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Analysis

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Inhaltsverzeichnis i<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis.................................................................................................................i<br />

1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion...........................................1<br />

1.1 Problembeschreibung: Entwicklungshilfe in Afrika....................................................1<br />

1.2 Das Tangentenproblem ............................................................................................2<br />

1.3 Übungen ...................................................................................................................7<br />

1.4 Differenzierbarkeit und Stetigkeit..............................................................................7<br />

1.4.1 Differenzierbare Funktionen......................................................................................7<br />

1.4.2 Stetige Funktionen....................................................................................................9<br />

1.5 Übungen .................................................................................................................10<br />

1.6 Ableitungsregeln.....................................................................................................11<br />

1.6.1 Pascalsches Dreieck und Binomischer Lehrsatz ....................................................11<br />

1.6.2 Analyse eines Differenzenquotienten .....................................................................13<br />

1.6.3 Potenzregel.............................................................................................................14<br />

1.6.4 Zwei Konstantenregeln ...........................................................................................15<br />

1.6.5 Summenregel .........................................................................................................16<br />

1.7 Ganzrationale Funktionen und höhere Ableitungen................................................18<br />

1.8 Übungen .................................................................................................................18<br />

2 Das Newton-Verfahren ...........................................................................................20<br />

2.1 Nullstellenbestimmung............................................................................................20<br />

2.2 Urbildbestimmung...................................................................................................23<br />

2.3 Zur Konvergenz des Newton-Verfahrens................................................................24<br />

2.4 Übungen .................................................................................................................24<br />

3 Kurvenuntersuchungen...........................................................................................26<br />

3.1 Monotonieverhalten ................................................................................................26<br />

3.2 Hoch- und Tiefpunkte und kritische Stellen ............................................................27<br />

3.2.1 Das notwendige Kriterium – kritische Stellen..........................................................29<br />

3.2.2 Das Vorzeichenwechselkriterium............................................................................30<br />

3.3 Krümmungsverhalten und zweite Ableitung............................................................33<br />

3.3.1 Links- und Rechtskurven ........................................................................................33<br />

3.3.2 Hoch- und Tiefpunktbestimmung mit Hilfe der zweiten Ableitung...........................34<br />

3.3.3 Zur Abgrenzung der beiden Kriterien zur Extremwertbestimmung .........................36<br />

3.4 Wendepunkte und dritte Ableitung..........................................................................36<br />

3.4.1 Begrifflichkeiten und Kriterien .................................................................................36<br />

3.4.2 Maximale und minimale Zunahmeraten..................................................................38<br />

3.5 Übungen .................................................................................................................39<br />

3.6 Kurvendiskussion....................................................................................................42<br />

3.7 Übungen .................................................................................................................43<br />

4 Weitere Ableitungsregeln........................................................................................44<br />

4.1 Problembeschreibung: Kontamination nach einem Chemieunfall...........................44<br />

4.2 Die Produktregel.....................................................................................................45<br />

4.3 Die Kettenregel.......................................................................................................46<br />

4.4 Problembeschreibung: Pro-Stück-Gewinn..............................................................48<br />

4.5 Die allgemeine Potenzregel....................................................................................49<br />

Burghardt – RWB 10/11


Inhaltsverzeichnis ii<br />

4.6 Übungen .................................................................................................................51<br />

5 Gesucht wird ..........................................................................................................55<br />

5.1 Eine Differentialgleichung .......................................................................................55<br />

5.2 Die Lösung: Eine Exponentialfunktion ....................................................................55<br />

5.2.1 Exponentialfunktionen ............................................................................................55<br />

5.2.2 Eine bemerkenswerte Eigenschaft und die Eulersche Zahl....................................56<br />

5.2.3 Zusammenfassung .................................................................................................57<br />

5.3 Die Eulersche Zahl .................................................................................................57<br />

5.4 Übungen .................................................................................................................61<br />

6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse .......................................................62<br />

6.1 Untersuchung von Exponentialfunktionen ..............................................................62<br />

6.1.1 Funktionsuntersuchung ( )<br />

f x = e − x ........................................................................62<br />

3 x<br />

6.1.2 Funktionsuntersuchung f ( x ) = x e − ......................................................................63<br />

6.1.3 Funktionsuntersuchung ( )<br />

5 2<br />

− x − x<br />

f x = e − e ...............................................................64<br />

6.2 Der natürliche Logarithmus.....................................................................................65<br />

6.2.1 Grundlegende Eigenschaften und Logarithmengesetze .........................................65<br />

6.2.2 Fortsetzung der Funktionsuntersuchung ( )<br />

5 2<br />

− x − x<br />

f x = e − e .....................................65<br />

6.2.3 Die Ableitung des natürlichen Logarithmus’............................................................67<br />

6.3 Beispiele für Wachstumsprozesse..........................................................................68<br />

6.3.1 Malthusianischer Ansatz.........................................................................................68<br />

6.3.2 Logistisches Wachstum ..........................................................................................69<br />

6.3.3 Die Bateman-Funktion ............................................................................................71<br />

6.4 Übungen .................................................................................................................74<br />

7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral...........................................................76<br />

7.1 Ausschöpfen von Flächen durch Rechtecke...........................................................76<br />

7.2 Übung .....................................................................................................................78<br />

7.3 Das Integral ............................................................................................................78<br />

7.4 Übungen .................................................................................................................80<br />

7.5 Eigenschaften des Integrals....................................................................................81<br />

7.6 Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung und die Berechnung von<br />

Integralen................................................................................................................81<br />

7.7 Übungen .................................................................................................................89<br />

8 Integrationsmethoden .............................................................................................91<br />

8.1 Partielle Integration (Produktintegration): Auf und Ab.............................................91<br />

8.2 Integration des natürlichen Logarithmus.................................................................92<br />

8.3 Substitutionsregel ...................................................................................................92<br />

8.4 Übungen .................................................................................................................93<br />

8.5 Numerische Integration...........................................................................................94<br />

8.5.1 Die Sehnentrapezregel ...........................................................................................94<br />

8.5.2 Die Simpsonregel ...................................................................................................95<br />

8.5.3 Die Keplersche Fassregel.......................................................................................96<br />

8.6 Übungen .................................................................................................................97<br />

9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung .........................................................98<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

Inhaltsverzeichnis iii<br />

9.1 Fläche zwischen Graphen ......................................................................................98<br />

9.2 Volumenberechnung: Senkrechte Zylinder...........................................................100<br />

9.3 Volumenberechnung: Rotationskörper .................................................................102<br />

9.4 Mittelwerte ............................................................................................................103<br />

9.5 Gesamtänderung einer Größe..............................................................................105<br />

9.6 Bogenlänge...........................................................................................................106<br />

9.7 Übungen ...............................................................................................................108<br />

10 Lösungen der Übungen ........................................................................................114<br />

Für Bildungsgänge, die zur Fachhochschulreife führen, sind nur die Kapitel 1 bis 3 und<br />

Teile von Kapitel 7 von Bedeutung.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

2


1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 1<br />

1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion<br />

1.1 Problembeschreibung: Entwicklungshilfe in Afrika<br />

Im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojekts wird in der Nähe eines kleinen afrikanischen<br />

Dorfes Brachland zu landwirtschaftlicher Nutzfläche kultiviert. Die landwirtschaftlichen Erträge<br />

sind zuerst für den Eigenbedarf bestimmt, Überschüsse werden an Dörfer in der<br />

Nachbarschaft verkauft. Der Gewinn, den die Dorfgemeinschaft aus der Nutzfläche ziehen<br />

5 2<br />

kann, kann näherungsweise mit der durch f ( x ) = − 0,01 x + 9,5 x − 1,25 gegebenen Funktion<br />

berechnet werden. Hierbei entspricht eine x -Einheit einer Fläche von 1 ha und eine<br />

y -Einheit einem Jahresgewinn von 2 US-$. Der Graph der Funktion f ist hier gezeichnet:<br />

300<br />

240<br />

180<br />

120<br />

60<br />

0<br />

-1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

-60<br />

Die Entwicklungshelfer müssen sich im Rahmen der Planung des Projekts u.a. über die<br />

folgenden Aspekte Klarheit verschaffen:<br />

• Bei welchen Flächengrößen kann die Dorfgemeinschaft mit Gewinn rechnen<br />

• Bei welcher Flächengröße kann die Dorfgemeinschaft den größten Gewinn erzielen<br />

Wie groß ist dieser<br />

Die Antworten lassen sich grob aus der Skizze des Graphen ablesen. Um genaue Resultate<br />

zu erzielen, ist es notwendig, für die Gewinnfunktion – eine Funktion 5. Grades, die<br />

offenbar keine exakt ablesbaren Nullstellen hat –<br />

• die Nullstellen und<br />

• den Hochpunkt<br />

zu berechnen.<br />

Die Nullstellen können zum Beispiel mit Hilfe des Newton-Verfahrens bestimmt werden.<br />

Hierzu muss aber zuerst eine Methode entwickelt werden, mit dem die Tangentensteigungen<br />

des Graphen berechnet werden können. Auch für die Bestimmung des Hochpunktes<br />

ist eine Methode zu Berechnung der Tangentensteigungen nützlich: Man erkennt<br />

nämlich, dass bei der gezeichneten Funktion die Tangentensteigungen<br />

• am Hochpunkt Null,<br />

• links vom Hochpunkt positiv und<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 2<br />

• rechts vom Hochpunkt negativ sind:<br />

300<br />

240<br />

180<br />

120<br />

60<br />

0<br />

-1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

-60<br />

Wenn nun eine Methode bekannt ist, um an jeder Stelle die Tangentensteigung zu bestimmen,<br />

könnte man hiermit versuchen, diejenige Stelle zu finden, an der die Tangentensteigung<br />

Null ist und an der sich das Vorzeichen der Tangentensteigungen von + nach −<br />

verändert. Der Anschauung nach sollte man dann die x -Koordinate des Hochpunktes gefunden<br />

haben.<br />

Dies alles zeigt: Es ist eine lohnende Aufgabe, eine Methode zur Berechnung der Tangentensteigungen<br />

an einen Funktionsgraphen zu suchen.<br />

1.2 Das Tangentenproblem<br />

Vorgegeben ist eine Funktion f und eine Stelle x 0<br />

, bei der an den Funktionsgraphen die<br />

Tangente angezeichnet und deren Steigung berechnet werden soll:<br />

gesuchte Tangente<br />

( ( ) )<br />

P = x | f x<br />

0 0 0<br />

x<br />

0<br />

Burghardt – RWB 10/11


1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 3<br />

Problematische bei der Berechnung der Tangentensteigung ist, dass man nur einen Punkt<br />

kennt, durch den die Tangente läuft – nämlich den Punkt P = ( x | f 0<br />

( x 0<br />

) ) . Um die Steigung<br />

einer Geraden im Koordinatensystem zu bestimmen, benötigt man jedoch zwei Punkte.<br />

Sind zwei Punkte auf einer Geraden bekannt, ergibt sich die Steigung der Geraden leicht<br />

mit der Formel m = ∆ y ∆ x :<br />

( )<br />

f x<br />

1<br />

wird. Das Bild unten zeigt: Je näher der Punkt P 1<br />

, P 2<br />

, P 3<br />

, am Punkt P 0<br />

liegt – gleichy<br />

( ( ) )<br />

P = x | f x<br />

1 1 1<br />

( )<br />

f x<br />

0<br />

x<br />

0<br />

( 0 ( 0 ) )<br />

P = x | f x<br />

1 0<br />

x x x ∆ = −<br />

∆ y = f ( x<br />

1 ) − f ( x<br />

0 )<br />

x<br />

1<br />

m<br />

=<br />

( ) − ( )<br />

f x f x<br />

1 0<br />

x − x<br />

1 0<br />

Um die Steigung der Tangente zu bestimmen,<br />

geht man ähnlich vor wie bei der Nullstellenbestimmung<br />

mit dem Newton-Verfahren: Beim<br />

Newton-Verfahren wählt man zu Beginn einen<br />

Wert in der Nähe der Nullstelle, der als erste Annäherung<br />

an die Nullstelle verstanden werden<br />

kann. Bei der Bestimmung der Tangentensteigung<br />

wählt man zum Punkt P 0<br />

einen zusätzlichen<br />

zweiten Punkt P 1<br />

auf dem Graphen, der<br />

nahe bei P 0<br />

liegt, und zeichnet die Gerade durch<br />

P<br />

0<br />

und P 1<br />

.<br />

( ( ) )<br />

P = x | f x<br />

1 1 1<br />

( ( ) )<br />

P = x | f x<br />

0 0 0<br />

Diese Gerade ist eine Sekante an den Funktionsgraphen,<br />

da sie ihn in zwei Punkten trifft.<br />

x<br />

0<br />

x<br />

1<br />

Da zwei Punkte der Sekante bekannt sind, kann ihre Steigung – wie gerade gesehen –<br />

leicht berechnet werden:<br />

m =<br />

( ) − ( )<br />

f x f x<br />

1 0<br />

x − x<br />

1 0<br />

.<br />

Wenn wir in Gedanken P 1<br />

immer näher an P 0<br />

heran bewegen, sollte die Sekante und ihre<br />

Steigung sich immer näher an die Tangente und deren Steigung annähern.<br />

De facto wählen wir also unendlich viele Punkte P 1<br />

, P 2<br />

, P 3<br />

, die völlig beliebig sind bis auf<br />

die Forderung, dass der Abstand von P 1<br />

zu P 0<br />

, P 2<br />

zu P 0<br />

, P 3<br />

zu P 0<br />

usw. immer kleiner<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 4<br />

bedeutend: je näher die Stelle x 1<br />

, x 2<br />

, x 3<br />

, an der Stelle x 0<br />

liegt –, desto ähnlicher wird die<br />

Sekante der Tangente und desto besser stimmen die Steigungen beider überein.<br />

Tangente<br />

P<br />

5<br />

( ( ) )<br />

P = x | f x<br />

0 0 0<br />

P<br />

4<br />

P<br />

3<br />

P<br />

2<br />

P<br />

1<br />

x<br />

0<br />

x<br />

5<br />

x<br />

4<br />

x<br />

3<br />

x<br />

2<br />

x<br />

1<br />

Die Steigung der Sekante durch P 0<br />

und einen<br />

anderen Punkt ( )<br />

P<br />

1<br />

= ( x<br />

1<br />

| f x<br />

1 ) häng ab von den<br />

zwei x -Koordinaten x 0<br />

und x 1<br />

. Meist zieht man<br />

es vor, die zweite x -Koordinate x 1<br />

durch x 0<br />

und<br />

den Abstand von x 1<br />

zu x 0<br />

auszudrücken. Dieser<br />

Abstand wird in der Regel mit h bezeichnet:<br />

h = x<br />

1<br />

− x<br />

0<br />

. Dann ist x 1<br />

= x 0<br />

+ h und die Tangentensteigung<br />

hat die Form<br />

( ( ) )<br />

P = x + h | f x + h<br />

1 0 0<br />

( ( ) )<br />

P = x | f x<br />

0 0 0<br />

m<br />

h<br />

=<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

0 0<br />

h<br />

h<br />

(Bei m ist ein kleiner Index h angefügt um anzudeuten,<br />

dass die Steigung von der Zahl h abhängt.)<br />

x<br />

0<br />

x 0<br />

+ h<br />

Dieser Bruch wird auch als Differenzenquotient bezeichnet.<br />

Je näher der Wert h bei Null liegt, desto näher liegt x 0<br />

+ h an x 0<br />

und – nach unseren Ü-<br />

berlegungen oben – desto genauer sollte der Wert m h<br />

mit der Tangentensteigung überein<br />

stimmen.<br />

Burghardt – RWB 10/11


1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 5<br />

Steigung m<br />

Steigung m<br />

h 5<br />

Steigung m<br />

h 4<br />

Steigung m<br />

h 3<br />

P =<br />

( x f ( ) )<br />

0 | x 0<br />

Steigung m<br />

h 2<br />

Steigung m<br />

h 1<br />

x<br />

0<br />

x<br />

0<br />

+ h<br />

5<br />

x<br />

0<br />

+ h<br />

4<br />

x<br />

0<br />

+ h<br />

3<br />

x<br />

0<br />

+ h<br />

2<br />

x<br />

0<br />

+ h<br />

1<br />

h<br />

5<br />

h<br />

4<br />

h<br />

3<br />

h<br />

2<br />

h<br />

1<br />

Es muss also untersucht werden, welcher Zahl sich der Differenzenquotient<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

0 0<br />

h<br />

nähert, wenn man für h fortlaufend Zahlen einsetzt, die immer näher bei Null liegen. 1 In<br />

der Mathematik nennt man eine solche Analyse einen Grenzübergang und schreibt dafür<br />

lim<br />

h<br />

→<br />

0<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

0 0<br />

h<br />

Man liest dies:<br />

Grenzwert von<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

0 0<br />

h<br />

für h gegen Null.<br />

Wie dieser Grenzübergang formal korrekt durchgeführt wird, ist Stoff für einen Leistungskurs<br />

Mathematik. Für uns ist es wichtig, dass wir nun intuitiv wissen, was unter dem<br />

Grenzübergang zu verstehen ist.<br />

Wir wollen mit dem beschriebenen Verfahren experimentell die Steigung der Tangente an<br />

3<br />

den Graphen der durch ( )<br />

f x = x gegebenen Funktion an der Stelle x 0<br />

= − 2 bestimmen:<br />

1 Obwohl wir bisher aus Gründen der Übersichtlichkeit in den Bildern für h nur positive Werte verwendet<br />

haben, darf man für h nicht nur positive Zahlen einsetzen. Man muss vielmehr für h positive und negative<br />

Zahlen einsetzen!<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 6<br />

28<br />

26<br />

24<br />

22<br />

20<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

-2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1<br />

-2<br />

-4<br />

-6<br />

-8<br />

-10<br />

-12<br />

-14<br />

-16<br />

Natürlich können wir im Differenzenquotienten nicht unendlich viele Werte für h einsetzen.<br />

Wir beschränken uns auf die Werte h = ± 0,5 , h = ± 0,1 , h = ± 0,01 , h = ± 0,001<br />

sowie h = ± 0,0001 und berechnen jeweils den Differenzenquotienten. Wenn wir die<br />

Differenzenquotienten ausgerechnet haben, können wir sehen, welcher Zahl sich die<br />

Differenzenquotienten annähern, wenn für h immer näher bei Null liegende Werte einsetzen:<br />

h<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

f ( ) f ( ) ( ) ( )<br />

0,5<br />

0 0<br />

3 3<br />

2 0,5 2 1,5 2 4,625<br />

− + − − = − − − = =<br />

0,5 0,5 0,5<br />

3 3<br />

f ( − 2 − 0,5 ) − f ( − 2 ) ( − 2,5 ) − ( − 2 )<br />

− 0,5<br />

− 7,625<br />

= = =<br />

− 0,5 − 0,5 − 0,5<br />

f ( ) f ( ) ( ) ( )<br />

0,1<br />

h<br />

3 3<br />

9, 25<br />

− 2 + 0,1 − − 2 = − 1,9 − − 2 = 1,141<br />

= 11,41<br />

0,1 0,1 0,1<br />

15, 25<br />

3 3<br />

f ( − 2 − 0,1 ) − f ( − 2 ) ( − 2,1 ) − ( − 2 )<br />

− 0,1<br />

− 1,261<br />

= = = 12,61<br />

− 0,1 − 0,1 − 0,1<br />

3 3<br />

− 2 + 0,01 − − 2 − 1,99 − − 2 0,119401<br />

= = = 11,9401<br />

0,01 0,01 0,01<br />

f ( ) f ( ) ( ) ( )<br />

0,01<br />

3 3<br />

f ( − 2 − 0,01 ) − f ( − 2 ) ( − 2,01 ) − ( − 2 )<br />

− 0,01<br />

− 0,120601<br />

= = = 12,0601<br />

− 0,01 − 0,01 − 0,01<br />

3 3<br />

− 2 + 0,001 − − 2 − 1,999 − − 2 0,011994001<br />

= = = 11,9994001<br />

0,001 0,001 0,001<br />

f ( ) f ( ) ( ) ( )<br />

0,001<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0


1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 7<br />

h<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

0 0<br />

3 3<br />

f ( − 2 − 0,001 ) − f ( − 2 ) ( − 2,001 ) − ( − 2 )<br />

− 0,001<br />

0,012006<br />

= = =<br />

− 0,001 − 0,001 − 0,001<br />

3 3<br />

2 0,0001 2 1,9999 2 0,00119994<br />

f ( ) f ( ) ( ) ( )<br />

0,0001<br />

h<br />

12,006<br />

− + − − − − −<br />

= = =<br />

11,9994<br />

0,0001 0,0001 0,0001<br />

3 3<br />

f ( − 2 − 0,0001 ) − f ( − 2 ) ( − 2,0001 ) − ( − 2 )<br />

− 0,0001<br />

− 0,001120006<br />

= = = 12,0006<br />

− 0,0001 − 0,0001 − 0,0001<br />

Auf der Grundlage der doppelt unterstrichenen Zahlen in der letzten Spalte kann man<br />

vermuten, dass die Tangentensteigung 12 ist: f ′ ( − 2 ) = 12 . Die Zeichnung (s.o.) bestätigt<br />

diese Vermutung. Wir werden bald ein Verfahren kennenlernen, das uns in vielen Fällen<br />

ermöglicht, die Tangentensteigung direkt zu berechnen, ohne experimentell für h Zahlen<br />

einsetzen zu können. Mit diesem Verfahren werden wir die Vermutung f ′ ( − 2 ) = 12 sofort<br />

bestätigen können.<br />

1.3 Übungen<br />

1.3.1 Bestimmen Sie experimentell die Steigung der Tangente an den Graphen der durch<br />

2<br />

f ( x ) = x gegebenen Funktion an der Stelle x 0<br />

= 1 . Überprüfen Sie Ihr Resultat durch eine<br />

Skizze des Graphen.<br />

1.3.2 Bestimmen Sie experimentell die Steigung der Tangente an den Graphen der durch<br />

2<br />

f ( x ) = 3 x gegebenen Funktion an der Stelle x 0<br />

= 2 . Überprüfen Sie Ihr Resultat durch<br />

eine Skizze des Graphen.<br />

1.3.3 Bestimmen Sie experimentell die Steigung der Tangente an den Graphen der durch<br />

2<br />

f ( x ) = 3 x − 4 x + 1 gegebenen Funktion an der Stelle x 0<br />

= − 1 . Überprüfen Sie Ihr Resultat<br />

durch eine Skizze des Graphen.<br />

1.3.4 Bestimmen Sie experimentell die Steigung der Tangente an den Graphen der durch<br />

f ( x ) = x gegebenen Funktion an der Stelle x 0<br />

= 1 . Überprüfen Sie Ihr Resultat durch<br />

eine Skizze des Graphen.<br />

1.4 Differenzierbarkeit und Stetigkeit<br />

1.4.1 Differenzierbare Funktionen<br />

Es gibt Funktionen, bei denen man – zumindest an manchen Stellen – keine Tangente an<br />

den Graphen zeichnen. Ein Beispiel ist die so genannte Betragsfunktion, die durch<br />

f ( x ) = | x |<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 8<br />

definiert ist. Hierbei bezeichnet | x | den Betrag der Zahl x . Der Betrag einer Zahl ist die<br />

die Zahl aber ohne ihr Vorzeichen:<br />

x<br />

| |<br />

− x , falls x < 0<br />

=<br />

x , falls x ≥ 0<br />

<br />

Zum Beispiel ist | − 3 | = 3 und | 0 | = 0 sowie | 3 | = 3 . Mit der Wertetabelle der Betragsfunktion<br />

im Bereich von − 3 bis 3<br />

x − 3 − 2 − 1 0 1 2 3<br />

f ( x ) 3 2 1 0 1 2 3<br />

kann der Funktionsgraph der Betragsfunktion gezeichnet werden:<br />

f ( x ) = | x |<br />

Der Graph ist V-förmig und hat im Punkt ( 0 | 0 ) einen „Knick“. Versucht man nun, den<br />

Grenzwert<br />

lim<br />

h<br />

→<br />

0<br />

( 0 + ) − ( 0 )<br />

f h f<br />

experimentell zu bestimmen, erhält man die folgenden Werte:<br />

h<br />

0,5 1<br />

− 0,5<br />

− 1<br />

0,1 1<br />

− 0,1<br />

− 1<br />

0,01 1<br />

− 0,01<br />

− 1<br />

0,001 1<br />

− 0,001<br />

− 1<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

0 0<br />

h<br />

h<br />

Burghardt – RWB 10/11


1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 9<br />

h<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

0,0001 1<br />

− 0,0001<br />

− 1<br />

0 0<br />

h<br />

Allem Anschein nach nähert sich der Differenzenquotient keiner Zahl an, sondern ist mal,<br />

mal − 1 ist. Dies ist in der Tat richtig: Der Graph der Betragsfunktion hat an der Stelle Null<br />

keine Tangente, der Grenzwert der Differenzenquotienten<br />

lim<br />

h<br />

→<br />

0<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

0 0<br />

h<br />

existiert für die Betragsfunktion nicht. Es ist also nicht in jedem Fall so, dass der Grenzwert<br />

der Differenzenquotienten existiert, sodass es angebracht ist, den Fall, dass der<br />

Grenzwert existiert, besonders herauszuheben.<br />

Definition. Wenn der Grenzwert der Differenzenquotienten<br />

lim<br />

h<br />

→<br />

0<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

0 0<br />

h<br />

existiert, der Graph der Funktion f an der Stelle x 0<br />

also eine eindeutige Tangente hat, so<br />

sagt man: Die Funktion f ist an der Stelle x 0<br />

differenzierbar. In diesem Fall ist die Zahl<br />

lim<br />

h<br />

→<br />

0<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

0 0<br />

h<br />

die Steigung dieser Tangente. Die Steigung wird mit f ′ ( x 0<br />

) (gelesen: f Strich von x 0<br />

)<br />

bezeichnet:<br />

( )<br />

f ′ x =<br />

0<br />

lim<br />

h<br />

→<br />

0<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

0 0<br />

h<br />

Ist die Funktion f an jeder Stelle differenzierbar, so sagt man, f ist differenzierbar. In<br />

diesem Fall wird die Funktion, die jedem x die Tangentensteigung f ′ ( x ) zuordnet, (erste)<br />

Ableitung von f genannt und mit f ′ bezeichnet.<br />

1.4.2 Stetige Funktionen<br />

Ist eine Funktion an der Stelle x 0<br />

differenzierbar, so hat ihr Funktionsgraph an der Stelle<br />

x<br />

0<br />

keinen „Sprung“, man kann ihn (zumindest theoretisch) zeichnen, ohne den Stift abzu-<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 10<br />

setzen. Wenn man den Graphen einer Funktion an der Stelle x 0<br />

zeichnen kann, ohne<br />

den Stift abzusetzen, nennt man die Funktion an der Stelle x 0<br />

stetig:<br />

„Sprung“<br />

stetig nicht stetig<br />

Mathematisch bedeutet das: Wenn man sich nur wenig von der Stelle x 0<br />

entfernt, ändert<br />

sich auch der Funktionswert nur wenig. Mit der „ h -Schreibweise“, die wir bereits beim Differenzieren<br />

verwendet haben, drückt sich dies so aus: Wenn h nahe bei Null ist, dann gilt<br />

f ( x<br />

0<br />

+ h ) ≈ f ( x<br />

0 ) . Dies kann wieder durch einen Grenzübergang ausgedrückt werden:<br />

Definition. Die Funktion f ist an der Stelle x 0<br />

stetig, wenn<br />

lim<br />

h<br />

→<br />

0<br />

( 0 ) ( 0 )<br />

f x + h = f x .<br />

Ist die Funktion an jeder Stelle stetig, sagt man: f ist stetig.<br />

Wenn die Funktion f ( x ) an der Stelle x 0<br />

differenzierbar ist, dann ist sie dort stetig. Jedoch<br />

zeigt die Betragsfunktion, dass eine Funktion an einer Stelle stetig sein kann, ohne<br />

dass sie dort differenzierbar ist.<br />

1.5 Übungen<br />

1.5.1 Untersuchen Sie, ob die folgenden Funktionen an der Stelle x 0<br />

= 0 stetig bzw. differenzierbar<br />

sind. Um die Stetigkeit zu überprüfen, fertigen Sie eine Zeichnung an. Die Differenzierbarkeit<br />

überprüfen Sie experimentell durch Anlegen einer Tabelle mit verschiedenen<br />

Werten für h wie in früheren Übungen.<br />

a) f ( x )<br />

− 1, falls x < 0<br />

=<br />

1, falls x ≥ 0<br />

<br />

b) f ( x )<br />

2<br />

x , falls x < 0<br />

= − x , falls x ≥ 0<br />

<br />

c) f ( x )<br />

=<br />

<br />

3<br />

x falls x <<br />

, 0<br />

2<br />

x falls x<br />

, ≥ 0<br />

Burghardt – RWB 10/11


1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 11<br />

1.6 Ableitungsregeln<br />

Es ist offenbar ziemlich umständlich, jeweils mit Hilfe des Differenzenquotienten und durch<br />

Einsetzen vieler Werte für h zu entscheiden, ob eine Funktion an einer vorgegebenen<br />

Stelle differenzierbar ist, und zu berechnen, wie groß die Tangentensteigung ist.<br />

In vielen Fällen kann man nach einigen Umformungen dem Differenzenquotienten direkt<br />

ansehen, welchem Wert er sich nähern wird, wenn für h immer näher bei Null liegende<br />

Zahlen einsetzt. Wir wollen dies an dem oben experimentell behandelten Beispiel erläutern,<br />

bei dem wir für die durch f ( x ) = x gegebene Funktion den Wert f ′ ( − 2 )<br />

3<br />

berechnet<br />

haben. Der Differenzenquotient lautet hier<br />

( − + ) − ( − ) ( − + ) − ( − )<br />

f 2 h f 2 2 h<br />

3 2<br />

3<br />

= .<br />

h h<br />

Um den Term ( − 2 + h ) 3<br />

zu berechnen, verwendet man am einfachsten den Binomischen<br />

Lehrsatz, den wir jetzt kurz erläutern werden.<br />

1.6.1 Pascalsches Dreieck und Binomischer Lehrsatz<br />

Aus der Mittelstufe ist die (erste) binomische Formel bekannt:<br />

( ) 2 2 2<br />

a + b = a + 2 ab + b .<br />

Wir wollen sehen, wie man dies Formel für größere Exponenten als 2 weiterentwickeln<br />

kann. Dazu berechnen wir zunächst ( a + b ) 3<br />

und ( a + b ) 4<br />

:<br />

( a + b ) = ( a + b ) ⋅ ( a + b )<br />

3 2<br />

2 2<br />

( a b ) ( a 2 ab b )<br />

= + ⋅ + +<br />

= a + 2 a b + ab + a b + 2 ab + b<br />

3 2 2 2 2 3<br />

= a + 3 a b + 3 ab + b<br />

3 2 2 3<br />

( a + b ) = ( a + b ) ⋅ ( a + b )<br />

4 3<br />

3 2 2 3<br />

( a b ) ( a 3 a b 3 ab b )<br />

= + ⋅ + + +<br />

= a + 3 a b + 3 a b + ab + a b + 3 a b + 3 ab + b<br />

4 3 2 2 3 3 2 2 3 4<br />

4 3 2 2 3 4<br />

= a + 4 a b + 6 a b + 4 ab + b<br />

Wir fassen dies in etwas anderer Schreibweise zusammen:<br />

0 0 0<br />

a + b =<br />

1 a b<br />

( )<br />

( )<br />

( )<br />

( )<br />

( )<br />

1 0 0<br />

a + b = 1 ab + 1 a b<br />

2 2 0 1 1 0 2<br />

a + b = 1 a b + 2 a b + 1 a b<br />

3 3 0 2 1 1 2 0 3<br />

a + b = 1 a b + 3 a b + 3 a b + 1 a b<br />

4 4 0 3 2 2 3 0 4<br />

a + b = 1 a b + 4 a b + 6 a b + 4 ab + 1 a b<br />

Es fällt auf:<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 12<br />

• Die Exponenten von a steigen in jeder Zeile von links nach rechts ab. Sie beginnen<br />

mit dem Exponenten von ( a + b ) und enden bei Null.<br />

• Die Exponenten von b steigen in jeder Zeile von links nach rechts an. Sie beginnen<br />

mit Null und enden bei dem Exponenten von ( a + b ) .<br />

• Jeder Koeffizient in jeder Zeile lässt sich aus den beiden links und rechts darüber stehenden<br />

durch Addition berechnen.<br />

Das aus der obigen Darstellung gewonnene dreieckige Zahlenschema<br />

1<br />

1 1<br />

1 2 1<br />

1 3 3 1<br />

1 4 6 4 1<br />

1 5 10 10 5 1<br />

<br />

bei dem jede Zahl aus der links und rechts darüber stehenden Zahl berechnet<br />

werden kann, heißt Pascalsches Dreieck (benannt nach Blaise<br />

Pascal (1623-1663)). Den k -ten Eintrag in der n -ten Zeile bezeichnet<br />

man oft mit n<br />

<br />

<br />

k <br />

, gelesen „ n über k “:<br />

0 <br />

<br />

0 <br />

1 1<br />

<br />

0 1<br />

2 2 2 <br />

<br />

0 1 2 <br />

3 3 3 3 <br />

<br />

0 1 2 3 <br />

4 4 4 4 4 <br />

<br />

0 1 2 3 4 <br />

5 5 5 5 5 5<br />

<br />

<br />

0 1 2 3 4 5 <br />

<br />

n<br />

Die Zahlen <br />

<br />

k<br />

<br />

(für n ∈ und k = 0, , n ) nennt man auch Binomialkoeffizienten.<br />

Blaise Pascal<br />

Wir hatten gesehen, dass sich zumindest die ersten Potenzen von ( a + b ) mit Hilfe des<br />

