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kino<br />
PaRadieS /<br />
infeRno<br />
von AlexAndrA Seitz<br />
Drei junge Männer leisten Militärdienst bei der französischen<br />
Marine. Die uniformen stammen aus den 1970ern, der einsatzort<br />
ist das Mururoa-Atoll. Was man heute über die historischen<br />
Atomwaffenexperimente Frankreichs weiß, trifft die Hauptfiguren<br />
jäh und unvermittelt. Der Anblick des unfassbaren markiert<br />
in Marion Hänsels sensitivem und homoerotisch eingefärbtem<br />
Spielfilm „Schwarzer Ozean“ die Grenze, an der sich jugendliche<br />
empfindsamkeit gegenüber einer kalten und gefühllosen<br />
Welt behaupten kann. Ab 7. juni in ausgewählten Kinos, ende<br />
juni <strong>auf</strong> <strong>DVD</strong>.<br />
s „Ich bin der Tod, der alles raubt, Erschütterer der Welten.“ Dieser<br />
Satz aus der hinduistischen Heldensaga „Bhagavadgita“ fiel Julius<br />
Robert Oppenheimer angesichts der Testexplosion einer Atombombe<br />
ein. An deren Entwicklung und Herstellung war er als Leiter des<br />
Manhattan Project in den Dreißiger und Vierziger Jahren in Los<br />
Alamos, New Mexico, maßgeblich beteiligt. Die erhaben schreckliche<br />
Schönheit des sprichwörtlich gewordenen Atompilzes, der kilometerhoch<br />
in den Himmel stieg, beeindruckte den Mann nachhaltig.<br />
Das Ausmaß und die schiere Wucht der entfesselten (Zerstörungs-)<br />
Kraft ließen ihn jedoch wie seinen Kollegen Albert Einstein bald zu<br />
einem Kritiker der Nutzung von Atomkraft durch den Menschen<br />
werden. Oppenheimer ahnte, was eine derart potente Waffe in den<br />
Händen von Politikern, Militärs, Mächtigen würde anrichten können.<br />
Leider hat man nicht <strong>auf</strong> ihn gehört. Deswegen sitzen wir nun<br />
<strong>auf</strong> unserem Heimatplaneten wie <strong>auf</strong> einem Pulverfass, <strong>auf</strong> Bruttoregistertonnen<br />
von Bomben, die uns und die Erde gleich doppelt und<br />
dreifach ins Nirvana und wieder zurück katapultieren könnten. Diese<br />
potenzielle Leichtigkeit und Leichtfertigkeit totaler Auslöschung ist<br />
eine Bedrohung, ein immer präsenter Schrecken, der nur auszuhalten<br />
ist, indem man ihn verdrängt. Was aber, wenn sie einen unmittelbar<br />
trifft, die Erkenntnis unmittelbar möglicher Vernichtung? Was, wenn<br />
mit einem Mal ein Bombenpilz voll schön-schrecklicher Erhabenheit<br />
vor einem <strong>auf</strong>stiege, immer höher und höher <strong>auf</strong>ragte, dabei immer<br />
bestimmender und ausschließlicher würde, so lange, bis alles um ihn<br />
her unbedeutend, winzig und entbehrlich erschiene?<br />
Moriaty weiß, was er gesehen hat. Und er kommt nicht damit<br />
zurecht. Der Erschütterer der Welten erschüttert ihn, den kaum<br />
Zwanzigjährigen, bis ins Mark. Moriaty tut Dienst <strong>auf</strong> einem Kriegsschiff<br />
der französischen Marine, das 1972 im pazifischen Ozean in<br />
der Nähe des Mururoa-Atolls kreuzt. Inzwischen weiß man, was die<br />
Franzosen in dieser entlegenen Gegend der Welt unternahmen; zwischen<br />
1966 und 1995 führte La Grande Nation im Südpazifik über 170<br />
Atombombentests durch. Einen dieser Tests wählt die Regisseurin<br />
Marion Hänsel als Anker ihres Films Schwarzer Ozean. Das heißt,<br />
dass die Explosion weniger Motor der Handlung als vielmehr sinnstiftendes<br />
Motiv ihres Films ist. Ein Thema im lang Verborgenen, um<br />
das herum sich etwas anderes lagert: Gefühle, Verhältnisse, Überlegungen.<br />
Das Blau des gleichmütigen Meeres. Das eintönige Grau des<br />
Dampfers. Der Ennui und die Schikanen. Zartes Rosa, sanftes Grün.<br />
6<br />
eDitiON SALZGeBeR<br />
kino<br />
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