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Neu auf dvd - Sissy

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kino<br />

vorhölle<br />

ferienparadies<br />

von chriStoph meyrinG<br />

Eine Clique von Freunden im schwierigen Alter verbringen wie gewohnt die Sommerferien<br />

miteinander, obwohl einer von ihnen nach einem Unfall um sein Leben ringt.<br />

Lügen, Intrigen, Affären und Coming-outs versammelt regisseur Guillaume Canet<br />

in „Kleine wahre Lügen“ zu einem sommerlichen Krisenspektrum, das sich am 7. Juli<br />

auch <strong>auf</strong> die deutschen Kinoleinwände erstrecken wird.<br />

s Die Krisen, die das Weihnachtsfest<br />

häufig in Familienverbänden verursacht,<br />

werden zwischen Liebenden und in Freundescliquen<br />

nicht selten durch gemeinsame<br />

Sommerurlaube in wunderschöner, sonnendurchfluteter<br />

Landschaft ausgelöst. Schlägt<br />

im ersten Fall die monatelang generalstabsmäßig<br />

geplante Atmosphäre von Frieden<br />

und Beschaulichkeit infolge einer brisanten<br />

Mischung aus ungewohnter Zwangsgemeinschaft<br />

mit lange schon tot gewünschten<br />

Verwandten, jahrzehntelang schwelenden<br />

Eltern-Kind-Konflikten – „Du hast mich nie<br />

geliebt!“ –, langweiligem TV-Programm und<br />

unvernünftigem Glühweinkonsum bisweilen<br />

jäh in Schreckenszenarien apokalyptischen<br />

Ausmaßes um – brennende Christbäume<br />

stürzen <strong>auf</strong> schreiende Schwiegermütter,<br />

Aachener Printen mutieren zu gefährlichen<br />

Wurfgeschossen, und bereits gebratene<br />

Gänse lernen plötzlich wieder fliegen –, so<br />

gestalten sich auch die Wochen, die eigentlich<br />

die schönsten des Jahres werden sollten,<br />

oft unverhofft als eine kaum erträgliche Endzeit<br />

zwischenmenschlicher Kontakte. Denn<br />

wer durfte nicht schon aus seinem näheren<br />

Bekanntenkreis einen der folgenden Sätze<br />

vernehmen oder hat einen ähnlichen gar<br />

selbst von sich gegeben: „Der Zelturlaub am<br />

Plattensee hat unserer Beziehung den Rest<br />

gegeben!“, „Nie wieder Mykonos!“, „Lanzarote<br />

mit Mechthild, Jutta und Burghardt<br />

war einfach die Hölle!“, „Am liebsten hätte<br />

ich noch in der Kalahari die Scheidung eingereicht!“,<br />

„Erst <strong>auf</strong> dem Großglockner habe<br />

ich geschnallt, was Timo und Ansgar für<br />

Arschlöcher sind!“ oder „Beinahe hätte ich<br />

Marietta, Niklas und Astrid mitsamt ihrer<br />

dämlichen Kühltasche in den Grand Canyon<br />

geschubst!“. Menschliche Abgründe brechen<br />

eben da <strong>auf</strong>, wo schon ein Knacks vorliegt,<br />

und zwar gerne in All-inclusive-Paradiesen,<br />

wo der Lagerkoller gedeiht.<br />

Mit einem nicht ganz unproblematischen<br />

Ferien<strong>auf</strong>enthalt befasst sich auch Guillaume<br />

Canets tragikomische Ensemble-Komödie<br />

Kleine wahre Lügen (2010), deren Titel<br />

bereits einige unterhaltsame Scharmützel,<br />

Demaskierungen und Selbstentblößungen<br />

erahnen lässt. Ganz jugendlich-t<strong>auf</strong>risch<br />

sind die schon seit einer Ewigkeit miteinander<br />

befreundeten und traditionell gemein-<br />

ToBIS<br />

sam urlaubenden Sommerfrischler inzwischen<br />

nicht mehr: Mittdreißiger eben. Und<br />

da sich die Jugend heutzutage bis ins vierzigste<br />

Lebensjahr ausdehnen kann, trifft <strong>auf</strong><br />

sie ein Satz zu, mit dem sonst genervte Eltern<br />

das sonderbare Verhalten ihres pubertierenden<br />

Nachwuchses zu entschuldigen pflegen:<br />

Sie sind in einem schwierigen Alter. Schwierig<br />

insofern, als man es inzwischen beruflich<br />

zu etwas gebracht haben und <strong>auf</strong> der Beziehungsebene<br />