Pascalschen Dreiecks bestimmen lassen. Der Binomische Lehrsatz sagt, dass dies für<br />

alle Potenzen der Fall ist.<br />

Satz (Binomischer Lehrsatz). Für alle Zahlen a , b und alle natürlichen Zahlen n gilt:<br />

Burghardt – RWB 10/11


1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 13<br />

n n n 0 n n 1 1 n − n − 2 2 n n − ( n − 1 ) n − 1 n 0 n<br />

a + b = a b + a b + a b + + a b + a b<br />

0 1 2 n − 1 n <br />

( )<br />

.<br />

1.6.2 Analyse eines Differenzenquotienten<br />

3<br />

Um für die durch f ( x ) = x gegebene Funktion den Wert f ′ ( − 2 ) zu berechnen, wollen wir<br />

den Differenzenquotienten<br />

( ) ( ) ( ) ( )<br />

f − 2 + h − f − 2 − 2 + h<br />

3 − − 2<br />

3<br />

=<br />

h h<br />

analysieren. Nach dem Binomischen Lehrsatz berechnet man ( − 2 + h ) 3<br />

, indem man die<br />

Koeffizienten der vierten Zeile des Pascalschen Dreiecks entnimmt:<br />

( 2 ) ( 2 ) 3 ( 2 ) 3 ( 2 )<br />

3 3 2 2 3<br />

− + h = − + ⋅ − h + ⋅ − h + h<br />

= − 8 + 12 h − 6 h + h<br />

2 3<br />

Wir tragen dies in den Differenzenquotienten ein und fassen zusammen:<br />

( 2 ) ( 2 ) ( 2 ) ( 2 )<br />

3 3<br />

f − + h − f − − + h − −<br />

=<br />

h h<br />

h h h<br />

− + − + +<br />

=<br />

h<br />

2 3<br />

12 h − 6 h + h<br />

=<br />

h<br />

2<br />

= 12 − 6 h + h<br />

2 3<br />

8 12 6 8<br />

Der Differenzenquotient ist also letztlich nichts anderes als der Term 12 − 6h + h 2<br />

. Es muss<br />

nun überlegt werden, was im Ausdruck 12 − 6h + h 2<br />

passiert, wenn h sehr nahe bei Null<br />

liegt:<br />

• Die konstante Zahl 12 ist unabhängig von h . Sie bleibt also unverändert die Zahl 12.<br />

• Der Term − 6h ist nahezu Null, wenn h nahezu Null ist.<br />

2<br />

• Auch der Term h ist nahezu Null, wenn h nahezu Null ist.<br />

Es ergibt sich, dass – beim Einsetzen immer näher bei Null liegender Werte für h – vom<br />

Differenzenquotienten nur noch die konstante Zahl 12 übrig bleibt, das heißt<br />

f<br />

( − 2 + ) − ( − 2 )<br />

f h f<br />

′ ( − 2 ) = lim = 12 .<br />

h → 0 h<br />

Wir hatten uns in diesem Beispiel auf die Behandlung der Stelle x 0<br />

= 2 beschränkt. Die<br />

verwendeten Gedankengänge können aber auch dann herangezogen werden, wenn wir<br />

eine beliebige Stelle x 0<br />

behandeln wollen, und sie sind selbstverständlich nicht auf die<br />

3<br />

durch f ( x ) = x gegebene Funktion eingeschränkt.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 14<br />

1.6.3 Potenzregel<br />

Indem wir die eben verwendeten Argumente anwenden, werden wir jetzt Regeln dafür<br />

entwickeln, wie Potenzfunktionen – also Funktionen, die durch Gleichungen der Art<br />

n<br />

f ( x ) = x mit n ∈ gegeben sind – abgeleitet werden können.<br />

= ′ =<br />

• f ( x ) x f ( x ) 1<br />

BEWEIS. Für jedes x und jedes h ≠ 0 gilt<br />

( ) ( )<br />

f x + h − f x = x + h − x = h<br />

= 1 .<br />

h h h<br />

Also ist f ( x )<br />

2<br />

• ( ) ( )<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

′ = = = . <br />

f x = x f x = 2 x<br />

lim lim1 1<br />

0 0<br />

h → h<br />

h →<br />

BEWEIS. Für jedes x und jedes h ≠ 0 berechnet man mit Hilfe der ersten Binomischen<br />

Formel:<br />

2 2 2 2 2 2<br />

( + ) − ( ) ( + ) − x + 2 xh + h − x 2 xh + h ⋅ ( 2 + )<br />

f x h f x x h x h x h<br />

= = = = = 2 x + h .<br />

h h h h h<br />

Nähert sich h immer näher der Null an, so nähert sich 2x + h immer weiter der Zahl<br />

2x an. Also ist ( )<br />

f x = x 3 f ′ x = 3 x<br />

2<br />

• ( ) ( )<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

f ′ x = = x + h = x . <br />

lim lim 2 2<br />

0 0<br />

h → h<br />

h →<br />

BEWEIS. Für jedes x und jedes h ≠ 0 muss<br />

( ) ( ) ( ) 3 3<br />

f x + h − f x = x + h − x<br />

.<br />

h h<br />

berechnet werden. Mit dem binomischen Lehrsatz folgt ( ) 3 3 2 2 3<br />

x + h = x + 3 x h + 3 xh + h .<br />

Hiermit ergibt sich<br />

( ) ( ) ( )<br />

3 3<br />

f x + h − f x =<br />

x + h − x<br />

h h<br />

=<br />

x + 3 x h + 3 xh + h − x<br />

h<br />

=<br />

2 2 3<br />

3 x h + 3 xh + h<br />

h<br />

3 2 2 3 3<br />

2 2<br />

( 3 3 )<br />

h ⋅ x + xh + h<br />

=<br />

h<br />

2 2<br />

= 3 x + 3 xh + h<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />


1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 15<br />

Nähert sich h immer näher der Null an, so nähert sich<br />

f ( x + h ) − f ( x ) 2 2 2<br />

Zahl<br />

f ′ x = = x + xh + h = x . <br />

2<br />

3x an. Also ist ( )<br />

lim lim3 3 3<br />

0 0<br />

h → h<br />

h →<br />

In der Tat kann eine Potenzregel bewiesen werden:<br />

2 2<br />

3 x + 3 xh + h immer weiter der<br />

= ′ =<br />

n n 1<br />

Satz. (Potenzregel). f ( x ) x f ( x ) nx −<br />

Im Folgenden werden nun Ableitungsregeln bewiesen, die es ermöglichen, alle ganzrationalen<br />

Funktionen zu differenzieren.<br />

1.6.4 Zwei Konstantenregeln<br />

Wenn die Funktion f konstant ist – das heißt, es gibt eine reelle Zahl c , sodass f ( x ) = c<br />

für alle x ist –, dann gilt f ′ ( x ) = 0 .<br />

BEWEIS. Für jedes x und jedes h ≠ 0 gilt<br />

( ) ( )<br />

f x + h − f x = c − c<br />

= 0 .<br />

h h<br />

Also ist f ( x )<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

′ = = = . <br />

lim lim 0 0<br />

0 0<br />

h → h<br />

h →<br />

Diese Konstantenregel wird oft kurz so gefasst: Additive Konstanten fallen beim Ableiten<br />

weg. 2<br />

3<br />

Bislang können wir Potenzfunktionen ableiten wie zum Beispiel die durch f ( x ) = x gegebene.<br />

Wie sieht es aber aus, wenn wir hier noch eine Konstante hinzumultiplizieren,<br />

2<br />

also zum Beispiel die durch f ( x ) = 5 ⋅ x gegebene Funktion betrachten. Die Gleichung<br />

dieser Funktion hat die Struktur f ( x ) = c ⋅ g ( x ) , wobei c eine Konstante (feste Zahl) und<br />

g eine differenzierbare Funktion ist. Da die Konstante hier zu einer Funktion hinzumultipliziert<br />

wird, spricht man von einer multiplikativen Konstante.<br />

Jede Funktion, deren Gleichung von der Art f ( x ) = c ⋅ g ( x ) ist, wobei c eine Konstante<br />

und g eine differenzierbare Funktion ist, ist differenzierbar, und die Ableitung berechnet<br />

man, indem man die Konstante unverändert lässt und die differenzierbare Funktion g ableitet:<br />

f ′ ( x ) = c ⋅ g ′ ( x ) . Das heißt: Multiplikative Konstanten bleiben beim Ableiten erhalten.<br />

BEWEIS. Für jedes x und jedes h ≠ 0 gilt<br />

2 Konstanten sind Werte, die sich nicht ändern. Der Wert einer Variablen dagegen ändert sich je nach<br />

dem, welche Zahl man für sie einsetzt. Warum hier von einer additiven Konstante gesprochen wird, wird<br />

weiter unten klar werden.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 16<br />

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )<br />

f x + h − f x = c ⋅ g x + h − c ⋅ g x = c ⋅ g x + h − g x<br />

.<br />

h h h<br />

Was passiert hier beim Grenzübergang h gegen Null Die Konstante c bleibt (weil sie<br />

konstant ist) natürlich unverändert. Der Ausdruck<br />

( + ) − ( )<br />

g x h g x<br />

h<br />

ist nichts anderes als der Differenzenquotient der Funktion g . Wir haben voraus gesetzt,<br />

dass die Funktion g differenzierbar ist. Das bedeutet: Man kann im Differenzenquotienten<br />

( + ) − ( )<br />

g x h g x<br />

h<br />

den Grenzübergang h gegen Null durchführen und erhält als Resultat des Grenzübergangs<br />

die Ableitung der Funktion g :<br />

h<br />

0<br />

lim<br />

→<br />

( + ) − ( )<br />

g x h g x<br />

h<br />

( )<br />

= g x .<br />

Also ist<br />

( + ) − ( ) ( + ) − ( ) ( + ) − ( )<br />

f x h f x g x h g x g x h g x<br />

f ′ ( x ) = lim = lim c ⋅ = c ⋅ lim<br />

= c ⋅ g ′ ( x ) . <br />

h → 0 h h → 0 h h → 0 h<br />

Wir können nun bereits Ableitungen von einer Vielzahl von Funktionen ausrechnen, zum<br />

2<br />

Beispiel die Ableitung der durch f ( x ) = 5 x gegebenen Funktion: Die Funktionsgleichung<br />

2<br />

ist von der Form f ( x ) = c ⋅ g ( x ) mit c = 5 und g ( x ) = x . Da multiplikative Konstanten er-<br />

2<br />

halten bleiben und die durch g ( x ) = x gegebene Funktion die Ableitung g ′ ( x ) = 2 x hat,<br />

f ′ x = 5 ⋅ g ′ x = 5 ⋅ 2 x = 10 x .<br />

ergibt sich: ( ) ( )<br />

1.6.5 Summenregel<br />

Mit Hilfe der Potenz und der Konstantenregeln können wir bereits die „Bestandteile“ einer<br />

jeden ganzrationalen Funktion differenzieren: Der Funktionsterm jeder ganzrationale<br />

Funktion besteht nämlich aus Ausdrücken der Art<br />

k<br />

⋅ , die dann addiert werden. Diese<br />

Bestandteile können wir ableiten. Um (unter anderem) alle ganzrationalen Funktionen ableiten<br />

zu können, müssen wir also noch wissen, wie man Summen von differenzierbaren<br />

Funktionen ableiten kann. Dies ist in der Tat sehr einfach:<br />

c x<br />

Satz (Summenregel). Wenn die Funktionsgleichung einer Funktion von der Form<br />

f ( x ) = g<br />

1 ( x ) + g<br />

2 ( x ) ist, wobei g 1<br />

und g 2<br />

differenzierbar sind, dann ist f differenzierbar<br />

1 2<br />

f x g x g x<br />

′ ′ ′ = + . Das bedeutet: Summen dürfen summandenweise differenziert<br />

werden.<br />

und es gilt ( ) ( ) ( )<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />


1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 17<br />

BEWEIS. Für jedes x und jedes h ≠ 0 gilt<br />

( + ) − ( ) g<br />

1 ( x + h ) + g<br />

2 ( x + h ) − ( g<br />

1 ( x ) + g<br />

2 ( x ) )<br />

f x h f x<br />

=<br />

h h<br />

=<br />

g<br />

1<br />

x h g<br />

2<br />

x h g<br />

1<br />

x g<br />

2<br />

x<br />

Was passiert hier mit den Ausdrücken<br />

=<br />

( + ) + ( + ) − ( ) − ( )<br />

h<br />

g x h g x g x h g x<br />

( + ) − ( ) + ( + ) − ( )<br />

1 1 2 2<br />

h<br />

= g<br />

1<br />

x + h − g<br />

1<br />

x +<br />

g<br />

2<br />

x + h − g<br />

2<br />

x<br />

h h<br />

( ) ( ) ( ) ( )<br />

.<br />

( + ) − ( )<br />

g x h g x<br />

1 1<br />

h<br />

und<br />

( + ) − ( )<br />

g x h g x<br />

2 2<br />

h<br />

beim Grenzübergang h gegen Null Dies sind die Differenzenquotienten der Funktionen<br />

g<br />

1<br />

und g 2<br />

. Wir haben voraus gesetzt, dass diese beiden Funktionen differenzierbar sind.<br />

Das bedeutet: Man kann in den beiden Differenzenquotienten<br />

( + ) − ( )<br />

g x h g x<br />

1 1<br />

h<br />

und<br />

( + ) − ( )<br />

g x h g x<br />

2 2<br />

h<br />

den Grenzübergang h gegen Null durchführen und erhält als Resultat des Grenzübergangs<br />

jeweils Ableitungen der Funktionen g 1<br />

und g 2<br />

:<br />

h<br />

0<br />

lim<br />

→<br />

( + ) − ( )<br />

g x h g x<br />

1 1<br />

h<br />

1<br />

( )<br />

= g x und<br />

h<br />

0<br />

lim<br />

→<br />

( + ) − ( )<br />

g x h g x<br />

2 2<br />

h<br />

2<br />

( )<br />

= g x .<br />

Also ist<br />

( )<br />

f ′ x =<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

lim<br />

h → 0 h<br />

g<br />

1 ( x + h ) − g<br />

1 ( x ) g<br />

2 ( x + h ) − g<br />

2 ( x )<br />

= lim<br />

+<br />

h → 0 h h<br />

g<br />

1<br />

x + h − g<br />

1<br />

x g<br />

2<br />

x + h − g<br />

2<br />

x<br />

= lim + lim<br />

h → 0 h h → 0 h<br />

= g ′ x + g ′ x<br />

( ) ( ) ( ) ( )<br />

( ) ( )<br />

1 2<br />

Nun können wir bereits alle ganzrationalen Funktionen ableiten wie zum Beispiel die durch<br />

2<br />

f ( x ) = − 3 x + 4 gegeben Funktion. Ihr Funktionsterm ist aus den Summanden<br />

2<br />

g<br />

1 ( x ) 3 x<br />

berechnen können: ′ ( ) = − und ( )<br />

= − und g<br />

2 ( x ) = 4 gebildet, deren Ableitungen wir mit den bisherigen Regeln<br />

g<br />

1<br />

x 6 x<br />

g ′<br />

2<br />

x = 0 . Da die Ableitung von f durch summandenweises<br />

Ableiten berechnet werden kann, ergibt sich f ′ ( x ) = − 6 x .<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 18<br />

1.7 Ganzrationale Funktionen und höhere Ableitungen<br />

f x = a + a x + a x + + a<br />

n<br />

x<br />

2<br />

Jede ganzrationale Funktion ( ) 0 1 2<br />

n<br />

ist eine Summe von Vielfachen<br />

von Potenzfunktionen. Diese Summanden sind nach der Potenzregel und der Regel,<br />

dass multiplikative Konstanten erhalten, differenzierbar. Die Ableitung ergibt sich dann<br />

nach der Summenregel durch summandenweises Ableiten:<br />

2 n 1<br />

( )<br />

f ′ x = a<br />

1<br />

+ 2 a<br />

2<br />

x + 3 a<br />

3<br />

x + na<br />

n<br />

x − .<br />

Es gilt also:<br />

• Alle ganzrationalen Funktionen sind differenzierbar.<br />

• Ihre Ableitungen sind wiederum ganzrationale Funktionen und damit wiederum differenzierbar.<br />

• Der Grad der Ableitung einer ganzrationalen Funktion ist um 1 geringer als der<br />

Grad der Ausgangsfunktion.<br />

Definition. Ist die Ableitung f ′ der Funktion f ebenfalls differenzierbar, so wird deren<br />

Ableitung mit f ′′ bezeichnet. Die Funktion f ′′ heißt zweite Ableitung von f . Entsprechend<br />

erklärt man die dritte Ableitung f ′′′ usw. Für noch höhere Ableitungen ist die<br />

„Strich-Schreibweise“ meist unpraktisch. Um die k -te Ableitung zu kennzeichnen schreibt<br />

man deshalb manchmal auch<br />

( k )<br />

f .<br />

Wegen der Gradverringerung beim Ableiten um 1 ergibt sich: Leitet man eine ganzrationale<br />

Funktion n -ten Grades n + 1 -mal ab, ist die entstehende Funktion konstant Null:<br />

( n + 1 )<br />

f x<br />

( )<br />

= 0 .<br />

1.8 Übungen<br />

1.8.1 Geben Sie f ′, f ′ ′ und f ′ ′ ′ an! Benutzen Sie die Ableitungsregeln!<br />

a) f<br />

2<br />

( x ) = x b) ( )<br />

2<br />

2<br />

f x = 2x c) f ( x ) = x d) f ( x ) = x + 2<br />

1.8.2 Differenzieren Sie die folgenden Funktionen mit Hilfe der Ableitungsregeln!<br />

3 4<br />

9 5<br />

f x = x + x c) f ( x ) = x + x e) f ( x ) = x + x<br />

5 8<br />

a) ( )<br />

2 3 x<br />

4 3<br />

5 7<br />

4 6<br />

b) f ( x ) = x − x d) f ( x ) = x − x f) f ( x ) = x −<br />

1.8.3 Berechnen Sie mit Hilfe der Ableitungsregeln die erste und die zweite Ableitung!<br />

a) f ( x ) 1 5 1<br />

x x<br />

2<br />

4 3<br />

= + − 0, 7 x g) f ( x ) = 9 x − 3 x + 5 x − 7<br />

8 2<br />

4 2<br />

6 3 2<br />

f x = 2 x − 7 x + 5<br />

h) f ( x ) = 4 x + 2 x − 9 x − 18 x + 2<br />

b) ( ) x<br />

= 9 x 1 x 1<br />

x x<br />

3 2<br />

12 3 2<br />

4 3 2 3<br />

c) f ( x ) = 8 x − 17 x + 5 x i) ( ) − + − 2 + 8<br />

f<br />

x<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

′<br />


1 Die Ableitungsfunktion als Tangentensteigungsfunktion 19<br />

5 2<br />

6<br />

5 4 2<br />

d) f ( x ) = 4 x − 2 x − 8 x<br />

j) f ( x ) = x − x + x − x + 3 x<br />

e) ( ) 3 2 3 2<br />

f x = x − 9 x + 2<br />

k) ( ) 8 − 4 + 0,8 + 9<br />

f x 8 x x − x<br />

f<br />

x<br />

9<br />

1<br />

5<br />

1<br />

8<br />

= x x x<br />

4 3 2<br />

4 3 2<br />

f) ( ) = − 12 4<br />

l) ( ) 12 − 0,8 − 7 − 8 + 2<br />

f<br />

x<br />

1<br />

2<br />

= x x x x<br />

1.8.4 Bestimmen Sie mit Hilfe der Ableitungsregeln die erste, zweite und dritte Ableitung!<br />

4 2<br />

a) f ( x ) = 3 x + 2 x f) f ( x ) = 3 x<br />

2 + 8 x + 5 k) f ( x ) 1 4 1 1<br />

= − x + x<br />

3 − x<br />

24 6 2<br />

1 1 4<br />

15 12<br />

6 3<br />

5<br />

b) f ( x ) = 5 x − 7 x g) f ( x ) = 4 x − 5<br />

l) f ( x ) = − x − x + 8<br />

7 3<br />

4 3<br />

c) f ( x ) = 7 x + 9 x h) f ( x ) = x − 8 x + x<br />

6 3 2<br />

5 m) ( )<br />

5<br />

11<br />

18<br />

f x = x + x −<br />

36<br />

f x = x + x −<br />

14 21<br />

4 3<br />

3 2<br />

7 6 3<br />

d) f ( x ) = x − 2x i) f ( x ) = 8 x − 4 x − 9 x n) ( )<br />

f x 1 x 1<br />

x +<br />

2 5<br />

6 2<br />

6 5 4<br />

7 5<br />

4<br />

e) f ( x ) = 3 x − 8 x j) ( ) = −<br />

o) ( ) = +<br />

1<br />

8<br />

x<br />

1<br />

2<br />

5<br />

f x x x −<br />

21<br />

7<br />

16<br />

2<br />

3<br />

9<br />

4<br />

5<br />

20<br />

x<br />

x<br />

x<br />

1.8.5 Finden Sie jeweils eine Funktion f , die die angegebene Ableitung hat!<br />

a) f ( x ) = 3 x<br />

2 8 5<br />

4 3<br />

′ + 2 x c) f ′( x ) = 9 x − 6 x + 8 e) f ( x ) = x − x<br />

3 6<br />

6 2<br />

3 2<br />

b) f ′( x ) = 4 x − 7 x d) f ′ ( x ) = x + x f) f ( x ) = 8 x − 6 x<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

2 Das Newton-Verfahren 20<br />

2 Das Newton-Verfahren<br />

2.1 Nullstellenbestimmung<br />

Für die weitaus meisten Funktionen existieren keine Lösungsformeln zur direkten Berechnung<br />

von Nullstellen. So ist es auch bei der Funktion f , die den Gewinn berechnet,<br />

den die Dorfgemeinschaft aus dem im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojektes<br />

5 2<br />

kultivierten neuen Ackerland ziehen kann: ( )<br />

f x = − 0,01 x + 9,5 x − 1,25 , wobei eine x -<br />

Einheit einer Fläche von einem Hektar und eine Geldeinheit einem Jahresgewinn von 2<br />

US-$ entspricht. Die Nullstellen werden hier zum Beispiel benötigt, um die Flächenmaße<br />

einzugrenzen, bei denen die Dorfgemeinschaft einen finanziellen Gewinn aus der neu gewonnen<br />

Ackerfläche ziehen kann.<br />

Mit dem Newton-Verfahren können die Nullstellen einer Funktion in vielen Fällen zumindest<br />

näherungsweise bestimmt werden. Um eine Nullstelle einer Funktion f mit dem<br />

Newton-Verfahren näherungsweise zu berechnen, beginnt man mit einer ersten groben<br />

Annäherung x 0<br />

an die gesuchte Nullstelle – dies ist der Startwert für das Verfahren. Die<br />

Tangente an den Graphen von f an der Stelle x 0<br />

schneidet die x -Achse an einer Stelle<br />

x<br />

1<br />

, die in der Regel näher an der gesuchten Nullstelle liegt als der Startwert x 0<br />

:<br />

Tangente an den Graphen der<br />

Funktion f ( x ) an der Stelle x 0<br />

Schnittpunkt x 1<br />

der Tangente mit der<br />

x -Achse – liegt näher an der gesuchten<br />

Nullstelle<br />

( x f ( ) )<br />

0 | x 0<br />

gesuchte Nullstelle<br />

Startwert x 0<br />

Diese Schnittstelle lässt sich mit Hilfe der Tangentensteigung f ′ ( x 0 ) leicht berechnen:<br />

( 0 )<br />

( )<br />

f x<br />

x<br />

1<br />

= x<br />

0<br />

− .<br />

f ′ x<br />

0<br />

Um die Näherung zu verbessern, wiederholt man das Verfahren mit x 1<br />

statt x 0<br />

und erhält<br />

eine weitere, in der Regel genauere Approximation x 2<br />

der Nullstelle und so fort, bis eine<br />

vorgegebene Fehlerschranke unterschritten ist.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

′<br />


2 Das Newton-Verfahren 21<br />

Ab welcher Flächengröße wird die Dorfgemeinschaft aus der Nutzfläche Gewinn ziehen<br />

5 2<br />

können Mit Hilfe einer Skizze der durch f ( x ) = − 0,01 x + 9,5 x − 1,25 gegebenen Funktion<br />

sieht man, dass die erste positive Nullstelle bei etwa x = 0,5 liegt:<br />

300<br />

240<br />

180<br />

120<br />

60<br />

0<br />

-1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

-60<br />

Zur Verdeutlichung ist der in der Nähe der Nullstelle liegende Teil hier noch einmal genauer<br />

dargestellt:<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

-1 -0,5 0 0,5 1<br />

-1<br />

-2<br />

Ein sinnvoller Startwert ist also x 0<br />

= 0,5 . Die genaue Lage der Nullstelle wird nun mit dem<br />

Newton-Verfahren bestimmt:<br />

4<br />

• Berechne f ′: ( )<br />

f ′ x = − 0,05 x + 19 x<br />

• Im ersten Schritt wird die erste Näherung x 1<br />

mit der Formel<br />

f x<br />

x<br />

1<br />

= x<br />

0<br />

−<br />

f ′ x<br />

berechnet; es genügt natürlich, die Werte zu berechnen, der Funktionsgraph und<br />

die Tangenten müssen nicht gezeichnet werden:<br />

x<br />

( )<br />

( )<br />

( 0 )<br />

( )<br />

5 2<br />

f 0,5 − 0,01 ⋅ 0,5 + 9,5 ⋅ 0,5 − 1, 25<br />

1 4<br />

= 0,5 − = 0,5 − = 0,38157289<br />

f ′ 0,5 − 0,05 ⋅ 0,5 + 19 ⋅ 0,5<br />

0<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

2 Das Newton-Verfahren 22<br />

• Im zweiten Schritt wird diese Näherung anstelle x 0<br />

= 0,5 verwendet und die nächste<br />

Approximation der Nullstelle berechnet:<br />

x<br />

2<br />

f<br />

( 0,38157289 )<br />

( 0,38157289 )<br />

0,38157289 0,36321145<br />

= − =<br />

f ′<br />

• Wiederholung des Verfahrens mit x 2<br />

:<br />

x<br />

3<br />

f<br />

( 0,36321145 )<br />

( 0,36321145 )<br />

0,36321145 0,36274753<br />

= − =<br />

f ′<br />

• Wiederholung des Verfahrens mit x 3<br />

:<br />

x<br />

4<br />

f<br />

( 0,36274753 )<br />

( 0,36274753 )<br />

0,36274753 0,36274724<br />

= − =<br />

f ′<br />

• Wiederholung des Verfahrens mit x 4<br />

:<br />

x<br />

5<br />

f<br />

( 0,36274724 )<br />

( 0,36274724 )<br />

0,36274724 0,36274724<br />

= − =<br />

f ′<br />

Der Wert verändert sich nicht mehr, die gesuchte Nullstelle ist 0,36274724. Die Dorfgemeinschaft<br />

macht also einen finanziellen Gewinn, sobald die kultivierte Fläche 0,363<br />

ha groß ist!<br />

Bei der praktischen Durchführung des Newton-Verfahrens ist oft das Anlegen einer Tabelle<br />

hilfreich, in die die benötigten Werte schrittweise eingetragen werden:<br />

letzten Iterationswert<br />

bzw.<br />

Startwert eintragen<br />

Spalte 1 Spalte 2 Spalte 3 Spalte 4 Spalte 5<br />

x<br />

n<br />

f ( x n<br />

)<br />

f ′ ( x n<br />

) f ( x<br />

n<br />

) f ′ ( x n<br />

) x<br />

n+ 1<br />

<br />

Wert aus Spal-<br />

Wert aus Spal-<br />

te 1 bei f ( x )<br />

einsetzen<br />

te 1 bei f ′ ( x )<br />

einsetzen<br />

Wert aus Spalte<br />

2 geteilt<br />

durch Wert<br />

aus Spalte 3<br />

Wert aus Spalte<br />

1 minus<br />

Wert aus Spalte<br />

4<br />

<br />

Unterscheidet sich in einer Zeile der Wert in der ersten Spalte um weniger als die vorgegebene<br />

Fehlermarge vom Wert in der letzten Spalte, hat man den Näherungswert für<br />

die Nullstelle gefunden.<br />

5 2<br />

Wir führen die Nullstellenbestimmung von f ( x ) = − 0,01 x + 9,5 x − 1,25 durch Newton-<br />

Iteration mit dem Startwert x 0<br />

= 0,5 nochmals mit Hilfe einer solchen Tabelle durch:<br />

Spalte 1 Spalte 2 Spalte 3 Spalte 4 Spalte 5<br />

x<br />

n<br />

f ( x n<br />

) f ′( x n<br />

) f ( x<br />

n<br />

) f ′( x n<br />

) x<br />

n+ 1<br />

0,5 1,1246875 9,496875 0,11842711 0,38157289<br />

0,38157289 0,13309885 7,24882489 0,01836144 0,36321145<br />

0,36321145 0,00320107 6,90014733 0,00046391 0,36274753<br />

0,36274753 0,0000020435 6,89133742 0,00000029653 0,36274724<br />

0,36274724 0 6,89133179 0 0,36274724<br />

Burghardt – RWB 10/11


2 Das Newton-Verfahren 23<br />

2.2 Urbildbestimmung<br />

Die Dorfgemeinschaft im oben erwähnten Entwicklungshilfeprojekt möchte einen neuen<br />

Stromgenerator anschaffen. Dies soll dann geschehen, wenn aus der kultivierten Fläche<br />

ein Jahresgewinn von 350 US-$ gezogen werden kann. Um zu berechnen, bei welcher<br />

Größe der neu kultivierten Fläche dieser Gewinn erstmals erzielt wird, muss die Gleichung<br />

( ) 175 f x =<br />

nach x gelöst werden (zuvor wurde der Geldbetrag von 350 US-$ in Geldeinheiten der<br />

Gewinnfunktion umgerechnet: 350 2 = 175 .) Ein solches x heißt auch Urbild von 175 unter<br />

der Funktion f .<br />

Das Newton-Verfahren kann verwendet werden, um solche Urbilder zu finden. Um ein<br />

Urbild x zu einem vorgegebenen y zu berechnen, stellt man Gleichung f ( x ) = y so um,<br />

dass ein Nullstellenproblem entsteht, das heißt ein Problem, das im Auffinden der Nullstelle<br />

einer Funktion besteht:<br />

f ( x ) = y − y ⇔ f ( x ) − y = 0<br />

Das Newton-Verfahren wird dann auf die durch g ( x ) = f ( x ) − y gegebene Funktion angewendet.<br />

Den Startwert x 0<br />

wählt man so, dass f ( x<br />

0 ) ≈ y ist.<br />

Im Fall des Entwicklungshilfeprojekts entnimmt man der Skizze (oder einer Wertetabelle,<br />

sofern diese vorliegt), dass f ( x ) = 175 erstmals für x ≈ 4,5 gilt:<br />

300<br />

240<br />

180<br />

120<br />

60<br />

0<br />

-1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

-60<br />

Durch Umformen der Gleichung f ( x ) = 175 erhält man<br />

5 2 5 2<br />

− 0,01 x + 9,5 x − 1, 25 = 175 − 175 ⇔ − 0,01 x + 9,5 x − 176, 25 = 0 .<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

2 Das Newton-Verfahren 24<br />

Um die Gleichung f ( x ) = 175 zu lösen, wendet man nun das Newton-Verfahren auf die<br />

5 2<br />

durch g ( x ) = − 0,01 x + 9,5 x − 176,25 gegebene Funktion mit dem Startwert x 0<br />

= 4,5 an:<br />

Spalte 1 Spalte 2 Spalte 3 Spalte 4 Spalte 5<br />

x<br />

n<br />

( )<br />

g x<br />

n<br />

g ( x n )<br />

′ g ( x<br />

n ) g ( x<br />

n )<br />

′ x<br />

n+ 1<br />

4,5 -2,3278125 64,996875 -0,03581422 4,53581422<br />

4,53581422 0,00040364 65,0167974 0,0000062082 4,53580801<br />

4,53580801 0 65,0167954 0 4,53580801<br />

Die neu kultivierte Fläche muss also rund 4,536 ha groß sein, damit der Generator gekauft<br />

werden kann.<br />

2.3 Zur Konvergenz des Newton-Verfahrens<br />

Nicht immer nähern sich die im Newton-Verfahren gefundenen Werte der angezielten<br />

Nullstelle an:<br />

• Es ist möglich, dass die Werte sich einer anderen als der angezielten Nullstelle annähern<br />

(von dieser also gleichsam angezogen werden).<br />

• Manchmal ist in den Werten überhaupt keine Regelmäßigkeit zu sehen: Sie springen<br />

ziellos hin und her oder werden immer größere positive bzw. immer kleinere<br />

negative Zahlen.<br />

In diesen Fällen muss man das Newton-Verfahren mit einem neuen Startwert erneut beginnen<br />

– und hat leider viel Arbeit umsonst gemacht.<br />

2.4 Übungen<br />

2.4.1 Bestimmen Sie alle Nullstellen der folgenden Funktionen; skizzieren Sie zunächst<br />

den Graphen (legen Sie hierzu gegebenenfalls eine Wertetabelle an), um die ungefähre<br />

