langen Wochenende<br />
treffen sich die Ex-Partner<br />
Jason und Cooper<br />
in einer abgelegenen<br />
Berghütte mit ihren<br />
jeweils aktuellen Liebhabern.<br />
Diesmal soll es<br />
etwas spannender werden,<br />
also lädt jeder von<br />
ihnen noch einen Single-Mann ein. Also acht<br />
Typen im Nirgendwo, drei Doppel-, ein Einzelbettzimmer<br />
und eine Couch, ein Whirlpool,<br />
Wanderkarten und drei Tage Zeit. Es passiert,<br />
was passieren muss: Beziehungen vertiefen<br />
sich, bahnen sich an, ein Paar trennt sich. In<br />
jeder Nacht entscheidet sich neu, wer mit wem<br />
ins Bett geht. Zwischendurch Yogaübungen,<br />
Befindlichkeiten und Gespräche – über Heirat,<br />
Beziehung, Treue, Coming-Out und Aids. Das<br />
einzige, was am Ende klar ist, ist, dass Jason<br />
und Cooper an ihrem Ritual festhalten werden.<br />
Irgendwann geraten die Älteren mit den Jüngeren<br />
über die Frage aneinander, wie Schwule<br />
im Film repräsentiert werden sollen – die einen<br />
finden die aktuellen Komödien zu oberflächlich,<br />
die anderen wollen keine verklemmten<br />
Dramen vom Typ The Boys in the Band mehr<br />
sehen. 3-Day Weekend ist jedenfalls weder das<br />
eine noch das andere. jk<br />
I THINK I DO<br />
USA 1998, Regie: Brian Sloan, Pro-Fun Media<br />
I think I do ist Vier Hochzeiten<br />
und ein Todesfall<br />
oder Die Hochzeit<br />
meines besten Freundes<br />
durch die Augen<br />
des Queer Cinemas<br />
Ende der 1990er. Eine<br />
gemischtgeschlechtliche<br />
College-Clique<br />
trifft sich bei einer<br />
Hochzeit wieder. Zwei der Jungs, Brendan und<br />
Bob, waren mal ineinander verliebt, haben sich<br />
das aber nicht mal selbst eingestanden. Jetzt<br />
wären sie dann soweit, trauen sich aber immer<br />
noch nicht. Die Freunde eilen zu gutgemeinter<br />
statt gutgemachter Hilfe und richten dabei<br />
heilloses Chaos an. Die Zutaten von I think I do<br />
sind die einer klassischen Screwball-Komödie:<br />
messerscharfe Zungen, schnittige Dialoge und<br />
ein bisschen alberner Slapstick rund um ein<br />
niedliches, romantisches Paar, das zueinander<br />
finden soll. Wenn man darüber hinweg sieht,<br />
dass nichts so alt ist, wie die Mode und Frisuren<br />
von vor zehn Jahren, kann man mit I think<br />
I do jede Menge Spaß haben. ps<br />
CUT SLEEVE BOyS<br />
tH 2006, Regie: Ray Yeung, cMv laservision<br />
Als Mitteleuropäer hat<br />
man in den letzten 15<br />
Jahren dabei zusehen<br />
können, wie das asiatische<br />
Kino 100 Jahre<br />
queere Kinogeschichte<br />
im Zeitraffer nachvollzog.<br />
Dabei wurde das<br />
Publikum mit einer ganzen<br />
Reihe von Filmen<br />
konfrontiert, die es entweder nicht schafften,<br />
über bloße Elendsromantik hinauszukommen,<br />
oder ihren queerpolitischen Impetus mit dem<br />
cinematischen Holzhammer vortrugen. Die<br />
dritte Variante waren Adaptionen westlicher<br />
Genres für den asiatischen Markt. Hierzu zählt<br />
Cut Sleeve Boys (im Chinesischen ein liebevoller<br />
Ausdruck für Schwule). Die etwas hysterische<br />
romantische Komödie, die zwei chinesische<br />
Mittdreißiger in London beim Erwachsen-<br />
werden begleitet, ist streckenweise wirklich<br />
witzig, am Puls der Zeit und optisch ein Feuerwerk,<br />
