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Neu auf DVD! - Sissy

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kino kino<br />

Workshopleiterin Diane Torr (mit Krawatte), Teilnehmerinnen<br />

wird, an dem der Man For A Day in Drag nach Hause, zu Freunden,<br />

Eltern, Kindern geht, wie Susanns Eltern über ihren zierlichen Sohn<br />

kichern, und Rosas Tochter der Mutter über das bärtige Kinn streicht.<br />

Das Besondere an den nachvollziehbaren und vorstellbaren<br />

Erlebnissen ist das Format, das Torr in über 20 Jahren Man-for-aday-Performances<br />

optimiert hat: Es am eigenen Leib zu erfahren,<br />

unterscheidet sich eben doch davon, es nur nachzulesen oder drüber<br />

zu fachsimpeln. Denn theoretisch weiß jede Frau, wie man sich<br />

behauptet, hat eventuell seit Jahren schon gegen ungerechtes Verhalten<br />

zwischen den Geschlechtern gekämpft, kontrolliert bereits einige<br />

der typischen Attitüden, die immer wieder genannt werden, wenn es<br />

um Unterschiede in der Körpersprache geht: Kopf schief legen, Hinterngewackel,<br />

besänftigendes oder zustimmendes Lächeln. Vielleicht<br />

hat sie sich von sämtlichen Angewohnheiten losgesagt, vielleicht aber<br />

setzt sie jene Tussi-Marotten sogar längst so ein, wie sie es möchte,<br />

und ist damit höchst zufrieden.<br />

Und selbstverständlich kann eine Woche falscher Bart und falscher<br />

Schwanz bei allem Pseudotestosteron keiner Frau jahrzehntelanges<br />

gelebtes Mannsein beibiegen. Genauso wenig wie umgekehrt.<br />

Peters’ Film macht deutlich, dass das aber auch nicht das Ziel ist.<br />

Allein das Erkennen der „Gender-Identitäten“ ist interessant genug,<br />

um sich damit zu beschäftigen.<br />

Und so fragt man sich, welche Frauen zugeschriebenen unsinnigen<br />

Eigenschaften man selbst mit sich herumschleppt: Macht man<br />

Männern tatsächlich <strong>auf</strong> der Straße unwillkürlich Platz? Ist man<br />

unsicherer, als man sein müsste? Wenn man sich <strong>auf</strong> die Fingernägel<br />

schaut, streckt man dabei die Finger und schaut <strong>auf</strong> den Handrücken,<br />

oder guckt man <strong>auf</strong> die geballte Faust? Oh Gott, was bedeutet es, wenn<br />

