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frisch ausgepackt frisch ausgepackt<br />
SEEING HEAVEN<br />
GB 2010, regie: Ian Powell, Pro-Fun Media<br />
Seeing Heaven ist das Verkopfteste,<br />
was im Moment<br />
zu haben ist. Ian Powell<br />
hat in seine Geschichte<br />
über den jungen Escort<br />
Paul so viele doppelte Böden,<br />
literarische wie filmische<br />
Referenzen und<br />
gedankliche Falltüren<br />
eingebaut, dass der Film öfter mal mit vollem<br />
Karacho durch eine durchbrettert und hart <strong>auf</strong><br />
seinem hübschen Arsch landet. Vielleicht war<br />
dem Macher die Geschichte über einen Jungen,<br />
der sich heftig und möglichst unsafe ficken lassen<br />
muss, um sich in einer halluzinierten Parallelwelt<br />
<strong>auf</strong> die Suche nach seinem Zwillingsbruder<br />
Saul zu begeben, dann doch ein bisschen<br />
peinlich. Zu Recht. Wäre sie beerdigt, Linda<br />
Lovelace würde so schnell in ihrem Grab rotieren,<br />
dass sie inzwischen zum Erdmittelpunkt<br />
vorgestoßen wäre. Und diese Vorstellung ist<br />
das einzig Amüsante an diesem Film. pasch<br />
SKIN & BONE<br />
US 1996, regie: Everett Lewis, Pro-Fun Media<br />
Der Nachspann zieht ein<br />
bitteres Resümee und teilt<br />
die Rollen <strong>auf</strong> in die Fickenden<br />
und die Gefickten.<br />
Und so richtig viele<br />
bleiben in der ersten<br />
Gruppe am Ende gar nicht<br />
übrig. Everett Lewis’<br />
fünfzehn Jahre altes Stricherdrama<br />
wirft einen kalten, hartherzigen<br />
Blick <strong>auf</strong> das Selbstverständnis hübscher<br />
Jungs, die sich beim Anschaffen einreden, dass<br />
sie Schauspieler sind und bei den Schauspielcastings<br />
nur weiterkommen, wenn sie sich ausziehen<br />
und sexuell zu Diensten sind. Fernziel:<br />
Hauptrolle in Satanische Jugend III. Lewis’<br />
Lieblingsdarsteller B.Wyatt hat es dagegen immerhin<br />
in Everett-Lewis-Filme geschafft (wie<br />
da das Casting ablief, mag man sich nicht vorstellen).<br />
Richtig spielen muss er zwar nicht,<br />
aber cool sein und Körper Zeigen ist drin. Was<br />
Lewis daraus macht, ist kein Sozialrealismus<br />
– er zerfetzt schräge Stricheranekdoten in experimentellen<br />
Schnittexzessen, verknüpft das<br />
mit einem abgründigen Verschwörungsplot<br />
um die undurchsichtige Zuhälterin des exklusiven<br />
Callboy-Rings und lässt das sonnige Los<br />
Angeles sich als fleischfressende Pflanze um<br />
die Hoffnungen und Identitätsentwürfe der<br />
hübschen jungen Männer schließen, bis sie als<br />
Gefickte aus den Fantasien ihrer Kunden verschwinden<br />
dürfen – wenn sie Glück haben. Da<br />
diese Fantasien ziemlich weit gehen, ist die<br />
FSK eingeschritten. Also: gute Erwachsenenunterhaltung.<br />
jk<br />
42<br />
CIBrâIL<br />
DE 2011, regie: Tor Iben, Edition Salzgeber<br />
Tor Iben ist in den letzten<br />
Jahren schon mit seinen<br />
Kurzfilmen Love Kills und<br />
Tourist angenehm <strong>auf</strong>gefallen.<br />
Und auch wenn er<br />
in den 70 Minuten, die<br />
man als Zuschauer mit Cibrâil<br />
verbringt, den einen<br />
oder anderen gedanklichen<br />
Haken schlägt, bleibt einem sein erster<br />
Langfilm in ebenso guter Erinnerung, weil Iben<br />
auch hier von dem erzählt, was er gut kennt:<br />
Berlin und Sehnsucht. Die Story: Streifenpolizist<br />
Cibrâil ist ein ruhiger Typ, der öfter mal<br />
lieber L<strong>auf</strong>en geht, statt mit seiner Freundin zu<br />
schlafen, und sich den Opfern homophober Gewalt<br />
im Berliner Tiergarten fast zu sehr verbunden<br />
fühlt, wenn er sie betreut. Warum, wird<br />
klar, als der Cousin seiner Freundin aus Rom<br />
das Paar besuchen kommt, denn der ist offen<br />
schwul und bringt Cibrâil <strong>auf</strong> ganz andere Gedanken,<br />