bleibt aber auch mal im blanken Kitsch<br />
stecken, wozu das chinesische Verständnis von<br />
Tuntentum nicht unwesentlich beiträgt. Cut<br />
Sleeve Boys ist kein Iron Ladies-Nachfolger,<br />
hat aber alle Zutaten für einen vergnüglichen<br />
Videoabend mit Freunden. ps<br />
BINyAG – DIE VERLORENE UNSCHULD<br />
PH 2008, Regie: Miko Jacinto, cMv laservision<br />
Binyag (eigentlich „Die<br />
Taufe“) ist der erotische<br />
Monolog eines jungen<br />
Mannes. Von Leo,<br />
elternlos im Paradies<br />
aufgewachsen, das hier<br />
San Joaquin heißt, aber<br />
eigentlich die Essenz<br />
des Paradieses schlechthin<br />
ist: kein Ort, an dem<br />
man Kleidung trägt. Die Vertreibung daraus<br />
setzt weniger durch Leos schwules Erwachen<br />
ein, als durch die Filmindustrie – ein Talentscout<br />
verführt den Jungen, nimmt ihn mit nach<br />
Manila, wo er an weitere Produzenten, Fotografen<br />
und Autoren weitergegeben wird, die<br />
alle „einen Star“ aus ihm machen wollen und<br />
dann doch nur einen Körper aus ihm machen.<br />
Leo nimmt das alles hin und allzu viel macht es<br />
ihm auch nicht aus, denn er will sich selbst finden<br />
und das geht nur durch Erfahrung. Seine<br />
Stimme führt uns durch die verschiedenen<br />
Episoden, durch die Traumkulissen der Heimatstrände<br />
und die Smog-Glocke des Molochs.<br />
Und wieder zurück ins Paradies. Und nach<br />
knapp 60 Minuten kennt man jede Muskelfaser<br />
des ziemlich schönen Ran Domingo. Ein bisschen<br />
ins Nachdenken kommt man allerdings<br />
schon, wenn ein zynischer Filmproduzent<br />
auftritt und sagt: „Zeig nackte Männer… die<br />
Schwulen stehen Schlange… die haben Geld.“<br />
Verbuchen wir es mal unter Selbstironie. jk<br />
BURN THE BRIDGES<br />
MX 2007, Regie: Francisco Franco, Pro-Fun Media<br />
Die Ameisen fallen<br />
bereits über das alte<br />
Stadtpalais her. Die<br />
Mutter, eine populäre<br />
Sängerin, liegt im<br />
Sterben. Das Regiment<br />
hat Helena übernommen,<br />
die junge Tochter,<br />
unterstützt von einem<br />
fragilen Netzwerk aus<br />
Ärzten, Nachbarn, einer Haushälterin. An<br />
ihren Wänden hängen Sehnsuchtsbilder von<br />
Winterurlaubsorten. Doch sie kann nicht weg,<br />
solange es die Mutter und ihre traurigen Chansons<br />
gibt. Ihren Bruder Sebastian, den Träu-<br />
mer, packt sie in Watte und lässt andere Jungs<br />
sich um ihn kümmern. Doch Sebastian erwacht<br />
trotzdem, denn ‚Scarface‘, der Einzelgänger<br />
und Rebell, kommt neu an die Schule. Juan<br />
lehrt Sebastian das Springen – von Dächern<br />
und aus der selbstbezogenen dunklen Welt des<br />
sterbenden Hauses. Da Juan ihm vom Meer<br />
erzählt und Sebastian sich in ihn verliebt hat,<br />
malt er sein Zimmer blau. Und Helena spürt,<br />
dass ihr ihre kleine Welt entgleitet.<br />
Schließlich stirbt die Mutter und zunächst verwirklicht<br />
niemand seine Pläne für das Danach.<br />
Aneinander gekettet ziehen sich die Geschwister<br />
ins Haus zurück, bis sie einsehen, dass es so<br />
nicht weiter gehen kann.<br />
Burn the Bridges: Wer Brücken hinter sich<br />
abbrennt, muss nach vorne schauen. Man verliebt<br />
sich auf Anhieb in alle Figuren und glaubt<br />
alle behaupteten Gefühle. Jedes Bild sitzt,<br />