Lage der Nullstellen zu sehen!<br />

f<br />

x<br />

= x x x<br />

3 2<br />

a) ( ) + 3,7 − 5,98 − 23, 8<br />

f<br />

x<br />

= x x x<br />

b) ( ) 3 − 13 2 + 49,31 − 44, 33<br />

f<br />

x<br />

= x x x<br />

3<br />

2<br />

c) ( ) − 2 − 12,8 + 20,7 + 170, 1<br />

5 4 3 2<br />

2.4.2 Bestimmen Sie für die Funktion ( x ) = x + 0,5 x − 7 x − 3,5 x + 10 x + 5<br />

f alle Nullstellen,<br />

sodass die ersten drei Stellen hinter dem Komma mit dem tatsächlichen Wert<br />

übereinstimmen.<br />

2.4.3 Bestimmen Sie für das Entwicklungshilfeprojekt<br />

a) bis zu welcher Flächengröße finanzieller Gewinn erzielt wird;<br />

b) bei welcher Flächengröße letztmals genug Gewinn erzielt wird, dass der Generator<br />

gekauft werden könnte.<br />

2.4.4 Die Verwaltung eines bundesweit tätigen ambulanten Pflegedienstes Care@Home<br />

3<br />

2<br />

arbeitet bei Ihren Planungen mit der durch f ( x ) = − x + 8,12 x + 21,9345 x − 62, 0379 gegebenen<br />

Gewinnfunktion. Hierbei entspricht eine x -Einheit 100 Mitarbeitern und eine y -<br />

Einheit einem Gewinn von 1000 € im Quartal.<br />

a) Bestimmen Sie alle Nullstellen der Funktion und geben Sie die Gewinnzone an.<br />

Burghardt – RWB 10/11


2 Das Newton-Verfahren 25<br />

b) Bestimmen Sie alle Stellen, für die f ( x ) = 120 ist.<br />

c) Bestimmen Sie, bei welchen Mitarbeiterzahlen wird ein Gewinn von 120.000 € im<br />

Quartal erzielt wird.<br />

2.4.5 Die Verwaltung eines Altenheims arbeitet mit der durch die Gleichung<br />

3 2<br />

f x = − x + 8,9 x − 5,08 x − 27, gegebenen Gewinnfunktion. Dabei entspricht eine x -<br />

( ) 3<br />

Einheit 10 Bewohnern und eine y -Einheit 1.000 € Gewinn im Monat.<br />

a) Bestimmen Sie die Gewinnzone des Heims: Zwischen welchen Belegungszahlen ist<br />

die Gewinnfunktion positiv<br />

b) Das Heim hat momentan 42 Bewohner. Berechnen Sie den monatlichen Gewinn!<br />

c) Der Gewinn des Heims soll auf 38.000 € gesteigert werden. Wie viele Bewohner<br />

müssen dann zusätzlich aufgenommen werden<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

3 Kurvenuntersuchungen 26<br />

3 Kurvenuntersuchungen<br />

Für das Entwicklungshilfeprojekt in der nähe des kleinen afrikanischen Dorfes, bei dem<br />

Brachland zu landwirtschaftlicher Nutzfläche kultiviert wird, haben wir aus der durch<br />

5 2<br />

f ( x ) = − 0,01 x + 9,5 x − 1,25 gegebenen Gewinnfunktion bereits mit Hilfe des Newton-<br />

Verfahrens bestimmen können, dass das Dorf einen finanziellen Gewinn erwirtschaften<br />

kann, sobald die neue Nutzfläche größer als 0,363 ha ist. In diesem Kapitel werden wir mit<br />

Hilfe der Differentialrechnung weitere Erkenntnisse aus der Gewinnfunktion ziehen und<br />

Fragen beantworten können wie die folgenden:<br />

• Bei welchen Flächengrößen führt eine Vergrößerung der neu kultivierten Fläche auch<br />

zu einer Steigerung des finanziellen Gewinns<br />

• Bei welchen Flächengrößen ist es umgekehrt, das heißt: Eine Vergrößerung der neu<br />

kultivierten Fläche führt zu einer Senkung des finanziellen Gewinns.<br />

• Welche Größe der neu kultivierten Fläche führt zum größten finanziellen Gewinn, welche<br />

Flächengröße ist also optimal<br />

• Wenn eine Vergrößerung der neu kultivierten Fläche zu einer Gewinnsteigerung führt:<br />

Ab welcher Flächengröße ist dann mit einer Verringerung der Gewinnzunahme zu<br />

rechnen<br />

3.1 Monotonieverhalten<br />

Zeichnet man den Graphen der Gewinnfunktion, so stellt man fest:<br />

• Ab einer Fläche von 0 bis zu einer Fläche von etwa 7 ha steigt der Funktionsgraph an.<br />

• Dagegen fällt er ab einer Fläche von etwa 7 ha wieder ab.<br />

300<br />

240<br />

180<br />

120<br />

60<br />

0<br />

-1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

-60<br />

Bei einer Flächengröße von 0 bis etwa 7 ha führt also eine Vergrößerung der neu kultivierten<br />

Fläche zu einem höheren Gewinn. Dies bedeutet, dass in diesem Bereich aus x 1<br />

< x 2<br />

stets f ( x<br />

1 ) < f ( x<br />

2 ) folgt.<br />

Bei einer Fläche von mehr als etwa 7 ha fällt der Gewinn bei zunehmender Fläche. Dies<br />

bedeutet, dass in diesem Bereich aus x 1<br />

x 2<br />

< stets f ( x<br />

1 ) > f ( x<br />

2 ) folgt.<br />

Burghardt – RWB 10/11


3 Kurvenuntersuchungen 27<br />

Definition. Eine Funktion f heißt in einem Bereich B<br />

• streng monoton wachsend, falls für alle x 1<br />

, x 2<br />

aus B mit x 1<br />

x 2<br />

• streng monoton fallend, falls für alle x 1<br />

, x 2<br />

aus B mit x 1<br />

x 2<br />

< gilt: f ( x<br />

1 ) < f ( x<br />

2 ) ;<br />

< gilt: f ( x<br />

1 ) > f ( x<br />

2 ) .<br />

Dass B ein Bereich ist, bedeutet: Gehören zwei Zahlen zu B , dann gehört auch jede<br />

Zahl zwischen ihnen zu B .<br />

( )<br />

f x<br />

2<br />

( )<br />

f x<br />

1<br />

( )<br />

f x<br />

1<br />

( )<br />

f x<br />

2<br />

x<br />

1<br />

x<br />

2<br />

x<br />

1<br />

x<br />

2<br />

streng monoton wachsend<br />

streng monoton fallend<br />

Man macht sich leicht klar:<br />

Satz. Für jede differenzierbare Funktion f gilt:<br />

• Sind in einem Bereich B alle Tangentensteigungen positiv, d.h. für alle x aus B hat<br />

f ′ ( x ) ein positives Vorzeichen, dann ist f in diesem Bereich streng monoton wachsend.<br />

• Sind in einem Bereich B alle Tangentensteigungen negativ, d.h. für alle x aus B hat<br />

f ′ ( x ) ein negatives Vorzeichen, dann ist f in diesem Bereich streng monoton fallend.<br />

3.2 Hoch- und Tiefpunkte und kritische Stellen<br />

Der Graph der Gewinnfunktion des Entwicklungshilfeprojekts hat bei ungefähr x = 7 einen<br />

P = ( x<br />

0<br />

| f x<br />

0 ) einen Hochpunkt des Graphen,<br />

wenn man einen Kreis mit Mittelpunkt P zeichnen kann, in dem P der höchste<br />

Punkt des Graphen ist:<br />

Hochpunkt. Dabei nennen wir einen Punkt ( )<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

3 Kurvenuntersuchungen 28<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

-6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

-50<br />

-100<br />

Der Funktionswert an einem Hochpunkt P = ( x<br />

0<br />

| f ( x<br />

0 ) ) ist der größte Funktionswert, der<br />

zumindest in der Nähe von x 0<br />

erreicht werden kann. Man sagt deshalb auch: Die Funktion<br />

f hat an der Stelle x 0<br />

ein lokales Maximum.<br />

Wie das Bild zeigt, gibt es – im negativen Bereich der x -Achse – durchaus Punkte auf<br />

dem Graphen, die höher liegen als der hier gekennzeichnete Hochpunkt. Diese liegen a-<br />

ber außerhalb des eingezeichneten Kreises: Stellen, die weit von einem lokalen Maximum<br />

entfernt liegen, können durchaus zu einem größerem Funktionswert führen.<br />

Der Graph der Gewinnfunktion des Entwicklungshilfeprojekts hat bei ungefähr x = 0 einen<br />

P = ( x<br />

0<br />

| f x<br />

0 ) einen Tiefpunkt des Graphen,<br />

wenn man einen Kreis mit Mittelpunkt P zeichnen kann, in dem P der tiefste Punkt des<br />

Graphen ist:<br />

Tiefpunkt. Dabei nennen wir einen Punkt ( )<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

-6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

-50<br />

-100<br />

Burghardt – RWB 10/11


3 Kurvenuntersuchungen 29<br />

Der Funktionswert an einem Tiefpunkt P = ( x<br />

0<br />

| f ( x<br />

0 ) ) ist der kleinste Funktionswert, der<br />

zumindest in der Nähe von x 0<br />

erreicht werden kann. Man sagt deshalb auch: Die Funktion<br />

f hat an der Stelle x 0<br />

ein lokales Minimum.<br />

Das Bild zeigt, dass es Punkte auf dem Graphen gibt, die tiefer liegen als der hier gekennzeichnete<br />

Tiefpunkt. Diese liegen aber außerhalb des eingezeichneten Kreises: Stellen,<br />

die weit von einem lokalen Minimum entfernt liegen, können durchaus zu einem kleinerem<br />

Funktionswert führen.<br />

3.2.1 Das notwendige Kriterium – kritische Stellen<br />

P = ( x<br />

0<br />

| f x<br />

0 ) weder<br />

Wie können Hoch- bzw. Tiefpunkte gefunden werden Eine erste Antwort liefert die folgende<br />

Überlegung: Da der Funktionsgraph an einem Hochpunkt ( )<br />

wächst noch fällt, kann f ′ dort weder positiv noch negativ sein. Es muss also f ′ ( x 0 ) = 0<br />

sein. Mit anderen Worten:<br />

Notwendiges Kriterium für ein lokales Extremum. Wenn die Funktion f hat an der<br />

Stelle x 0<br />

einen Hoch- oder einen Tiefpunkt hat, dann gilt f ′ ( x 0 ) = 0 .<br />

Definition. Eine Stelle x 0<br />

heißt kritische Stelle von f , falls f ′ ( x 0 ) = 0 gilt.<br />

Damit bei x 0<br />

ein Hoch- oder Tiefpunkt vorliegt, muss x 0<br />

notwendigerweise eine kritische<br />

Stelle sein: Wenn f ′( x 0<br />

) ≠ 0 ist, dann hat der Graph an der Stelle x 0<br />

auch keinen Extremalpunkt.<br />

Deshalb:<br />

Um die Hoch- und Tiefpunkte einer differenzierbaren Funktion zu bestimmen, bestimmt<br />

man im ersten Schritt alle ihre kritischen Stellen. In einem zweiten Schritt muss dann für<br />

jede der gefundenen kritischen Stellen überprüft werden, ob dort ein lokales Maximum<br />

oder ein lokales Minimum vorliegt.<br />

Achtung: Manchmal liegen an einer kritischen Stelle weder ein Hoch- noch ein Tiefpunkt!<br />

Zum Beispiel findet man für die Ableitung der durch f<br />

3<br />

( x ) = x gegebenen Funktion<br />

2<br />

f ( x ) = 3x<br />

′ , und deshalb ist ( 0 ) = 0<br />

f ′ , das heißt: 0 ist eine kritische Stelle. Wenn man den<br />

Graphen der Funktion f zeichnet, sieht man, dass an der Stelle 0 weder ein Hochpunkt<br />

noch ein Tiefpunkt vorliegt.<br />

5 2<br />

Wir bestimmen für die durch f ( x ) = − 0,01 x + 9,5 x − 1,25 gegebene Gewinnfunktion des<br />

Entwicklungshilfeprojekts die kritischen Stellen:<br />

4<br />

• Bestimmen der Ableitung: ( )<br />

f ′ x = − 0,05 x + 19 x<br />

f ′ x = 0 ⇔ − 0,05 x 4 + 19 x = 0 ⇔ x ⋅ − 0,05 x<br />

3 + 19 = 0<br />

• Nullsetzen der Ableitung: ( ) ( )<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

3 Kurvenuntersuchungen 30<br />

Da ein Produkt nur dann Null sein kann, wenn mindestens ein Faktor Null ist, ergibt<br />

3<br />

sich als erste kritische Stelle x = 0 und außerdem die Gleichung − 0,05 x + 19 = 0 . Aus<br />

der Gleichung ergibt sich dann x = 7, 243 .<br />

3.2.2 Das Vorzeichenwechselkriterium<br />

Um ein Kriterium zu finden, mit dem wir entscheiden können, ob an einer kritischen Stelle<br />

ein Hoch- oder ein Tiefpunkt vorliegt, überlegen wir folgendes:<br />

Wenn der Funktionsgraph unmittelbar links einer kritischen<br />

Stelle streng monoton wächst und unmittelbar rechts einer<br />

kritischen Stelle streng monoton fällt, dann ist der Funktionswert<br />

an der kritischen Stelle<br />

• größer als unmittelbar links der kritischen Stelle (die die<br />

Funktionswerte aus dieser Richtung her wachsen) und<br />

• größer als unmittelbar rechts der kritischen Stelle (die<br />

die Funktionswerte in diese Richtung hin fallen).<br />

Dies bedeutet:<br />

• Wenn sich an der kritischen Stelle x 0<br />

das Monotonieverhalten<br />

des Graphen von „streng monoton wachsend“<br />

Monotoniewechsel von<br />

streng monoton wachsend<br />

zu streng monoton fallend<br />

zu „streng monoton fallend“ ändert, dann liegt an der Stelle x 0<br />

ein lokales Maximum,<br />

also ein Hochpunkt, vor.<br />

Wir untersuchen jetzt die Fälle, wenn ein Monotoniewechsel von „streng monoton fallend“<br />

zu „streng monoton wachsend“ stattfindet und wenn kein Monotoniewechsel vorliegt:<br />

Monotoniewechsel von<br />

streng monoton fallend zu<br />

streng monoton wachsend<br />

kein Monotoniewechsel: der<br />

Graph wächst links und<br />

rechts der kritischen Stelle<br />

streng monoton<br />

kein Monotoniewechsel: der<br />

Graph fällt links und rechts<br />

der kritischen Stelle streng<br />

monoton<br />

Es ergibt sich:<br />

• Wenn sich an der kritischen Stelle x 0<br />

das Monotonieverhalten des Graphen von<br />

„streng monoton fallend“ zu „streng monoton wachsend“ ändert, dann liegt an der Stelle<br />

x 0<br />

ein lokales Minimum, also ein Tiefpunkt, vor.<br />

• Wenn sich an der kritischen Stelle x 0<br />

das Monotonieverhalten des Graphen nicht ändert,<br />

er also links und rechts von x 0<br />

streng monoton wächst oder links und rechts von<br />

Burghardt – RWB 10/11


3 Kurvenuntersuchungen 31<br />

x<br />

0<br />

streng monoton fällt, dann liegt an der Stelle 0<br />

x weder ein lokales Maximum noch<br />

ein lokales Minimum vor. In diesem Fall gib es also an der kritischen Stelle weder einen<br />

Hoch- noch einen Tiefpunkt.<br />

Wir wissen bereits: Wenn f ′ ein positives Vorzeichen hat, dann können wir auf streng<br />

wachsende Monotonie schließen; wenn f ′ ein negatives Vorzeichen hat, können wir auf<br />

streng fallende Monotonie schließen. Wir fassen dies mit den soeben festgestellten Abhängigkeiten<br />

zwischen dem Monotonieverhalten und dem Vorliegen eines Extrempunktes<br />

tabellarisch zusammen:<br />

f ′ wechselt an der Stelle<br />

x<br />

0<br />

das Vorzeichen<br />

von + nach −<br />

von − nach +<br />

Dies impliziert für das Monotonieverhalten<br />

von f in<br />

der Nähe von x 0<br />

Wechsel von „streng monoton<br />

wachsend“ zu „streng<br />

monoton fallend“<br />

Wechsel von „streng monoton<br />

fallend“ zu „streng monoton<br />

wachsend“<br />

nicht kein Monotoniewechsel<br />

Dies bedeutet für das Vorliegen<br />

eines Hoch- oder<br />

Tiefpunktes:<br />

Hochpunkt bei x 0<br />

.<br />

Tiefpunkt bei x 0<br />

.<br />

Weder Hochpunkt noch<br />

Tiefpunkt bei x 0<br />

Dabei bedeutet zum Beispiel „Vorzeichenwechsel von + nach −“, dass f ′ für alle Stellen<br />

unmittelbar links von x 0<br />

ein positives und für alle Stellen unmittelbar rechts von x 0<br />

ein negatives<br />

Vorzeichen hat. Damit ergibt sich sofort das folgende Kriterium für das Vorliegen<br />

eines Hoch- oder Tiefpunktes an einer kritischen Stelle x 0<br />

:<br />

Hinreichendes Kriterium für lokale Extrema. „Vorzeichenwechselkriterium“<br />

• f ′ macht an der Stelle x 0<br />

einen Vorzeichenwechsel von + nach −<br />

f hat an der Stelle x 0<br />

einen Hochpunkt.<br />

• f ′ macht an der Stelle x 0<br />

einen Vorzeichenwechsel von − nach +<br />

f hat an der Stelle x 0<br />

einen Tiefpunkt.<br />

• f ′ macht an der Stelle x 0<br />

keinen Vorzeichenwechsel<br />

f hat an der Stelle x 0<br />

weder einen Hochpunkt noch einen Tiefpunkt.<br />

Um den Vorzeichenwechseltest durchzuführen ist es erforderlich, das Vorzeichen der Ableitung<br />

„unmittelbar links“ und „unmittelbar rechts“ der kritischen Stelle zu berechnen. Was<br />

bedeutet hier „unmittelbar“: Wie weit darf man sich dabei von der kritischen Stelle entfernen<br />

Die Antwort gibt der<br />

Zwischenwertsatz für Ableitungen. Nur an einer kritischen Stelle der Funktion f kann<br />

die Ableitung f ′ ihr Vorzeichen ändern.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

3 Kurvenuntersuchungen 32<br />

Da f ′ zwischen zwei direkt aufeinander folgenden kritischen Stellen nicht Null ist (ansonsten<br />

gäbe es ja eine kritische Stelle dazwischen, sie folgen also nicht direkt aufeinander),<br />

ergibt sich<br />

Zwischen zwei direkt aufeinander folgenden kritischen Stellen ändert f ′ sein Vorzeichen<br />

nicht.<br />

Um zu das Vorzeichen von f ′ links einer kritischen Stelle x 0<br />

zu bestimmen, rechnet man<br />

einfach den Wert der Funktion f ′ an einer beliebigen „Kontrollstelle“ aus, die<br />

• kleiner ist als x 0<br />

aber<br />

• nicht kleiner ist als die nächst kleinere kritische Stelle.<br />

Um zu das Vorzeichen von f ′ rechts einer kritischen Stelle x 0<br />

zu bestimmen, rechnet<br />

man den Wert der Funktion f ′ an einer beliebigen „Kontrollstelle“ aus, die<br />

• größer ist als x 0<br />

aber<br />

• nicht größer ist als die nächst größere kritische Stelle.<br />

Das Vorgehen erläutern wir, indem wir die Hoch- und Tiefpunkte der durch<br />

5 2<br />

f ( x ) = − 0,01 x + 9,5 x − 1,25 gegebene Gewinnfunktion des Entwicklungshilfeprojekts bestimmen.<br />

Wir hatten bereits die kritischen Stellen bestimmt und wissen deshalb, dass nur<br />

bei x = 0 und bei x = 7, 243 Hoch- bzw. Tiefpunkte vorliegen können. Wir tragen die kritischen<br />

Stellen auf einem Zahlenstrahl ein:<br />

0 7, 243<br />

Um den Vorzeichenwechsel an der Stelle x = 0 zu überprüfen, wählen wir zuerst eine<br />

Kontrollstelle links von x = 0 . Es bietet sich zum Beispiel x = − 1 an. Dann wählen wir eine<br />

Kontrollstelle rechts von x = 0 . Diese darf nicht größer sein als die nächste kritische Stelle,<br />

also x = 7, 243 . Es bietet sich hier zum Beispiel x = 1 an.<br />

Um den Vorzeichenwechsel an der Stelle x = 7, 243 zu überprüfen, wählen wir zuerst eine<br />

Kontrollstelle links von x = 7, 243 . Diese darf nicht kleiner sein als die nächste kritische<br />

Stelle, also x = 0 . Auch hier können wir x = 1 nehmen. Dann wählen wir eine Kontrollstelle<br />

rechts von x = 7, 243 . Es bietet sich hier zum Beispiel x = 8 an.<br />

Wir tragen die ausgewählten Kontrollstellen auf dem Zahlenstrahl ein:<br />

− 1<br />

0 1 8<br />

7, 243<br />

Burghardt – RWB 10/11


3 Kurvenuntersuchungen 33<br />

4<br />

Wir berechnen die Werte der ersten Ableitung f ′ ( x ) = − 0,05 x + 19 x an den Kontrollstellen<br />

und bestimmen das Vorzeichen:<br />

• f ′ ( − 1 ) = − 19,05 , Vorzeichen −<br />

• f ′ ( 1 ) = 18,95 , Vorzeichen +<br />

• f ′ ( 8 ) = − 52,8 , Vorzeichen −.<br />

Wir tragen die Vorzeichen im Zahlenstrahl ein:<br />

− 1<br />

0 1 8<br />

7, 243<br />

Aus dem Vorzeichenwechselkriterium folgt:<br />

• An der Stelle x = 0 hat der Graph einen Tiefpunkt, da f ′ einen Vorzeichenwechsel<br />

von − nach + macht. Der Tiefpunkt ist T = ( 0 | − 1, 25 ) .<br />

• An der Stelle x = 7, 243 hat der Graph einen Hochpunkt, da f ′ einen Vorzeichenwechsel<br />

von + nach − macht. Der Hochpunkt ist H = ( 7,243 | 297,789 ) .<br />

Aus dem Hochpunkt kann man ablesen: Die Dorfgemeinschaft erzielt den größten finanziellen<br />

Gewinn, wenn die neu kultivierte Fläche 7,243 ha groß ist. Der Gewinn beträgt<br />

dann 297,789 ⋅ 2 = 595,578 ≈ 595,58 €.<br />

3.3 Krümmungsverhalten und zweite Ableitung<br />

3.3.1 Links- und Rechtskurven<br />

Am Graphen einer Funktion f kann man anschaulich zweierlei Kurven unterscheiden:<br />

Linkskurven Rechtskurven<br />

Um mathematisch zu präzisieren, was unter einer Links- bzw. einer Rechtskurve zu verstehen<br />

ist, halten wir folgendes fest:<br />

• Beim Durchlaufen einer Linkskurve nimmt die Tangentensteigung zu: Im Bereich einer<br />

f ′ x<br />

1<br />

< f ′ x<br />

2<br />

, falls x 1<br />

< x 2<br />

ist. Dies bedeutet: f ′ wächst im Bereich<br />

der Linkskurve streng monoton.<br />

Linkskurve gilt ( ) ( )<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

3 Kurvenuntersuchungen 34<br />

f ′ x<br />

1<br />

> f ′ x<br />

2<br />

, falls x 1<br />

< x 2<br />

ist. Dies bedeutet: f ′ fällt im Bereich<br />

der Rechtskurve streng monoton.<br />

• Beim Durchlaufen einer Rechtskurve nimmt die Tangentensteigung ab: Im Bereich einer<br />

Rechtskurve gilt ( ) ( )<br />

Damit können wir die Begriffe „Linkskurve“ und „Rechtskurve“ nun exakt definieren:<br />

Definition. Die Funktion f sei differenzierbar.<br />

• Der Graph von f ist in einem Bereich eine Linkskurve, falls f ′ in diesem Bereich<br />

streng monoton wächst.<br />

• Der Graph von f ist in einem Bereich eine Rechtskurve, falls f ′ in diesem Bereich<br />

streng monoton fällt.<br />

Wir haben gesehen, dass aus dem Vorzeichen der Ableitung einer Funktion auf das Monotonieverhalten<br />

der Funktion geschlossen werden kann. Da f ′′ die Ableitung von f ′ ist,<br />

kann bei einer zweimal differenzierbaren Funktion f aus dem Vorzeichen von f ′′ in einem<br />

Bereich B auf das Monotonieverhalten von f ′ und damit auf das Krümmungsverhalten<br />

von f in diesem Bereich geschlossen werden:<br />

f ′′ positiv f ′ streng monoton wachsend ⇔ f Linkskurve<br />

f ′′ negativ f ′ streng monoton fallend ⇔ f Rechtskurve<br />

Kennt man das Vorzeichen der zweiten Ableitung nur an einer Stelle x 0<br />

, dann kann man<br />

zumindest schließen, wie das Krümmungsverhalten in der Nähe dieser Stelle ist:<br />

f ′′ ( x 0 ) > 0 <br />

f ′ streng monoton wachsend<br />

in der Nähe von x 0<br />

⇔<br />

f Linkskurve in der<br />

Nähe von x 0<br />

f ′′ ( x 0 ) < 0 <br />

f ′ streng monoton fallend in<br />

der Nähe von x 0<br />

⇔<br />

f Rechtskurve in der<br />

Nähe von x 0<br />

3.3.2 Hoch- und Tiefpunktbestimmung mit Hilfe der zweiten Ableitung<br />

Weiß man im Fall f ′′ ( x 0 ) > 0 zusätzlich, dass x 0<br />

eine kritische Stelle ist, so liegt eine kritische<br />

Stelle in einer Linkskurve vor. Der entsprechende Punkt auf dem Graphen muss<br />

dann offenbar ein Tiefpunkt sein.<br />

Weiß man dagegen im Fall f ′′ ( x 0 ) < 0 zusätzlich, dass x 0<br />

eine kritische Stelle ist, so liegt<br />

eine kritische Stelle in einer Rechtskurve vor. Der entsprechende Punkt auf dem Graphen<br />

muss dann offenbar ein Hochpunkt sein.<br />

Wir haben damit ein weiteres hinreichendes Kriterium gefunden, um Hoch- und Tiefpunkte<br />

zu bestimmen:<br />

Burghardt – RWB 10/11


3 Kurvenuntersuchungen 35<br />

Hinreichendes Kriterium für lokale Extrema.<br />

• f ′ ( x 0 ) = 0 und f ′′ ( x 0 ) > 0 f hat an der Stelle x 0<br />

einen Tiefpunkt.<br />

• f ′ ( x 0 ) = 0 und ( )<br />

f ′′ x 0<br />

< 0 f hat an der Stelle x 0<br />

einen Hochpunkt.<br />

x<br />

0<br />

kritische Stelle mit f ′′ ( x 0 ) > 0<br />

x<br />

0<br />

kritische Stelle mit f ′′ ( x 0 ) < 0<br />

Vorsicht: Aus ′ ( x 0<br />

) = 0<br />

′ ′ x<br />

f und f ( ) 0<br />

0<br />

=<br />

kann nicht geschlossen werden, dass f<br />

an der Stelle x 0<br />

weder einen Hoch- noch<br />

einen Tiefpunkt hat: Der Graph der Funktion<br />

f<br />

4<br />

( x ) = x erinnert an eine Normalparabel.<br />

Er hat an der Stelle x = 0<br />

0 einen Tief-<br />

′ und<br />

3<br />

punkt. Man berechnet aber f ( x ) = 4x<br />

2<br />

f ′ ( x ) = 12x , sodass ( 0 ) = 0<br />

′′<br />

( 0 0<br />

) = 0<br />

f gilt!<br />

f ′ und<br />

Mit dem Vorzeichenwechselkriterium sieht<br />

man sofort, dass an der Stelle x = 0<br />

0 ein<br />

3<br />

Tiefpunkt vorliegt: Die Ableitung f ( x ) = 4x<br />

macht nämlich an der Stelle x = 0<br />

0 einen<br />

Vorzeichenwechsel von − nach + .<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2 -1 0 1 2<br />

-2<br />

Wir verwenden das neu gewonnene Kriterium, um (nochmals) die Hoch- und Tiefpunkte<br />

5 2<br />

der durch ( )<br />

f x = − 0,01 x + 9,5 x − 1,25 gegebenen Gewinnfunktion des Entwicklungshilfeprojekts<br />

bestimmen. Als kritischen Stellen hatten wir bereits x = 0 und x = 7, 243 berechnet.<br />

4<br />

3<br />

In diesem Fall ist f ′ ( x ) = − 0,05 x + 19 x und f ′′ ( x ) = − 0,2 x + 19 . Wegen f ′′ ( 0 ) = 19 > 0<br />

liegt an der Stelle x = 0 ein Tiefpunkt. Wegen f ′′ ( 7, 243 ) = − 57 < 0 liegt an der Stelle<br />

x = 7, 243 ein Hochpunkt.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

3 Kurvenuntersuchungen 36<br />

3.3.3 Zur Abgrenzung der beiden Kriterien zur Extremwertbestimmung<br />

Die Rechnung zeigt, dass der Ansatz, über die zweite Ableitung die Hoch- und Tiefpunkte<br />

zu identifizieren, in vielen Fällen einfacher ist als die Verwendung des Vorzeichenwechselkriteriums.<br />

Wie wir bereits gesehen haben, versagt dieser Ansatz jedoch mitunter.<br />

In diesen Fällen muss dann doch noch das Vorzeichenwechselkriterium herangezogen<br />

werden.<br />

Das Vorzeichenwechselkriterium kann nur bei Funktionen versagen, die unendlich viele<br />

kritische Stellen haben, die sich an einer Stelle häufen. Eine solche Funktion ist hier gezeichnet,<br />

hier gibt es in der Nähe von x = 0 unendlich viele kritische Stellen:<br />

0,03<br />

0,025<br />

0,02<br />

0,015<br />

0,01<br />

0,005<br />

0<br />

-0,1 -0,08 -0,06 -0,04 -0,02 0 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1<br />

-0,005<br />

2<br />

(Die zum Graphen gehörende „Zitterfunktion“ ist durch f ( x ) x<br />

und f ( 0 ) = 0 gegeben.)<br />

π <br />

= ⋅ 2 + sin 2 x<br />

<br />

für x ≠ 0<br />

3.4 Wendepunkte und dritte Ableitung<br />

3.4.1 Begrifflichkeiten und Kriterien<br />

Wendepunkte sind diejenigen Punkte auf dem Graph einer Funktion f , an denen sich die<br />

Krümmung ändert, also eine Linkskurve in eine Rechtskurve oder eine Rechtskurve in<br />

eine Linkskurve übergeht:<br />

Links-Rechts-Wendepunkte Rechts-Links-Wendepunkte<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

′<br />


3 Kurvenuntersuchungen 37<br />

Ist W = ( x<br />

0<br />

| f ( x<br />

0 ) ) ein Wendepunkt der Funktion f , nennt man x 0<br />

auch eine Wendestelle<br />

von f . Wenn x 0<br />

eine Wendestelle von f ist, dann kann f ′′ ( x 0 ) weder positiv sein<br />

(da der Graph von f sonst in der Nähe von x 0<br />

eine Linkskurve wäre – auf einer Seite von<br />

x ist er aber eine Rechtskurve) noch kann f ′′ ( x 0 ) negativ sein (da der Graph von f<br />

0<br />

sonst in der Nähe von x 0<br />

eine Rechtskurve wäre – auf einer Seite von x 0<br />

ist er aber eine<br />

Linkskurve). Daraus folgt:<br />

Notwendiges Kriterium für einen Wendepunkt. Wenn x 0<br />

eine Wendestelle von f ist,<br />

dann gilt f ′′ ( x 0 ) = 0 .<br />

Indem wir unser Wissen über<br />

• den Zusammenhang von Krümmungsverhalten und erster Ableitung (z.B. Graph von<br />

g ist eine Linkskurve ⇔ g′ ist streng monoton wachsend)<br />

• die Möglichkeit, Monotonie mit Hilfe der ersten Ableitung zu überprüfen (z.B. g ist<br />

streng monoton wachsend, falls g′ positiv ist)<br />

• die Möglichkeit, das Krümmungsverhalten an einer Stelle über die zweite Ableitung zu<br />

überprüfen (z.B. g ist in der Nähe der Stelle x 0<br />

eine Rechtskurve, falls g ′′ ( x 0 ) < 0 gilt)<br />

zusammenstellen, erhalten wir die folgenden beiden Tabellen:<br />

Links-Rechts-Wendepunkt an der Stelle x 0<br />

links der<br />

Wendestelle<br />

Krümmungsverhalten<br />

von f<br />

Verhalten von f ′ f ′ streng monoton<br />

wachsend<br />

kann überprüft werden<br />

mit<br />

rechts der<br />

Wendestelle<br />

Linkskurve Rechtskurve -<br />

f ′ streng monoton<br />

fallend<br />

an der Wendestelle<br />

f ′ hat ein lokales<br />

Maximum<br />

Graph von f ′ ist<br />

eine Rechtskurve<br />

f ′′ positiv f ′′ negativ f ′′′ ( x 0 ) < 0<br />

Rechts-Links-Wendepunkt an der Stelle x 0<br />

links der<br />

Wendestelle<br />

Krümmungsverhalten<br />

von f<br />

Verhalten von f ′ f ′ streng monoton<br />

fallend<br />

kann überprüft werden<br />

mit<br />

rechts der<br />

Wendestelle<br />

Rechtskurve Linkskurve -<br />

f ′ streng monoton<br />

wachsend<br />

an der Wendestelle<br />

f ′ hat ein lokales<br />

Minimum<br />

Graph von f ′ ist<br />

eine Linkskurve<br />

f ′′ negativ f ′′ positiv f ′′′ ( x 0 ) > 0<br />

Aus den jeweils zweiten und dritten Spalten der Tabelle ergibt sich:<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

