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frisch ausgepackt profil<br />
dungsprozesses. Was beide verbindet, ist ihre<br />
Zerbrechlichkeit hinter vermeintlicher Stärke:<br />
Lea, die nicht im Plural denken kann, vor einem<br />
Heiratsantrag abhaut und einem Vater gefallen<br />
möchte, der sich nicht um sie kümmert.<br />
Und Lucia, die eine Diagnose verdrängt, ihre<br />
Gedanken lieber <strong>auf</strong> Zettel schreibt und diese<br />
anschließend zerknüllt, anstatt sich jemandem<br />
anzuvertrauen.<br />
Sie beide haben einen Befreiungsschlag bitter<br />
nötig. „Was verschlägt einen hierher, die Flucht<br />
vor etwas?“, fragt Lea sie, viele Kilometer von<br />
Zuhause entfernt. „Oder man folgt einem inneren<br />
Ruf, so wie wir. Nur ist der Unterschied<br />
zwischen beiden Gründen nicht immer so<br />
klar“, antwortet Lucia.<br />
In wunderschönen Aufnahmen der kargen<br />
Landschaft von Patagonien und Feuerland hadern<br />
sie mit ihrem Schicksal. Ein Happy End,<br />
das wird schnell klar, muss hier nicht zwangsläufig<br />
gemeinsam stattfinden. Zu oft schweift<br />
die Kamera zurück nach Buenos Aires, um<br />
einzufangen, was der Weggang der beiden<br />
bei den Zurückgelassenen auslöst. Nicht vom<br />
Outing-Prozess zweier Menschen, die aus heterosexuellen<br />
Verhältnissen kommen, erzählt<br />
Regisseur Stefano Pasetto. Sondern von ihrer<br />
Suche nach einem Leben, das sie wirklich führen<br />
möchten. ms<br />
LA-LA LAND<br />
uSA 2012, Regie: Casper Andreas, pro-Fun Media<br />
La-La Land ist eine Literaturverfilmung.<br />
Andy<br />
Zeffers Roman „Going<br />
Down in LA-LA-Land“ ist<br />
eine hübsche, fiese Abrechnung<br />
mit Hollywood:<br />
Adam kommt aus der Provinz<br />
in die Filmhauptstadt<br />
der USA und landet<br />
in einem Strudel aus miesen Jobs, anzüglichen<br />
Angeboten, Prostitution, Pornografie und<br />
Freunden, die nichts interessiert außer Ruhm<br />
und Geld. Ein schlimmes Leben. Aber halt, LA-<br />
LA Land ist eine Komödie mit bitteren Untertönen<br />
und lässt sich, genau wie sein Hauptcharakter,<br />
den Spaß an der Sache durch die<br />
furchtbaren Umstände nicht verderben. Regisseur<br />
und Drehbuchautor Caspar Andreas<br />
schafft den Spagat zwischen sehr, sehr unterschiedlichen<br />
emotionalen Tönen mühelos und<br />
lässt sich dabei noch nicht einmal vom nicht<br />
vorhandenen Talent seines Hauptdarstellers<br />
Matthew Ludwinski unterkriegen, der ungefähr<br />
zwei Dinge spielen kann, dafür aber bei<br />
beiden sehr hübsch aussieht. Die Nebenrollen<br />
füllen einige der bekanntesten Hollywoodhomos<br />
Amerikas, z.B. Alec Mapa und Bruce<br />
Vilanch. Ingesamt: sehr vergnüglich, stellenweise<br />
genüsslich gemein und ein Fleischerladen<br />
für Oberkörper. Könnte alles schlimmer<br />
sein. ps<br />
44<br />
EATING OUT 5: ThE OPEN WEEKEND<br />
uSA 2012, Regie: Q. Allan Brocka, pro-Fun Media<br />
Es hört einfach nicht <strong>auf</strong>.<br />
Fünf (!) Teile hat die Eating-Out-Reiheinzwischen<br />
und Mastermind Q.<br />
Allan Brocka hat so gut<br />
wie jedes schwule Porno-<br />
Setting durch: Drama<br />
Camps, Studentenwohnheime,<br />
CSDs etc. Weil die<br />
„schöne Jungs erzählen dreckige Witze und<br />
ziehen sich dabei aus“-Filmchen aber jedes Mal<br />
ein solch durchschlagender Erfolg sind, geht es<br />
immer, immer, immer weiter. In The Open<br />
Weekend treffen unsere Helden Zack und Casey<br />
in einem Resort in Palm Springs <strong>auf</strong>einander,<br />
in das Zack und sein neuer Freund Benji<br />
eigentlich gefahren sind, um ihre Beziehung<br />
für ein Wochenende zu öffnen. Das Unvermeidbare<br />
geschieht: Sexuelles Kuddelmuddel<br />
vom Allerfeinsten, man muss ab und an zurückspulen<br />
um zu verstehen, wer da jetzt gerade<br />
für wen und warum die Hosen runter gelassen<br />
hat. Das Schöne: Lesben und Transsexuelle<br />