alle Gegenstände, alle Geräusche, alle Blicke<br />
erzählen etwas, auch in den Randgeschichten<br />
(Nonnen, die sich voller Lust die Kleider der<br />
verstorbenen Diva anhalten…). Ein traurigschönes<br />
Werk jk<br />
WÄRE DIE WELT MEIN –<br />
EIN TRAUM WIRD WAHR<br />
USA 2008, Regie: thomas Gustafson, Pro-Fun media<br />
Ihre Schule legt Wert<br />
auf eine breit gefächerte<br />
Ausbildung, so müssen<br />
sie Sport genauso<br />
ernstnehmen wie den<br />
musischen Unterricht.<br />
Doch die Jungs in<br />
Timothys High School<br />
toben sich am liebsten<br />
beim Rugby aus und<br />
finden den Theaterunterricht schwul. Timothy,<br />
der offen schwule Außenseiter, traut sich<br />
weder das eine noch das andere und ist der<br />
willkommene Kandidat für Hänseleien und<br />
pubertäre Spaße. Spießrutenlaufen in Röhrenjeans<br />
– bis die Literaturlehrerin eine Inszenierung<br />
des „Sommernachtstraums“ auf den<br />
Lehrplan setzt („Shakesqueer“ nennen das<br />
die Rugbyspieler). Da schlägt plötzlich Timothys<br />
Stunde und das ist die erste Zauberei des<br />
Films – ungeahnterweise kann er singen und<br />
spielen und verschafft sich bei seinen Kameraden<br />
zum ersten Mal Respekt. Doch der Film<br />
von Tom Gustafson und seinem Co-Autor Cory<br />
James Krueckeberg geht noch einen queeren<br />
Schritt weiter in seinem Mix aus Internatsgeschichte<br />
und Musical, Shakespeare und Take<br />
That: Nicht nur, dass Jungs in Frauenrollen<br />
schlüpfen, aus homophoben Schülern Feen<br />
werden und dass die schönen Songs von Jessica<br />
Fogle auf original Sommernachtstraum-Versen<br />
beruhen – wie der Puck bei Shakespeare verzaubert<br />
auch Timothy mit einem Feen-Nektar<br />
alle Menschen um sich herum, macht aus ihnen<br />
Liebende, vorzugsweise gleichen Geschlechts.<br />
Nur bei seinem Schwarm, so die Pointe, hätte<br />
er das gar nicht gebraucht – die Liebe war im<br />
Geheimen schon gegenseitig. Ein Fairy-Tale in<br />
mehrfacher Hinsicht. Schön, dass mit Gustavsons<br />
Kurzfilm Fairies auch die Vorstudie zu diesem<br />
Musical auf der DVD enthalten ist. jk<br />
WITH GILBERT & GEORGE<br />
UK 2007, Regie: Julian cole, Edition Salzgeber<br />
Gilbert und George<br />
geben in dem intimen<br />
Filmporträt ihres<br />
Freundes Julian Cole<br />
104 Minuten lang „Gilbert<br />
& George“ – das<br />
skurrilste Herrenpaar<br />
der Kunstgeschichte.<br />
„Es gelingt Cole, den<br />
queeren Charakter ihrer<br />
Kunst herauszuarbeiten, ohne dass das Leben<br />
der beiden Künstler als schwules Paar näher<br />
thematisiert wird. Das ist jedoch keine falsche<br />
Scheu, vielmehr setzen alle am Film Beteiligten<br />
diese Lebensform als Selbstverständlichkeit<br />
voraus. Das Wort ‚gay‘, erklärt George im Film,<br />
habe er nie gemocht. Er bevorzuge das Wort<br />
‚sexy‘ als neutrale, von Geschlechtszuweisung<br />
unabhängige Zustandsbeschreibung. ‚Niemand<br />
sagt ‚I feel heterosexy tonight‘‘, scherzt<br />
George, gerade deshalb sei der Begriff ‚sexy‘ so<br />
gut, um eine universelle Lust zu bezeichnen.<br />
‚Erst kämpften die Heterosexuellen um sexuelle<br />
Befreiung, dann kämpften die Homosexuellen,<br />
doch die nächste Schlacht wird für alle<br />
sein‘, erklärt George an einer anderen Stelle im<br />