3 Kurvenuntersuchungen 38<br />

Vorzeichenwechselkriterium für das Vorliegen eines Wendepunktes.<br />

Falls f zweimal differenzierbar ist, gilt<br />

• f ′′ macht an der Stelle x 0<br />

einen Vorzeichenwechsel von + nach −<br />

f hat an der Stelle x 0<br />

einen Links-Rechts-Wendepunkt.<br />

• f ′′ macht an der Stelle x 0<br />

einen Vorzeichenwechsel von − nach +<br />

f hat an der Stelle x 0<br />

einen Rechts-Links-Wendepunkt.<br />

• f ′′ macht an der Stelle x 0<br />

keinen Vorzeichenwechsel<br />

f hat an der Stelle x 0<br />

keinen Wendepunkt.<br />

Aus der jeweils vierten Spalte der Tabellen ergibt sich:<br />

Zweites hinreichendes Kriterium für das Vorliegen eines Wendepunktes.<br />

Falls f dreimal differenzierbar ist, gilt<br />

• f ′′ ( x 0 ) = 0 und f ′′′ ( x 0 ) > 0<br />

f hat an der Stelle x 0<br />

einen Rechts-Links-Wendepunkt.<br />

• f ′′′ ( x 0 ) = 0 und f ′′′ ( x 0 ) < 0<br />

f hat an der Stelle x 0<br />

einen Links-Rechts-Wendepunkt.<br />

Wir wenden das zweite (und meistens benutzte) Kriterium an, um die Wendepunkte der<br />

5 2<br />

durch f ( x ) = − 0,01 x + 9,5 x − 1,25 gegebenen Gewinnfunktion des Entwicklungshilfe-<br />

4<br />

projekts bestimmen. In diesem Fall ist f ( x ) 0,05 x 19 x<br />

′ = − + und ( )<br />

3<br />

f ′′ x = − 0,2 x + 19 und<br />

2<br />

f ′′′ ( x ) = − 0,6 x . Aus f ′′ ( x ) = 0 ergibt sich x = 4,563 . Nur an der Stelle x = 4,563 kann ein<br />

Wendepunkt vorliegen. Einsetzen in die dritte Ableitung ergibt f ′′ ( 4,563 ) = − 12,49 < 0 , sodass<br />

an der Stelle x = 4,563 ein Links-Rechts-Wendepunkt vorliegt. Die Koordinaten des<br />

Wendepunktes sind LRW = ( 4,563 |176,768 ) .<br />

3.4.2 Maximale und minimale Zunahmeraten<br />

Aus der jeweils letzten Spalte der beiden Tabellen entnehmen wir:<br />

• f hat an der Stelle x 0<br />

einen Links-Rechts-Wendepunkt.<br />

f ′ hat an der Stelle x 0<br />

lokales Maximum<br />

• f hat an der Stelle x 0<br />

einen Rechts-Links-Wendepunkt.<br />

f ′ hat an der Stelle x 0<br />

lokales Minimum<br />

In dem Fall, dass in der Nähe von x 0<br />

nicht unendlich viele Lösungen der Gleichung<br />

f ′′ ( x ) = 0 liegen – dies ist bei allen Funktionen der Fall, die wir behandeln werden – ,<br />

kann man hier die Folgerungspfeile auch umdrehen:<br />

Falls in der Nähe von x 0<br />

nicht unendlich viele Lösungen der Gleichung f ′′ ( x ) = 0 liegen,<br />

gilt:<br />

Burghardt – RWB 10/11


3 Kurvenuntersuchungen 39<br />

• Die Aussagen „ f hat an der Stelle x 0<br />

einen Links-Rechts-Wendepunkt“ und „ f ′ hat<br />

an der Stelle x 0<br />

lokales Maximum“ sind gleichbedeutend.<br />

• Die Aussagen „ f hat an der Stelle x 0<br />

einen Rechts-Links-Wendepunkt“ und „ f ′ hat<br />

an der Stelle x 0<br />

lokales Minimum“ sind gleichbedeutend.<br />

Um die Bedeutung dieses Resultats zu erfassen, wenden wir uns nochmals der durch<br />

5 2<br />

f ( x ) = − 0,01 x + 9,5 x − 1,25 gegebenen Gewinnfunktion des Entwicklungshilfeprojekts zu.<br />

Die Ableitung an einer Stelle x 0<br />

ist definiert als Grenzwert der Differenzenquotienten<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

0 0<br />

h<br />

.<br />

für h → 0 . Im Zähler steht hierbei der Wertzuwachs der Gewinnfunktion, wenn eine x 0<br />

ha<br />

großen Fläche um h ha vergrößert wird. Durch die Division durch h wird hieraus der<br />

Wertzuwachs der Gewinnfunktion je Hektar, wenn eine x 0<br />

ha großen Fläche um h ha<br />

vergrößert wird. Der beim Grenzübergang h → 0 entstehende Wert – also f ′ ( x 0 ) – gibt<br />

dann den momentanen Wertzuwachs der Gewinnfunktion je Hektar bei einer Flächengröße<br />

von x 0<br />

ha an.<br />

Allgemein gilt:<br />

Bei jeder differenzierbaren Funktion ist f ′ ( x 0 ) die Zuwachsrate der Funktion an der Stelle<br />

x 0<br />

. Der Wert gibt den momentanen Zuwachs oder die momentane Abnahme der Werte<br />

der Funktion für die Stelle x 0<br />

an.<br />

Für das Entwicklungshilfeprojekt können wir nun beantworten, bei welcher Flächengröße<br />

die größte Gewinnsteigung zu verzeichnen ist. Gewinnsteigerung bedeutet Zuwachsrate<br />

der Gewinnfunktion, diese wird mit f ′ berechnet. Die maximale Gewinnsteigerung zu bestimmen<br />

bedeutet also, das Maximum von f ′ zu ermitteln. Wie eben festgehalten liegt<br />

dieses Maximum am Links-Rechts-Wendepunkt der Funktion f , also bei x = 4,563 ha.<br />

3.5 Übungen<br />

3.5.1 Bestimmen Sie mit Hilfe des Vorzeichenwechseltests die Hoch- und Tiefpunkte der<br />

durch die folgenden Gleichungen gegebenen Funktionen.<br />

3 2<br />

3 2<br />

a) f ( x ) = x + 1,5 x + 6 x − 1 e) f ( x ) = 2 x − 6 x − 18 x + 4<br />

b) ( ) 3 3 2 24 +<br />

3 2<br />

f x = x − x − x 3 f) f ( x ) = 4 x + 3 x − 36 x − 10<br />

c) ( ) 3 12 2 45 −<br />

3<br />

2<br />

f x = x − x + x 2 g) f ( x ) = − 2 x − 16,5 x − 27 x − 8<br />

d) ( ) 3 9 2 24 +<br />

3<br />

2<br />

f x = − x + x − x 5 h) f ( x ) = 3 x + 15,75 x + 11, 5<br />

3.5.2 Bestimmen Sie mit Hilfe des Vorzeichenwechseltests die Hoch- und Tiefpunkte der<br />

durch die folgenden Gleichungen gegebenen Funktionen.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

3 Kurvenuntersuchungen 40<br />

4<br />

5 3<br />

a) f ( x ) = 5 x + 4 x − 3<br />

e) ( )<br />

5 3<br />

b) f ( x ) 3 x 2 x 2<br />

f x = 0,3 x + 2,5 x − 54 x − 5<br />

f x = 0,125 x − 9 x − 98 x − 1<br />

= − − f) ( )<br />

8 5 2<br />

4 3<br />

c) f ( x ) 6 x 2 x 8<br />

f x = − 5 x − 8 x + 2<br />

= − + + g) ( )<br />

4 2<br />

4 3 2<br />

d) f ( x ) 0,75 x 2 x 36 x 1<br />

f x = 0,15 x − 2 x + 7,5 x − 3,75<br />

= + − + h) ( )<br />

4 3 2<br />

3.5.3 Bestimmen Sie mit Hilfe der zweiten Ableitung die Hoch- und Tiefpunkte der durch<br />

die folgenden Gleichungen gegebenen Funktionen.<br />

3 2<br />

3<br />

2<br />

a) f ( x ) = x − 7,5 x − 18 x + 1, 5 e) f ( x ) = 3 x + 23,4 x + 53,55 x + 75, 83<br />

3<br />

2<br />

3<br />

2<br />

b) f ( x ) = − x − 6,75 x − 13,5 x + 2, 75 f) f ( x ) = − 0,5 x − 3,15 x + 114,885 x − 223, 896<br />

c) ( ) 3 15 2 56,25 +<br />

3<br />

2<br />

f x = x − x + x 15, 75 g) f ( x ) = − 4 x − 13,8 x + 353,76 x − 419, 24<br />

3 2<br />

3<br />

2<br />

d) f ( x ) = 2 x + 3,3 x − 65,52 x − 35, 85 h) f ( x ) = 2 x − 37,2 x + 190,08 x + 53, 7<br />

3.5.4 Bestimmen Sie mit Hilfe der zweiten Ableitung die Hoch- und Tiefpunkte der durch<br />

die folgenden Gleichungen gegebenen Funktionen.<br />

4 2<br />

a) f ( x ) 4 x 3 x 2<br />

f x = − 0,5 x − 7,5 x − 3,5<br />

= − + e) ( )<br />

6 2<br />

5 2<br />

5 3<br />

b) f ( x ) = 6 x + 4 x − 7<br />

f) ( )<br />

4 3 2<br />

c) f ( x ) 0,15 x 1, 4 x 3 x 0,75<br />

f x = − 0, 2 x + 2 x + 27 x − 1<br />

f x = 0,3 x − 4 x + 18 x + 4<br />

= − + − − g) ( )<br />

10 6 2<br />

4 3 2<br />

d) f ( x ) 1,5 x 2 x 6 x 12 x<br />

f x = 0,12 x + 0,15 x + 4 x<br />

= + + + h) ( )<br />

5 4 3<br />

3.5.5 Bestimmen Sie die Wendepunkte des Graphen der Funktion f .<br />

a) ( ) 3 3 2 4 −<br />

3<br />

2<br />

f x = x − x + x 5<br />

e) f ( x ) = 6,25 x + 3,75 x − 3,75 x + 1, 75<br />

3 2<br />

3<br />

2<br />

b) f ( x ) = − 2 x + 6 x − x + 2 f) f ( x ) = − 4,8 x + 14,4 x − 2,55 x − 1, 3<br />

3 2<br />

3<br />

2<br />

c) f ( x ) = − 4 x + 1,5 x + 2,5 x − 3 g) f ( x ) = − 7,5 x − 22,5 x + 8,45 x + 6, 9<br />

3 2<br />

3<br />

2<br />

d) f ( x ) = 5 x − 4,5 x + 4,75 x + 1 h) f ( x ) = 1,8 x + 10,8 x + 2,9 x − 6<br />

3.5.6 Bestimmen Sie die Wendepunkte des Graphen der Funktion f .<br />

f<br />

f<br />

f<br />

f<br />

f<br />

f<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x<br />

= x x x x<br />

4 3<br />

2<br />

a) ( ) − 2 − 120 + 8,5 − 9<br />

= x x x x<br />

4 3 2<br />

b) ( ) − + 2 − 12 − 15 + 6<br />

= x x x x<br />

4 3 2<br />

c) ( ) 0,25 − 4 + 18 − 6,25 − 1, 25<br />

= x x x<br />

4 2<br />

d) ( ) 0,5 − 48 + 15 − 25<br />

= x x x x<br />

4 3 2<br />

e) ( ) − 2 + 8 − 63 − 10,5 + 31, 5<br />

= x x x x<br />

4<br />

3<br />

2<br />

f) ( ) − 3 − 37,5 − 141,75 + 59,8 − 75, 9<br />

3.5.7 Berechnen Sie die Extremal- und die Wendepunkte des Graphen von f !<br />

3<br />

2<br />

3<br />

2<br />

a) f ( x ) = x − 2,25 x − 7,5 x − 2, 4 e) f ( x ) = x − 6,45 x + 12,6 x + 1, 75<br />

1 3 2<br />

= x x x<br />

3<br />

2<br />

b) f ( x ) = − x + 2,4 x + 18,36 x + 27, 9 f) ( ) − − 7,3 − 38,85 + 4, 3<br />

1 3 2<br />

3<br />

2<br />

c) f ( x ) = x + 1,8 x − 9,01 x − 3, 02 g) f ( x ) = x − 16,35 x + 85,8 x + 11, 9<br />

3<br />

d) ( ) 2 3 3<br />

2<br />

f x = − x + 19,44 x + 15, 55 h) f ( x ) = − 2,5 x + 46,5 x − 237,6 x − 112, 9<br />

f<br />

x<br />

3<br />

Burghardt – RWB 10/11


3 Kurvenuntersuchungen 41<br />

( ) 0379<br />

3.5.8 Die Gewinnfunktion des Pflegedienstes Care@Home ist durch die Gleichung<br />

3<br />

2<br />

f x = − x + 8,12 x + 21,9345 x − 62, gegeben. Dabei entspricht eine x -Einheit 100 Mitarbeitern<br />

und eine y -Einheit einem Gewinn von 1000 € im Quartal.<br />

a) Bestimmen Sie, bei welcher Mitarbeiterzahl der größte Gewinn erzielt wird, und berechnen<br />

Sie den maximalen Gewinn.<br />

b) Berechnen Sie, bei welcher Mitarbeiterzahl die Gewinnzunahme am höchsten ist.<br />

3.5.9 Eine Jugendgruppe führt eine Bergwanderung durch. Das Gebirge entspricht dem<br />

im ersten und zweiten Quadranten liegenden Teil des Graphen der durch die Gleichung<br />

4<br />

3<br />

2<br />

( x ) = − 0,0015 x + 0,028 x − 0,159 x + 0,24 x + 1, 364<br />

f gegebenen Funktion. Dabei entsprechen<br />

eine x -Einheit und eine y -Einheit jeweils einer Höhe von einem Kilometer über<br />

dem Meeresspiegel. Die Gruppe wandert vom linken Gipfel zum rechten Gipfel.<br />

a) Zeichnen Sie den Graphen der Funktion f für x -Werte zwischen − 3 und 12. Markieren<br />

Sie den Teil des Graphen, der das Gebirge bildet.<br />

b) Berechnen Sie, in welcher Höhe die Jugendlichen ihre Wanderung beginnen und<br />

beenden und berechnen Sie, welches ist die geringste Höhe ist, die sie auf ihrer<br />

Wanderung erreichen.<br />

c) Ermitteln Sie, an welchen Punkten die Gruppe mit dem größten Gefälle und der<br />

größten Steigung konfrontiert wird. Berechnen Sie, wie stark das Gefälle bzw. die<br />

Steigung jeweils ist und wie hoch die Jugendlichen dann jeweils sind.<br />

3.5.10 Die Verwaltung der Großküche, die die städtischen Kindergärten und Schulen mit<br />

5 3<br />

f x = − 0,5 x + 4 x −<br />

Mittagessen versorgt, hat für die Gewinnfunktion die Gleichung ( ) 2<br />

ermittelt. Dabei entspricht eine x -Einheit 40 Beschäftigten und eine y -Einheit 200 € Gewinn<br />

in der Woche.<br />

a) Zeichnen Sie den Graphen der Gewinnfunktion für x ∈ [ − 3;3 ] .<br />

b) Berechnen Sie die Gewinnzone der Großküche.<br />

c) Ermitteln Sie, bei welcher Mitarbeiterzahl die Großküche maximalen Gewinn erwirtschaftet,<br />

und berechnen Sie den maximalen Gewinn.<br />

d) Bestimmen Sie, bei welcher Mitarbeiterzahl der Gewinn der Großküche am stärksten<br />

ansteigt.<br />

e) Die Verwaltung strebt Sanierungsarbeiten an, sobald die wöchentlichen Einnahmen<br />

mindestens 2.180 € betragen. Berechnen Sie, wie viele Mitarbeiter die Großküche<br />

dafür haben muss.<br />

3.5.11 Die Verwaltung des Reha-Zentrums St. Peter arbeitet mit der durch<br />

5 2<br />

f ( x ) = − 0,2 x + 5 x − 1 gegebenen Gewinnfunktion. Hierbei entspricht eine x -Einheit 160<br />

betreuten Patienten und eine y -Einheit einem Gewinn von 250 € in der Woche.<br />

a) Zeichnen Sie den Graphen der Gewinnfunktion über dem Intervall [ − 1;3 ] .<br />

b) Bestimmen Sie die Gewinnzone und ermitteln Sie, bei welcher Patientenanzahl der<br />

Gewinn am größten sein wird.<br />

c) Berechnen Sie, bei welcher Patientenzahl der Gewinn am stärksten ansteigt.<br />

3.5.12 Der Gewinn, den ein Krankenhaus bei einem Patienten durchschnittlich macht,<br />

hängt wesentlich von seiner Verweildauer im Krankenhaus ab. Die Verwaltung der Uni-<br />

5<br />

Klinik in Bonn setzt hierfür versuchsweise die durch ( x ) = − 1,5 x + 15 x + 3<br />

f gegebene<br />

Funktion an. Dabei entspricht eine x -Einheit eine Verweildauer von 5 Tagen und eine y -<br />

Einheit einem Gewinn von 90 € für die gesamte Verweildauer.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

3 Kurvenuntersuchungen 42<br />

a) Welchen Gewinn macht das Krankenhaus bei einem Patienten, der nur ambulant<br />

behandelt wird<br />

b) Zeichnen Sie den Graphen der Gewinnfunktion über dem Intervall [ − 2;2 ] .<br />

c) Berechnen Sie, bis zu welcher Verweildauer eines Patienten das Krankenhaus Gewinn<br />

erwirtschaftet.<br />

d) Bestimmen Sie, bei welcher Verweildauer der pro Patient gemachte Gewinn am<br />

größten ist, und wie groß er ist.<br />

e) Ermitteln Sie, bei welcher Verweildauer der pro Patient gemachte Gewinn am stärksten<br />

zunimmt.<br />

g) Der Patient Müller brachte dem Krankenhaus einen Gewinn von 1.485 € ein. Berechnen<br />

Sie, wie lange war er im Krankenhaus war.<br />

3.5.13 In einem Chemieunternehmen in Leverkusen hat es einen Unfall gegeben, bei dem<br />

umweltschädliche Gase und Dämpfe entwichen sind. Die Fläche des Gebietes, in dem die<br />

Umweltbelastung festgestellt werden kann, hängt ab von der Zeit, die nach dem Unfall<br />

5 3<br />

vergangen ist. Die Größe der Fläche kann mit Hilfe der durch ( x ) = − 0,25 x + 6 x + 2<br />

f gegebenen<br />

Funktion berechnet werden. Dabei entspricht jede x -Einheit einem Zeitraum von<br />

90 Minuten und jede y -Einheit einer Flächengröße von 0,5 km 2 .<br />

a) Zeichnen Sie den Graphen über dem Intervall [ − 5;5 ] .<br />

b) Berechnen Sie, wann ist das betroffene Gebiet am größten ist und welche Fläche es<br />

dann einnimmt.<br />

c) Ermitteln Sie, wann keine Umweltbelastung mehr festzustellen ist<br />

d) Bestimmen Sie, wie viele Minuten nach dem Unfall die Fläche des betroffenen Gebietes<br />

am stärksten zunimmt.<br />

d) Während der Zeit, in der das von der Umweltbelastung betroffene Gebiet mindestens<br />

21 km 2 groß ist, treten für den Großraum Leverkusen besondere Katastrophenschutzpläne<br />

in Kraft. Berechnen Sie, ab der wievielten Minuten nach dem Unfall diese<br />

Bestimmungen in Kraft gesetzt werden müssen und ab der wievielten Minuten sie<br />

wieder aufgehoben werden können.<br />

3.5.14 Skizzieren Sie jeweils einen Funktionsgraphen mit den folgenden Bedingungen:<br />

a) genau ein Wendepunkt, keine Extremalpunkte.<br />

b) genau ein Wendepunkt, genau ein Hochpunkt und genau ein Tiefpunkt.<br />

c) genau ein Wendepunkt, genau ein Hochpunkt und kein Tiefpunkt.<br />

d) zwei Wendepunkte, kein Extremalpunkt.<br />

e) genau zwei Tiefpunkte, genau ein Hochpunkt und genau zwei Wendepunkte.<br />

f) genau ein Tiefpunkt, kein Hochpunkt und zwei Wendepunkte.<br />

3.6 Kurvendiskussion<br />

Die in diesem Kapitel untersuchten Fragestellungen wurden früher und werden auch oft<br />

heute noch unter dem Begriff „Kurvendiskussion“ zusammengefasst. Eine Kurvendiskussion<br />

hat das Ziel, das Aussehen des Funktionsgraphen zu analysieren. Folgende<br />

Fragen sind dabei zu beantworten:<br />

1. Wo liegen die Hoch- und Tiefpunkte (Die Koordinaten der Punkte sind auszurechnen<br />

und anzugeben!)<br />

2. Wo liegen die Wendepunkte (Die Koordinaten der Punkte sind auszurechnen und<br />

anzugeben!)<br />

Burghardt – RWB 10/11


3 Kurvenuntersuchungen 43<br />

3. Wie verändert sich die Krümmung des Graphen an den Wendepunkten: geht eine<br />

Rechts- in eine Linkskurve oder eine Links- in eine Rechtskurve über<br />

4. Was sind die Nullstellen der Funktion<br />

3.7 Übungen<br />

3.7.1 Führen Sie für die folgenden Funktionen eine Kurvendiskussion durch!<br />

f x = x<br />

3 + 3 x<br />

2 − 3 x −<br />

3<br />

2<br />

f) f ( x ) = x − 8,25 x − 6 x + 111, 25<br />

a) ( ) 10<br />

b) ( ) 3 6 2 9 −<br />

3 2<br />

f x = − x + x + x 14 g) f ( x ) = − 3 x + 18 x + 22,5 x − 135<br />

3 2<br />

3<br />

2<br />

c) f ( x ) = 2 x − 9 x + 18 x + 29 h) f ( x ) = − 2 x − 13,8 x + 8,4 x + 137<br />

3 2<br />

3<br />

2<br />

d) f ( x ) = − 0,5 x − 3 x − 6 x + 28 i) f ( x ) = 5 x + 37,5 x − 22,5 x − 155<br />

1 3 2<br />

3<br />

2<br />

e) f ( x ) = x + 1,5 x − 2,5 x − 15 j) f ( x ) = x + 11,7 x − 17,4 x − 1996<br />

3<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

4 Weitere Ableitungsregeln 44<br />

4 Weitere Ableitungsregeln<br />

4.1 Problembeschreibung: Kontamination nach einem Chemieunfall<br />

Bei einer Explosion in einer Chemie-Fabrik ist eine Giftwolke ausgetreten. Auf Grund der<br />

vorherrschenden Windrichtung und der gegenwärtigen Wetterlage geht man davon aus,<br />

dass sich die giftigen Stoffe in einem halben senkrechten Kreiszylinder ausbreiten, an<br />

dessen Spitze sich die Chemie-Fabrik befindet.<br />

Chemie-Fabrik<br />

Länge des Zylinders<br />

Radius des Zylinders<br />

Das auf der Erdoberfläche von den Giften betroffene Gebiet hat dann die Form eines<br />

gleichschenkligen Dreiecks an dessen Spitze sich die Chemie-Fabrik befindet:<br />

Chemie-Fabrik<br />

betroffenes Gebiet<br />

Breite des Gebiets<br />

Länge des Gebiets<br />

Modellrechnungen haben ergeben, dass x Stunden nach dem Unfall die Länge des Ausbreitungskegels<br />

mit der durch (<br />

2<br />

)<br />

l x = − x + 12,1 x − 1, 2 gegebenen Funktion und der Radius<br />

des Ausbreitungskegels mit der durch r ( x ) = 3,5 x + 0, 2 gegebenen Funktion berechnet<br />

werden können. Die Strecken werden dabei in Einheiten von 100 m gemessen. Aus den<br />

aus der Mittelstufe bekannten Formeln für die Berechnung des Volumens eines Kreiszylinders<br />

und der Fläche eines gleichschenkligen Dreiecks ergeben sich für das Volumen<br />

V ( x ) es Ausbreitungszylinders und die Fläche ( )<br />

nach dem Unfall<br />

V x = π<br />

r x 2 l x = 0,524 ⋅ 3,5 x + 0,2 2 − x 2 + 12,1 x − 1,2<br />

6<br />

A x = 1<br />

⋅ 2 r x ⋅ l x = 3,5 x + 0, 2 ⋅ − x 2 + 12,1 x − 1,2<br />

• ( ) ( ) ( ) ( ) ( )<br />

• ( ) ( ) ( ) ( ) ( )<br />

2<br />

A x des betroffenen Gebietes x Stunden<br />

Es soll geklärt werden, wie viele Stunden nach dem Unfall das Volumen des Ausbreitungskegels<br />

und wie viele Stunden nach dem Unfall die Fläche des betroffenen Gebietes<br />

maximal sind.<br />

Burghardt – RWB 10/11


4 Weitere Ableitungsregeln 45<br />

Zwar handelt es sich bei den Funktionen V und A um ganzrationale Funktionen, bevor<br />

wir sie aber ableiten können, müssen wir aber – bei unserem gegenwärtigen Kenntnisstand<br />

– erst die Klammern auflösen, was, insbesondere im Term V ( x ) , etwas mühsam<br />

ist. Wir entwickeln nun Ableitungsregeln, die dieses Ausmultiplizieren überflüssig machen.<br />

4.2 Die Produktregel<br />

Mit Hilfe der Produktregel kann man Funktionen, die Produkt zweier differenzierbarer<br />

Funktionen sind, ableiten, ohne das Produkt zuvor umformen zu müssen.<br />

Satz. Wenn die Funktion f Produkt zweier differenzierbarer Funktionen g 1<br />

und g 2<br />

ist,<br />

das heißt f ( x ) g<br />

1 ( x ) g<br />

2 ( x )<br />

f ′ x = g ′<br />

1<br />

x ⋅ g<br />

2<br />

x + g<br />

1<br />

x g ′<br />

2<br />

x .<br />

= ⋅ , dann gilt ( ) ( ) ( ) ( ) ( )<br />

Also: Ableitung des ersten Faktors mal zweiter Faktor unabgeleitet plus erster Faktor unabgeleitet<br />

mal zweiter Faktor abgeleitet.<br />

BEWEIS. Für jedes x und jedes h ≠ 0 gilt<br />

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )<br />

<br />

f x + h − f x =<br />

g<br />

1<br />

x + h ⋅ g<br />

2<br />

x + h − g<br />

1<br />

x ⋅ g<br />

2<br />

x<br />

h h<br />

=<br />

g<br />

1<br />

x h g<br />

2<br />

x h g<br />

1<br />

x g<br />

2<br />

x h g<br />

1<br />

x g<br />

2<br />

x h g<br />

1<br />

x g<br />

2<br />

x<br />

Also ist<br />

( )<br />

f ′ x =<br />

( + ) ⋅ ( + ) − ( ) ⋅ ( + ) + ( ) ⋅ ( + ) − ( ) ⋅ ( )<br />

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )<br />

= g<br />

1<br />

x + h ⋅ g<br />

2<br />

x + h − g<br />

1<br />

x ⋅ g<br />

2<br />

x + h +<br />

g<br />

1<br />

x ⋅ g<br />

2<br />

x + h − g<br />

1<br />

x ⋅ g<br />

2<br />

x<br />

h h<br />

g x h g x g x h g x<br />

( ) ( )<br />

( ) ( )<br />

g x h g x<br />

h h<br />

( ) ( )<br />

+ − + −<br />

= ⋅ + + ⋅<br />

lim<br />

h<br />

→<br />

0<br />

1 1 2 2<br />

2 1<br />

.<br />

( + ) − ( )<br />

f x h f x<br />

( ) ( )<br />

( ) ( )<br />

( ) ( )<br />

= g ′<br />

1 ( x ) ⋅ g<br />

2 ( x ) + g<br />

1 ( x ) g ′<br />

2 ( x )<br />

Beim letzten Schritt wurde ausgenutzt, dass ( )<br />

Fall stetig ist, also g ( x h ) g ( x )<br />

h<br />

h<br />

( ) ( )<br />

g<br />

1<br />

x + h − g<br />

1<br />

x g<br />

2<br />

x + h − g<br />

2<br />

x <br />

= lim ⋅ g<br />

2 ( x + h ) + g<br />

1 ( x ) ⋅ <br />

h → 0<br />

h h <br />

( ) ( )<br />

g<br />

1<br />

x + h − g<br />

1<br />

x g<br />

2<br />

x + h − g<br />

2<br />

x <br />

= lim ⋅ g<br />

2 ( x + h ) + lim g<br />

1 ( x ) ⋅ <br />

h → 0 h h → 0<br />

h<br />

<br />

+ − + −<br />

( ) ( )<br />

g<br />

1<br />

x h g<br />

1<br />

x g<br />

2<br />

x h g<br />

2<br />

x<br />

= lim ⋅ lim g<br />

2 ( x + h ) + g<br />

1 ( x ) ⋅ lim<br />

h → 0 h h → 0 h → 0 h<br />

h<br />

0<br />

lim<br />

→<br />

2 2<br />

g<br />

2<br />

x als differenzierbare Funktion auf jeden<br />

+ = ist. <br />

Als Beispiel leiten wir die durch<br />

2<br />

A ( x ) = ( 3,5 x + 0,2 ) ⋅ ( − x + 12,1 x − 1, 2 ) ,<br />

gegebene Funktion, die die Größe des durch den Chemieunfall betroffenen Gebiets in den<br />

Stunden nach dem Unfall ermittelt, mit Hilfe der Produktregel ab. Nach der Produktregel<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

4 Weitere Ableitungsregeln 46<br />

müssen wir rechnen: Ableitung des ersten Faktors mal zweiter Faktor unabgeleitet plus<br />

erster Faktor unabgeleitet mal zweiter Faktor abgeleitet:<br />

2<br />

A ′ ( x ) = 3,5 ⋅ ( − x + 12,1 x − 1, 2 ) + ( 3,5 x + 0,2 ) ⋅ ( − 2 x + 12,1 )<br />

Hiermit können wir nun berechnen, wann das betroffene Gebiet maximal ist. Indem wir<br />

2<br />

zunächst ausmultiplizieren erhalten wir A ′ ( x ) = − 10,5 x + 84,3 x − 1,78 . Mit Hilfe des Vorzeichenwechselkriteriums<br />

berechnet man leicht, dass H = ( 8,0075 | 891,122 ) der Hochpunkt<br />

der Flächenfunktion A ist. Die größte Fläche ist also rund 8 Stunden nach der Explosion<br />

betroffen. Sie misst dann rund 8,9 km².<br />

4.3 Die Kettenregel<br />

Um die in der durch ( ) 0,524 ( 3,5 0, 2 ) 2 ( 2 12,1 1, 2 )<br />

V x = ⋅ x + − x + x − gegebenen Volumenfunktion<br />

den Faktor<br />

( ) ( ) 2<br />

f x = 3,5 x + 0, 2<br />

abzuleiten, wollen wir nicht die Produktregel verwenden sondern eine andere wichtige Ableitungsregel:<br />

Die Kettenregel.<br />

Um die Kettenregel verstehen zu können, schauen uns zunächst die Rechenschritte an,<br />

die für die Berechnung eines Funktionswertes – zum Beispiel f ( 5 ) – nacheinander<br />

durchgeführt werden müssen:<br />

• Zuerst rechnet man 3,5 ⋅ 5 + 0, 2 aus: 3,5 ⋅ 5 + 0,2 = 17,7<br />

• Das Ergebnis wird dann hoch 2 genommen: ( 17,7 ) 2<br />

= 319,29<br />

Die Funktion f ( x ) = ( 3,5 x + 0, 2 ) 2<br />

ist also aus zwei Funktionen zusammengesetzt, die<br />

nacheinander ausgeführt werden müssen: Zunächst muss die Funktion g ( x ) = 3,5 x + 0,2<br />

2<br />

ausgeführt werden und mit dem dabei gewonnenen Ergebnis muss die Funktion h ( x ) = x<br />

ausgeführt werden. f ( x ) = ( 3,5 x + 0, 2 ) 2<br />

ist also von der Form<br />

f ( x ) = h ( g ( x ) ) .<br />

Aus nahe liegenden Gründen nennt man die innen stehende, zuerst zu berechnende<br />

Funktion g ( x ) auch innere Funktion und die außen, als letztes zu berechnende Funktion<br />

h ( x ) , auch äußere Funktion.<br />

Definition. Das Hintereinanderausführen von Funktionen nennt man in der Mathematik<br />

auch das Verketten von Funktionen.<br />

Es gibt eine – leider auf den ersten Blick etwas umständliche – Regel, wie man verkettete<br />

Funktionen ableiten kann: die Kettenregel:<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

.