sind immer ein selbstverständlicher Teil des<br />
sexuellen Gesamtpakets, da gibt es gar keine<br />
Diskussion, und die Witze erreichen oft den<br />
politisch unkorrekten Derbheitsgrad von John<br />
Waters. Auf Teil sechs werden wir wohl nicht<br />
lange warten müssen. ps<br />
DIE BANKIErSfrAU<br />
FR 1980, Regie: Francis Girod, Studiocanal<br />
Die Sissi-Trilogie gibt es<br />
schon als Schneekugeledition,<br />
aber dieser Film<br />
hier erscheint dieser Tage<br />
tatsächlich erstmals <strong>auf</strong><br />
<strong>DVD</strong>. Eine gereifte, autoritäre,<br />
makellose Romy<br />
Schneider spielt am Ende<br />
ihrer Karriere die lesbische<br />
Bank-Chefin Emma Eckhert, die immer<br />
wieder zur „Schande“ erklärt wird und sich<br />
doch nie klein kriegen lässt. Inszeniert wird<br />
das in großer Kulisse als beschwingtes Biopic,<br />
in dem alles in Geldwert gemessen wird: „Ich<br />
treibe dich hoch wie eine Aktie!“, sagt Emma<br />
zu ihrem Geliebten; „Als ich dir meine erste<br />
Million gab, hast du mich geliebt!“, beklagt<br />
sich die Freundin. Die Frauenfigur, die Romy<br />
Schneider weniger spielt als ausstrahlt, hat für<br />
jedes Spiel einen Einsatz und zockt besser als<br />
alle anderen. Mit dem Geld von Vätern, Männern,<br />
Geliebten setzt sie sich ins Visier der altherrischen<br />
Konkurrenten, die mit sich selbst<br />
Schach spielen und hilflose Intrigen anzetteln.<br />
Vertrauen kann die Bankiersfrau <strong>auf</strong> ein<br />
Netzwerk kluger Frauen, emanzipierter Männer<br />
und ihres allwissenden Sohnes, vor dessen<br />
Augen sie schließlich durch eine Gewehrkugel<br />
der Ewiggestrigen hingerichtet wird. Vorher<br />
war die Kamera vor Ehrfurcht in die Untersicht<br />
abgesackt, eine Inszenierung, wie sie<br />
sonst Heiligen und Diktatoren zugestanden<br />
wird.<br />
In den altmodischen Kulissen wirbelt der Star<br />
Staub <strong>auf</strong>, veredelt das Design, erwirtschaftet<br />
Zinsen und Mehrwerte. Und doch schafft es<br />
Romy Schneider, diese Anwältin der kleinen<br />
Leute, die Rebellin der Finanzwirtschaft und<br />
Inbegriff weiblicher Freiheit als Mensch erscheinen<br />
zu lassen. Wie schon Claude Sautet<br />
über seine Lieblingsschauspielerin gesagt hat:<br />
„Sie hat eine Art von Anständigkeit, die aus ihr<br />
selbst herausstrahlt und die sie unabhängig<br />
macht.“ jk<br />
die Sichtbarmacherinnen<br />
von dAnielA zySk<br />
Normalerweise stellen wir in der Rubrik „profil“ ja Kinos oder insitutionen vor, in denen man nicht-heterosexuelle Filme sehen<br />
oder erwerben kann. Aber bevor man weiß, was man sehen will, muss man ja erst mal wissen, was es gibt. Was insbesondere<br />
die lesbischen Spuren in der Filmgeschichte angeht, kann man sich dank ingeborg Boxhammer und Christiane Leidinger über<br />
mangelnde informationen nicht beklagen: ihr Webportal lesbengeschichte.de ist gerade in der Rubrik „Frauen und Film“ allwissend<br />
und sehr hilfreich – und das in elf Sprachen!<br />
„Lesbian desire is everywhere,<br />
even as it may be nowhere.“<br />
Martha Vicinus<br />
s Mit diesem Satz wird die Webseite www.<br />
lesbengeschichte.de eigenleitet und dies ist<br />
auch Programm und Inhalt dieses wichtigen<br />
Online-Auftritts der zwei verantwortlichen<br />
Macherinnen Ingeborg Boxhammer und<br />
Christiane Leidinger. In thematisch unterteilten<br />
Bereichen wird an die deutsche Lesbengeschichte<br />
erinnert und vieles ausführlich<br />
vorgestellt, was zu ihrer Sichtbarkeit<br />
beiträgt oder beigetragen hat.<br />
So finden sich unter „Politik und Subkultur“<br />
Informationen über die Anfänge der lesbischen<br />
Subkultur zu Zeiten des Kaiserreichs<br />
bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Dort<br />
erfährt eine/r z.B., dass bereits am 9. Oktober<br />
1904 die selbstbewusste Anna Rüling<br />