Film.“ (Martin Büsser in der SISSY 02/09)<br />
CLANDESTINOS<br />
ES 2007, Regie: Antonio Hens, Pro-Fun Media<br />
frisch ausgepackt<br />
Xabi und zwei Kumpels<br />
gelingt die Flucht<br />
aus dem Jugendknast.<br />
Irgendwie schaffen sie<br />
es nach Madrid, einer<br />
von ihnen reißt unterwegs<br />
zwei Mädchen auf<br />
und Driss, der jüngste,<br />
ist froh, dass sie ihn<br />
überhaupt mitgenommen<br />
haben. Xabi allerdings hat andere Pläne<br />
als unterzutauchen und Party zu machen. Eine<br />
Liebesaffäre mit einem Terroristen hat aus ihm<br />
einen glühenden ETA-Jünger gemacht, also will<br />
er jetzt im Untergrund für ‚die Sache‘ kämpfen.<br />
Unter seiner Anleitung basteln die Jungs also<br />
Bomben, klauen ein bisschen, randalieren und<br />
Xabi verdient sich noch ein bisschen Geld auf<br />
dem Strich. Ganz schön, wie Regisseur Antonio<br />
Hens das erzählt, als jugendliches Chaos zwi-<br />
31
frisch ausgepackt<br />
schen Sex, Biertrinken, große Sprüche klopfen,<br />
Wohnungen verwüsten und den ‚echten‘ Terroristen<br />
dabei in die Quere kommen. Und der<br />
junge Israel Rodríguez spielt den Xabi grandios,<br />
fiebrig, nervös, physisch. Dass der kleine<br />
Gangster sich auf dem Strich wieder von einem<br />
älteren Mann aufreißen lässt – diesmal aber<br />
von einem ‚guten‘ Polizisten – und dadurch<br />
erst die Kurve kriegt, wird nicht weiter problematisiert.<br />
Ein Date im Knast jedenfalls ist eine<br />
interessante Happy-End-Variante. jk<br />
DRIFTER<br />
D 2007, Regie: Sebastian Heidinger, Edition Salzgeber<br />
Der junge dffb-Absolvent<br />
Sebastian Heidinger<br />
hat in seinem<br />
Dokumentarfilm Drifter<br />
Daniel, Angel und<br />
Aileen begleitet, drei<br />
Jugendliche, die sich<br />
am Bahnhof Zoo ihre<br />
Drogen besorgen, anschaffen<br />
gehen oder in<br />
Notunterkünften unterkommen. Es geht ihm<br />
um ihren Alltag, nicht um ihre Geschichte.<br />
Um das tägliche Durchhalten, Weitermachen<br />
und ‚Driften‘, ohne familiären Halt und mit<br />
wenig öffentlicher Unterstützung. Ein schonungsloser<br />
und sehr menschlicher Film über<br />
die Sucht und die prekären Beziehungen der<br />
um sie Kreisenden. „Es war unser Anspruch,<br />
uns als Personen komplett da reinzugeben. Auf<br />
der anderen Seite bist du als Regisseur natürlich<br />
ganz stur auf Material und gute Szenen<br />
angewiesen. Einerseits mussten wir im Sinne<br />
des Films überall dabei sein, andererseits aber<br />
auch das Gefühl behalten, dass wir ein paar Sachen<br />
nicht zeigen wollen, um die Jugendlichen<br />
zu schützen. Und natürlich ist es auch für uns<br />
hart, eine Fixszene zu drehen.“ (Sebastian Heidinger<br />
in der SISSY 02/09)<br />
MILK<br />
USA 2008, Regie: Gus van Sant, Highlight<br />
Ob Milk in 20 Jahren<br />
noch so sehenswert<br />
sein wird wie My own<br />
private Idaho heute,<br />
bleibt abzuwarten. Wo<br />
sich Idaho wegen van<br />
Sants intim-privater<br />
Metaphern in Bild<br />
und Figuren nie ganz<br />
erschließt und geheimnisvoll<br />
anziehend bleibt, ist Milk filmisch gesehen<br />
ein politisches Pamphlet. Ein wichtiges,<br />
großartig gespieltes und gesellschaftlich wirksames,<br />
keine Frage. Aber das Celluloid-Denkmal<br />