4 Weitere Ableitungsregeln 47<br />

Satz. Wenn die Funktionen g ( x ) und h ( x ) differenzierbar sind, dann ist auch ihre Verkettung<br />

f ( x ) = h ( g ( x ) ) differenzierbar und es gilt<br />

( ) ( )<br />

( ) ( )<br />

f ′ x = h ′ g x ⋅ g ′ x<br />

Den BEWEIS können wir guten Gewissens einem Leistungskurs überlassen! Wir leiten<br />

stattdessen die Funktion f ( x ) = ( 3,5 x + 0, 2 ) 2<br />

mit Hilfe der Kettenregel ab:<br />

• Zunächst identifizieren wir noch mal die innere und die äußere Funktion:<br />

2<br />

( 3,5 0,2 ) ( ( ) )<br />

x + = h g x mit g ( x ) 3,5 x 0,2<br />

2<br />

= + und h ( x ) = x<br />

• Die innere und die äußere Funktion werden abgeleitet: g ( x ) 3,5<br />

′ = und h ′ ( x ) = 2 x<br />

• Im ersten Faktor der Kettenregel h ′ ( g ( x ) ) muss nun die innere Funktion 3,5 x + 0,2 in<br />

die äußere Ableitung 2x für die Unbekannte x eingesetzt werden:<br />

h ′ ( g ( x ) ) = 2 ⋅ ( 3,5 x + 0, 2 )<br />

• Der zweite Faktor der Kettenregel ist einfach die innere Ableitung: g ′ ( x ) = 3,5<br />

• Die Ableitung ist nun das Produkt der beiden Funktionen:<br />

f ′ ( x ) = 2 ⋅ ( 3,5 x + 0, 2 ) ⋅ 3,5 = 7 ⋅ ( 3,5 x + 0, 2 ) .<br />

Mit Hilfe der Ketten- und der Produktregel können wir nun bestimmen, wann der durch<br />

den Chemieunfall kontaminierte Raum am größten ist. Hierzu muss die durch die Gleichung<br />

( ) 0,524 ( 3,5 0, 2 ) 2 ( 2 12,1 1, 2 )<br />

V x = ⋅ x + − x + x − gegebene Volumenfunktion auf Hochpunkte<br />

untersucht werden. Dafür muss diese Funktion abgeleitet werden. Die multiplikative<br />

Konstante 0,524 bleibt beim Ableiten erhalten. Den Term<br />

( 3,5 0,2 ) 2 ( 2 12,1 1, 2 )<br />

x + − x + x − leiten wir mit Hilfe der Produktregel ab. Für den ersten<br />

Faktor f ( x ) = ( 3,5 x + 0, 2 ) 2<br />

haben wir gerade die Ableitung bestimmt:<br />

f ′ ( x ) = 7 ⋅ ( 3,5 x + 0, 2 ) . Unter Anwendung der Produktregel ergibt sich dann<br />

2<br />

2<br />

( ) 0,524 7 ( 3,5 0, 2 )( 12,1 1,2 ) ( 3,5 0, 2 ) ( 2 12,1 )<br />

V ′ x = ⋅ ⋅ x + − x + x − + x + − x + <br />

<br />

2<br />

( x ) ( x x ) ( x )( x )<br />

= 0,524 ⋅ 3,5 + 0, 2 ⋅ 7 12,1 1,2 3,5 0, 2 2 12,1 <br />

<br />

⋅ − + − + + − +<br />

<br />

.<br />

V ′ ( x ) = 0 ist gleichwertig mit 3,5 x + 0, 2 = 0 ⇔ x = − 0,057 (eine negative Zahl kommt als<br />

Lösung des Problems nicht in Frage) und<br />

2 2<br />

( ) ( )( )<br />

0 = 7 ⋅ − x + 12,1 x − 1,2 + 3,5 x + 0, 2 − 2 x + 12,1 = − 14 x + 126,65 x − 5,98<br />

Mit Hilfe des Vorzeichenwechselkriteriums berechnet man leicht, dass<br />

H = ( 8,999 |14059, 216 ) der Hochpunkt der Volumenfunktion V ist. Der größte Raum ist<br />

also rund 9 Stunden nach der Explosion betroffen. Er misst rund 14,06 km³. Es fällt übrigens<br />

auf, dass das Volumen eine Stunde später als die Bodenfläche maximale Ausdehnung<br />

hat, was von vorneherein nicht zu erwarten war. Die Graphen der Funktionen V<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

4 Weitere Ableitungsregeln 48<br />

und A sind hier dargestellt, wobei die Werte von V (gestrichelte Linie) aus Darstellungsgründen<br />

um den Faktor 10 gestaucht wurden:<br />

1600<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

-1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />

-200<br />

4.4 Problembeschreibung: Pro-Stück-Gewinn<br />

In der Werkstatt einer Einrichtung für geistig behinderte Jugendliche wird Holzspielzeug<br />

produziert und über einen kleinen Laden selbst vertrieben. Der bei x produzierten Spielzeugen<br />

erwirtschaftete Gewinn in Euro kann mit der durch<br />

( )<br />

3<br />

f x = − 0,001 x + 8,748 x − 58,32<br />

gegebenen Funktion berechnet werden. Um den pro produziertes Stück erzielten Gewinn<br />

zu berechnen, muss der Gesamtgewinn f ( x ) durch die Produktionsmenge x dividiert<br />

werden. Der Pro-Stück-Gewinn kann also mit Hilfe der durch<br />

( )<br />

g x<br />

( )<br />

=<br />

f x<br />

x<br />

=<br />

− 0,001 x 3<br />

+ 8,748 x − 58,32<br />

x<br />

= 3<br />

− 0,001 x + 8,748 x −<br />

58,32<br />

x x x<br />

= − 0,001 x 2 + 8,748 −<br />

58,32<br />

x<br />

gegebenen Funktion g berechnet werden. Natürlich muss x hierbei positiv sein.<br />

Um zu untersuchen, bei welcher Stückzahl der Pro-Stück-Gewinn am größten ist, muss<br />

die Funktion g abgeleitet werden. Dabei ist der Term 58,32 x „problematisch“. Wir können<br />

ihn mit Hilfe der allgemeinen Potenzregel ableiten, die wir jetzt kennen lernen werden.<br />

Burghardt – RWB 10/11


4 Weitere Ableitungsregeln 49<br />

4.5 Die allgemeine Potenzregel<br />

Bislang haben wir die Potenzregel nur für Exponenten formuliert, die natürliche Zahlen<br />

sind. Sie kann aber auch auf Exponenten erweitert werden, die rationale Zahlen, also Brüche<br />

sind. Zuerst halten wir ein paar Rechenregeln für Potenzen fest, die jeder noch aus<br />

der Mittelstufe kennen sollte:<br />

<br />

<br />

x<br />

x<br />

x<br />

k<br />

l − k<br />

= x <br />

1 k<br />

x<br />

k<br />

−<br />

= <br />

1<br />

n<br />

x<br />

n x<br />

m<br />

= ( ) l<br />

x<br />

n x<br />

=<br />

n m <br />

k k l<br />

x = x ⋅ <br />

k l k l<br />

x ⋅ x = x + <br />

0<br />

x =<br />

1<br />

x<br />

1<br />

= x , insbesondere<br />

1<br />

= x<br />

− 1<br />

x<br />

Die verallgemeinerte Potenzregel lautet nun<br />

= ′ =<br />

f x x f x qx −<br />

q q 1<br />

Für alle q ∈ gilt: ( ) ( )<br />

BEWEIS. Wir untersuchen zuerst den Spezialfall, dass q eine ganze Zahl ist.<br />

Im Fall q ≥ 0 ist q sogar eine natürliche Zahl, und die Regel ist die Potenzregel, die wir<br />

schon kennen.<br />

Im Fall q < 0 ist q = − m , wobei m eine natürliche Zahl ist. Wir betrachten die durch<br />

( ) ( )<br />

g x = x m ⋅ f x<br />

m m − m m − m<br />

g x = x ⋅ f x = x ⋅ x = x = x = 1 ,<br />

gegebene Funktion. Einerseits stellen wir fest ( ) ( )<br />

0<br />

m<br />

sodass g ′ ( x ) = 0 ist. Andererseits können wir g ( x ) = x ⋅ f ( x ) auch mit Hilfe der Produktregel<br />

ableiten: ( ) m −<br />

g ′ x = mx 1 ⋅ f ( x ) + x m ⋅ f ′ ( x ) . Dies formen wir weiter um:<br />

m − 1<br />

m<br />

g ′ ( x ) = mx ⋅ f ( x ) + x ⋅ f ′ ( x )<br />

m − 1 m m<br />

= mx ⋅ x + x ⋅ f ( x )<br />

m − 1 + m m<br />

= mx + x ⋅ f ( x )<br />

− 1 m<br />

= mx + x ⋅ f ( x )<br />

− 1 m<br />

Also muss mx + x ⋅ f ′ ( x ) = 0 sein. Dies lösen wir nach ( )<br />

− 1 m<br />

− 1<br />

mx + x ⋅ f ( x ) = 0 − mx<br />

( )<br />

( )<br />

x ⋅ f ′ x = − mx : x<br />

m − 1 m<br />

1<br />

f ′ x auf:<br />

f ′ x = − mx ⋅ = − mx ⋅ x = − mx = qx<br />

Dies stimmt mit der Behauptung überein.<br />

− 1 − 1 − m − m − 1 q − 1<br />

x<br />

m<br />

Wir behandeln nun den allgemeinen Fall. In diesem Fall gibt es eine natürliche Zahl n und<br />

eine ganze Zahl m mit<br />

q<br />

m<br />

= , also ( )<br />

n<br />

m<br />

f x = x n .<br />

Wir betrachten die Funktion g ( x ) = f ( x ) n<br />

. Nach der Kettenregel gilt<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

4 Weitere Ableitungsregeln 50<br />

Andererseits ist<br />

Hieraus ergibt sich<br />

n − 1<br />

( ) ( ) ( )<br />

g ′ x = n ⋅ f x ⋅ f ′ x<br />

m<br />

⋅ ( n − 1 )<br />

n<br />

= nx ⋅ f x<br />

m −<br />

n<br />

m<br />

= nx ⋅ f x<br />

n<br />

( )<br />

( )<br />

<br />

g ( x ) = f ( x ) = x = x = x<br />

<br />

m m<br />

n n n<br />

n m<br />

m 1<br />

g ′ ( x ) = mx − ,<br />

wobei wir ausnutzen, dass wir die Produktregel für Exponenten, die ganze Zahlen sind,<br />

gerade eben schon nachgewiesen habe. Also muss<br />

Dies wird nach f ′ ( x ) aufgelöst:<br />

( )<br />

( )<br />

m<br />

−<br />

m<br />

m − 1<br />

( )<br />

n<br />

n ⋅ x ⋅ f x = mx<br />

m m<br />

m − m −<br />

n m − 1<br />

n<br />

n ⋅ x ⋅ f x = mx : n ⋅ x<br />

( )<br />

f ′ x =<br />

mx<br />

nx<br />

m<br />

1<br />

m<br />

m −<br />

n<br />

m m <br />

m − 1 − m − − m − <br />

n n <br />

m<br />

′ = ⋅<br />

f x x x<br />

n<br />

m<br />

f ′ ( x ) = x<br />

n<br />

m<br />

<br />

m − 1 − m − <br />

n <br />

m − 1<br />

f ′ ( x ) = x<br />

n<br />

Dies ist gerade die angegebene Regel. <br />

−<br />

m<br />

n<br />

.<br />

.<br />

<br />

<br />

<br />

Die verallgemeinerte Potenzregel gilt auch für den Fall, dass der Exponent eine reelle<br />

Zahl ist. Den Beweis dieser allgemeinen Potenzregel überlassen wir einem Leistungskurs<br />

in Mathematik und halten nur das Resultat fest:<br />

= ′ =<br />

α −<br />

α α 1<br />

Für alle α ∈ gilt: f ( x ) x f ( x ) x<br />

Mit Hilfe der verallgemeinerten Potenzregel kann nun der maximale Pro-Stück-Gewinn<br />

berechnet werden, den die Behindertenwerkstatt erzielen kann. Der Pro-Stück-Gewinn<br />

2 58,32<br />

wird mit der durch g ( x ) 0,001 x 8,748<br />

= − + − gegebenen Funktion berechnet. Um<br />

den problematischen Term 58,32 x ableiten zu können, schreiben wir ihn mit Hilfe der<br />

Rechenregeln für Potenzen um:<br />

ist die Ableitung von<br />

1<br />

x − nun<br />

Wir bestimmen die kritischen Stellen:<br />

x<br />

58,32 x 58,32 x −<br />

1<br />

= ⋅ . Nach der allgemeinen Potenzregel<br />

− 1 − 1 − 2<br />

− 1 ⋅ x = − 1 ⋅ x . Damit ergibt sich:<br />

( ) ( )<br />

2 2<br />

− −<br />

g ′ x = − 0,002 x − 58,32 ⋅ − 1 x = − 0,002 x + 58,32 ⋅ x .<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

l<br />

′<br />

′<br />

′<br />

′<br />

′<br />

′<br />

′<br />

′<br />


4 Weitere Ableitungsregeln 51<br />

− + ⋅ = ⋅ ⇔ − + =<br />

2 2 3<br />

0,002 x 58,32 x − 0 x 0,002 x 58,32 0<br />

Hieraus ergibt sich die kritische Stelle x = 30,78 . Das Vorzeichenwechselkriterium zeigt,<br />

dass H = ( 30,78 | 5,906 ) ein Hochpunkt ist. Der größte Pro-Stück-Gewinn wird also bei<br />

etwa 31 produzierten Stück erzielt. Er beträgt etwa 5,91 €.<br />

4.6 Übungen<br />

4.6.1 Berechnen Sie f ′ ( x ) mit Hilfe der Produktregel.<br />

= + − + e) f ( x ) = ( − x 3 − 2 x 2 + 5 )( − 3 x 2 + x − 7 )<br />

b) f ( x ) = ( 0,5 x − 3 )( x 2 + 2,5 x + 1 ) f) f ( x ) = ( 2 x 3 − 3 x 2 + x − 2 )( x 3 + 5 x 2 − 8 x − 9 )<br />

c) f ( x ) = ( − 2 x 2 − 6 x − 5 )( 3 x 2 + 2 x − 2 ) g) f ( x ) = ( x 4 + 2 x 2 − 5 )( 2 x 3 − 3 x 2 − 6 x + 1 )<br />

f x = x 3 + 6 x 2 − 11 x 0,5 x − 1 h) f ( x ) = ( 4 x 5 + 2 x 4 − 3 x + 1 )( − 6 x 4 − 5 x<br />

3 + 3 )<br />

a) f ( x ) ( 2 x 1 )( 4 x 2 )<br />

d) ( ) ( )( )<br />

4.6.2 Bilden Sie für die durch die folgenden Gleichungen gegebenen Funktionen g und h<br />

die Verkettung h ( g ( x ) ) .<br />

2<br />

2<br />

Beispiel. g ( x ) = x + 1 , h ( x ) = x ( ( ) )<br />

h g x = x +<br />

3<br />

5<br />

4<br />

a) g ( x ) = x − 2 , h ( x ) = x<br />

f) g ( x ) = 2 x + 1 , ( )<br />

2<br />

b) g ( x ) = x + 1 , h ( x )<br />

1<br />

3 5<br />

h x = x<br />

1<br />

2<br />

1<br />

= g) g ( x ) = 2 x + 3 , h ( x ) =<br />

x<br />

5<br />

2<br />

6<br />

c) g ( x ) = 6 x + 1 , h ( x ) = x h) g ( x ) = x + 2 , h ( x ) =<br />

3 2<br />

3<br />

3<br />

2<br />

d) g ( x ) = 2 x − 5 x + 1 , h ( x ) = x i) g ( x ) = x + 1 , h ( x ) = x +<br />

2<br />

e) g ( x ) 3 x 6<br />

= + , h ( x )<br />

1<br />

4<br />

2<br />

3<br />

= j) g ( x ) = 3 x + x , h ( x ) = x ⋅ x<br />

x<br />

1<br />

x<br />

x<br />

1<br />

x<br />

4.6.3 Berechnen Sie die Ableitungen der durch die folgenden Gleichungen gegebenen<br />

Funktionen.<br />

a) f ( x ) ( 2 x 5 ) 15<br />

5<br />

8<br />

2<br />

7<br />

f x = x + 2 x + 1 − x − 1<br />

= − f) ( ) ( ) ( )<br />

7 7<br />

b) f ( x ) = ( 3 x 2 + 4 x − 1 ) 9<br />

3 2<br />

g) f ( x ) = ( x + x ) + 2 ( x + 4 )<br />

c) ( ) ( 3 3 1 ) 8<br />

4<br />

5 8<br />

f x = x − x + + 2 h) f ( x ) = 6 ( 3 x + x ) − 11 ( x + 1 )<br />

4<br />

6<br />

2<br />

9<br />

= − + i) f ( x ) = ( 2 x + 1 ) ⋅ ( x − 3 x )<br />

2<br />

5 10<br />

e) f ( x ) = ( − 2 x + x ) + ( x − 4 ) j) ( ) ( ) ( )<br />

d) ( ) ( ) 4 2<br />

f x 5 x 1 3 x<br />

5 4<br />

11<br />

3<br />

7<br />

f x = − 3 x + 2 x + x − 1 ⋅ − 5 x + 6 x<br />

4.6.4 Berechnen Sie die Ableitungen der durch die folgenden Gleichungen gegebenen<br />

Funktionen.<br />

Beispiele.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

4 Weitere Ableitungsregeln 52<br />

3<br />

• f ( x ) = x : Zum Ableiten wird die Wurzel mit Hilfe der Rechenregeln für Potenzen zunächst<br />

als Bruch umgeschrieben: ( )<br />

nun abgeleitet: ( )<br />

1 1<br />

′ = = . Hier kann die Potenz noch umgeschrieben werden:<br />

( )<br />

1 2<br />

1<br />

3 3<br />

1<br />

f x = 3 x = x 3<br />

. Mit der Potenzregel wird ( )<br />

1<br />

f x = x 3<br />

− −<br />

f x x x<br />

3 3<br />

2<br />

3<br />

f ′ x = 1 x − = 1 ⋅ 1 = 1 ⋅<br />

1<br />

3 3 3<br />

x<br />

2 3 2<br />

3<br />

x<br />

1<br />

• f ( x ) 3<br />

= : Zum Ableiten wird zunächst mit Hilfe der Rechenregeln für Potenzen um-<br />

x<br />

geschrieben: ( )<br />

1<br />

f x x − 3<br />

= nun abgeleitet:<br />

( )<br />

1 1<br />

f x x<br />

3<br />

x<br />

x<br />

1<br />

−<br />

3<br />

= = = . Mit der Potenzregel wird ( )<br />

1 4<br />

− − −<br />

1<br />

3<br />

1 1 1<br />

′<br />

3 3<br />

= − = − . Hier kann die Potenz noch umgeschrieben werden:<br />

f x x x<br />

3 3<br />

4<br />

3<br />

1 − 1 1 1 1<br />

f ′ ( x ) = − x = − ⋅ = − ⋅ .<br />

4<br />

3 3 3 3 4<br />

x<br />

3<br />

x<br />

a) ( )<br />

7<br />

f x x 5<br />

= e) f ( x )<br />

1<br />

f x<br />

= i) ( )<br />

4 7<br />

x<br />

2<br />

b) f ( x ) x − 3<br />

3<br />

= f) f ( x ) = x<br />

j) f ( x ) =<br />

9<br />

c) f ( x )<br />

1<br />

= g) ( )<br />

x<br />

3 4<br />

f x x<br />

5 5<br />

d) f ( x ) = x h) f ( x ) x x<br />

= k) f ( x ) = x ⋅ ( 3 x 5 − 2 x + 1 )<br />

= + l) f ( x ) = ( )<br />

3 x 7 ⋅ 3 x − 2 x<br />

2<br />

=<br />

1<br />

x<br />

1<br />

x<br />

4.6.5 Berechnen Sie die Ableitungen der durch die folgenden Gleichungen gegebenen<br />

Funktionen.<br />

Tipp: Schreiben Sie Wurzeln und Brüche mit Hilfe von Exponenten und verwenden Sie die<br />

verallgemeinerte Potenzregel!<br />

a) f ( x ) = ( 3 x 2 + 8 x + 1 ) 1,5<br />

f) ( ) ( ) 8<br />

b) f ( x )<br />

=<br />

1<br />

2 x + 1<br />

c) f ( x ) = 2 x + 1<br />

h)<br />

f ( x )<br />

3<br />

f<br />

d) ( )<br />

( x )<br />

f x = x − 3 x + 1 i)<br />

3 4<br />

f x = x + 2 x<br />

3 2<br />

g) ( ) ( ) 7<br />

f x = 5 2 x + 4 x − 3 x + 1<br />

=<br />

=<br />

5<br />

7<br />

1<br />

( 4 x 3 + 2 x )<br />

1<br />

( 3 x<br />

4 + 1 ) 6<br />

e)<br />

f ( x )<br />

=<br />

1<br />

2<br />

( 2 x + x ) 5<br />

j)<br />

f ( x )<br />

=<br />

x<br />

( x + ) 2<br />

3 1<br />

4.6.6 Bestimmen Sie für die durch die folgenden Gleichungen gegebenen Funktionen die<br />

Hoch- und Tiefpunkte.<br />

Burghardt – RWB 10/11


4 Weitere Ableitungsregeln 53<br />

Tipp: Wenn Sie mit dem Vorzeichenwechselkriterium arbeiten, sparen Sie sich die zweite<br />

Ableitung!<br />

3<br />

a) f ( x ) = ( x − 8 ) 5<br />

b) ( )<br />

2<br />

f x = 1 + x<br />

f x<br />

=<br />

c) ( )<br />

2<br />

f x<br />

=<br />

x<br />

d) ( )<br />

2<br />

x<br />

1<br />

x<br />

+<br />

1<br />

+ 1<br />

Hinweis: = x ⋅<br />

2 2<br />

x + 1 x + 1<br />

x<br />

1<br />

4.6.7 Führen Sie die im Text ausgelassenen Rechnungen zur Bestimmung des maximalen<br />

Volumens und der maximalen Fläche durch!<br />

4.6.8 Zeichnen Sie den Graphen der Gewinnfunktion der Werkstatt der Behinderteneinrichtung<br />

über dem Intervall [ − 100 | 90 ] und berechnen Sie die Gewinnzone, das Gewinnmaximum<br />

und die Produktionsmenge, die zur größten Gewinnzunahme führt. Zeichen Sie<br />

ferner den Graphen der Pro-Stück-Gewinnfunktion über dem Intervall [ − 100 | 90 ] und bestimmen<br />

Sie die Wendepunkte dieser Funktion.<br />

Hinweis. Lassen Sie beim Zeichnen der Pro-Stück-Gewinnfunktion das Intervall [ − 5 | 5 ]<br />

unberücksichtigt.<br />

4.6.9 Eine Expertenkommission hat ermittelt, dass die Großküche, die die städtischen<br />

Schulen mit Mittagessen versorgt, bei x Mitarbeitern einen Gewinn von<br />

3<br />

f ( x ) = − 0,01 x + 20,28 x − 1,35 Euro erwirtschaftet.<br />

a) Bestimmen Sie das Gewinnmaximum und die Mitarbeiterzahl, bei der die Gewinnsteigerung<br />

am größten ist.<br />

b) Bestätigen Sie, dass der Gewinn pro Mitarbeiter mit der durch<br />

2 1,35<br />

( ) = − + −<br />

0,01 20, 28<br />

g x x<br />

gegebenen Funktion bestimmt werden kann.<br />

c) Berechnen Sie, bei welcher Mitarbeiterzahl der je Mitarbeiter erzielte Gewinn am<br />

größten ist.<br />

d) Ermitteln Sie die Wendepunkte der Funktion g .<br />

x<br />

4.6.10 Krippe e.V. betreibt drei Kindertagesstätten. Abhängig von der Anzahl der betreuten<br />

Kinder erwirtschaften die Kindertagesstätten im Jahr einen kleinen Gewinn, den<br />

Krippe e.V. in die Modernisierung der Gebäude investiert. Bei x betreuten Kindern ist im<br />

4 2<br />

Jahr mit einem Gewinn von ( )<br />

f x = − 0,0001 x + 0,7261 x − 26,01 Euro zu rechnen.<br />

a) Bestimmen Sie die Gewinnzone, das Gewinnmaximum und die Anzahl der Kinder,<br />

bei der der Gewinn am stärksten ansteigt.<br />

b) Bestätigen Sie, dass der Gewinn pro betreutem Kind mit der durch<br />

3 26,01<br />

( ) = − + −<br />

g x 0,0001 x 0,7261 x<br />

gegebenen Funktion bestimmt werden kann<br />

c) Berechnen Sie, bei welcher Kinderzahl der pro betreutes Kind erzielte Gewinn am<br />

größten ist.<br />

d) Ermitteln Sie die Wendepunkte der Funktion g .<br />

x<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

4 Weitere Ableitungsregeln 54<br />

Burghardt – RWB 10/11


5 Gesucht wird ... 55<br />

5 Gesucht wird ...<br />

5.1 Eine Differentialgleichung<br />

Bei ganzrationalen Funktionen haben wir gesehen, dass die Ableitung stets niedrigeren<br />

Grad hat als die Ausgangsfunktion. Insbesondere stimmt die Ableitung nicht mit der Ursprungsfunktion<br />

überein. Gibt es eigentlich eine Funktion f ( x ) mit f ′ ( x ) = f ( x ) <br />

In dieser Form ist die Frage leicht zu beantworten: Für die Funktion f ( x ) = 0 , die also<br />

konstant Null ist, gilt natürlich – weil additive Konstanten beim Ableiten wegfallen –<br />

f ′ ( x ) = 0 . Also ist hier f ′ ( x ) = f ( x ) . Eine solche Lösung nennt man in der Mathematik<br />

eine triviale Lösung.<br />

Gibt es auch eine nichttriviale Lösung Eine solche muss zumindest an einer Stelle einen<br />

Wert ungleich Null annehmen. Wir wollen die Frage nicht unnötig verkomplizieren und<br />

wollen deshalb verlangen, dass f ( 0 ) = 1 ist. Zu klären ist also die Frage<br />

Gibt es eine differenzierbare Funktion f ( x ) mit<br />

• f ′ ( x ) = f ( x )<br />

• ( 0 ) 1<br />

f = <br />

Eine Gleichung der Art f ′ ( x ) = f ( x ) , in der eine gesuchte Funktion f ( x ) über ihre Ableitungen<br />

charakterisiert wird, nennt man in der Mathematik Differentialgleichung. Ist<br />

noch ein „Anfangswert“ wie hier f ( 0 ) = 1 vorgegeben, spricht man von einem Anfangswertproblem.<br />

Die Lösung des Anfangsproblems im obigen Kasten versetzt uns in die Rolle von Kriminalkommissaren.<br />

Unser Anfangswertproblem ist der Steckbrief der gesuchten Funktion<br />

f ( x ) . Mit mathematischer Ermittlungsarbeit werden wir die einzig mögliche Funktion identifizieren,<br />

auf die die Beschreibung im Steckbrief passt. Den letztendlichen Nachweis,<br />

dass die identifizierte Funktion auch wirklich der „Täter“ ist – die ja auch im täglichen Leben<br />

nicht der Polizei sondern den Gerichten überlassen ist – überlassen auch wir den Mathematikern<br />

oder einem Leistungskurs.<br />

5.2 Die Lösung: Eine Exponentialfunktion<br />

Wir werden ermitteln, dass die Lösung des Anfangswertproblems f ′ ( x ) = f ( x ) , f ( 0 ) = 1<br />

eine so genannte Exponentialfunktion ist:<br />

5.2.1 Exponentialfunktionen<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

5 Gesucht wird ... 56<br />

Definition. Eine Funktion f ( x ) heißt Exponentialfunktion, falls es eine Zahl b > 0 gibt,<br />

x<br />

sodass f ( x ) = b ist.<br />

2<br />

Im Gegensatz zu Potenzfunktionen – wie etwa f ( x ) = x –, bei denen die Variable in der<br />

Basis steht und der Exponent konstant ist, steht bei Exponentialfunktionen die Variable im<br />

Exponenten und die Basis ist konstant.<br />

5.2.2 Eine bemerkenswerte Eigenschaft und die Eulersche Zahl<br />

Um nachzuweisen, dass die Lösung f ( x ) des Anfangswertproblems f ′ ( x ) = f ( x ) ,<br />

f ( 0 ) = 1 eine Exponentialfunktion ist, beweisen wir die folgende bemerkenswerte Eigenschaft<br />

von f ( x ) :<br />

Für alle reellen Zahlen α , β gilt: f ( α ⋅ β ) = f ( β )<br />

α<br />

Setzt man hierin 1<br />

β = so erhält man f ( ) f ( 1 )<br />

α<br />

α = für alle reellen Zahlen! Das heißt: Die<br />

gesuchte Lösung unseres Anfangswertproblems ist eine Exponentialfunktion:<br />

f ( x ) = f ( 1 )<br />

x<br />

.<br />

Ihre Basis (also f ( 1 ) ) wird oft mit dem Buchstaben e bezeichnet. Es ist die Eulersche<br />

Zahl, benannt nach dem Schweizer Mathematiker Leonhard Euler (geboren 15. April<br />

1707, gestorben 18. September 1783).<br />

Unsere Aufgabe ist es nun, die bemerkenswerte Eigenschaft zu beweisen und dann die<br />

Eulersche Zahl zu berechen.<br />

BEWEIS der bemerkenswerten Eigenschaft. Wir denken uns α beliebig aber fest vorgegeben<br />

und betrachten die Funktionen<br />

( ) ( ) ( )<br />

g x = f α ⋅ x f x α<br />

.<br />

( x spielt nun also die Rolle von β ). Diese Funktion wird mit Hilfe der Produkt-, der Kettenund<br />

der allgemeinen Potenzregel abgeleitet:<br />

( ) ( ( α ) ) ( ) ( α ) ( )<br />

g ′ x = f ⋅ x ⋅ f x + f ⋅ x ⋅ f x<br />

−<br />

( )<br />

− α − α<br />

− α − α − 1<br />

= f ′ ( α ⋅ x ) α ⋅ f ( x ) + f ( α ⋅ x ) ⋅ ( − α ) f ( x ) f ′ ( x )<br />

− α − α − 1<br />

= f ( α ⋅ x ) α ⋅ f ( x ) + f ( α ⋅ x ) ⋅ ( − α ) f ( x ) f ( x ) , denn f = f<br />

− α − α − 1<br />

= α f ( α ⋅ x ) α ⋅ f ( x ) − α f ( α ⋅ x ) f ( x ) f ( x )<br />

− α − α<br />

= α f ( α ⋅ x ) α ⋅ f ( x ) − α f ( α ⋅ x ) f ( x )<br />

= 0<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

′<br />

′<br />


5 Gesucht wird ... 57<br />

Also ist g ′ ( x ) = 0 , die Funktion g ( x ) hat also überall nur waagerechte Tangen, steigt oder<br />

fällt also nirgendwo. Dies bedeutet: g ( x ) ist konstant: Es gibt eine Konstante c mit<br />

g ( x ) = c : Für alle x gilt<br />

( α ) ( )<br />

Setzt man hier speziell x = 0 ein, ergibt sich<br />

α<br />

f ⋅ x f x = c .<br />

( ) ( ) ( ) ( )<br />

− α − α − α<br />

c = f α ⋅ 0 f 0 = f 0 f 0 = 1 ⋅ 1 = 1 .<br />

−<br />

Also ist f ( α ⋅ x ) f ( x ) α<br />

= 1 Multipliziert man diese Gleichung mit f ( x )<br />

α ergibt sich<br />

f ( α ⋅ x ) = f ( x )<br />

α<br />

.<br />

Dies war zu beweisen. <br />

−<br />

5.2.3 Zusammenfassung<br />

Die Lösung des Anfangswertproblems f ′ ( x ) = f ( x ) , f ( 0 ) = 1 ist die durch<br />

x<br />

exp( x ) = e ,<br />

gegebene Exponentialfunktion, wobei e die Eulersche Zahl ist, die nun noch bestimmt<br />

werden muss.<br />

5.3 Die Eulersche Zahl<br />

Wir fragen uns, wie wir zur Eulerschen Zahl e gelangen können. Ganz anschaulich ginge<br />

x<br />

x = e an einem bekannten<br />

das so: Wir starten auf dem Funktionsgraph der Funktion exp ( )<br />

punkt – am besten am Punkt ( 0 | exp ( 0 ) ) = ( 0 |1 ) – und laufen von dort aus entlang des<br />

Funktionsgraphen zum Punkt ( 1| exp ( 1 ) ) = ( 1| e ) . Leider ist uns der Verlauf des Funktionsgraphen<br />

völlig unbekannt, da wir die Zahl e nicht kennen. Über die Ableitung wissen wir<br />

aber zumindest, welche Steigung die Tangenten an den verschiedenen Stellen haben<br />

müssen.<br />

Wegen exp ′ ( 0 ) = exp ( 0 ) = 1 wissen wir, dass wir im Punkt ( 0 | exp ( 0 ) ) = ( 0 |1 ) zunächst mit<br />

der Steigung 1 weitergehen müssen. Natürlich ändert sich die Steigung sofort, wenn wir<br />

weiter auf dem Graphen fortschreiten. Da wir hierüber aber nichts wissen, ignorieren wir<br />

diese Veränderungen zunächst und tun so, als wenn der Graph permanent die Steigung 1<br />

hätte, also eine Gerade wäre, die durch den Punkt ( 0 |1 ) läuft. Wenn wir auf dieser Gerade<br />

bis zur Stelle x = 1 gehen, erreichen wir den Punkt ( 1| 2 ) .<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