denen er über kurz oder lang wird<br />
nachgehen müssen. Am Ende sind alle das, was<br />
sie sein sollen und irgendwie glücklich. Ibens<br />
erster abendfüllender Spielfilm ist vielversprechend.<br />
Wir freuen uns schon <strong>auf</strong> Weiteres in<br />
dieser Art. pasch<br />
CITY wITHOUT BASEBALL<br />
HK 2008, regie: Lawrence Ah Mon (Scud), Pro-Fun Media<br />
Baseball gilt in der ehemaligen<br />
britischen Kronkolonie<br />
Hongkong als<br />
eine eher exotische<br />
Sportart und wird dort<br />
dementsprechend auch<br />
nur von wenigen begeisterten<br />
Individualisten<br />
betrieben. Zum Beispiel<br />
von Chung, Ron und Jason, die sich unter der<br />
Leitung ihres taiwanesischen Trainers Mr.<br />
Tai gemeinsam mit ihrer Mannschaft verbissen<br />
<strong>auf</strong> ihr großes Ziel, den Gewinn der Asienmeisterschaft,<br />
vorbereiten. Abseits des<br />
Spielfeldes erleben die Sportsfreunde allerlei<br />
Geschichten amouröser Natur, wobei sich sogar<br />
zwischen zwei von ihnen Ballspiele intimerer<br />
Art anzubahnen scheinen. Ähnlich ungeordnet<br />
und chaotisch wie das sportliche<br />
Treiben <strong>auf</strong> dem Rasen dem regelunkundigen<br />
Beobachter vorkommt, so mutet allerdings<br />
auch die Art und Weise an, wie diese Geschichten<br />
nebeneinander herl<strong>auf</strong>en, sich hin<br />
und wieder überkreuzen, um dann schließlich<br />
leider ins Leere zu münden. Abgesehen<br />
von diesem Verpassen eines dramaturgischen<br />
Home Runs erweckt seine bisweilen bizarre<br />
Genremixtur aus Sportlerdrama, Teenagerkomödie,<br />
Coming-Out-Story und Soft-Erotik-<br />
Streifen zudem fast den Endruck, als wolle<br />
der Film bei jeder erdenklichen Zuschauerzielgruppe<br />
Punkte einsammeln. Erstaunlich<br />
ist aber die Tatsache, dass es sich bei den Darstellern<br />
um Spieler aus Hongkongs wirklicher<br />
Baseballmannschaft handelt, die sich in diesem<br />
Streifen darstellerisch überraschend<br />
professionell und unter der Mannschaftsdusche<br />
überraschend offenherzig in Szene setzen.<br />
Bei dieser Gelegenheit erörtern sie sogar,<br />
ob sie dank ihrer naturgegebenen Talente<br />
nicht auch mal einen Pornofilm drehen sollten.<br />
Da ihnen der Titel des Asienmeisters leider<br />
verwehrt bleibt, sollte man ihnen deshalb<br />
als Trostpreis den nächsten Bambi für Courage<br />
verleihen. cm<br />
L-SHOrTS dIE drITTE<br />
DE, no, CA, USA 2005–2010, Edition Salzgeber<br />
Na wenn das nicht wirklich<br />
Lust <strong>auf</strong> mehr macht:<br />
Im Trailer zur dritten<br />
Auflage der L-Shorts ziehen<br />
sich wunderhübsche<br />
Damen aus, wälzen sich<br />
im Gras oder <strong>auf</strong> dem Bett,<br />
eine amerikanische Butch<br />
verpasst einem Truck-<br />
Fahrer den Sticker-Slogan „A Dyke was here“<br />
und eine freche Göre verkündet: „Wenn ich<br />
mal groß bin, will ich eine Lesbe werden!“ Man<br />
möchte sie sofort sehen, die Kurzfilme zu diesen<br />
Szenen, und bei den meisten der sieben<br />
Werke lohnt es sich auch. Trotzdem bleibt nach<br />
über hundert Minuten Gefühlsachterbahn<br />
zwischen Beziehungsdramen und Comedy leider<br />
auch die Erkenntnis: Die besten Szenen<br />
wurden bereits im Trailer verbraten. Zumindest,<br />
was die Erotik betrifft. Diskret blendet<br />
die Kamera ab, wenn es zur Sache geht; und<br />
was an Handlung übrig bleibt, hält oft nicht<br />
ein, was die wunderschönen Bilder versprochen<br />
hatten. So ganz glaubwürdig ist es jedenfalls<br />
nicht, dass die Tochter ihrem eigenen Vater<br />
in Die Trophäe die Freundin ausspannt,<br />
ohne auch nur das Geringste dafür zu tun. Oder<br />
dass die eben noch völlig verunsicherte, in ihrer<br />
vermeintlichen Heterosexualität erschütterte<br />