irgendwo angekommen sein<br />

sollte, am besten im sicheren Hafen von Ehe<br />

und Familie. Trifft das nicht zu, drohen Frustrationen,<br />

die natürlich nicht offen zugegeben<br />

werden, aber subtil das Klima vergiften.<br />

Trifft es zu, können sich ebenfalls Frustrationen<br />

einstellen, da man nun Grund hat, verlorener<br />

jugendlicher Freiheit und Leichtigkeit<br />

nachzutrauern und sich ernsthaft zu fragen,<br />

ob man sich für das Richtige, den Richtigen<br />

oder die Richtige entschieden hat.<br />

Ganz abgesehen davon steht der Ferien<strong>auf</strong>enthalt<br />

im Strandhaus am Cap Ferret, in<br />

das der wohlhabende Restaurantbesitzer<br />

Max (François Cluzet) seinen 15 Jahre jüngeren<br />

Freundeskreis alljährlich großzügig einlädt,<br />

in diesem August unter einem besonders<br />

düsteren Stern. Denn Ludo (Jean Dujardin),<br />

einer von ihnen, ist – wie eine großartige<br />

Plansequenz am Anfang des Films eindrucksvoll<br />

zu sehen gibt – nach einer durchzechten<br />

Diskonacht <strong>auf</strong> seinem Motorrad unsanft mit<br />

einem Kleintransporter zusammengestoßen<br />

und liegt nun lebensgefährlich verletzt <strong>auf</strong><br />

der Intensivstation. Dort versammeln sich<br />

seine alten Freunde auch sofort vollzählig an<br />

seinem Bett, um ihm Trost zu spenden und<br />

Mut zu machen; doch schon wenig später<br />

suchen sie in schöner Eintracht <strong>auf</strong> dem Bürgersteig<br />

vor der Klinik erfolgreich nach Vorwänden<br />

dafür, den bevorstehenden Strandurlaub<br />

trotzdem nicht abzusagen: Ludo ist<br />

hier sicherlich in fachkundigen Händen, und<br />

man könnte ihm ja ohnehin nicht helfen, im<br />

Gegenteil würde man wahrscheinlich den<br />

Heilungsprozess nur stören. Außerdem wird<br />

man sich um ihn gut erholt nach den Ferien,<br />

die man großherzig <strong>auf</strong> zwei Wochen verkürzt,<br />

viel besser kümmern können.<br />

Am sonnigen Gestade des Atlantiks,<br />

wo der Wein besonders mundet, stößt man<br />

dann auch ehrlich besorgt <strong>auf</strong> seine baldige<br />

Genesung an, widmet sich aber ansonsten<br />

scheinbar gut gelaunt vor allem dem dolce far<br />

niente. Dennoch enden die fidelen Wasserski-Nachmittage,<br />

Strandspaziergänge und<br />

gemeinsamen Abendessen häufig im Streit:<br />

Einer neckt einen anderen bis <strong>auf</strong>s Blut, lacht<br />

zu lange über ein bissiges Aperçu oder setzt<br />

noch eines dr<strong>auf</strong>, bis wieder einmal irgendwer<br />

heult oder ausflippt. Das hängt jedoch<br />

nicht nur mit Ludos schwerem Schicksal<br />

zusammen, sondern auch mit den Problemen,<br />

die jeder einzelne mit sich herumträgt<br />

und angestrengt vor den anderen verbirgt: Éric (Gilles Lellouche), ein<br />

zweitklassiger Schauspieler, notorischer Schürzenjäger und die Stimmungskanone<br />

der Clique, ist zum Beispiel bedrückt, weil seine derzeitige<br />

Freundin <strong>auf</strong>grund seiner chronischen Untreue kurzerhand in<br />

Paris geblieben ist. Die bisexuelle Ethnologin Marie (Oscarpreisträgerin<br />

Marion Cotillard) hat zwar unzählige Affären, läuft aber jedes<br />

Mal panisch davon, wenn sich eine Beziehung anzubahnen droht, und<br />

scheint völlig aus der Bahn geworfen, als plötzlich einer ihrer Liebhaber<br />

am Urlaubsort <strong>auf</strong>taucht. Antoine (Laurent Lafitte) hingegen<br />

nervt alle mit seinem ständigen Gejammer über das unglückliche<br />

Scheitern seiner letzten Beziehung und noch mehr damit, dass er<br />

stets das Gegenteil von dem tut, was man ihm zuvor <strong>auf</strong> seine eigene<br />

