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Neu auf DVD! - Sissy

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kino<br />

Salema Wad’deres (oben), Kübra Baytok<br />

selbstverständlich gezeigt. Die Frauen handhaben<br />

das so, es gehört zu ihrem Alltag. Es ist<br />

nur noch nie in dieser Selbstverständlichkeit<br />

in einem deutschen Knast gefilmt worden.<br />

Ich durfte mich in diesem Knast frei<br />

bewegen, ich habe einfach mit den Frauen<br />

unbeobachtet teilweise sogar acht Stunden<br />

am Stück <strong>auf</strong> der Zelle bzw. der jeweiligen<br />

Station verbringen können. So wurde ich zu<br />

so etwas, was halt immer da ist, die Frau mit<br />

der Kamera gehörte zum Inventar. Ich war<br />

ja alleine, ohne Crew. Und dann passiert das<br />

einfach, dass Du in deren Alltag eingebunden<br />

bist und das Heroin gehört dazu. Es ist<br />

ein offenes Geheimnis, was der Bevölkerung<br />

nicht so klar ist, dem Justizsystem allerdings<br />

schon. Das ist es auch nicht, was ich für einen<br />

Skandal halte. Ich finde es dagegen ungeheuerlich,<br />

dass es in Berlin keinen Ort für weibliche<br />

jugendliche Straftäter im Alter von 14 bis<br />

21 Jahren gibt. Jemand wie Kübra wird dann<br />

halt mit 14 Jahren im Erwachsenenstrafvollzug<br />

für drogenabhängige Frauen untergebracht,<br />

obwohl laut Gesetzgeber Jugendstrafen<br />

getrennt vom Erwachsenenstrafrecht<br />

vollzogen werden muss. Und dann kommen<br />

diese kleinen Mädchen auch mit Heroin in<br />

Kontakt. Die Frauen setzen eben auch anderen<br />

die Spritze. So ist das eben. Das ist der<br />

eigentliche Skandal und unverzeihlich, wie<br />

ich finde. Und Drogenabhängige sind nicht<br />

wirklich in einem Knast gut <strong>auf</strong>gehoben, es<br />

ist eine Krankheit, die eben auch Kriminalität<br />

mit sich bringt. Es ist eine Sucht.<br />

Im Gegensatz zur Drogensucht spielt Sexualität<br />

in deinem Film kaum eine Rolle. Salema<br />

erwähnt einmal, dass sie mit Heroin angefangen<br />

hat, um „in der Welt“ ihrer abhängigen<br />

Freundin sein zu können. Habt ihr ansons-<br />

eDitiON SALZGeBeR (2)<br />

ten nicht über Sexualität und Beziehungen<br />

gesprochen – oder ist das dann doch der<br />

Bereich, der im Gefängnis tabu ist?<br />

Na, klar haben wir darüber gesprochen, das<br />

machen wir bis heute, leider sind viele schöne<br />

Szenen dazu der Dramaturgie des Filmes<br />

und seinem Rhythmus zum Opfer gefallen.<br />

Einiges haben wir auch herausgenommen,<br />

um die Protagonisten zu schützen. Kübra ist<br />

Muslimin und egal, was sie in ihrem Leben<br />

schon für Dinge gemacht hat, sie wollte auch<br />

ihre Familie schützen und einige Dinge<br />

waren ihr heilig. Wenn Du eine Biografie<br />

hast wie Kübra, gewöhnst du dir an, in verschiedene<br />

Welten und Persönlichkeiten zu<br />

schlüpfen. Um nicht durchzudrehen, weil<br />

die Dinge zu ertragen, die einem passiert<br />

sind, manchmal unmöglich ist. Natürlich<br />

gibt es auch Liebe im Knast, auch Sexualität.<br />

Viele Frauen haben Beziehungen untereinander.<br />

Kübra hatte das meines Wissens nach<br />

nie. Salema, die Frauen liebt, ist da offener.<br />

Aber sie hat Angst, Angst davor wieder so<br />

schwere Verluste zu erleiden, dass sie nicht<br />

mehr <strong>auf</strong>stehen kann. Ich habe sie im Knast<br />