für den ersten offen schwulen Politiker der<br />
Welt ist nicht mit Preisen überhäuft worden,<br />
weil ein Meisterregisseur hier etwas filmisch<br />
wirklich Bemerkenswertes abgeliefert hätte.<br />
Sondern weil die Gesamtgesellschaft so weit<br />
war, Schwule im Kino 30 Jahre alte politische<br />
Forderungen stellen zu lassen, die zum großen<br />
Teil immer noch unerfüllt sind. Wer ihr dafür<br />
dankbar ist, hat Harvey Milk nicht verstanden.<br />
Es geht nicht darum, ihn zu feiern und sich<br />
über Erreichtes zu freuen, sondern darum, die<br />
alten Forderungen endlich umzusetzen. Als<br />
Anregung dafür ist van Sants Film so geeignet<br />
wie kaum einer vor ihm und sollte genau deswegen<br />
jetzt von jedem schwulen Mann auf diesem<br />
Planeten gesehen werden. ps<br />
ROSAS RACHE<br />
Filme und tagebücher seit 1960. Hrsg. v. Anke vetter.<br />
Martin Schmitz verlag 2009<br />
MEINE MÜTTER –<br />
SPURENSUCHE IN RIGA.<br />
D 2008, Regie: Rosa von Praunheim, Basis Film<br />
„Das Private ist politisch“,<br />
fand nicht nur<br />
die bundesrepublikanischeSchwulenbewegung<br />
der 70er Jahre,<br />
sondern findet bis heute<br />
Rosa von Praunheim.<br />
15 Jahre nach seiner<br />
Autobiografie mit Tagebuchausschnitten<br />
„50<br />
Jahre pervers“ lässt er nun ein weiteres Mal in<br />
seine Aufzeichnungen blicken. Keine einfache<br />
Aufgabe für die Herausgeberin Anke Vetter,<br />
aus den zahlreichen Kladden eine Auswahl zu<br />
treffen und zur 336 Seiten starken, reich bebilderten<br />
„Rosas Rache“ zusammenzustellen.<br />
Die ersten Einträge aus 1960. Der 17-jährige<br />
Holger nennt sich noch lange nicht Rosa und<br />
vom selbstbewusst kämpferischen Schwulenaktivisten<br />
Praunheim ist noch nichts zu<br />
spüren: Einen Freund, den er in Verdacht hat,<br />
„widergeschlechtlich veranlagt“, zu sein, will<br />
er sich lieber vom Leib halten. Als frischgebackener<br />
Student an der HdK Berlin bereitet ihm<br />
die von Schwulen bevölkerte Welt der Künstler<br />
heftige Sorge: „Es ist so schwer, charakterfest<br />
zu bleiben“. 1962 schließlich hat er zum ersten<br />
Mal Sex mit einem Mann: „Es war ein großes<br />
Erlebnis für mich. Obwohl ich nicht pervers zu<br />
sein glaube, war es für mich so ästhetisch, dass<br />
ich es nicht bereue“. „Rosas Rache“ enthüllt<br />
Praunheims Persönlichkeit wie seine künstlerischen<br />
Überzeugungen: „Ich brauche Leute,<br />
die darauf eingehen, mich anzuregen.“ Solch<br />
Inspirationsquellen findet er immer wieder,<br />
meist sind es kämpferische Frauen und Exzentrikerinnen<br />
wie Lotti Huber, Charlotte von<br />
Mahlsdorf und seine Tante Luzi Krynn (Die<br />
Bettwurst). Nicht mit allen klappt die kreative<br />
Symbiose. Die Faszination für die „völlig ver-<br />
rückte“ und „irre provozierende“ Nina Hagen<br />
schlägt nach wenigen Wochen der Zusammenarbeit<br />
um. „Ich sehe sie immer mehr als kapitalistische<br />
Glamourhure. Erfolg um jeden Preis,<br />
absolut egozentrisch. Ich sehe nichts Progressives<br />
mehr an ihr.“<br />
Aber auch gegen sich selbst ist Praunheim<br />
schonungslos. Er klagt über Geldsorgen und<br />
mangelnde Anerkennung und gesteht seinen<br />
Neid auf den Erfolg von Regiekollegen wie<br />
Werner Herzog, Tom Tykwer und Rainer Werner<br />