man beides macht? Oder ist das ohnehin nicht eigentlich scheißegal,<br />

so lange es einem gut geht?<br />

eDitiON SALZGeBeR (2)<br />

Peters’ Film geht über den Workshop hinaus. Monate später hat<br />

die Regisseurin einige der Teilnehmerinnen besucht. Susann, die<br />

multiple Ex-Miss, hat ihre Haarfarbe inzwischen von Blond zu Braun<br />

gezaubert, ist Mutter eines Kindes geworden und trifft sich anscheinend<br />

noch immer von Zeit zu Zeit mit einer der Workshop-Kolleginnen,<br />

um Männlichkeit zu demonstrieren: Peters zeigt, wie Susann<br />

als Alter ego Andi zusammen mit einer Freundin, ebenfalls als Mann<br />

ausstaffiert, in eine Tabledance-Bar geht, um sich dort wie die anderen<br />

Männer von gelenkigen Tangaslipträgerinnen antanzen zu lassen.<br />

Wieso sie das macht, wird offen gelassen. So muss man selbst<br />

überlegen, ob es die pure Lust am Drag oder die subjektiv empfundene<br />

größere Freiheit einer Frau ist, deren Weiblichkeit normalerweise<br />

so stark strahlt, dass sie ihr vielleicht manchmal auch im Weg<br />

sein könnte. Die Politikberaterin Eva-Maria möchte ihre Erkenntnisse<br />

über Machtdemonstrationen, Sicherheit und Signifikanz nicht<br />

missen. Und die Israeli Tal fährt zwar erst mit Fake-Koteletten zu<br />

ihrer irritierten Familie, sitzt aber später im Kleid Hand in Hand mit<br />

ihrer Freundin zufrieden in Berlin herum und scheint sich mit ihrer<br />

unsichtbaren <strong>Sissy</strong>-Seite angefreundet zu haben.<br />

Torr selbst, die der Regisseurin großzügig Einblick in Fotos und<br />

Filmmaterial aus der Vergangenheit gewährte, und von der als kleine<br />

Ausflüge in die Körpersprache immer wieder Ausschnitte aus älteren<br />

Performances, aus ihrer Vergangenheit als Gogotänzerin geschnitten<br />

werden, macht mit ihrer erwachsenen Tochter eine gemütliche Italienreise.<br />

Während die beiden in Blumenkleidern durch die Altstadt<br />

flanieren, sinniert die Tochter darüber, warum andere Menschen sich<br />

stets Sorgen wegen ihrer angeblich ungewöhnlichen Kindheit machten:<br />

Ist eine alleinerziehende Mutter, die die Grenzen der Gender-<br />

Identitäten erforscht, denn wirklich problematischer als ein Macho-<br />

Vater?<br />

Aber wie wäre es wohl umgekehrt? Wenn 15 Männer bei einer<br />

Drag Queen eine Woche lang das Stöckeln übten? Außer einem kurzweiligen<br />

Erfahrungsgewinn bestimmt sehr anders. Erstens, weil<br />

Unisex-Mode seit Jahrzehnten aus Männerklamotten (flache Schuhe,<br />

Hose, T-Shirt) besteht, während Rock und Pumps ausschließlich von<br />

Frauen getragen werden. Das bedeutet, dass ein Mann in Damengarderobe<br />

von vorneherein eine stärkere Aussage macht. Zweitens, weil<br />

es eine funktionierende, oft queere Drag-Queen-Kultur gibt, die häufig<br />

eine exaltiert feminine Attitude beinhaltet, und schon längst spaß-<br />

und lustvoll zelebriert wird, genauso wie der große sexuelle Fetischbereich<br />

Frauenklamotten bei Heteros. Drittens, weil es für den Rest<br />

der Männer, die keine wie auch immer geartete Freude am Tragen<br />

von Frauenkleidung haben, auch keine Notwendigkeit gibt, dies zu<br />

tun, um ihre Position zu verbessern: Sie sind ohnehin oben.<br />

Dass Peters die Denkanregungen, die Torr mit ihren Workshops<br />

gibt, in Szene setzt, ohne albern, plakativ oder flach zu werden – denn<br />

die angesprochenen, überspitzten Verhaltensweisen müssen all das<br />

manchmal sein – ist das Verdienst ihres Dokumentarfilms. Zudem<br />

kommt sie ohne zuviel Psychologisierungen aus, ohne so augenzwinkernde<br />

wie ärgerliche Frauen-Venus-, Männer-Mars-Schubladen. In<br />

Torrs Fall kann das Aufzeigen von Unterschieden zwischen männlichen<br />

und weiblichen Verhaltensweisen zu besserem Verständnis führen.<br />

Sogar, wenn der Kerl, der da gerade vor einem wichtigtuerisch<br />

<strong>auf</strong> den Zehenspitzen wippt, ein totales Arschloch ist. s<br />

Man for a day<br />

von Katarina Peters<br />

DE 2012, 96 Minuten, deutsch/<br />

englisch/hebräische Fassung mit<br />

deutschen Untertiteln<br />

Edition Salzgeber, www.salzgeber.de<br />

Im Kino<br />

ab 19. Juli 2012<br />

gesang des Meeres<br />

von nicky nAiSh<br />

Aus der Schaumkrone des Nischen kinos erleben wir die Geburt eines neuen Genres, denn nach „tan Lines“,<br />

„Shelter“ und „Newcastle“ erzählt auch „Off Shore“ eine homoerotische Surfergeschichte. Dass Musik in<br />

Surferfilmen eine große Rolle spielt, ist bekannt. Doch für unsere Autorin bildet sich in „Off Shore“ von Sven<br />

j. Matten (Start in ausgewählen Kinos am 5. juli) schnell ein etwas monotoner Ohrwurm heraus.<br />