vor der Kamera gefragt, was Liebe für sie ist.<br />

Ihre Antwort war: „Ich habe noch nie einem<br />

Menschen gesagt, dass ich ihn liebe. Liebe<br />

ist für mich so unselbstverständlich, dass<br />

ich das nicht mal aussprechen kann.“ Als ich<br />

Salema vor zwei Wochen besucht habe, war<br />

sie gerade wieder am Boden zerstört, weil<br />

sich ihre neue Freundin gerade das Leben<br />

genommen hatte. Da haut es Dich einfach<br />

nur weg und Du kannst nichts tun und ehrlich<br />

gesagt, kann ich verstehen, warum sich<br />

Salema wegbeamt. In Salemas Leben scheinen<br />

sich Dinge <strong>auf</strong> gespenstische und absolut<br />

unvorstellbar schmerzhafte Art zu wiederholen.<br />

Sie hatte ja ihre erste Liebe mit fünfzehn<br />

genauso verloren, das Mädchen starb in<br />

ihren Armen, sie hatte sich einen Goldenen<br />

Schuss gesetzt. Dabei wollte sie sich gar nicht<br />

mehr <strong>auf</strong> einen Menschen so tief einlassen.<br />

Danach ist sie wieder abgestürzt. Wenn man<br />

das so hört, denkt man immer: Das kann doch<br />

alles nicht sein! Und trotzdem sind diese beiden<br />

Menschen <strong>auf</strong> beeindruckende Weise so<br />

stark, wie ich es niemals sein könnte. s<br />

Meine freiheit, deine freiheit<br />

von Diana Näcke<br />

DE 2011, 84 Minuten, deutsche OF<br />

Edition Salzgeber, www.salzgeber.de<br />

Im Kino ab 31. Mai<br />

Harry Baer und Günther K<strong>auf</strong>mann in „Whity“ von Rainer Werner Fassbinder (1971)<br />

eVen<br />

RighT<br />

noW<br />

von hArry BAer<br />

Am 10. Mai starb der Schauspieler Günther K<strong>auf</strong>mann in Berlin.<br />

in der presse war viel von einem prozess, von Gefängnis und<br />

Dschungelcamp die Rede, wenig von den mit stets verliebtem<br />

Blick inszenierten Auftritten in vielen Fassbinder-Filmen. Wir<br />

haben Harry Baer, Wegbegleiter und Kollege, um einen persönlicheren<br />

Nachruf <strong>auf</strong> den „weißen Neger vom Hasenberg“ (so<br />

der titel von K<strong>auf</strong>manns Autobiografie) gebeten.<br />

whity<br />

von Rainer Werner Fassbinder<br />

DE 1971, 92 Minuten, dt. OF<br />

götter der Pest<br />

von Rainer Werner Fassbinder<br />

DE 1970, 88 Minuten, dt. OF<br />

alle drei <strong>auf</strong> dVd bei Studiocanal, www.studiocanal.de<br />

niklashauser fart<br />

von Michael Fengler<br />

DE 1970, 86 Minuten, dt. OF<br />

StuDiOCANAL<br />

s Servus Günther,<br />

in Bonn, oder besser gesagt Bad Godesberg, haben wir am 4. Juni<br />

2005 zum 60. Geburtstag von Rainer Werner Fassbinder sein Stück<br />

„Katzelmacher“ <strong>auf</strong>geführt. Nur an einem einzigen Abend, der auch<br />

eingehüllt war von Liedern, die der Peer Raben geschrieben hatte.<br />

Das Motto des Abends war „Schlafen kann ich, wenn ich tot bin“, und<br />

die Regie hat damals Werner Schroeter geführt. Die Freunde triffst<br />

du ja demnächst <strong>auf</strong> deiner langen Reise.<br />

Günther, ich habe dich eigentlich erst richtig wahrgenommen,<br />

als wir beide in dem Schwarzweißfilm Götter der Pest böse Buben<br />

gespielt haben. In München war das, im Herbst 1969. Ich wurde ja<br />

nur in einem banalen, mit Neon beleuchteten Supermarkt am Rotkreuzplatz<br />

erschossen, während du nachts in der Sonnenstrasse,<br />

angeschossen, malerisch und mit nacktem Oberkörper, an den Sch<strong>auf</strong>enstern<br />