5 Gesucht wird ... 58<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 1<br />

Als erste Annäherung für die Zahl e haben wir deshalb e 1<br />

= 2 gefunden. Um einen genaueren<br />

Wert zu bekommen, überprüfen wir unsere Richtung an einer Zwischenstelle bei<br />

x = 1 2 . Hier befinden wir uns an der Stelle ( )<br />

die Tangentensteigung in diesem Punkt auch ungefähr 1,5. Wir korrigieren also unsere<br />

0,5 |1,5 . Also ist f ( 0,5 ) ≈ 1,5 und damit ist<br />

Steigung am Punkt ( 0,5 |1,5 ) und gehen ab hier mit der Steigung 1,5 weiter. Welchen<br />

Punkt erreichen wir bei x = 1 Hierzu stellen wir zunächst eine allgemeine Überlegung an:<br />

Angenommen, wir befinden uns in einem Punkt ( x<br />

0<br />

| y<br />

0 ) und bewegen uns von diesem<br />

entlang einer Geraden mit Steigung m um δ nach rechts; wie groß ist der Höhenunterschied<br />

h , der dabei überwunden wird<br />

( x + δ y + h )<br />

0 0<br />

h<br />

( x y )<br />

0 0<br />

Da die Steigung stets berechnet werden kann als überwundener Höhenunterschied geteilt<br />

durch überbrückte Strecke, ergibt sich<br />

h<br />

m = , δ<br />

also h = δ ⋅ m . Der neue Punkt hat also die y -Koordinate y 0<br />

+ δ m<br />

δ<br />

Gehen wir also vom Punkt ( 0,5 |1,5 ) um δ = 0,5 mit der Steigung m = 1,5 weiter, erreichen<br />

wir bei x = 1 die y -Koordinate 1,5 + 0,5 ⋅ 1,5 = 2,25 . Unsere zweite Näherung für e ist also<br />

e<br />

2<br />

= 2, 25 .<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

|<br />

|


5 Gesucht wird ... 59<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 0,5 1<br />

Nun machen wir nicht nur einen sondern zwei Zwischenschritte, nämlich bei 1 3 und 2 3 .<br />

Die Schrittweite ist also δ = 1 3 . Die Steigung, mit der wir an jedem Punkt weitergehen,<br />

stummt wegen exp ′ ( x ) = exp ( x ) immer mir dem y -Wert des Punktes überein, von dem<br />

aus wir losgehen. Wir erhalten die folgenden Zwischenpunkte:<br />

Start- y Steigung Ziel- x Ziel- y<br />

y<br />

y<br />

0<br />

= 1 m = 1<br />

1<br />

1<br />

y<br />

1<br />

= 1 + 3<br />

2<br />

1 <br />

= 1 + <br />

3 <br />

2<br />

1<br />

m = 1 + x<br />

2<br />

= 3<br />

1<br />

m = 1 +<br />

<br />

<br />

3 <br />

2<br />

1<br />

x =<br />

1 0<br />

3<br />

3<br />

1 x =<br />

2<br />

3<br />

y y δ m<br />

1 1 1 1<br />

1<br />

3 3<br />

= + = + ⋅ = +<br />

y = y + δ m<br />

2 1<br />

1 1 1 1 1 1 <br />

= 1 + + ⋅ 1 + = 1 + ⋅ 1 + = 1 + <br />

3 3 3 3 3 3 <br />

y = y + δ m<br />

3 2<br />

2 2 2 3<br />

1 1 1 1 1 1 <br />

= 1 + + ⋅ 1 + = 1 + ⋅ 1 + = 1 + <br />

3 3 3 3 3 3 <br />

2<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 0,5 1<br />

Bei x = 1 erreichen wir also die y -Koordinate ( 1 + 1 3 ) 3<br />

, unsere dritte Annäherung an e ist<br />

also<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

5 Gesucht wird ... 60<br />

e<br />

3<br />

3<br />

1 <br />

= 1 + = 2,3703<br />

3 <br />

Wir wiederholen das Verfahren nochmals mit Schrittweite δ = 1 4 , also Zwischenschritten<br />

bei x 1<br />

= 1 4 , x 2<br />

= 2 4 und x 3<br />

= 3 4 :<br />

.<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 0,25 0,5 0,75 1<br />

Die Zwischenpunkte halten wir wieder in Form einer Tabelle fest:<br />

Start- y Steigung Ziel- x Ziel- y<br />

y<br />

y<br />

y<br />

0<br />

= 1 m = 1<br />

1<br />

1<br />

y<br />

1<br />

= 1 + 4<br />

2<br />

3<br />

1 <br />

= 1 + <br />

4 <br />

1 <br />

= 1 + <br />

4 <br />

2<br />

3<br />

1<br />

m = 1 + x<br />

2<br />

= 4<br />

1<br />

m = 1 +<br />

<br />

<br />

4 <br />

1<br />

m = 1 +<br />

<br />

<br />

4 <br />

2<br />

3<br />

1<br />

x =<br />

1 0<br />

4<br />

x =<br />

3<br />

4<br />

1 x =<br />

2<br />

4<br />

3<br />

4<br />

y y δ m<br />

1 1 1 1<br />

1<br />

4 4<br />

= + = + ⋅ = +<br />

y = y + δ m<br />

2 1<br />

1 1 1 1 1 1 <br />

= 1 + + ⋅ 1 + = 1 + ⋅ 1 + = 1 + <br />

4 4 4 4 4 4 <br />

y = y + δ m<br />

3 2<br />

2 2 2 3<br />

1 1 1 1 1 1 <br />

= 1 + + ⋅ 1 + = 1 + ⋅ 1 + = 1 + <br />

4 4 4 4 4 4 <br />

y = y + δ m<br />

4 2<br />

3 3 3 4<br />

1 1 1 1 1 1 <br />

= 1 + + ⋅ 1 + = 1 + ⋅ 1 + = 1 + <br />

4 4 4 4 4 4 <br />

2<br />

Bei x = 1 erreichen wir also die y -Koordinate ( 1 + 1 4 ) 4<br />

, unsere vierte Annäherung an e ist<br />

also<br />

e<br />

4<br />

4<br />

1 <br />

= 1 + ≈ 2, 44140625<br />

4 <br />

.<br />

Wir können dieses Verfahren nun mit Schrittweite δ = 1 5 , δ = 1 6 , δ = 1 7 usw. fortsetzen<br />

und erhalten analog zu vorher die Näherungen<br />

e<br />

5<br />

5<br />

1 <br />

= 1 + = 2,48832<br />

5 <br />

,<br />

e<br />

6<br />

6<br />

1 <br />

= 1 + ≈ 2,521626372<br />

6 <br />

,<br />

e<br />

7<br />

7<br />

1 <br />

= 1 + ≈ 2,546499697<br />

7 <br />

Allgemein ergibt sich also: Bei Schrittweite δ = 1 n liefert das Verfahren die Approximation<br />

.<br />

Burghardt – RWB 10/11


5 Gesucht wird ... 61<br />

e n<br />

= 1 +<br />

<br />

<br />

.<br />

Den genauen Wert für e erhält man wiederum durch einen Grenzübergang, und zwar<br />

diesmal, indem man untersucht, welcher Zahl sich dieser Ausdruck immer weiter annähert,<br />

wenn n immer größer wird oder, wie man in der Mathematik sagt, gegen unendlich<br />

strebt:<br />

1<br />

n<br />

n<br />

1 <br />

e = lim 1 + <br />

n →∞<br />

n <br />

n<br />

In einem Leistungskurs könnten wir jetzt untersuchen, dass dieser Grenzwert wirklich<br />

existiert. Hier begnügen wir uns damit, die Zahl e mit den ersten Nachkommastellen anzugeben<br />

(Die Zahl e ist wie die Zahl 2 keine rationale Zahl, also nicht abbrechend und<br />

nicht periodisch):<br />

5.4 Übungen<br />

5.4.1 Zeichnen Sie die Graphen der durch die folgenden Gleichungen gegebenen Exponentialfunktionen<br />

über den angegebenen Bereichen.<br />

a) f ( x ) = 2 x für x ∈ [ − 3 | 3 ]<br />

d) f ( x )<br />

b) f ( x )<br />

1 <br />

= <br />

2<br />

x<br />

für [ ]<br />

1 <br />

= <br />

3 <br />

x<br />

für x ∈ [ − 3 | 3 ]<br />

x ∈ − 3 | 3<br />

e) f ( x ) = 1,5x für x ∈ [ − 5 | 5 ]<br />

c) f ( x ) = 3 x<br />

x<br />

für x ∈ [ − 3 | 3 ]<br />

f) f ( x ) = e für x ∈ [ − 3 | 3 ]<br />

x<br />

5.4.2 Beschreiben Sie den Verlauf des Graphen der durch f ( x ) = b gegebenen Exponentialfunktionen<br />

für b > 1 , b = 1 und 0 < b < 1 .<br />

5.4.3 Bestimmen Sie die Ableitungen der durch die folgenden Gleichungen gegebenen<br />

Funktionen.<br />

a) f ( x ) = 2 e<br />

x<br />

2x<br />

2x<br />

f) f ( x ) = e<br />

k) f ( x ) = xe<br />

x<br />

x 1<br />

b) f ( x ) = xe<br />

g) f ( x ) e +<br />

c) f ( x ) = ( x − 1 ) e<br />

x<br />

h) ( )<br />

5 2<br />

d) f ( x ) ( 3 x 6 x 5 ) e<br />

x<br />

f x e<br />

= − + i) ( )<br />

x<br />

e) f ( x ) = e −<br />

j) ( )<br />

= l) ( )<br />

f x = xe − x<br />

= x<br />

2<br />

m) f ( x ) = ( x − 1 ) e<br />

x<br />

f x e + +<br />

x 2 x 1<br />

= n) ( ) ( )<br />

f x e − + +<br />

= x x 1<br />

3 5 o) ( )<br />

x<br />

4 3<br />

f x = − x 3 + x − 1 5 e x 2<br />

x<br />

2<br />

f x = e<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 62<br />

6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse<br />

6.1 Untersuchung von Exponentialfunktionen<br />

Bei einfachen Wachstumsprozessen wächst ein Wert je Zeiteinheit um einen konstanten<br />

Betrag. Spart ein Kind etwa jede Woche einen Euro in seinem Sparschwein, so nimmt der<br />

Inhalt des Sparschweins jede Woche um den konstanten Betrag „1 €“ zu.<br />

Anders sieht es aus, wenn ein Geldbetrag auf einem Sparkonto durch Verzinsung anwächst.<br />

Zinsen werden in der Regel abhängig vom Guthaben gezahlt: Jährlich vergütet<br />

die Bank oder Sparkasse das Guthaben, indem dem Sparer ein bestimmter Anteil des<br />

Guthabens gezahlt wird, meist indem dieser Betrag dem Sparkonto gutgeschrieben wird.<br />

Die Höhe des Anteils wird in der Regel in Prozent des Guthabens angegeben: Bei einem<br />

jährlichen Zinssatz von 3 %, werden dem Sparer 3 % seines Guthabens als Zinsen gutgeschrieben.<br />

Ein Guthaben von 100 € nimmt um 3 € zu, ein Guthaben von 200 € dagegen<br />

um 6 €. Je Höher das Guthaben ist, desto höher ist der jährliche Zuwachs. Da die Zinsen<br />

dem Konto gutgeschrieben werden, erhöht sich das Guthaben und – sofern keine Auszahlungen<br />

erfolgen – ist deshalb der Wertzuwachs im nächsten Jahr höher als im Vorjahr.<br />

Die zuletzt erwähnten Wachstumsprozesse werden auch als exponentielle Wachstumsprozesse<br />

bezeichnet. Neben einfachen Prozessen wie dem eben beschriebenen – der so<br />

genannten Zinseszinsrechnung – gibt es auch kompliziertere, bei denen zum Beispiel<br />

zwei oder mehrere exponentielle Prozesse gegenseitig wechselwirken – ein Prozess führt<br />

zu einer Zunahme des Bestands, ein gegenläufiger anderer zu einer Reduktion – oder bei<br />

denen das Wachstum durch eine Kapazitätsgrenze beschränkt ist. Ein Beispiel für gegenseitig<br />

wechselwirkende Prozesse ist zum Beispiel die Aufnahme in und die Abgabe aus<br />

dem Körper eines Medikaments, das als Tablette eingenommen wurde: Je Zeiteinheit<br />

geht ein bestimmter Prozentsatz des Medikaments aus dem Darm in den Körper über<br />

(Zunahme der Wirkstoffmenge im Körper), zugleich wird aber auch ein bestimmter Prozentsatz<br />

des bereits aufgenommenen Medikaments wieder aus dem Körper abgeschieden<br />

(Abnahme der Wirkstoffmenge im Körper). Durch eine Kapazitätsgrenze beschränktes<br />

Wachstum liegt zum Beispiel vor, wenn sich eine Infektionskrankheit in einer Population<br />

ausbreitet: Die Anzahl der Erkrankten ist durch die Größe der Population beschränkt,<br />

durch zum Beispiel Isolation der Erkrankten wird die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung<br />

bei zunehmender Zahl der Erkrankten geringer.<br />

Der moderne Ansatz, exponentielle Wachstumsprozesse zu untersuchen, involviert in der<br />

Regel die Exponentialfunktion exp zur Basis e , da dann eine Untersuchung des Verlaufs<br />

des exponentiellen Prozesses wegen der unkomplizierten Differenzierbarkeit von exp einfacher<br />

durchgeführt werden kann als im Fall einer anderen Basis. Wir wollen deshalb zunächst<br />

exemplarisch zeigen, wie Kurvenuntersuchungen bei Funktionen ablaufen können,<br />

die die Exponentialfunktion involvieren.<br />

6.1.1 Funktionsuntersuchung ( )<br />

f x = e − x<br />

Nullstellenbestimmung: Weil die Exponentialfunktion exp keine Nullstelle hat, hat auch f<br />

keine Nullstelle.<br />

Berechnung der Ableitungen.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

2<br />

2<br />

2<br />

2<br />

2


6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 63<br />

• ( )<br />

f ′ x = − 2 x ⋅ e − x<br />

• f ′′ ( x ) = − 2 ⋅ e − x − 2 x ⋅ ( − 2 ) xe − x = ( − 2 + 4 x 2 ) e<br />

−<br />

x<br />

2 2 2<br />

• ′′′ ( ) = 8 + ( − 2 + 4 ) ⋅ ( − 2 ) = ( 12 − 8 )<br />

f x xe x xe x x e<br />

− x 2 − x 3 − x<br />

2 2 2<br />

Bestimmung der Hoch- und Tiefpunkte.<br />

• Berechnung der kritischen Stellen: ( )<br />

− x<br />

f ′ x = 0 ⇔ − 2 x ⋅ e = 0 ⇔ x = 0 , wegen der Nullteilerfreiheit<br />

der reellen Zahlen und weil die Exponentialfunktion exp keine Nullstelle<br />

hat.<br />

• Überprüfen der zweiten Ableitung: f ′′ ( 0 ) = − 2 < 0 H ( 0 |1 )<br />

Bestimmung der Wendepunkte.<br />

• Notwendiges Kriterium:<br />

• ( ) ( )<br />

2 − x<br />

2<br />

f ′′ x = 0 ⇔ − 2 + 4 x e = 0 ⇔ − 2 + 4 x = 0 ⇔ x = ± 0,5 ≈ ± 0,707 , wegen der Nullteilerfreiheit<br />

der reellen Zahlen und weil die Exponentialfunktion exp keine Nullstelle<br />

hat.<br />

• Hinreichendes Kriterium:<br />

f ′′′ ( − 0,707 ) = − 3, 43 < 0 LRW ( − 0,707 | 0,607 )<br />

( 0,707 ) 3, 43 0 RLW ( 0,707 | 0,607 )<br />

f ′′′ = > <br />

Zur Kontrolle ist der Funktionsgraph hier skizziert:<br />

1,2<br />

1<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0<br />

-4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4<br />

-0,2<br />

3 x<br />

6.1.2 Funktionsuntersuchung f ( x ) = x e −<br />

Nullstellenbestimmung: ( )<br />

3<br />

− x<br />

f x = 0 ⇔ x e = 0 ⇔ x = 0 , wegen der Nullteilerfreiheit der<br />

Menge der reellen Zahlen und weil die Exponentialfunktion exp keine Nullstellen hat.<br />

Berechnung der Ableitungen.<br />

f ′ x = 3 x 2 e − x 3 e = 3 x 2 − x 3 e<br />

• ( ) − x − x x<br />

( )<br />

−<br />

• ( ) ( 2 x<br />

) ( 2 3 x<br />

6 3 3 ) ( 6 6<br />

2 3 x<br />

f ′′ x = x − x e − − x − x e − = x − x + x ) e<br />

−<br />

• ′′′ ( ) = ( 6 − 12 + 3 2 ) − ( 6 − 6 2 + 3 ) = ( 6 − 18 + 9<br />

2 −<br />

3<br />

)<br />

f x x x e x x x e x x x e<br />

− x − x − x<br />

Bestimmung der Hoch und Tiefpunkte.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 64<br />

• Berechnung der kritischen Stellen:<br />

2 3 − x 2 3 2<br />

f ′ x = 0 ⇔ 3 x − x e ⇔ 3 x − x = 0 ⇔ x 3 − x = 0 ⇔ x = 0 oder x = 3<br />

( ) ( ) ( )<br />

• Überprüfen der zweiten Ableitung: f ′′ ( 0 ) = 0 , es ist also keine Aussage möglich, es<br />

muss der Vorzeichenwechsel durchgeführt werden:<br />

Da kein Vorzeichenwechsel vorliegt, liegt bei x = 0 weder ein Hoch- noch ein Tiefpunkt.<br />

f ′′ ( 3 ) = − 0, 448 < 0 H = ( 3 |1,344 ) ist ein Hochpunkt<br />

0<br />

− 1<br />

1<br />

Bestimmung der Wendepunkte<br />

• Notwendiges Kriterium:<br />

2 3 2<br />

( ) ( ) ( )<br />

− x<br />

f ′′ x = 0 ⇔ 6 x − 6 x + x e = 0 ⇔ x 6 − 6 x + x = 0<br />

Eine mögliche Stelle ist x 1<br />

= 0 , die anderen ergeben sich aus<br />

x<br />

2<br />

= 4,732 und x 3<br />

= 1, 268 .<br />

• Hinreichendes Kriterium:<br />

f ′′′ ( 0 ) = 6 > 0 RLW ( 0 | 0 )<br />

( 1,268 ) 1,236 0 LRW ( 1,268 | 0,574 )<br />

f ′′′ = − < <br />

( 4,732 ) 0,144 0 RLW ( 4,732 | 0,933 )<br />

f ′′′ = > <br />

Zur Kontrolle ist der Funktionsgraph hier skizziert:<br />

2<br />

x x<br />

− 6 + 6 = 0 zu<br />

2<br />

1<br />

0<br />

-1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

-1<br />

-2<br />

-3<br />

5 2<br />

6.1.3 Funktionsuntersuchung f ( x ) = e − − e<br />

−<br />

x x<br />

Nullstellenbestimmung.<br />

Wir formen die Gleichung f ( x ) = 0 so lange um, bis alle Terme mit x auf der einen und<br />

alle Terme ohne x auf der anderen Seite des Gleichheitszeichen sind:<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

2<br />

2<br />

2


6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 65<br />

( )<br />

f x<br />

= 0<br />

e − e = 0 + e<br />

− 5 x − 2 x − 2 x<br />

e<br />

e = e ⋅ e<br />

3<br />

− 5 x − 2 x 2 x<br />

e ⋅ e = 5 e ⋅ e<br />

− 5 x 2 x − 2 x 2 x<br />

e = e<br />

− 5 x + 2 x − 2 x + 2 x<br />

x<br />

=<br />

3 x<br />

Zu lösen ist jetzt die Gleichung e = 1 , eine Gleichung, in der die Unbekannte im Exponenten<br />

steht. Eine derartige Gleichung heißt Exponentialgleichung. Wir unterbrechen<br />

die Untersuchung der durch ( )<br />

5 2<br />

1<br />

− x − x<br />

f x = e − e gegebenen Funktion hier und widmen uns<br />

zunächst dem Verfahren zu, das bei der Lösung von Exponentialgleichungen erste Wahl<br />

ist.<br />

6.2 Der natürliche Logarithmus<br />

6.2.1 Grundlegende Eigenschaften und Logarithmengesetze<br />

Die Gleichung<br />

3 x<br />

e = 1 bedeutet, dass nach Ausführung der Exponentialfunktion mit dem<br />

Argument 3x der Wert 1 heraus kommt. Um die Gleichung lösen zu können, wäre es vorteilhaft,<br />

über eine Operation, ein Verfahren, eine Funktion zu verfügen, die die Ausführung<br />

der Exponentialfunktion rückgängig macht. Würde man nämlich diese Funktion auf die<br />

Gleichung<br />

3 x<br />

e = 1 anwenden, stünde auf der linken Seite nur noch der Term 3x , und man<br />

könnte die Gleichung dann leicht nach x auflösen. Diese Funktion gibt es: Es ist der natürliche<br />

Logarithmus ln . Die wichtigste Eigenschaft des natürlichen Logarithmus ist:<br />

Der natürliche Logarithmus und die Exponentialfunktion exp sind invers zueinander, sie<br />

heben sich gegenseitig auf. Dies bedeutet:<br />

• ln e x = x für alle x<br />

•<br />

ln x<br />

e = x für alle x > 0 .<br />

Für das Rechnen mit dem natürlichen Logarithmus gelten außerdem die folgenden<br />

Regeln, die für jeden Logarithmus gelten, und deshalb Logarithmengesetze heißen:<br />

• ln ( a ⋅ b ) = ln ( a ) + ln ( b ) für alle a , b > 0<br />

a <br />

= −<br />

b <br />

ln a b b ln a<br />

• ln ln ( a ) ln ( b )<br />

• ( ) ( )<br />

für alle a , b > 0<br />

= ⋅ für alle a > 0 und jedes b .<br />

5 2<br />

6.2.2 Fortsetzung der Funktionsuntersuchung f ( x ) = e − − e<br />

−<br />

x x<br />

Die Nullstellen ergeben sich aus der Gleichung<br />

3 x<br />

e = 1 .<br />

3 x<br />

e = 1<br />

Standardverfahren: Auf beiden Seiten den Logarithmus anwenden!<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 66<br />

3 x<br />

e =<br />

2,5 ln<br />

ln e 3 x<br />

= ln1 Auf der linken Seite wird angewendet, dass ln und exp invers<br />

zueinander sind, sich also gegenseitig aufheben.<br />

3 x = ln1 Jetzt kann durch 3 geteilt werden.<br />

3 x = ln1 : 3<br />

x = ln1<br />

=<br />

3<br />

0<br />

Die einzige Nullstelle ist also x = 0 .<br />

Berechnung der Ableitungen.<br />

x x<br />

f ′ x = − 5 e − + 2 e<br />

−<br />

• ( )<br />

5 2<br />

f ′′ x = 25 e − 4 e<br />

5 2<br />

• ( ) − −<br />

x x<br />

f ′′′ x = − 125 e − + 8 e<br />

−<br />

• ( )<br />

5 2<br />

x x<br />

Bestimmung der Hoch- und Tiefpunkte.<br />

• Berechnung der kritischen Stellen:<br />

( )<br />

f ′ x =<br />

− 5 e + 2 e = 0 + 5 e<br />

0<br />

− 5 x − 2 x − 5 x<br />

e<br />

2 e = 5 e ⋅ e<br />

− 2 x − 5 x 5 x<br />

2 e ⋅ e = 5 e ⋅ e<br />

− 2 x 5 x − 5 x 5 x<br />

2 e = 5 e<br />

− 2 x + 5 x − 5 x + 5 x<br />

3 x<br />

2 e<br />

= 5 : 2<br />

3<br />

x<br />

2,5 ln<br />

3 x<br />

ln e<br />

= ln 2,5<br />

3 x<br />

= ln 2,5 : 3<br />

x<br />

=<br />

= ln 2,5<br />

=<br />

3<br />

0,305<br />

Die einzige kritische Stelle ist also x = 0,305<br />

• Überprüfen der zweiten Ableitung: f ′′ ( 0,305 ) = 3,267 < 0 T = ( 0,305 | − 0,326 ) ist ein<br />

Tiefpunkt.<br />

Bestimmung der Wendepunkte.<br />

• Notwendiges Kriterium:<br />

Burghardt – RWB 10/11


6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 67<br />

( )<br />

f ′′ x =<br />

0<br />

25 e − 4 e = 0 + 4 e<br />

− 5 x − 2 x − 2 x<br />

e<br />

25 e = 4 e ⋅ e<br />

− 5 x − 2 x 2 x<br />

25 e = 4 e<br />

− 5 x + 2 x − 2 x + 2 x<br />

− 3 x<br />

25 e<br />

= 4 : 25<br />

− 3 x<br />

= 0,16 ln<br />

( )<br />

− 3 = ln 0,16 : − 3<br />

x<br />

x<br />

= 0,611<br />

• Hinreichendes Kriterium: f ′′′ ( 0,611 ) = − 3,533 < 0 LRW ( 0,611| − 0, 248 )<br />

Zur Kontrolle ist der Funktionsgraph hier skizziert:<br />

2<br />

1,5<br />

1<br />

0,5<br />

0<br />

-0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4<br />

-0,5<br />

6.2.3 Die Ableitung des natürlichen Logarithmus’<br />

Wir werden den natürlichen Logarithmus hauptsächlich als Hilfsmittel bei der Lösung von<br />

Exponentialgleichungen verwenden. Durch f ( x ) = ln x ist aber auch eine Funktion gegeben,<br />

die jedoch nur für positive x definiert ist. Ihr Funktionsgraph ist hier gezeichnet:<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

-1<br />

0 5 10 15 20 25 30<br />

-2<br />

-3<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 68<br />

Die Funktion f ist differenzierbar. Um die Ableitung zu bestimmen, betrachten wir die<br />

f ( x )<br />

durch g ( x ) e<br />

( )<br />

g ′ ( x ) = f ′ ( x ) ⋅ e<br />

f x<br />

. Dies formen wir weiter um: ( ) ( )<br />

Andererseits ist ( )<br />

= gegebene Funktion. Wir leiten g mit der Kettenregel ab:<br />

ln<br />

( ) ( )<br />

f ( x )<br />

x<br />

g ′ x = f ′ x ⋅ e = f ′ x ⋅ e = f ′ x ⋅ x .<br />

f ( x ) ln x<br />

g x = e = e = x , sodass g ′ ( x ) = 1 sein muss. Setzen wir beides zusammen,<br />

erhalten wir f ′ ( x ) ⋅ x = 1 . Indem wir hier durch x teilen, erhalten wir f ′ ( x ) = 1 x .<br />

Die Ableitung des natürlichen Logarithmus, f ( x ) ln x<br />

= , ist f ( x )<br />

1<br />

′ = .<br />

x<br />

6.3 Beispiele für Wachstumsprozesse<br />

6.3.1 Malthusianischer Ansatz<br />

Einer der mathematisch einfachsten Ansätze, die zukünftige Entwicklung der Bevölkerung<br />

eines Landes zu prognostizieren, geht auf Thomas Robert Malthus (geboren 13. Februar<br />

1766, gestorben 29. Dezember 1834) zurück. Eine moderne Form, seinen Ansatz mathematisch<br />

zu formulieren, involviert die Exponentialfunktion zur Basis e .<br />

Angenommen, im Augenblick leben in einem Staat N 0<br />

Menschen. Um zu prognostizieren,<br />

wie viele Menschen nach 1 Jahr, 2 Jahren, 3 Jahren usw. leben werden, wird zunächst die<br />

Geburtenrate<br />

b =<br />

Anzahl der Geburten je Jahr<br />

N<br />

0<br />

und die Todesfallrate<br />

d =<br />

Anzahl der Todesfälle je Jahr<br />

N<br />

0<br />

ermittelt. r = b − d ist dann die Wachstumsrate der Bevölkerung. Im Malthuisanischen Ansatz<br />

wird nun die Bevölkerungsanzahl nach x Jahren mit Hilfe der durch<br />

( ) 0<br />

f x = N e<br />

rx<br />

gegebenen Funktion prognostiziert. Im Fall r > 0 wird auf diese Weise eine ständig stärker<br />

zunehmende die Bevölkerungszahl prognostiziert: Der Funktionsgraph von f für<br />

rx<br />

x ≥ 0 nämlich streng monoton wachsend, denn f ′ ( x ) = N<br />

0<br />

re > 0 , und eine Linkskurve,<br />

denn ( )<br />

2<br />

rx<br />

f ′′ x = N<br />

0<br />

r e > 0 . Im Fall r < 0 wird auf diese Weise eine immer weiter abnehmende<br />

Bevölkerungszahl prognostiziert: Der Funktionsgraph von f für x ≥ 0 nämlich<br />

rx<br />

streng monoton fallend, denn f ′ ( x ) = N<br />

0<br />

re < 0 .<br />

Burghardt – RWB 10/11


6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 69<br />

6.3.2 Logistisches Wachstum<br />

Die Annahme, dass Populationen unbeschränkt wachsen, erweist sich in der Realität zumindest<br />

auf lange Sicht in der Regel als irrig. Meist schieben Ressourceneinschränkungen<br />

(mangelnder Lebensraum, ungenügendes Nahrungsangebot bei zu großer Bevölkerungszahl<br />

usw.) dem ungebremsten Wachstum einen Riegel vor. So existiert in der Regel eine<br />

Kapazitätsgrenze K , die die Größe der Population nach oben beschränkt. Eine Möglichkeit,<br />

die zukünftige Entwicklung unter dieser Rahmenbedingung zu prognostizieren, ist die<br />

durch<br />

( )<br />

f x<br />

K<br />

= 1 + ( K N − 0<br />

1 ) ⋅ e −<br />

rx<br />

gegebene Funktion. r ist hierbei die Wachstumsrate, für deren Bestimmung die Kapazitätseinschränkungen<br />

nicht berücksichtigt wird. Der typische Verlauf der Funktion f ist hier<br />

dargestellt:<br />

K<br />

N 0<br />

Beispiel. 3 Für die Entwicklung der Bevölkerungszahl der Vereinigten Staaten von Amerika<br />

gemessen in Millionen kann ein logistisches Wachstum gemäß der durch<br />

265<br />

( )<br />

0,03<br />

f x<br />

=<br />

1 + 69 ⋅<br />

gegebenen Funktion angenommen werden. Hierbei entspricht x = 0 dem Jahr 1790. Das<br />

folgende Diagramm stellt den Graphen der Funktion f und die tatsächlichen Bevölkerungszahlen<br />

von 1790 bis 1990 (also für x = 0 bis x = 200 ) gegenüber:<br />

e −<br />

x<br />

3<br />

Siehe Brauer, Castillio-Chávez, Mathematical Models in Population Biology and Epidemiology,<br />

Springer, 2001<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 70<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200<br />

-50<br />

Wir wollen bestimmen, in welchem Jahr das Wachstum der Bevölkerung am größten ist.<br />

Hierzu muss der Wendepunkt der Funktion bestimmt werden. Um unsere Ableitungsregeln<br />

anwenden zu können, formen wir den Funktionsterm zunächst um:<br />

f x 265<br />

0,03 x<br />

1 69 e<br />

e<br />

−<br />

+ ⋅<br />

( ) = = 0,03<br />

265 ⋅ − x<br />

−<br />

( 1 + 69 ⋅ ) 1<br />

Wir bilden die ersten zwei Ableitungen:<br />

( ) 265 ( 1 )( 1 69 ) 69 ( 0,03 ) 548,55 ( 1 69 )<br />

− 0,03 x<br />

− 2<br />

− 0,03 x − 0,03 x<br />

− 2<br />

− 0,03 x<br />

f ′ x = ⋅ − + ⋅ e ⋅ ⋅ − e = ⋅ + ⋅ e e<br />

− 0,03 x − 0,03 x − 0,03 x − 0,03 x − 0,03 x <br />

− 3 − 2<br />

( ) 548,55 2 ( 1 69 ) 69 ( 0,03 ) ( 1 69 ) ( 0,03 )<br />

f ′′ x = ⋅<br />

<br />

− + ⋅ e ⋅ ⋅ − ⋅ e e + + ⋅ e ⋅ − e<br />

<br />

( ) ( )<br />

16, 4565 138 1 69 e e 1 69 e e<br />

− 0,03 x<br />

− 3<br />

− 0,03 x − 0,03 x<br />

− 2<br />

− 0,03 x<br />

= − ⋅<br />

<br />

− + ⋅ ⋅ + + ⋅<br />

<br />

⋅<br />

<br />

− 0,03 x <br />

− 138 ⋅ e<br />

1<br />

= − 16, 4565 ⋅ + ⋅<br />

−<br />

3<br />

( 1 69 0,03 x −<br />

) ( 1 69<br />

0,03 x<br />

2<br />

+ ⋅ e + ⋅ e )<br />

<br />

<br />

Der Ansatz f ′′ ( x ) = 0 führt dann auf<br />

e<br />

− 0,03<br />

138 e<br />

1<br />

− x − x<br />

( 1 + 69 ⋅ e ) ( 1 + 69 ⋅ e )<br />

−<br />

− ⋅<br />

3 2<br />

0,03 0,03<br />

− 0,03 x − 0,03 x<br />

138 e 1 69 e<br />

0 1<br />

e −<br />

0,03<br />

x<br />

− 0,03<br />

( e )<br />

( )<br />

− 0,03<br />

69 e<br />

1 : 69<br />

0,03<br />

+ = 0 ⋅ 1 + 69 ⋅<br />

− ⋅ + + ⋅ = −<br />

− ⋅ = − −<br />

0,014492753 ln<br />

3<br />

( )<br />

− 0,03 x<br />

= ln 0,014492753 : − 0,03<br />

x<br />

= 141,137<br />

Überprüfen mit Hilfe des Vorzeichenwechselkriteriums für Wendepunkte (dies erspart das<br />

noch umständlichere Berechnen der dritten Ableitung) zeigt, dass bei x = 141,137 ein<br />