Fassbinder.<br />
„Filme zu machen ist nicht die Hauptsache, die<br />
Hauptsache ist, intensiv zu leben: Erfahrungen,<br />
Abenteuer, Erkenntnisse“ (1972).<br />
„Auf den Friedhof zu<br />
Mutter, anschließend<br />
in das Pornokino“<br />
heißt es einmal lapidar.<br />
Erst kurz vor ihrem<br />
Tod hatte Gertrud<br />
Mischwitzky, mit der<br />
er viele Jahre zusammen<br />
in seiner Berliner<br />
Wohnung zusammengelebt<br />
hatte, ihm offenbart, dass er nicht ihr<br />
leiblicher Sohn, sondern ein Kind aus einem<br />
Rigaer Waisenhaus ist. Die Suche nach seiner<br />
wahren Mutter, die ihn tief in die Geschichte<br />
Lettlands und in die Zeit der Besatzung durch<br />
die deutsche Wehrmacht führte, dokumentiert<br />
Praunheim in seinem berührenden Film<br />
Meine Mütter, der nun als DVD erschienen ist.<br />
Die Recherche ist nach vielen Irrwegen zuletzt<br />
schließlich erfolgreich. „Der Tag, vor dem ich<br />
mich gefürchtet hatte, der Dreh im Zentralgefängnis<br />
von Riga. Ich bekam Panik, als ich<br />
vor dem Tor stand. (…) Ein Oberarzt und eine<br />
Wärterin führten uns in einen kleinen Raum<br />
mit einem gynäkologischen Stuhl. Sehr wahrscheinlich<br />
bin ich hier geboren worden“, notiert<br />
er während der Dreharbeiten im Tagebuch.<br />
Im Interview, das der DVD als Bonus beigegeben<br />
ist, resümiert Praunheim: „Mein Passname<br />
ist Holger Mischwitzig, mein Geburtsname<br />
Holger Radke. Mein Künstlername ist Rosa<br />
von Praunheim (…) Das ist der Name auf den<br />
ich stolz bin. Ich habe mich selbst geschaffen,<br />
so wie ich mich empfinde und trotzdem bin ich<br />
meinen beiden Müttern dankbar.“ as<br />
NACHRUF<br />
von jan künemund<br />
zum tod von Pina Bausch (1940–2009)<br />
s www.youtube.com/watch?v=8rK6TJyGAHw: Ein Mann mit unbeweglichem<br />
Gesichtsausdruck. Nach dem Orchestervorspiel singt eine<br />
Frau „The Man I Love“ von George Gershwin. Der Mann übersetzt<br />
die Zeilen des Lieds in Gebärden. Bei „big and strong“: großer Bizeps.<br />
Bei „smile“: nach oben gerichtete Mundwinkel. Bei „understand“:<br />
Zeigefinder, der von der Stirn auffährt. Bei „who would? would you?“:<br />
ein mehrfaches Hin und Her der Hand zu sich und von sich weg.<br />
Lutz Förster tanzt „The Man I Love“ im Stück „Nelken“ von Pina<br />
Bausch, die am 30. Juni verstarb. In ihrem Tanztheater waren die<br />
Tänzer nie abstrakte Zeichen im Raum, sondern Körper, angefüllt mit<br />
Begehren, Aggression, Zärtlichkeit, Sehnsucht. Der Tanz von Förster<br />
entstand aus dem erinnerten Versuch, einem tauben Mann seine<br />
Liebe zu gestehen – Pina Bausch machte daraus die bewegte Tragödie<br />
eines Menschen, der seine Gefühle nicht artikulieren kann.<br />
Some day he’ll come along, the man I love;<br />
And he’ll be big and strong, the man I love;<br />
And when he comes my way, I’ll do my best to make him stay.<br />
Eine gestreckte<br />
Hand zwischen<br />
den Augen („The“)<br />
wird zur Brust<br />
heruntergenommen<br />
(„Man“), vor<br />
der Brust bilden<br />
die drei mittleren<br />
Finger eine Höhle,<br />
der Daumen zeigt<br />
zum Brustkorb,<br />
der gespreizte kleine Finger zeigt nach außen („I“), beide Arme werden<br />
über der Brust verschränkt, die Hände zur Faust geschlossen<br />