s Dünen, Wellen, Strand und Surfer. Ein<br />

Schiff bringt Andi nach Fuerteventura. Tina,<br />

die Surf-Lehrerin, holt Andi ab. Andi vertraut<br />

ihr direkt seine Geschichte an: Sein<br />

Vater, den er nie kennen gelernt hat, war Surfer<br />

und lebt irgendwo <strong>auf</strong> der Insel. Um ihm<br />

nahe zu kommen, hat sich Andi in einen Surfkurs<br />

eingebucht. Direkt nach seiner Ankunft<br />

macht sich Andi schließlich <strong>auf</strong>, um seinen<br />

Vater zu suchen und findet ihn auch sofort.<br />

Doch bis er es schafft, ihn anzusprechen,<br />

nimmt er erst einmal Surfstunden bei Tina,<br />

die offenbar bereits Gefühle für ihn hegt. Am<br />

Strand begegnet Andi einem jungen athletischen<br />

Surfer, Pedro, dessen Ausstrahlung<br />

ihn magisch anzieht. Dünen, Wellen, Strand<br />

und Surfer.<br />

Andi wird seinen Vater noch einmal <strong>auf</strong>suchen,<br />

sich vor ihn stellen und sagen: „Hallo<br />

Vater!“ Und der Vater wird ihn sofort freundlich<br />

<strong>auf</strong>nehmen, was Andi verwirrt. Schließlich<br />

lässt sich Andi <strong>auf</strong> die Begegnung mit<br />

dem Vater und auch <strong>auf</strong> Tina ein, immer wieder<br />

durcheinandergebracht von der Begegnung<br />

mit dem jungen geheimnisvollen Pedro,<br />

der ihn bei einer flüchtigen Begegnung liebevoll<br />

berührt und seine nassen Locken in<br />

der Abendsonne schüttelt. Dünen, Wellen,<br />

Strand und Surfer.<br />

Andi und Tina sitzen in der Abendsonne<br />

am Strand, bei Gitarrenmusik und Lagerfeuer.<br />

Am nächsten Morgen erwacht Andi in<br />

Tinas Bett. Nachdem das Eis mit Tina gebrochen<br />

ist, wagt sich Andi alleine mit seinem<br />

Surfbrett ins Meer. Und da kommt Pedro<br />

und beginnt einen spielerischen Ringkampf<br />

mit Andi im flachen Wasser. Dünen, Wellen,<br />

Strand und Surfer.<br />

Als Andi zu einer erneuten Verabredung<br />

mit seinem Vater <strong>auf</strong>bricht, erscheint dieser<br />

nicht. Andi ist sauer, sucht ihn und stellt ihn<br />

zur Rede. Dazu singt eine Männerstimme:<br />

„You pull out my strength …“ Und genau<br />

das macht dieser Film. Wie überhaupt alles<br />

in diesem Film wörtlich genommen werden<br />

muss. Die Handlung wird über Dialoge<br />

erzählt. Die Emotionen, die man den Schauspielern<br />

nicht ansehen kann, werden über<br />

Musik und über eine Anreihung von schönen<br />

Bildern erzeugt, die Dünen, Wellen, Strand<br />

und Surfer zeigen. Bei Filmminute 45 sind<br />

bereits über 20 Songs angeklungen.<br />

Als Andi schließlich Pedro zum Surfen<br />

trifft, beginnen beide ein Gespräch über<br />

pRO-FuN MeDiA<br />

Väter. Auf Song 21 verkündet Pedro mit<br />

wehendem Haar und Tränen in den Augen:<br />

„Ich glaube, er möchte gerne lieben, aber<br />

er schafft es nicht.“ Kurze Stille, dann sagt<br />

Pedro unter erneutem Musikeinsatz: „Er hat<br />

mir nie gesagt, dass er mich lieb hat!“ Dünen,<br />

Wellen, Strand und Surfer.<br />

Bei ausklingendem Song 23 sitzt Andi mit<br />

seinem Vater im Auto und bei Musikeinsatz 24<br />

läuft Andi davon. Andi trifft schließlich Tina<br />

bei Geigenmusik und mit Song 26 besäuft er<br />

sich bis zum Blackout. Das waren 10 Minuten<br />

Film mit sechs verschiedene Musikstücken.<br />

Trotzdem surfen Tonebene und Bildebene in<br />

der Regel aneinander vorbei.<br />

Der dramaturgische Höhepunkt des Filmes:<br />

Gerade als Andi Pedro im Wasser küssen<br />

will, verrät ihm Pedro sein Geheimnis. Dar<strong>auf</strong>hin<br />

stolpert Andi unter Schock durch die<br />

Dünen und sieht immer wieder wie im Fieber<br />

ein lachendes Grüppchen <strong>auf</strong>tauchen, bestehend<br />

aus seinem Vater, Pedro und Tina. Jetzt<br />

wird auch noch Sigmund Freud verfilmt.<br />

Also Psychoanalyse mit Happyend: Der<br />

einsichtige Vater mit versonnenem Lächeln<br />

zu Andi: „Warum bleibst Du eigentlich<br />

nicht länger hier?“ Und Pedro mit Surfbrett<br />

unterm Arm: „Hey Tiger, komm! Bist<br />

Du bereit?“ Musikeinsatz. Dünen, Wellen,<br />

Strand und Surfer. s<br />

Off Shore<br />

von Sven J. Matten<br />

DE 2011, 89 Minuten, dt. OF<br />

Pro-Fun Media, www.pro-fun.de<br />

Im Kino<br />

ab 5. Juli 2012<br />

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