Links- Rechts-Wendepunkt vorliegt. Also für ungefähr 141 Jahre nach 1790, das heißt für<br />

das Jahr 1931, wird der größte Bevölkerungszuwachs prognostiziert.<br />

=<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

x<br />

x<br />

x<br />

x


6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 71<br />

6.3.3 Die Bateman-Funktion<br />

Viele Medikamente werden in Form von Tabletten, Kapseln, Pillen, als Tropfen oder als<br />

Saft oral verabreicht (also geschluckt). Die wirksamen Substanzen werden nach der Einnahme<br />

über Magen- und Darmwand vom Körper absorbiert (aufgenommen). Dort werden<br />

sie um- und abgebaut und ausgeschieden. Dieser Vorgang wird Elimination genannt.<br />

Der Anteil der Wirkstoffe, der je Zeiteinheit absorbiert wird, wird Absorptionskonstante genannt.<br />

Die Eliminationskonstante gibt an, welcher Anteil der im Körper vorhandenen<br />

Arzneiwirkstoffe je Zeiteinheit eliminiert wird. Um zu berechnen, wie viel Arzneiwirkstoff x<br />

Zeiteinheiten nach der Einnahme noch im Körper ist, kann man oft die durch<br />

a<br />

f x = D ⋅ ⋅ e − e<br />

a − b<br />

− bx − ax<br />

( ) ( )<br />

gegebene Funktion verwenden. Hierbei ist<br />

• D die eingenommene Dosis (Menge) des Medikaments;<br />

• a die Absorptionskonstante;<br />

• b die Eliminationskonstante.<br />

f ist eine vereinfachte Variante der Bateman-Funktion 4 , die in der Pharmakokinetik 5 angewendet<br />

wird.<br />

Ein oral verabreichtes Medikament ist zum Beispiel Metformin, das zur Behandlung von<br />

Typ-II-Diabetes dient. Metformin wird insbesondere bei Typ-II-Diabetikern mit Übergewicht<br />

eingesetzt. Die Blutzucker regulierende Wirkung von Metformin beruht auf der Hemmung<br />

der Glucose-Neubildung in der Leber und möglicherweise auf einer Hemmung der<br />

Resorption von Glucose im Darm sowie einer Beschleunigung der Aufnahme von Glukose<br />

in die Muskelzellen.<br />

Wir wollen untersuchen, wie sich die Metforminkonzentration im Körper eines Patienten in<br />

den Stunden nach der Einnahme von 1000 mg Wirkstoff entwickelt. Dabei gehen wird<br />

davon aus, dass die Entwicklung mithilfe der Bateman-Funktion berechnet werden kann,<br />

wobei die Absorptionskonstante a = 0,7 und die Eliminationskonstante b = 0,2 ist.<br />

Die Bateman-Funktion lautet dann<br />

0,7<br />

1000 1400<br />

( ) ( 0,2 x 0,7 x<br />

) ( 0,2 x 0,7 x<br />

)<br />

− − − −<br />

f x = ⋅ ⋅ e − e = ⋅ e − e<br />

0,7 − 0,2<br />

.<br />

Eine Stunde nach der Einnahme beträgt die Metforminmenge<br />

0,2 0,7<br />

( ) ( )<br />

− −<br />

f 1 = 1400 ⋅ e − e = 451,004 mg,<br />

zwölf Stunden nach der Einnahme<br />

0,2 12 0,7 12<br />

( ) ( )<br />

− ⋅ − ⋅<br />

f 12 = 1400 ⋅ e − e = 126,69 mg<br />

4 Harry Bateman (geboren 28. Oktober 1882, gestorben 21. Januar 1946)<br />

5<br />

Pharmakokinetik = Lehre von den Konzentrationsveränderungen der Arzneistoffe im Organismus in<br />

Abhängigkeit von der Zeit<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 72<br />

und 24 Stunden nach der Einnahme<br />

0,2 24 0,7 24<br />

( ) ( )<br />

− ⋅ − ⋅<br />

f 24 = 1400 ⋅ e − e = 10, 425 mg.<br />

Um die größte Metforminmenge im Körper und den Zeitpunkt, zu dem diese vorliegt, zu<br />

bestimmen, berechnen wir den Hochpunkt der Funktion:<br />

Ableitungen:<br />

0,2 x 0,7 x<br />

• f ′ ( x ) = 1400 ⋅ ( − 0, 2 e − + 0,7 e<br />

−<br />

)<br />

0,2 x 0,7 x<br />

• f ′′ ( x ) = 1400 ⋅ ( 0,04 e − − 0, 49 e<br />

−<br />

)<br />

Kritische Stellen:<br />

− 0,2 x − 0,7 x<br />

0 = 1400 ⋅ − 0,2 e + 0,7 e :1400<br />

( )<br />

0 = − 0, 2 e + 0,7 e ⋅ e<br />

− 0,2 x − 0,7 x 0,7 x<br />

e<br />

0 = − 0, 2 ⋅ e + 0,7 + 0, 2 ⋅ e<br />

0,5 x<br />

0, 2 0,7 : 0, 2<br />

0,5<br />

x<br />

⋅ e =<br />

=<br />

3,5 ln<br />

0,5 x 0,5 x<br />

0,5 x = 1,252762968 : 0,5<br />

x = 2,506<br />

Überprüfen der zweiten Ableitung:<br />

− 0,2 ⋅ 2,506 − 0,7 ⋅ 2,506<br />

f ′′ 2,506 = 1400 ⋅ 0,04 e − 0,49 e = − 84,78 < 0<br />

( ) ( )<br />

Also ist ( 2,506 | 605,861 ) ein Hochpunkt, sodass die höchste Metforminmenge nach rund<br />

2½ Stunden erreicht ist und 605,861 mg beträgt.<br />

Der Graph der Funktion über 24 Stunden ergibt sich aus der Wertetabelle:<br />

x 0 4 8 12 16 20 24<br />

f ( x )<br />

0 543,926 277,478 126,69 57,048 25,641 11,522<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

0 4 8 12 16 20 24<br />

Burghardt – RWB 10/11


6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 73<br />

Ein wichtiger Begriff im Rahmen der Untersuchung von Arzneimittelkonzentrationen ist die<br />

therapeutische Konzentration: Mit therapeutischer Konzentration bezeichnet man die<br />

Arzneimenge, die im Körper sein muss, damit das Medikament wirkt. Angenommen, diese<br />

liege für Metformin bei 20 mg. Innerhalb welcher Zeitspanne nach der Einnahme übt das<br />

Medikament dann seine blutzuckerregulierende Wirkung aus Man sieht leicht, dass der<br />

Ansatz<br />

0,2 x 0,7 x<br />

( ) ( )<br />

− −<br />

f x = 20 ⇔ 1400 ⋅ e − e = 20<br />

nicht nach x aufgelöst werden kann, da es nicht gelingt, die beiden Exponentialfunktionen<br />

zu einer zu vereinfachen. Die Lösungen werden deshalb mit Hilfe des Newton-Verfahrens<br />

bestimmt. Die Funktion f nimmt den angegebenen Wert zweimal an: Einmal vor Erreichen<br />

des Hochpunktes (also für ein x < 2,506 ) und einmal nach Erreichen des Hochpunktes<br />

(also für ein x > 2,506 ) . Als Startwerte für das Newton-Verfahren können wir deshalb<br />

zum Beispiel einmal x 0<br />

= 0 und einmal x 0<br />

= 20 nehmen (letzteres, da nach der<br />

Wertetabelle f ( 20 ) ≈ 20 ist). Zuerst muss der Ansatz f ( x ) = 20 auf ein Nullstellenproblem<br />

transformiert werden:<br />

0,2 x 0,7 x 0,2 x 0,7 x<br />

( ) ( ) ( )<br />

− − − −<br />

f x = 20 ⇔ 1400 ⋅ e − e = 20 ⇔ 1400 ⋅ e − e − 20 = 0<br />

0,2 x 0,7 x<br />

Wir führen zuerst das Newton-Verfahren für die durch g ( x ) ( e − e<br />

−<br />

)<br />

= 1400 ⋅ − − 20 gegebene<br />

Funktion mit Startwert x 0<br />

= 0 durch, um zu berechnen, ab welchem Zeitpunkt<br />

therapeutische Konzentration vorliegt:<br />

0 -20 700 -0,02857143 0,028571429<br />

0,02857143 -0,25532896 682,190137 -0,00037428 0,028945707<br />

0,02894571 -0,000043193 681,959339 -0,000000063337 0,02894577<br />

0,02894577 0 681,9593 0 0,02894577<br />

Therapeutische Konzentration liegt also ab 0,03 Stunden (rund 2 Minuten) nach der Einnahme<br />

vor.<br />

Nun bestimmen wir mit dem Newton-Verfahren für die Funktion g mit Startwert x 0<br />

= 20 ,<br />

bis zu welchem Zeitpunkt therapeutische Konzentration vorliegt:<br />

20 5,6407303 -5,12756399 -1,10007994 21,10007994<br />

21,1000799 0,57723431 -4,11517737 -0,14026961 21,24034955<br />

21,2403495 0,00801988 -4,00135969 -0,00200429 21,24235384<br />

21,2423538 0,0000016069 -3,99975638 -0,00000040174 21,24235424<br />

21,2423542 0 -3,99975605 0 21,24235424<br />

Therapeutische Konzentration liegt also bis etwa 21¼ Stunden nach der Einnahme vor.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 74<br />

6.4 Übungen<br />

6.4.1 Untersuchen Sie die durch die folgenden Gleichungen gegebenen Funktionen auf<br />

Hoch-, Tief- und Wendepunkte und zeichnen Sie die Funktionsgraphen.<br />

x<br />

a) f ( x ) xe<br />

x<br />

b) f ( x ) xe −<br />

= e) ( )<br />

f x = xe<br />

= f) ( ) = ( 2 − 2 )<br />

f x x x e − x<br />

2 x<br />

c) f ( x ) = x e −<br />

x x<br />

g) f ( x ) = e + e −<br />

d) ( )<br />

f x xe − x<br />

− −<br />

f x = e − e<br />

= h) ( )<br />

2 10<br />

x<br />

x x<br />

6.4.2 Bestimmen Sie jeweils die erste Ableitung der durch die folgenden Gleichungen gegebenen<br />

Funktionen.<br />

2<br />

a) f ( x ) = x ln x<br />

e) f ( x ) = ln x<br />

f x = x ln x<br />

f) f ( x ) = ( ln x ) 2<br />

b) ( )<br />

2<br />

f x x x<br />

= − g) ( ) 1 ln<br />

3<br />

c) ( ) ( 5 2 ) ln<br />

f x = x<br />

x<br />

d) f ( x ) = e ⋅ ln x<br />

h) f ( x ) = ln ( 1 x )<br />

6.4.3 Auf ein Blatt Papier soll der im ersten Quadranten liegende Teil des Graphen des<br />

natürlichen Logarithmus’ gezeichnet werden, wobei die y -Achse 10 cm lang ist und auf<br />

beiden Achsen 1 cm einer Einheit entspricht. Wie lang muss die x -Achse sein<br />

6.4.4 Ein Blatt herkömmliches Druckerpapier ist rund 0,012 cm dick. Durch Falten verdoppelt<br />

sich die Dicke des Blattes. Wie oft muss man das Blatt falten, damit das Blatt so<br />

dick ist wie der Abstand von der Erde zum Mond<br />

Hinweis: Der Abstand von der Erde zum Mond beträgt ungefähr 370.000 km.<br />

6.4.5 Berechnen Sie für ein logistisches Wachstum mit r = 0,4 und K = 100 sowie N 0<br />

= 5<br />

die Populationsgröße für x = 10 .<br />

6.4.6 Eine Population von 10 Individuen wachse mit logistischem Wachstum auf 20 Individuen<br />

zum Zeitpunkt x = 1 . Berechnen Sie die Wachstumsrate r , wenn die Kapazitätsgrenze<br />

100 ist.<br />

6.4.7 Für eine Prognose der Heilbutt-Bestände im Pazifik (gemessen in Millionen Kilogramm),<br />

geht man von einem logistischen Wachstum mit einer Kapazitätsgrenze von 80,5<br />

und einer jährlichen Wachstumsrate von 0,71 aus. Als Anfangsbestand wird eine Gesamtmasse<br />

von 20 Millionen Kilogramm angenommen.<br />

a) Berechnen Sie die Größe der Heilbutt-Bestände im nächsten Jahr.<br />

b) Bestimmen Sie, nach wie vielen Jahren die Bestände auf die Hälfte der Kapazitätsgrenze<br />

angewachsen sind.<br />

6.4.8 Die Größe der Bevölkerung der Erde betrug im Jahr 1986 fünf Milliarden Menschen<br />

und wuchs mit einer jährlichen Wachstumsrate von 2 %.<br />

a) Bestimmen Sie nach dem Malthusianischen Modell eine Prognose für die Größe der<br />

Weltbevölkerung im Jahr 2025.<br />

b) Unter der Annahme, dass logistisches Wachstum mit einer Kapazitätsgrenze für die<br />

Weltbevölkerung von 100 Milliarden, bestimmen Sie eine Prognose für die Größe der<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

2<br />

3


6 Exponentialfunktion und Wachstumsprozesse 75<br />

Weltbevölkerung im Jahr 2025. Berechnen Sie auch, in welchem Jahr die Bevölkerung<br />

am schnellsten wächst.<br />

6.4.9 Ein Patient nimmt eine Tablette mit 100 mg eines ACE-Hemmers ein. Die Entwicklung<br />

der Wirkstoffmenge im Körper soll mithilfe der Bateman-Funktion modelliert<br />

werden, wobei man von einer Absorptionsrate von 0,8 je Stunde und einer Eliminationsrate<br />

von 0,3 je Stunde ausgeht.<br />

a) Berechnen Sie, wie groß die Wirkstoffmenge im Körper jeweils nach 6 Stunden, 12<br />

Stunden, 24 Stunden und 48 Stunden ist.<br />

b) Berechnen Sie, nach wie viel Stunden die größte Wirkstoffmenge im Körper ist und<br />

wie groß diese ist.<br />

c) Bestimmen Sie, zu welchem Zeitpunkt die größte Menge an Wirkstoff aus dem Körper<br />

ausgeschieden wird.<br />

d) Bestimmen Sie den Zeitpunkt, zu dem die Wirkstoffmenge im Körper unter 1 mg gesunken<br />

ist.<br />

e) Zeichnen Sie den Graphen der Funktion.<br />

f) Untersuchen Sie, zu welchem Zeitpunkt die Zunahme der Wirkstoffmenge im Blut am<br />

größten ist.<br />

6.4.10 Ein Patient nimmt nach einer Zahnextraktion eine Tablette mit 10 mg eines<br />

Schmerzmittels ein. Die Wirkstoffmenge im Körper soll mithilfe der Bateman-Funktion<br />

modelliert werden, wobei eine Absorptionsrate von 0,6 und eine Eliminationsrate von 0,2<br />

je Stunde anzunehmen ist.<br />

a) Berechnen Sie, wie groß die Wirkstoffmenge im Körper jeweils nach 1 Stunde, 10<br />

Stunden, 24 Stunden und 36 Stunden ist.<br />

b) Berechnen Sie, nach wie viel Stunden die größte Wirkstoffmenge im Körper ist und<br />

wie groß diese ist.<br />

c) Bestimmen Sie, zu welchem Zeitpunkt die größte Menge an Wirkstoff aus dem Körper<br />

ausgeschieden wird.<br />

d) Für das eingenommene Schmerzmittel liegt die therapeutische Konzentration bei<br />

1,75 mg. Bestimmen Sie den Zeitraum, während dessen therapeutische<br />

Konzentration vorliegt.<br />

e) Zeichnen Sie den Graphen der Funktion.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 76<br />

7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral<br />

7.1 Ausschöpfen von Flächen durch Rechtecke<br />

Aus Stabilitätsgründen soll die Rutsche in einer Kindertagesstätte an den Seiten mit einer<br />

Metallplatte versehen werden.<br />

Rutschbahn<br />

Metallplatte<br />

6 Ein Dezimeter (dm) entspricht 10 cm.<br />

Der Handwerker, der beauftragt wurde, hierfür einen Kostenvoranschlag zu erstellen, berechnet<br />

je dm 2 Fläche der Metallplatte Kosten in Höhe von 8,50 €. Er gibt an, für jede Seite<br />

der Rutsche eine Fläche von 85 dm 2 berechnet zu haben. 6 Die Erzieher in der Kindertagesstätte<br />

fragen sich, ob die vom Handwerker zu Grunde gelegte Fläche stimmt. Problem:<br />

Wie berechnet man den Flächeninhalt einer krummlinig begrenzten Fläche<br />

Erzieherin Elke weiß Rat: Sie überträgt das Profil der Rutsche maßstabsgetreu auf ein<br />

Blatt Papier.<br />

Dann zeichnet sie Rechtecke in die Seitenfläche ein, die vom unteren Rand der Zeichnung<br />

bis zur Rutschbahn laufen:<br />

Burghardt – RWB 10/11


7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 77<br />

Jedes der Rechtecke wäre in der Realität 2 dm breit.<br />

Die Rechtecke treffen jeweils oben in der Mitte die Rutschbahn. Jedes Rechteck ragt zum<br />

Teil über die Rutschbahn hinaus, zum Teil endet es bereits darunter. Im Großen und Ganzen<br />

sollte aber die Fläche aller Rechtecke zusammen ziemlich gut mit der gesuchten Fläche<br />

übereinstimmen. Die Erzieherin berechnet die Gesamtfläche der Rechtecke und erhält<br />

82,88 dm 2 .<br />

Doch ist dieser Wert noch ziemlich ungenau. So wiederholt Elke ihr Verfahren, indem sie<br />

die Breite der Rechtecke halbiert:<br />

Die Breite der Rechtecke entspricht jetzt einer Länge von 1 dm.<br />

Jetzt sind die Teile der Rutschbahnfläche, die nicht ausgefüllt sind, kleiner als vorher. Außerdem<br />

ragen die Rechtecke nur noch zu einem sehr geringen Teil über die Rutschbahn<br />

hinaus. Die Fläche aller Rechtecke sollte also noch besser mit der gesuchten Fläche ü-<br />

bereinstimmen. Elke berechnet erneut die Gesamtfläche aller Rechtecke: 84,1875 dm 2 .<br />

Es scheint, dass der Handwerker im Wesentlichen die korrekte Flächenmaßzahl zu Grunde<br />

gelegt hat.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 78<br />

7.2 Übung<br />

7.2.1 Wiederholen Sie die Elkes Überlegungen! Nehmen Sie dazu an, dass die Rutschbahn<br />

mit Hilfe des im 1. Quadranten liegenden Teils des Graphen der durch<br />

3 2<br />

f ( x ) = − 0,02 x + 0,6 x − 6 x + 22,5 gegebenen Funktion beschrieben werden kann.<br />

a) Zeichnen Sie den Graphen der Funktion f für x -Werte zwischen Null und der ersten<br />

positiven Nullstelle!<br />

b) Zeichnen Sie Rechtecke der Breite 2 ein, die den Funktionsgraphen jeweils in der<br />

Mitte ihrer oberen Seite treffen!<br />

c) Berechnen Sie den Flächeninhalt der einzelnen Rechtecke und aller Rechtecke zusammen!<br />

d) Wiederholen Sie Ihre Rechnung mit Rechtecken der Breite 1!<br />

7.3 Das Integral<br />

Elkes Berechnungen haben den Flächeninhalt nur näherungsweise bestimmen können.<br />

Um einen genauen Wert zu bekommen, bietet es sich an, schrittweise die Breite der<br />

Rechtecke zu verringern, die Gesamtfläche der Rechtecke zu berechnen und zu bestimmen,<br />

welchem Grenzwert sich die berechneten Flächeninhalte annähern, wenn die<br />

Breite der Rechtecke immer kleiner wird.<br />

Dieses Vorgehen wollen wir mathematisch exakt formulieren. Vorgegeben sei eine Funktion<br />

f und ein Intervall [ a | b ] .<br />

Bei Elkes Überlegungen zerlegen die Ecken der Rechtecke, die sich auf der x -Achse befinden,<br />

das Intervall [ 0 |15 ] in einzelne, gleich große Teile. In jedem der Teile wurde der<br />

Mittelpunkt verwendet, um dort den Funktionswert zu bestimmen, der die Höhe des<br />

Rechtecks festlegt.<br />

Im allgemeinen Fall wählen wir für jede natürliche Zahl N Stellen x 0<br />

, x 1<br />

, , x N<br />

mit<br />

a = x<br />

0<br />

< x<br />

1<br />

< < x<br />

N<br />

= b , die das Intervall [ a | b ] in gleich große Teilintervalle [ 0 1 ]<br />

[ x<br />

1<br />

| x<br />

2 ] bis [ x<br />

N − 1<br />

| x<br />

N ] zerlegen. In jedem der Intervalle [ x<br />

0<br />

x<br />

1 ] bis [ ]<br />

wir den Mittelpunkt mit z 1<br />

, , z N<br />

. Das heißt, 1<br />

Mittelpunkt von [ x<br />

1<br />

| x<br />

2 ] und so weiter.<br />

z ist der Mittelpunkt von [ 0<br />

|<br />

1 ]<br />

x | x ,<br />

x<br />

N − 1<br />

| x<br />

N<br />

bezeichnen<br />

x x , z 2<br />

ist der<br />

z<br />

1<br />

z<br />

2<br />

z<br />

3<br />

z<br />

4<br />

z<br />

5<br />

z<br />

6<br />

z<br />

7<br />

a = x 0<br />

x<br />

1 x<br />

2<br />

x<br />

3<br />

x<br />

4<br />

5<br />

x<br />

6<br />

x b = x<br />

7<br />

Hieraus entstehen insgesamt N Rechtecke mit folgenden Maßen:<br />

• die untere Kante des ersten Rechtecks ist x 1<br />

− x 0<br />

lang und es ist f ( z<br />

1 ) hoch;<br />

• die untere Kante des zweiten Rechtecks ist x 2<br />

− x 1<br />

lang und es ist f ( z<br />

2 ) hoch;<br />

• die untere Kante des dritten Rechtecks ist x 3<br />

− x 2<br />

lang und es ist f ( z<br />

3 ) hoch<br />

und so weiter.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

|


7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 79<br />

z<br />

1<br />

z<br />

2<br />

z<br />

3<br />

z<br />

4<br />

z<br />

5<br />

z<br />

6<br />

z<br />

7<br />

a = x 0<br />

x<br />

1 x<br />

2<br />

x<br />

3<br />

x<br />

4<br />

5<br />

x<br />

6<br />

x b = x<br />

7<br />

Für jedes der insgesamt N Rechtecke ergibt sich deshalb folgender Flächeninhalt<br />

• das ersten Rechteck hat den Flächeninhalt f ( z<br />

1 ) ⋅ ( x<br />

1<br />

− x<br />

0 ) ;<br />

• das zweite Rechteck hat den Flächeninhalt f ( z<br />

2 ) ⋅ ( x<br />

2<br />

− x<br />

1 ) ;<br />

• das dritte Rechteck hat den Flächeninhalt f ( z<br />

3 ) ⋅ ( x<br />

3<br />

− x<br />

2 ) ;<br />

und so weiter.<br />

Die Fläche aller Rechtecke zusammen ist deshalb die Summe<br />

( ; ) = ( ) ⋅ ( − ) + ( ) ⋅ ( − ) + + ( ) ⋅ ( − )<br />

S f N f z x x f z x x f z x x −<br />

b<br />

a 1 1 0 2 2 1 N N N 1<br />

Mit Hilfe des Summenzeichens kann dies kürzer geschrieben werden als<br />

N<br />

1<br />

.<br />

( ; ) ( ) ( )<br />

S f N f z x x −<br />

= ⋅ −<br />

=<br />

b<br />

a k k k<br />

k<br />

1<br />

Diese Summe nennt man auch eine Riemannsche Summe, benannt nach dem deutschen<br />

Mathematiker Bernhard Riemann (geb. 17. September 1826, gest. 20. Juli 1866).<br />

Betrachtet man Riemannsche Summen mit mehr und mehr Zerlegungspunkten, so nähern<br />

sich die Summen mehr und mehr einem gemeinsamen Grenzwert an:<br />

Satz und Definition. Wenn f eine auf dem Intervall [ a | b ] stetige Funktion ist, dann nä-<br />

b<br />

hern sich für wachsendes N die Werte ( ; )<br />

S f N immer weiter einem Grenzwert an. Dieser<br />

Grenzwert wird das Integral von f über dem Intervall [ a | b ] genannt und mit<br />

bezeichnet:<br />

b<br />

<br />

a<br />

a<br />

( )<br />

f x dx<br />

b N<br />

a<br />

b<br />

( ) = lim ( ; ) = lim ( ) ⋅ ( −<br />

1 )<br />

f x dx S f N f z x x −<br />

.<br />

a k k k<br />

N N<br />

→∞ →∞ =<br />

Die Funktion f nennt man auch den Integrand, a heißt untere Grenze und b heißt o-<br />

bere Grenze.<br />

k<br />

1<br />

Zur Notation:<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 80<br />

b<br />

• In der Schreibweise f ( x ) dx ist das Integralzeichen <br />

a<br />

ein stilisiertes S und erinnert<br />

daran, dass das Integral von Summenbildungen herstammt, nämlich – in unserem<br />

Aufbau der Integralrechnung – von den Riemannschen Summen.<br />

• Die Summanden der Riemannschen Summen sind alle von der Art f ( x )( x<br />

i<br />

− x<br />

i − 1 ) . Für<br />

den Ausdruck ( )<br />

x<br />

i<br />

− x<br />

i − 1<br />

schreibt man auch manchmal symbolisch ∆ x (Delta- x , Delta<br />

für „Differenz“, also ∆ x für „Differenz der x -Werte“). Die Summanden der Riemannschen<br />

Summen sind also alle von der Form f ( x ) ∆ x ; hieran erinnert die Schreibweise<br />

f ( x ) dx unter dem Integralzeichen.<br />

• Die Variable x in dx legt die Variable fest, bezüglich der integriert wird. Tauscht man<br />

in der Funktion die Variable x gegen die Variable t oder die Variable u aus, so muss<br />

man auch in dx die Variable x gegen die Variable t oder die Variable u austauschen:<br />

b b b<br />

f ( x ) dx = f ( t ) dt = f ( u ) du<br />

a a a<br />

Erinnerung: Dass eine Funktion f an der Stelle x 0<br />

stetig ist, kann auf verschiedene Weisen<br />

ausgedrückt werden:<br />

• Wenn x 1<br />

nahe bei x 0<br />

liegt, dann ist f ( x<br />

1 ) nahe bei f ( x<br />

0 ) .<br />

• Wenn h nahe bei Null ist, dann gilt f ( x<br />

0<br />

+ h ) ≈ f ( x<br />

0 ) .<br />

• Es gilt f ( x h ) f ( x )<br />

h<br />

0<br />

lim<br />

→<br />

+ = .<br />

0 0<br />

Wir wissen, dass alle ganzrationalen Funktionen stetig sind. Jede differenzierbare Funktion<br />

ist stetig, aber es gibt stetige Funktionen, die nicht differenzierbar sind – zum Beispiel<br />

die durch f ( x ) = | x | gegebene Betragsfunktion.<br />

7.4 Übungen<br />

1<br />

7.4.1 Berechnen Sie für f ( x ) = x die Riemannschen Summen<br />

0 ( ;1 )<br />

1<br />

und S<br />

0 ( f ;10 ) . Welchen Wert vermuten Sie für ( )<br />

1<br />

0<br />

f x dx <br />

S f , S ( f ) , ( )<br />

1<br />

0<br />

;2<br />

S 1<br />

0<br />

f ;5<br />

2<br />

7.4.2 Berechnen Sie für f ( x ) = x die Riemannschen Summen S 1<br />

− 1 ( f ;1 ) , S 1<br />

1 ( f ;2 )<br />

− 1 ( ;5 ) und S 1<br />

− 1 ( f ;10 ) . Welchen Wert vermuten Sie für ( )<br />

1<br />

S f<br />

1<br />

−<br />

f u du <br />

1<br />

−<br />

,<br />

Burghardt – RWB 10/11


7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 81<br />

7.5 Eigenschaften des Integrals<br />

Satz. Das Integral stetiger Funktionen hat folgende Eigenschaften:<br />

b b<br />

1. Homogenität: ( α ⋅ f ( x ) ) dx = α ⋅ f ( x ) dx für jede reelle Zahl α .<br />

a a<br />

Das heißt: Multiplikative Konstanten bleiben beim Integrieren erhalten.<br />

b b b<br />

2. Linearität: ( f ( x ) + g ( x ) ) dx = f ( x ) dx + g ( x ) dx<br />

a a a<br />

Das heißt: Integrale können summandenweise berechnet werden.<br />

3. Intervalladditivität: Wenn a c b<br />

b c b<br />

< < gilt, dann ist f ( x ) dx = f ( x ) dx + f ( x ) dx .<br />

a a c<br />

BEWEIS. Die Linearität und die Homogenität ergeben sich daraus, dass die entsprechenden<br />

Eigenschaften für Riemannsche Summen gelten:<br />

( α ; ) = α ( 1 ) ⋅ ( 1<br />

−<br />

0 ) + + α ( ) ⋅ ( −<br />

− 1 )<br />

= α ( f ( z<br />

1 ) ⋅ ( x<br />

1<br />

− x<br />

0 ) + + f ( z<br />

N ) ⋅ ( x<br />

N<br />

− x<br />

N − 1 ) )<br />

b<br />

= α S ( f ; N )<br />

S f N f z x x f z x x<br />

b<br />

a N N N<br />

a<br />

und<br />

S f + g ; N = f z + g z ⋅ x − x + + f z + g z ⋅ x − x<br />

( ) ( ( 1 ) ( 1 ) ) ( 1 0 ) ( ( ) ( ) ) ( − 1 )<br />

= f ( z<br />

1 ) ⋅ ( x<br />

1<br />

− x<br />

0 ) + g ( z<br />

1 ) ⋅ ( x<br />

1<br />

− x<br />

0 ) + + f ( z<br />

N ) ⋅ ( x<br />

N<br />

− x<br />

N − 1 ) + g ( z<br />

N ) ⋅ ( x<br />

N<br />

− x<br />

N − 1 )<br />

= f ( z<br />

1 ) ⋅ ( x<br />

1<br />

− x<br />

0 ) + + f ( z<br />

N ) ⋅ ( x<br />

N<br />

− x<br />

N − 1 )<br />

+ g ( z<br />

1 ) ⋅ ( x<br />

1<br />

− x<br />

0 ) + + g ( z<br />

N ) ⋅ ( x<br />

N<br />

− x<br />

N − 1 )<br />

= S ( f ; N ) + S ( g ; N )<br />

b<br />

a N N N N<br />

b b<br />

a a<br />

Die Intervalladditivität beweisen wir nicht, wir veranschaulichen sie nur an einer Skizze:<br />

= +<br />

b<br />

a<br />

c<br />

a<br />

f ( x ) dx = f ( x ) dx + f ( x ) dx <br />

b<br />

c<br />

7.6 Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung und die Berechnung<br />

von Integralen<br />

Die Integralrechnung hängt auf verblüffende Weise mit der Differentialrechnung zusammen.<br />

Wie, das sagt der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung:<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 82<br />

Satz. Wenn f eine auf dem Intervall [ a | b ] stetige Funktion ist, dann ist die Funktion<br />

x<br />

F ( x ) = f ( u ) du ,<br />

a<br />

die jedem x aus dem Intervall [ a | b ] den Wert des Integrals der Funktion f von a bis zu<br />

diesem x zuordnet, differenzierbar und es gilt<br />

F ′ ( x ) = f ( x ) .<br />

Wir wollen überlegen, warum der Hauptsatz richtig ist. Wir müssen zeigen, dass<br />

F ( x<br />

0<br />

+ h ) − F ( x<br />

0 )<br />

lim<br />

= f ( x<br />

0 )<br />

h → 0 h<br />

für alle x 0<br />

aus dem Intervall [ a | b ] ist. Hierzu untersuchen wir zuerst den Nenner des Differenzenquotienten:<br />

+<br />

+ − = −<br />

x 0 h x 0<br />

( 0 ) ( 0 ) ( ) ( ) .<br />

F x h F x f u du f u du<br />

a a<br />

Um die Grundidee des Beweises nicht mit zu vielen technischen Problemen zu verschleiern,<br />

nehmen wir an, dass h > 0 ist und dass stets f ( x ) ≥ 0 gilt. 7<br />

Wegen der Intervalladditivität des Integrals gilt dann<br />

Damit ergibt sich<br />

x 0 h x 0 x 0 h<br />

+ +<br />

f u du = f u du + f u du<br />

( ) ( ) ( ) .<br />

a a x<br />

x 0 h x 0<br />

( 0<br />

+ ) − ( 0 ) = ( ) − ( )<br />

F x h F x f u du f u du<br />

+<br />

a a<br />

+<br />

x 0 x 0 h x 0<br />

( ) ( ) ( )<br />

= f u du + f u du − f u du<br />

a x a<br />

.<br />

Wir müssen somit den Term<br />

untersuchen und zeigen, dass<br />

x + h<br />

<br />

x<br />

lim<br />

=<br />

( )<br />

x h<br />

x<br />

+<br />

<br />

( )<br />

f u du<br />

1<br />

=<br />

h h<br />

f u du<br />

0<br />

gilt. In der folgenden Skizze entspricht ( )<br />

h<br />

→<br />

0<br />

1<br />

h<br />

x + h<br />

<br />

x<br />

x + h<br />

x<br />

x + h<br />

<br />

x<br />

( )<br />

f u du<br />

( ) = ( )<br />

f u du f x<br />

0<br />

f u du der gepunktet eingezeichneten Fläche.<br />

7 Der Beweis kann mit den hier verwendeten Ideen leicht ohne jede Zusatzannahme zu einem in allen<br />

Punkten formal korrekten Beweis des Hauptsatzes präzisiert werden.<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0