Aufforderung hin geraten hat. Max’ Ehefrau Véronique (Valérie Bonneton)<br />

übertreibt es ein wenig mit ihrer ständigen Bemutterung der<br />

anderen, vor allem wenn sie wieder einmal über die Vorteile biodynamischer<br />

Ernährung doziert. Isabelle (Pascale Arbillot) wiederum<br />

kompensiert die sexuelle Dürrephase, die momentan innerhalb ihrer<br />

Ehe mit Vincent (Benoît Magimel) herrscht, mit ausgiebigen erotischen<br />

Ausflügen ins Internet. Und warum liegt eigentlich zwischen<br />

dem Chiropraktiker Vincent und Gastgeber Max eine so hässliche<br />

Spannung in der Luft? – Fragen sich alle, die eben nicht wissen, dass<br />

Vincent dem älteren Freund und Patenonkel seiner Kinder bereits<br />

vor der Abfahrt in Paris gestanden hat, dass seine Gefühle für ihn<br />

über das normale Maß einer Männerfreundschaft hinausgehen.<br />

Damit kann Max – den François Cluzet grandios als eine hysterische<br />

Mischung aus Louis de Funès und Nicholas Sarkozy anlegt – offensichtlich<br />

nicht sonderlich gut umgehen: Kaum angekommen, ereifert<br />

er sich darüber, dass der Rasen nicht ordnungsgemäß geschoren<br />

wurde, danach brüllt er grundlos die Kinder an, und dann steigert er<br />

sich so fanatisch in die Jagd nach einem die Hohlräume seines Ferienhauses<br />

illegal bewohnenden, nachtaktiven Nagetier hinein, dass man<br />

meinen könnte, er wolle seinem eigenen inneren Dämon den Garaus<br />

machen. Die Hatz gipfelt schließlich darin, dass er eines Nachts mit<br />

einer Axt die Zimmerwände einzuschlagen beginnt und dabei ein<br />

ähnlich erschreckendes Minimum an Psycho-Gesundheit zur Schau<br />

stellt wie Jack Nicholson in Kubricks Horrorklassiker Shining (1980).<br />

Wenngleich weiterhin auch gelacht und gescherzt wird, folgt so eine<br />

Nervenkrise der anderen, bis sich Paris am Telefon meldet …<br />

Gemeinsam mit einigen der angesagtesten Darsteller des aktuellen<br />

französischen Kinos gelingt es Schauspieler-Regisseur Guillaume<br />

Canet mit seiner dritten Regie-Arbeit – nach Mon Idole (2002) und<br />

dem César-prämierten Thriller Kein Sterbenswort (2006) – dem strapazierten<br />

Begriff der Tragikomödie insofern eindrucksvoll gerecht<br />

zu werden, als man an vielen Stellen nicht mehr weiß, ob man noch<br />

lachen kann oder schon weinen möchte. Der überdies meisterlich<br />

fotografierte und erklärtermaßen an Erfolge wie Lawrence Kasdans<br />

Der große Frust (1983) und Kenneth Branaghs Peter’s Friends (1992)<br />

anknüpfende Film avancierte in Frankreich mit mehr als 5,3 Mio<br />

Besuchern zum zweiterfolgreichsten des Kinojahres 2010 und läuft<br />

hierzulande am 7. Juli an. s<br />

Kleine wahre Lügen<br />

von Guillaume Canet<br />

FR 2010, 154 Min, DF/OmU<br />

Tobis, www.tobis.de<br />

Im Kino ab 7. Juli 2011<br />

Kein Sterbenswort<br />

von Guillaume Canet<br />

FR 2006, 125 Min, DF/OmU<br />

Auf DVD bei Universum Film,<br />

www.universumfilm.de<br />

Mon Idole<br />

von Guillaume Canet<br />

FR 2002, 110 Min, OF<br />

Auf DVD als Import<br />

28 29<br />

kino<br />

Gute Filme.<br />

<strong>Neu</strong> <strong>auf</strong> DVD!<br />

Überall im Handel und <strong>auf</strong> www.goodmovies.de<br />

9 to 5 – Days in Porn<br />

San Fernando Valley –<br />

das Epizentrum der US-<br />

Unterhaltungsindustrie für<br />

Erwachsene: Was bewegt<br />

Menschen, in der Pornoindustrie<br />

zu arbeiten, wie sieht<br />

ihr Leben aus? Hier kommen<br />

sie selber zu Wort – ein ungeschönter,<br />

authentischer<br />

Blick von innen heraus…<br />

Nina –<br />

Diary of a Porn Star<br />

Nina heißt eigentlich Sofie –<br />

sie ist 23 Jahre alt, hat schon<br />

in 150 Pornofilmen mitgespielt<br />

und will jetzt aussteigen…<br />

Ein sensationeller, ungewöhnlicher<br />

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Sex / Life in L.A.<br />

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Alle arbeiten mit ihrem<br />

Körper als größtem Kapital.<br />

Ein anderes, ungewöhnliches<br />

Porträt von Protagonisten<br />

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deren Lebensstil die Grenzen<br />

der amerikanischen Nor-<br />

malität erweitert.

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