(„Love“).<br />
Pina Bausch im Film: Was tun Pina Bausch und ihre Tänzer in Wuppertal?<br />
(Klaus Wildenhahn 1983), Fellinis Schiff der Träume (Federico<br />
Fellini 1983), Eines Tages fragte mich Pina (Chantal Akerman 1985),<br />
A Primer for Pina (Susan Sontag 1985), Die Klage der Kaiserin (Pina<br />
Bausch 1989), Damen und Herren ab 65 (Lilo Mangelsdorff 2002),<br />
Sprich mit ihr (Pedro Almodóvar 2002), Coffee with Pina (Lee Yanor<br />
2003, Bild oben) s<br />
32 33<br />
lEE YANOR (FilMStill AUS „A cOFFEE WitH PiNA“)<br />
PiNA BAUScH (FilMStill AUS „NElKEN – lES OEillEtS“, 1983)<br />
nachruf<br />
EIN GUTES BUCH.<br />
EIN GUTER FILM.<br />
EIN WICHTIGES THEMA.<br />
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Impressum<br />
Herausgeber Björn Koll<br />
Verlag Salzgeber & Co. Medien GmbH<br />
Mehringdamm 33 · 10961 Berlin<br />
Telefon 030 / 285 290 90 · Telefax 030 / 285 290 99<br />
Redaktion Jan Künemund, presse@salzgeber.de<br />
Art Director Johann Peter Werth, werth@salzgeber.de<br />
Autoren Thomas Abeltshauser, Birgit Binder, Martin Büsser, Citizen_B, Jessica<br />
Ellen, Patrick Heidmann, Egbert Hörmann, Klaus Kalchschmidt, Jan<br />
Künemund, Silvy Pommerenke, Rosa von Praunheim, Oliver Sechting,<br />
Axel Schock, Paul Schulz, Rüdiger Suchsland, André Wendler, Sascha<br />
Westphal<br />
Dank an Harald Eck, Sarah Jäckel, Tobias Rauscher, Nadja Talmi<br />
Lektorat Rut Ferner<br />
Anzeigen Jan Nurja, nurja@salzgeber.de<br />
Druck Westermann, Braunschweig<br />
Rechte Digitale oder analoge Vervielfältigung, Speicherung, Weiterverarbeitung<br />
oder Nutzung sowohl der Texte als auch der Bilder bedürfen einer<br />
schriftlichen Genehmigung des Herausgebers.<br />
Verteilung deutschlandweit in den schwul-lesbischen Buchläden, in den CinemaxX-<br />
Kinos in Augsburg, Berlin, Bielefeld, Bremen, Dresden, Essen, Freiburg,<br />
Hamburg-Wandsbek, Hannover, Kiel, Magdeburg, München, Offenbach,<br />
Oldenburg, Regensburg, Stuttgart, Wuppertal, Würzburg und weiteren<br />
ausgewählten Orten.<br />
Haftung Für die gelisteten Termine und Preise können wir keine Garantie geben.<br />
Termin-Angaben entsprechen dem Stand des Drucklegungstages.<br />
Bildnachweise Die Bildrechte liegen bei den jeweiligen Anbietern.<br />
Anzeigen Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom Januar 2009.<br />
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Esst mehr Obst!<br />
ISSN 1868-4009<br />
Aus „Kameraden“ von Steve Kokker<br />
Gay-Filmnacht<br />
im CinemaxX<br />
SEPTEMBER<br />
Mulligans<br />
von Chip Hale<br />
OKTOBER<br />
Der Mann, der Yngve liebte<br />
von Stian Kristiansen<br />
NOVEMBER<br />
Straight Jacket<br />
von Richard Day<br />
L-Filmnacht<br />
im CinemaxX<br />
MULLIGANS ELOÏSE<br />
SEPTEMBER<br />
Eloïse<br />
von Jesús Garay<br />
OKTOBER<br />
Kommt Mausi raus?!<br />
von Alexander Scherer und Angelina Maccarone<br />
NOVEMBER<br />
Emma & Marie<br />
von Sophie Laloy<br />
INFOS UND TERMINE: GAY-FILMNACHT.DE · L-FILMNACHT.DE · KARTEN: CINEMAXX.DE
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gay-PARSHIP ist<br />
offizieller Sponsor<br />
der 8. Gay Games<br />
in Köln.<br />
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Die große Liebe finden