Louise nach nur einer Nacht mit einer<br />
Frau gleich klammert, dass es weh tut. Viel<br />
mehr Tiefgang hat dagegen der körperliche<br />
Schmerz in Dani & Alice: Die Regisseurin Roberta<br />
Marie Monroe widmet sich dem Tabuthema<br />
häuslicher Gewalt. Aus Eifersucht geschlagen<br />
zu werden und trotzdem kaum<br />
voneinander loszukommen, entspricht schon<br />
eher der Welt, wie sie wirklich ist. L-Shorts –<br />
Die Dritte ist und bleibt der perfekte Stoff für<br />
Träumerinnen: Niemals würden wir doch einfach<br />
so zu unserer neuen Nachbarin rübergehen<br />
und sie um einen Kuss bitten, wie es die<br />
Lofoten-Bewohnerin in Kurzatmig mit der attraktiven<br />
Fremden macht. Aber wir wären gerne<br />
so mutig. ms<br />
MISCELLANEA I–VII<br />
D 1986–2010, regie: Heinz Emigholz, Filmgalerie 451<br />
„Es gibt ja Leute, die behaupten,<br />
die Geschichte<br />
des Kinos ist länger als die<br />
Geschichte der Menschen.“<br />
– So formuliert<br />
der Journalist Stefan Grisseman<br />
in einem Interview<br />
mit dem Filmemacher<br />
Heinz Emigholz. Dieses<br />
Interview hat mit der DVD Miscellanea I–VII<br />
erst mal nichts zu tun. Aber das Interview findet<br />
sich <strong>auf</strong> der Homepage von Heinz Emigholz’<br />
Produktionsfirma „PYM“. Emigholz produziert<br />
seine Filme stets selbst, die „PYM“ ist so über<br />
die Jahrzehnte (Emigholz’ Filmografie reicht<br />
bis ins Jahr 1972) zu einem Logo geworden für<br />
etwas, das im heutigen Kino einzigartig zu sein<br />
scheint: die Wahrnehmung von Orten, Räumen<br />
und Objekten, sowie ihrer Umgebung und ihrer<br />
Details als Kern filmischen Erzählens. Die Arbeitsweise<br />
von Emigholz lässt sich anhand der<br />
<strong>auf</strong> der DVD versammelten sieben mittellangen<br />
Filme gut erkunden: Simpel formuliert stellt er<br />
seine Kamera vor ein Objekt oder in einen Raum<br />
und nimmt einfach <strong>auf</strong>; fotografisches Betrachten<br />
mithilfe des Bewegtbildes. Emigholz’ Blickwinkel<br />
wirkt dabei stets etwas entrückt und<br />
wortwörtlich schief. In seinen vielfältigen Architekturstudien,<br />
von denen sich <strong>auf</strong> dieser<br />
DVD unzählige finden, führt er so den Blick des<br />
Zuschauers <strong>auf</strong> Wesentliches, was mitunter einen<br />
immensen Sog erzeugt. Miscellanea I–VII<br />
ist eine 152-minütige Schule der optischen<br />
Wahrnehmung – im besten Sinne. Gleichzeitig<br />
wird auch eine Entwicklung im Schaffen von<br />
Emigholz erkennbar, handelt es sich bei dieser<br />
Sammlung doch auch um Material, das während<br />
der Dreharbeiten zu anderen Projekten<br />
entstand, wie das kleine Begleitheft informiert.<br />
Es finden sich in dieser Film-Sammlung allerdings<br />
auch Film-Text-Montagen, deren intellektuelle<br />
Verkopftheit gleichermaßen abstößt<br />
und, in ihrer latent schwulen Grundierung,<br />
auch wieder fasziniert. Die unausgesprochene<br />
Faszination für das Männliche schreit einen in<br />
diesen sieben Filmen aus 22 Jahren förmlich<br />
an: Miscellanea I–VII – Bewegtbild als schwuler<br />
Mindfuck. schub<br />
43<br />
Das Team der L-Filmnacht und<br />
der Gay-Filmnacht wünscht Euch<br />
einen schönen Sommer!<br />
Wir machen Pause.*<br />
Ab September geht es weiter!<br />
*Achtet aber <strong>auf</strong> die CSD-Special-Screenings in ausgewählten Städten.<br />
Wir bedanken uns bei unseren Partnern für die gute Zusammenarbeit:<br />
BAREFOOT WINE & BUBBLY, dbna, gab, gayPARSHIP.de,<br />
GAYPEOPLE.de, hinnerk, LEO, lesbisch schwule fi lmtage hamburg,<br />
manCheck, QUEER AGENT, Rainbowguide, SCHWULST, weird<br />
www.Gay-Filmnacht.de<br />
www.L-Filmnacht.de<br />
Eine Veranstaltung von CinemaxX, L-MAG und der Edition Salzgeber.