(eigentlich: „Theo Anna Sprüngli“) sich und<br />
andere Lesben als homosexuell bezeichnete<br />
und somit die weltbekannte „erste lesbenpolitische<br />
Rede“ schuf.<br />
Unterlegt sind die zahlreichen Informationen<br />
mit verschiedenen Fotobeiträgen damaliger<br />
Frauenzeitschriften wie „Die Freundin“<br />
oder „Frauen-Liebe und Leben“. Auch einige<br />
spannende „Zitate“ früherer Feministinnen<br />
und Vorkämpferinnen der Frauenbewegung<br />
lassen sich nachlesen: Johanna Elberskirchen<br />
verkündete z.B. im Jahre 1904 über die<br />
Diskriminierung von Homosexuellen: „Sind<br />
wir Frauen der Emanzipation homosexuell<br />
– nun dann lasse man uns doch! Dann sind<br />
wir es doch mit gutem Recht. Wen geht’s an?<br />
Doch nur die, die es sind.“ Selbst über 100<br />
Jahre später haben diese starken und kämpferischen<br />
Worte nicht an Kraft verloren.<br />
Die „biografischen Skizzen“ präsentieren<br />
Porträts interessanter Frauen, die mit ihrem<br />
Leben und Wirken in frühen Jahren des 20.<br />
Jahrhunderts einen wichtigen Grundstein<br />
zur Sichtbarkeit lesbischen Lebens in der<br />
heuten Zeit gesetzt haben. Es kann dort nach<br />
Biografien vor und nach 1945 gesucht werden.<br />
Interessantes und historisch Wertvolles<br />
verspricht auch die Kategorie „Regionalgeschichte“,<br />
in der die historischen Anfänge der<br />
Berliner Lesbenszene anhand einer Einführung<br />
des Lesbenclubs „Die lustigen <strong>Neu</strong>n“<br />
in den Zeiten des Nationalsozialismus und<br />
der damit verbundenen Repressionen dokumentiert<br />
werden. Im Umfeld dieses Kegelclubs,<br />
der im Jahr 1924 gegründet worden<br />
war, gab es trotz schwieriger Umstände Veranstaltungen<br />
mit bis zu 200 Gästen – wenn<br />
auch streng beobachtet von der Gestapo. Die<br />
Überwachungsprotokolle dienen aber eben<br />
SCReeNSHOt: LeSBeNGeSCHiCHte.De<br />
Jahre später als Zeitzeugnis über das Selbstverständnis<br />
lesbischer Frauen zu dieser Zeit.<br />
Der Bereich „Lesben und Film“ erscheint<br />
besonders umfangreich. Detailliert und in<br />
Spielfilm- und Dokumentationslisten untergliedert,<br />
liegt hier sicher eine der umfassendsten<br />
Sammlungen von lesbenrelevanten<br />
deutschen oder deutschsprachigen Filmproduktionen<br />
vor.<br />
Beginnend mit einem Spielfilm aus dem<br />
Jahr 1911 (Das Barmädel), der offenbar<br />
wegen „frivoler schwuler Liebesszenen“ verboten<br />
wurde, bis hin zu aktuellen Kino- und<br />
TV-Filmen wie Das traurige Leben der Gloria<br />
S. oder auch der Tatort: Im Abseits aus<br />
dem Jahr 2011, lassen sich hier etliche Filminhalte<br />
nachlesen. Die Sammlung wird von<br />
Ingeborg Boxhammer regelmäßig erweitert,<br />
die sich mit ihrem Buch „Das Begehren im<br />
Blick – Streifzüge durch 100 Jahre Lesbenfilmgeschichte“<br />
(2007) einen Namen als Lesbenforscherin<br />
und Filmkritikerin gemacht<br />
hat. Für sie und ihre Arbeitspartnerin, die<br />
Berliner Politologin Christiane Leidinger,<br />
ist das Projekt „Lesbenfilmgeschichte“, das<br />
im November 2005 online geschaltet wurde,<br />
sicher eine Lebens<strong>auf</strong>gabe. Die zwei Frauen<br />
leisten damit ihren eigenen bemerkenswerten<br />
Beitrag zur Sichtbarkeit von lesbischen<br />
Leben, der sicherlich kommende Generationen<br />
von lesbischen Frauen nachhaltig positiv<br />
beeinflussen wird. s<br />
www.lesbengeschichte.de<br />
--daniela<br />
Zysk ist Vorstandsmitglied der Filminitiative<br />
„Homochrom e.V.“, die ab Juli neben<br />
der erfolgreichen schwulen auch eine lesbische<br />
Filmreihe starten wird (www.homochrom.de/<br />
lesbisch). Außerdem stellt sie am 1. Juni ihr<br />
eigenes Onlinemagazin für „Lesben, Bisexuelle<br />
und alle Frauen die Frauen lieben“ vor:<br />
www.phenomenelle.de. Dort gibt es natürlich<br />
auch Filmempfehlungen.<br />
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