mit Hochzeitsgewändern entlang torkeln durftest. Sogar in<br />

die Wohnung von der Carla hattest du es noch geschafft und konntest<br />

das Miststück erledigen, vor deinem Abtritt mit den Worten: „Life is<br />

very precious … even right now“. Da war ich schon ein wenig neidisch,<br />

weil eigentlich ja ich die Hauptrolle hatte und dann mit so einen blöden<br />

Satz enden musste: „Schuster, bleibe bei deinen Leisten“. Das war<br />

nicht so schön für mich, aber dafür konntest du ja eh nichts. Da hatte<br />

ich aber auch noch gar nicht so richtig begriffen, wie sehr sich der<br />

Rainer in Dich verknallt hatte. Bei den Dreharbeiten zu Baal vom<br />

Schlöndorff hat es gefunkt zwischen euch beiden. Wahrscheinlich<br />

wusstest du es auch noch nicht so richtig, wie das alles geht mit der<br />

Liebe unter Männern; aber ihr hattet euren Spaß und wir das Nachsehen.<br />

Durch den Film Katzelmacher gab es ja Kohle ohne Ende und<br />

der Rainer hat dir jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Immerhin<br />

durftest du einige Sportwagen zerlegen, die nicht ganz billig<br />

waren: Stingrays von Corvette. Sogar einen Western hat er für dich<br />

gemacht: Whity! In dem Film bist du richtig gut und darfst auch noch<br />

den Titelsong beisteuern, den der Willy (Peer Raben) erfunden hatte,<br />

weil er auch in dich verknallt war, aber Rainer war halt zu Lebzeiten<br />

immer der Matchwinner. Ich werde mal wieder bestraft für entgangenes<br />

Liebesglück und zum Albino degradiert, der auch noch von dir<br />

erschossen wird. Wenigstens hattest du Tränen in den Augen, auch<br />

wenn die Anweisung vom Regisseur kam.<br />

In der Niklashauser Fart spieltest du einen <strong>auf</strong>sässigen Bauernführer<br />

und siegst und siegst. Ums Haar verbrenne ich fast <strong>auf</strong> einem<br />

Scheiterh<strong>auf</strong>en. Die Pyrotechnik hat damals der Charlie Bumm-<br />

Bumm gemacht, den triffst du übrigens auch noch.<br />

Danach wurde es ruhiger mit Rainer und dir, im Amerikanischen<br />

Freund hattest du die Titelrolle nicht bekommen, obwohl sie eigentlich<br />

für dich geschrieben war. Warst wohl nicht ganz artig … Aber<br />

besetzt hat er dich danach immer wieder, auch weil die Liebe wohl<br />

nicht wirklich erloschen war. Noch in Querelle hattest du ’ne wichtige<br />

Rolle. Bei Rainers letzter Geburtstagsfeier in der „Deutschen Eiche“<br />

habt ihr euch lange mitten im Lokal geküsst, das war der beste Beweis<br />

für den Spruch: „Alte Liebe rostet nicht“. Das war Ende Mai 1982.<br />

Bei dem Stück „Katzelmacher“ in Bad Godesberg hast du die Rolle<br />

vom Rainer im Film gespielt. Bei dem Satz: „Du … Augen wie Sterne“<br />

warst du ihm noch nie so nahe.<br />

Habe dich lange nicht mehr gesehen. Aber so spielt Leben. Schade. s<br />

--harry<br />

Baer hat eines der schönsten Bücher über Fassbinders Leben und<br />

Werk geschrieben: „Schlafen kann ich, wenn ich tot bin – Das atemlose<br />

Leben des Rainer Werner Fassbinder“ (Kiepenheuer & Witsch, Köln).<br />

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