7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 83<br />

Aus der Tatsache, dass f eine stetige Funktion ist, kann man folgern, dass es zwischen<br />

x<br />

0<br />

und 0<br />

( )<br />

x + h zwei Zahlen x 1<br />

und x 2<br />

gibt, sodass f ( x<br />

1 ) der kleinste Funktionswert und<br />

f x<br />

2<br />

der größte Funktionswert zwischen 0<br />

x x<br />

0<br />

0<br />

+ h<br />

x und x 0<br />

+ h ist<br />

( )<br />

f x<br />

( )<br />

f x<br />

2<br />

1<br />

Wir betrachten nun das Rechteck, dessen untere Seite von x 0<br />

bis x 0<br />

+ h verläuft und das<br />

f x<br />

1<br />

hat:<br />

die Höhe ( )<br />

x x<br />

0<br />

0<br />

+ h<br />

( )<br />

f x<br />

1<br />

Dieses Rechteck hat den Flächeninhalt ( )<br />

0<br />

der gepunktete Bereich, also als ( )<br />

und damit<br />

x + h<br />

x<br />

x x<br />

0<br />

0<br />

+ h<br />

f x<br />

1<br />

h , und dieser ist (siehe Skizze) kleiner als<br />

f u du . Dies bedeutet<br />

0<br />

( ) ( )<br />

1<br />

x + h<br />

f x h ≤ f u du ,<br />

x<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 84<br />

1 x + h<br />

0<br />

( ) ( )<br />

f x<br />

1<br />

≤ f u du<br />

h<br />

.<br />

Dagegen hat das Rechteck, dessen untere Seite ebenfalls von x 0<br />

bis x 0<br />

+ h verläuft, das<br />

f x<br />

2<br />

hat:<br />

aber die Höhe ( )<br />

x<br />

( )<br />

f x<br />

2<br />

x x<br />

0<br />

0<br />

+ h<br />

0<br />

einen Flächeninhalt, der größer als ( )<br />

also<br />

Insgesamt finden wir die Ungleichungskette<br />

x + h<br />

x<br />

f u du ist:<br />

x + h<br />

f ( u ) du ≤ f ( x<br />

2 ) h ,<br />

x<br />

1 x + h<br />

f ( u ) du ≤ f ( x<br />

2 ) .<br />

h<br />

x<br />

1 x + h<br />

1 2<br />

( ) ≤ ( ) ≤ ( )<br />

f x f u du f x<br />

h<br />

.<br />

x<br />

Was passiert nun hier beim Grenzübergang h → 0 Da x 1<br />

und x 2<br />

zwischen x 0<br />

und x 0<br />

+ h<br />

liegen, liegen sie im Fall, dass h sehr nahe bei 0 ist, natürlich sehr nah an x 0<br />

. Da f stetig<br />

ist, gilt beim Grenzübergang 0<br />

h → also f ( x<br />

1 ) f ( x<br />

0 )<br />

Grenzübergang h → 0 wird deshalb Ungleichungskette<br />

zu<br />

1 x + h<br />

1 2<br />

( ) ≤ ( ) ≤ ( )<br />

<br />

f x f u du f x<br />

h<br />

x<br />

x + h<br />

1<br />

f ( x<br />

0 ) ≤ lim f ( u ) du ≤ f ( x<br />

0 )<br />

h → 0 h<br />

.<br />

Also müssen hier in Wirklichkeit alle Werte gleich sein:<br />

x + h<br />

1<br />

lim f ( u ) du = f ( x<br />

0 )<br />

h → 0 h<br />

.<br />

x<br />

x<br />

≈ und f ( x<br />

2 ) ≈ f ( x<br />

0 ) . Beim<br />

Dies war zu zeigen. <br />

Der Hauptsatz sagt unter anderem aus, dass jede stetige Funktion f ( x ) die Ableitung<br />

einer Funktion F ( x ) ist: F ′ ( x ) = f ( x ) .<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0


7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 85<br />

Definition. Eine Funktion F ist eine Stammfunktion zur Funktion f , falls F ′ ( x ) = f ( x )<br />

gilt.<br />

Aus dem Hauptsatz ergibt sich: Jede stetige Funktion hat eine Stammfunktion. Wir werden<br />

sehen:<br />

Stammfunktionen liefern den Schlüssel zur Berechnung von Integralen!<br />

Aus diesem Grund werden wir uns zunächst mit Stammfunktionen und ihren Eigenschaften<br />

beschäftigen.<br />

Satz. Zwei Stammfunktionen zu einer Funktion f unterscheiden sich höchstens um eine<br />

additive Konstante: Sind F 1<br />

und F 2<br />

Stammfunktionen der Funktion f , so gibt es eine<br />

Konstante c mit F<br />

1 ( x ) = F<br />

2 ( x ) + c für alle x .<br />

BEWEIS. Die Funktion ∆ ( x ) = F<br />

1 ( x ) − F<br />

2 ( x ) ist die Differenz der beiden Stammfunktionen.<br />

Wir müssen zeigen, dass ∆ ( x ) konstant, also ∆ ( x ) = c für alle x ist. Denn dann ist<br />

F<br />

1 ( x ) − F<br />

2 ( x ) = c , also F<br />

1 ( x ) = F<br />

2 ( x ) + c .<br />

Um zu zeigen, dass ∆ ( x ) konstant ist, leiten wir ∆ ( x ) ab:<br />

( ) ( ) ( ) ( ) ( )<br />

∆ x = F ′<br />

1<br />

x − F ′<br />

2<br />

x = f x − f x = 0<br />

Die Funktion ∆ ( x ) hat also überall die Tangentensteigung Null. Die einzigen Funktionen,<br />

die dies erfüllen, sind diejenigen, deren Funktionsgraph eine Parallele zur x -Achse ist.<br />

Solche Funktionen weisen jedem x -Wert denselben y -Wert zu, sie sind also konstant.<br />

Dies war zu beweisen. <br />

Nun können wir beweisen, wie man mit Hilfe von Stammfunktionen Integrale berechnen<br />

kann.<br />

Satz. (Berechnung von Integralen mit Hilfe von Stammfunktionen)<br />

Wenn f eine auf dem Intervall [ a | b ] stetige Funktion und F eine Stammfunktion zu f<br />

ist, dann gilt<br />

b<br />

a<br />

( ) ( ) ( )<br />

f x dx = F b − F a ,<br />

Man schreibt auch manchmal kurz f ( x ) dx = F ( x )<br />

b<br />

<br />

a<br />

b<br />

a<br />

BEWEIS. Nach dem Hauptsatz ist neben F auch die durch<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 86<br />

x<br />

( ) = ( )<br />

G x f u du<br />

a<br />

gegebene Funktion G eine Stammfunktion zu f . Die Funktionen F und G unterscheiden<br />

sich deshalb nur um eine additive Konstante c : G ( x ) = F ( x ) + c . Wie groß ist<br />

die Konstante Um dies herauszufinden, setzen wir in die Gleichung G ( x ) = F ( x ) + c für<br />

x den Wert a ein: G ( a ) = F ( a ) + c .<br />

Wegen<br />

a<br />

( ) ( ) 0<br />

<br />

G a = f u du =<br />

a<br />

bedeutet dies 0 = F ( a ) + c , also c = − F ( a ) . Wir haben also G ( x ) = F ( x ) − F ( a ) . Nun setzen<br />

wir hier für x die Zahl b ein: G ( b ) = F ( b ) − F ( a ) . Wegen<br />

bedeutet dies<br />

b b<br />

G ( b ) = f ( u ) du = f ( x ) dx<br />

b<br />

a<br />

a a<br />

( ) ( ) ( )<br />

f x dx = F b − F a .<br />

Das war zu beweisen. <br />

Das Integral einer stetigen Funktion f zu berechnen ist unproblematisch, wenn man eine<br />

Stammfunktion bestimmen kann. Dies ist in vielen (aber bei weitem nicht in allen!) Fällen<br />

möglich. Es sollen nun in einfachen Fällen Stammfunktionen bestimmt werden. Wir vereinbaren<br />

folgende Schreibweise, die durch den Hauptsatz motiviert wird:<br />

Wir schreiben<br />

<br />

f ( x ) dx = F ( x )<br />

um anzudeuten, dass F eine Stammfunktion zu f ist. Die Schreibweise ist nützlich aber<br />

auch problematisch, da f viele verschiedene Stammfunktionen hat (die sich alle jeweils<br />

um eine additive Konstante unterscheiden), wohingegen die Schreibweise<br />

f ( x ) dx = F ( x )<br />

zu implizieren scheint, dass es nur eine Stammfunktion gebe.<br />

f ( x ) dx nennt man auch das unbestimmte Integral von f .<br />

Satz. (Integration von Potenzen) Für jede reelle Zahl α ≠ − 1 gilt<br />

1<br />

α α +<br />

=<br />

α + 1<br />

x dx x 1<br />

.<br />

1<br />

F x = x α<br />

α + 1<br />

Funktion mit der (allgemeinen) Potenzregel der Differentialrechnung:<br />

1<br />

α α<br />

F ′ ( x ) = ⋅ ( α + 1 ) x = x .<br />

α + 1<br />

+ 1<br />

BEWEIS. Der Beweis geschieht durch Ableiten der durch ( )<br />

gegebenen<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />


7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 87<br />

1<br />

F x = x α<br />

α + 1<br />

+ 1<br />

Also ist ( )<br />

eine Stammfunktion zu f ( x ) = x α . <br />

Beispiele:<br />

1. Um das Integral<br />

2<br />

zu f ( x ) = x . Eine solche ist<br />

Dann ergibt sich<br />

1<br />

2<br />

2. Um ( − + 4 + 5 )<br />

−<br />

1<br />

( )<br />

2<br />

5<br />

0<br />

5<br />

0<br />

<br />

2<br />

x dx zu berechnen, bestimmt man zunächst eine Stammfunktion<br />

2 1 3<br />

.<br />

5<br />

0<br />

x dx = x<br />

3<br />

2 x dx = 1 x 3 = 1 ⋅ 3 5 − 1 ⋅ 0 3 = 125<br />

= 41, 6<br />

3 3 3 3<br />

x x dx zu berechnen, bestimmt man eine Stammfunktion zu<br />

f x = − x + 4 x + 5 , was summandenweise geschehen kann, weil summandenweise<br />

2 1 3 2<br />

differenziert wird: ( )<br />

Dann ergibt sich<br />

1<br />

<br />

−<br />

1<br />

( )<br />

− x + 4 x + 5 dx = − x + 2 x + 5 x .<br />

3<br />

− + 4 + 5 = − 1<br />

+ 2 + 5<br />

3<br />

2 3 2<br />

x x dx x x x<br />

1<br />

1<br />

1 3 2 1 3 2 <br />

= − ⋅ 1 + 2 ⋅ 1 + 5 ⋅ 1 − − ⋅ ( − 1 ) + 2 ⋅ ( − 1 ) + 5 ⋅ ( − 1 ) <br />

3 3 <br />

=<br />

=<br />

20 8 <br />

= − − <br />

3 3 <br />

28<br />

3<br />

9, 3<br />

−<br />

2<br />

<br />

2<br />

3 4 4<br />

3. x dx x<br />

( )<br />

−<br />

2<br />

1 1 1 4<br />

= = ⋅ − ⋅ − = − =<br />

2 2 4 4 0<br />

4 4 4<br />

−<br />

2<br />

Was ist in Beispiel 3 passiert Wieso kann ist<br />

der Flächeninhalt hier Null Dies stimmt offenbar<br />

nicht mit der Realität überein, wenn wir eine<br />

3<br />

Skizze des Graphen der Funktion f ( x ) = x zu<br />

Rate ziehen:<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2 -1 0 1 2<br />

-2<br />

-4<br />

-6<br />

-8<br />

Die Lösung des Problems ist folgendes:<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 88<br />

• Das Integral ( )<br />

b<br />

a<br />

f x dx stimmt nur dann mit dem Inhalt der Fläche zwischen dem Funktionsgraph<br />

und der x -Achse im Bereich von a bis b überein, wenn zwischen a und<br />

b stets f ( x ) ≥ 0 ist.<br />

• Ist zwischen a und b stets f ( x ) ≤ 0 , so ist ( )<br />

b<br />

a<br />

f x dx das Negative des Inhalts der<br />

b<br />

Fläche zwischen dem Funktionsgraph und der x -Achse im Bereich von a bis b .<br />

• Ändert f zwischen a und b ein- oder mehrmals sein Vorzeichen, so heben sich die<br />

Inhalte verschiedener Flächenstücke teilweise oder ganz gegenseitig weg und das Integral<br />

( )<br />

a<br />

f x dx kann nicht mehr als Flächeninhalt interpretiert werden.<br />

Um deshalb den Inhalt der Fläche zwischen dem Funktionsgraphen der Funktion f und<br />

der x -Achse im Bereich von a bis b zu berechnen, müssen zuerst die zwischen a und b<br />

liegenden Nullstellen von f bestimmt werden. Man berechnet dann die Integrale<br />

• von a bis zur ersten Nullstelle,<br />

• zwischen allen direkt aufeinander folgenden Nullstellen und<br />

• zwischen der letzten Nullstelle und b<br />

Abschließend müssen die einzelnen Integralwerte addiert werden, wobei negative Werte<br />

mit einem positiven Vorzeichen genommen werden müssen.<br />

Beispiele.<br />

3<br />

1. Wie groß ist die Fläche, die der Graph der Funktion f ( x ) = x zwischen − 2 und 2<br />

mit der x -Achse einschließt<br />

Lösung: Zuerst werden die Nullstellen der Funktion f ( x ) = x 3<br />

berechnet, die zwischen<br />

− 2 und 2 liegen. Dies ist x = 0 .<br />

Nun werden die Integrale berechnet.<br />

•<br />

0<br />

<br />

0<br />

3 4 4<br />

• x dx x<br />

( )<br />

2<br />

<br />

0<br />

−<br />

2<br />

1 1 1 4<br />

= = ⋅ − ⋅ − = − = −<br />

0 2 0 4 4<br />

4 4 4<br />

2<br />

0<br />

−<br />

2<br />

3 x dx = 1 x 4 = 1 ⋅ 2 4 − 1 ⋅ 0 4<br />

= 4 − 0 = 4<br />

4 4 4<br />

Zum Abschluss werden die Integralwerte addiert, wobei negative Werte mit einem<br />

positiven Vorzeichen genommen werden müssen: Der Flächeninhalt ist 4 + 4 = 8 .<br />

4 2<br />

2. Wie groß ist die Fläche, die der Graph der Funktion ( )<br />

f x = x − 10 x + 9 zwischen − 4<br />

und 2 mit der x -Achse einschließt<br />

Lösung: Zuerst werden die Nullstellen der Funktion f ( x ) = x 4 − 10 x 2<br />

+ 9 berechnet.<br />

Mit Hilfe der Substitutionsmethode findet man die Nullstellen − 3 , − 1 , 1 und 3. Da 3<br />

nicht mehr zu dem Bereich gehört, über dem die Fläche berechnet werden muss, ist<br />

diese Nullstelle nicht von Interesse. Es müssen die folgenden Integrale berechnet<br />

werden:<br />

−<br />

−<br />

3<br />

f ( x ) dx ; f ( x ) dx ; f ( x ) dx ; . ( )<br />

4<br />

−<br />

−<br />

1<br />

3<br />

1<br />

−<br />

1<br />

2<br />

1<br />

f x dx<br />

Burghardt – RWB 10/11


7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 89<br />

1 5 10 3<br />

Mit der Stammfunktion ( )<br />

−<br />

3<br />

<br />

• ( )<br />

− 4<br />

− 1<br />

<br />

f x dx<br />

• ( )<br />

− 3<br />

1<br />

<br />

f x dx<br />

• ( )<br />

<br />

− 1<br />

2<br />

f x dx<br />

• ( )<br />

1<br />

=<br />

= −<br />

=<br />

41,86<br />

20, 26<br />

11,73<br />

f x dx = −8,13<br />

f x dx = x − x + 9 x findet man:<br />

5 3<br />

Um den Inhalt der Fläche zu bestimmen, müssen die Werte jeweils mit positivem<br />

Vorzeichen addiert werden: 41,86 + 20, 26 + 11,73 + 8,13 = 82 .<br />

Zum Vergleich: ( )<br />

2<br />

−<br />

f x dx = 25,2 .<br />

4<br />

7.7 Übungen<br />

7.7.1 Bestimmen Sie zu den durch die Gleichungen angegebenen Funktionen je eine<br />

Stammfunktion.<br />

Tipps: 1 − α<br />

= x ;<br />

x<br />

α<br />

a) f ( x ) x<br />

2<br />

b) f ( x ) x<br />

1<br />

n x = x n<br />

;<br />

m<br />

n x m = x<br />

n<br />

= i) f ( x )<br />

2<br />

= j) f ( x )<br />

3<br />

1<br />

= q) f ( x ) = x<br />

x<br />

2<br />

3<br />

= r) f ( x ) = x<br />

c) f ( x ) = 4<br />

k) f ( x ) = − s) f ( x )<br />

4<br />

3<br />

1 3<br />

1<br />

d) f ( x ) = 2 x<br />

l) f ( x ) = + t) f ( x ) =<br />

5 2<br />

4<br />

2<br />

e) f ( x ) 3 x 5 x<br />

= − + m) f ( x )<br />

4<br />

4 3<br />

f) f ( x ) 5 x 2 x 6<br />

x<br />

8<br />

x<br />

x x<br />

1<br />

2 x<br />

= + − n) f ( x )<br />

4 3<br />

= u) f ( x ) = x<br />

3<br />

2 3<br />

5 x 4 x<br />

= − v) ( ) 4<br />

f x = x<br />

3<br />

1 5<br />

x x<br />

2<br />

g) f ( x ) = 0<br />

o) f ( x ) = 3 x − + w) ( )<br />

4 3<br />

3 5<br />

9 6 2<br />

4<br />

h) f ( x ) = 10 x + 5 x − 8 x p) f ( x ) x<br />

2 6<br />

3 x 7 x<br />

f x<br />

f x<br />

= − − + x) ( ) 4 2<br />

3 3 2<br />

=<br />

=<br />

1<br />

x<br />

x<br />

1<br />

x<br />

5 1<br />

= −<br />

4<br />

x x<br />

7.7.2 Berechnen Sie die folgenden Integrale!<br />

a) xdx<br />

e) xdx<br />

i)<br />

0<br />

− 2<br />

3<br />

2<br />

27<br />

<br />

1<br />

<br />

3 1 <br />

x − dx<br />

x<br />

3<br />

<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

7 Flächeninhaltsberechnungen – Das Integral 90<br />

2<br />

2<br />

x − dx<br />

f) ( )<br />

b) ( 3 2 )<br />

0<br />

1<br />

4 2<br />

3<br />

c) ( x + 3 x + x ) dx g) ( )<br />

x + x dx<br />

j)<br />

0<br />

4<br />

−<br />

− 2<br />

2<br />

− 1<br />

3<br />

3 2<br />

d) ( − 2 − 5 + 6 )<br />

1<br />

x − x dx k)<br />

x x x dx<br />

3 5<br />

h) ( x )<br />

2 − x 4 dx l)<br />

−<br />

1<br />

1<br />

0<br />

1<br />

<br />

<br />

1<br />

1 1 <br />

+<br />

2 3 dx<br />

x x <br />

1 2 <br />

−<br />

2 3 dx<br />

x x <br />

3 4 2<br />

<br />

1<br />

x − 3 x − 5<br />

x<br />

2<br />

dx<br />

7.7.3 Beweisen Sie, dass für jede natürliche Zahl n gilt:<br />

n<br />

• Falls n ungerade ist, so gilt x dx = 0 für jede Zahl a > 0 .<br />

• Falls n gerade ist, so gilt<br />

−<br />

−<br />

a<br />

a<br />

a a<br />

n n<br />

Deuten Sie die Ergebnisse geometrisch!<br />

x dx = 2 ⋅ x dx für jede Zahl a > 0 .<br />

a<br />

0<br />

2 2<br />

4 3 4<br />

Begründen Sie dann mit den Ergebnissen, dass ( 3 x + x − 5 x ) dx = 2 ⋅ 3 x dx ist.<br />

−<br />

2 0<br />

Berechnen Sie abschließend möglichst geschickt die folgenden Integrale:<br />

1<br />

7 5 4<br />

4 3 2<br />

a) ( 2 x − x + x + 3 x + 1 ) dx c) ( − 2 + 6 + 5 )<br />

− 1<br />

3<br />

2<br />

−<br />

2<br />

x x x x dx<br />

5 3 2<br />

b) ( − 3 x − 4 x + 3 x − 5 x + 1 ) dx<br />

7 5 3<br />

d) ( − 2 − + 2 )<br />

−<br />

3<br />

10<br />

−<br />

10<br />

x x x x dx<br />

7.7.4 Berechnen Sie die Größe der Fläche, die im Bereich des Intervalls I zwischen dem<br />

Graphen von f und der x -Achse liegt!<br />

a) f ( x ) = 4 x − 2 , I = [ 0 |1 ]<br />

g) f ( x ) = ( x − 1 )( x + 2 )( x − 3 ) , I = [ − 2 | 3 ]<br />

2<br />

2<br />

b) f ( x ) = x − 4 , I = [ − 3 | 3 ] h) f ( x ) = ( x − 1 )( x − 4 ) , I = [ − 3 | 3 ]<br />

2<br />

4 3 2<br />

c) f ( x ) = x − 10 x + 21 , I = [ − 1|1 ] i) f ( x ) = x − 2 x + x − 2 x , I = [ − 1| 2 ]<br />

3<br />

4 2<br />

d) f ( x ) = x + 3 x + 4 , I = [ − 2 |1 ] j) f ( x ) = x − 5 x + 4 , I = [ 0 | 2 ]<br />

3<br />

e) f ( x ) = x − 3 x + 2 , I = [ 0 |1 ] k) f ( x ) = x − x , I = [ 0 | 3 ]<br />

3 2<br />

3<br />

f) f ( x ) = x − 4 x + x + 6 , I = [ − 1| 3 ] l) f ( x ) x x<br />

= − , I = [ 0 | 2 ]<br />

Burghardt – RWB 10/11


8 Integrationsmethoden 91<br />

8 Integrationsmethoden<br />

Unter Integrationsmethoden werden Verfahren zur Bestimmung von Stammfunktionen<br />

verstanden. Diese ergeben sich in vielen Fällen aus Regeln zum Differenzieren von Funktionen.<br />

Zwei Integrationsmethoden werden hier vorgestellt: die partielle Integration und die<br />

Substitutionsregel.<br />

8.1 Partielle Integration (Produktintegration): Auf und Ab<br />

x<br />

Wie lautet eine Stammfunktion zu f ( x ) = x ⋅ e In vielen Fällen, in denen die zu integrierende<br />

Funktion Produkt zweier Funktionen ist, hilft partielle Integration weiter.<br />

Satz. (Partielle Integration) Wenn die Funktionen g und h differenzierbar sind, gilt<br />

g ( x ) ⋅ h ′ ( x ) dx = g ( x ) ⋅ h ( x ) − g ′ ( x ) ⋅ h ( x ) dx .<br />

BEWEIS. Nach der Produktregel gilt ( g ( x ) h ( x )<br />

′<br />

) = g ′ ( x ) h ( x ) + g ( x ) h ′ ( x ) . Dies bedeutet:<br />

g ( x ) h ( x ) ist eine Stammfunktion zu g ′ ( x ) h ( x ) + g ( x ) h ′ ( x ) :<br />

( g ′ ( x ) h ( x ) + g ( x ) h ′ ( x ) ) dx = g ( x ) h ( x )<br />

.<br />

Da summandenweise integriert und differenziert werden kann, ist hier die linke Seite<br />

g ′ x h x dx + g x h ′ x dx<br />

gleich ( ) ( ) ( ) ( ) , sodass sich<br />

g ′ ( x ) h ( x ) dx + g ( x ) h ′ ( x ) dx = g ( x ) h ( x )<br />

ergibt. Indem man auf beiden Seiten g ′ ( x ) h ( x ) dx abzieht, ergibt sich die angegebene<br />

Regel. <br />

Wir verwenden jetzt die Regel der partiellen Integration, um eine Stammfunktion zu<br />

x<br />

x ⋅ e wir<br />

x<br />

f ( x ) = x ⋅ e zu finden. Wir legen zunächst fest, welchen Faktor des Produkts<br />

ableiten und welchen wir „aufleiten“ wollen. Da der Faktor x beim ableiten zu 1 wird und<br />

x<br />

wir außerdem eine Stammfunktion zu e kennen (nämlich e<br />

x ), ist es sinnvoll, den Faktor<br />

x<br />

x abzuleiten und den Faktor e „aufzuleiten“. Wir markieren den abzuleitenden Faktor mit<br />

einem Ab-Pfeil und den aufzuleitenden Faktor mit einem Auf-Pfeil:<br />

.<br />

x<br />

x ⋅ e dx<br />

↓ ↑<br />

Die Regel besagt nun, dass wir zunächst den aufzuleitenden Faktor aufleiten und dann<br />

den abzuleitenden Faktor ableiten müssen<br />

<br />

x x x<br />

x ⋅ e dx = x ⋅ e − 1 ⋅ e dx<br />

Da 1 ⋅ e x dx = e x dx = e<br />

x ist, ergibt sich ( 1 )<br />

↓ ↑<br />

x ⋅ e x dx = x ⋅ e x − e x = x − ⋅ e x .<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

8 Integrationsmethoden 92<br />

8.2 Integration des natürlichen Logarithmus<br />

Bei der Einführung des natürlichen Logarithmus haben wir gesehen, dass F ( x ) = ln x die<br />

Ableitung f ( x ) = 1 x hat. Ausgedrückt mit dem Begriff der Stammfunktion bedeutet dies:<br />

F ( x ) = ln x ist eine Stammfunktion zu f ( x )<br />

= 1<br />

.<br />

x<br />

Mit Hilfe der partiellen Integration können wir nun seinerseits eine Stammfunktion zu<br />

F ( x ) = ln x finden. Hierzu schreiben wir ln x = ln x ⋅ 1 (ein Trick, auf den man nicht so leicht<br />

kommt!) und legen fest<br />

Mit partieller Integration ergibt sich jetzt<br />

Also:<br />

ln x ⋅ 1 dx .<br />

↓<br />

1<br />

ln x dx = ln x ⋅ 1 dx = ln x ⋅ x − ⋅ x dx = ln x ⋅ x − 1 dx = ln x ⋅ x − x<br />

.<br />

↓<br />

↑<br />

x<br />

↑<br />

F ( x ) = x ⋅ ln x − x ist eine Stammfunktion zu f ( x ) = ln x .<br />

8.3 Substitutionsregel<br />

2<br />

Wie lautet eine Stammfunktion zu f ( x ) = 2 x ⋅ 1 + x Hier fällt auf: Einer der beiden Faktoren,<br />

nämlich<br />

1 x<br />

2<br />

+ , ist durch eine Verkettung entstanden, nämlich ( )<br />

g u = u mit<br />

2<br />

h ( x ) = 1 + x , und die Ableitung der inneren Funktion dieser Verkettung, nämlich h ′ ( x ) , ist<br />

der zweite Faktor, nämlich 2x . Die zu integrierende Funktion ist also von der Form<br />

( ( ) ) ( )<br />

g h x h x<br />

⋅ ′ . In solchen Fällen hilft oft die Substitutionsregel weiter, die wir in einer Version<br />

hier vorstellen:<br />

Satz. (Version der Substitutionsregel) Die Funktion h sei differenzierbar und G sei<br />

eine Stammfunktion der Funktion g . Dann gilt g ( h ( x ) ) ⋅ h ( x ) dx = G ( h ( x ) ) .<br />

BEWEIS. Nach der Kettenregel ist ( ( ) )<br />

( G h x ) G ( h ( x ) ) h ( x )<br />

zu g ist, gilt G ′ ( x ) = g ( x ) . Damit ergibt sich dann ( ( ) )<br />

= ′ ⋅ ′ . Da G eine Stammfunktion<br />

( G h x ) g ( h ( x ) ) h ( x )<br />

= ⋅ ′ . Also ist<br />

G ( h ( x ) ) eine Stammfunktion zu g ( h ( x ) ) ⋅ h ′ ( x ) . Dies wurde behauptet. <br />

Der Name „Substitutionsregel“ erklärt sich so: Um ( ( ) ) ⋅ ( )<br />

g h x h x dx zu berechnen, muss<br />

man g ( u ) du bestimmen und dann darin u durch h ( x ) ersetzen („substituieren“).<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

′<br />

′<br />

′<br />


8 Integrationsmethoden 93<br />

2<br />

Mit der Substitutionsregel können wir nun eine Stammfunktion zu f ( x ) = 2 x ⋅ 1 + x fin-<br />

2<br />

den: Mit h ( x ) = 1 + x und g ( u ) = u ist f ( x ) = g ( h ( x ) ) ⋅ h ′ ( x ) ; eine Stammfunktion zu<br />

1<br />

g ( u ) = u = u 2 ist ( )<br />

G u 2 u 2<br />

2<br />

u<br />

3 3<br />

3<br />

3<br />

= = . Nach der Substitutionsregel ist<br />

2<br />

2<br />

( ) ( ( ) ) ( 1 ) 3<br />

.<br />

f x dx = G h x = + x<br />

3<br />

In manchen Fällen muss zunächst die Funktion etwas umgeformt werden, bevor die Substitutionsregel<br />

angewendet werden kann. Die Funktion ( )<br />

2<br />

f x = x ⋅ 1 + x ist noch nicht von<br />

der Form, dass die Substitutionsregel verwendet werden kann: Es fehlt der Faktor 2 . In<br />

diesem Fall ergänzt man den fehlenden Faktor zunächst und teilt die gefundene Stammfunktion<br />

am Ende durch den zunächst hinzugefügten Faktor: Da – wie oben überlegt –<br />

F x 2<br />

x<br />

3<br />

2<br />

( ) ( 1 ) 3<br />

f x 2 x 1 x<br />

= + eine Stammfunktion zu ( )<br />

2<br />

1<br />

2<br />

eine Stammfunktion zu ( ) 1<br />

2 f x = x ⋅ + x .<br />

1 1<br />

2 3<br />

2<br />

= ⋅ + ist, ist F ( x ) = ( 1 + x ) 3<br />

8.4 Übungen<br />

8.4.1 Berechnen Sie zu den folgenden Funktionen Stammfunktionen mit Hilfe partieller<br />

Integration! Überprüfen Sie Ihr Ergebnis durch Differenzieren! Für welche Werte von x<br />

sind die Funktionen definiert<br />

a) f ( x ) 2 xe<br />

x<br />

= g) ( ) = ( 3 − + )<br />

f x x 2 x 1 ln x<br />

2 x<br />

b) f ( x ) = x e<br />

h) f ( x ) = x ln x<br />

1 f x ln x<br />

x<br />

c) f ( x ) = ( 1 − x ) e<br />

i) ( ) =<br />

2<br />

3<br />

d) f ( x ) = ( 2 x − x + 1 ) e<br />

x<br />

j) ( )<br />

e) f ( x ) x ln x<br />

x<br />

1 f x = ln x<br />

= k) ( ) ( ) 2<br />

2<br />

f) f ( x ) = x ln x<br />

l) ( )<br />

x<br />

f x = ln x<br />

1 f x = ln x<br />

x<br />

8.4.2 Berechnen Sie zu den folgenden Funktionen Stammfunktionen mit Hilfe der Substitutionsregel!<br />

Überprüfen Sie Ihr Ergebnis durch Differenzieren! Für welche Werte von x<br />

sind die Funktionen definiert<br />

= + g) f ( x )<br />

2<br />

a) f ( x ) 2 x ( 1 x ) 10<br />

2<br />

b) f ( x ) 2 x ( 1 x ) 10<br />

=<br />

1<br />

( 1 + x ) 2<br />

m) ( )<br />

= − h) f ( x ) = n) ( )<br />

− 2<br />

c) f ( x ) = ( 1 − x ) 10<br />

i)<br />

f ( x )<br />

d) f ( x ) = 1 − x<br />

j) f ( x ) =<br />

2<br />

=<br />

1<br />

x<br />

x<br />

x<br />

2<br />

( 1 + x ) 3<br />

x + 5<br />

x + 10 x + 30<br />

o) ( )<br />

2 x<br />

f x = xe −<br />

f x = xe<br />

x<br />

1 f x = ln x<br />

x<br />

1 ln<br />

x<br />

p) f ( x ) = ( x ) 3<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

8 Integrationsmethoden 94<br />

3 x<br />

e) f ( x ) = 1 + x<br />

k) f ( x ) = e −<br />

q) ( )<br />

f) f ( x )<br />

1<br />

1<br />

= + l) ( )<br />

x<br />

1<br />

f x e<br />

x<br />

1 e<br />

= x<br />

r) f ( x )<br />

+<br />

1 f x = ln x<br />

x<br />

1 1<br />

= ⋅<br />

x x<br />

( 1 + ln ) 4<br />

8.4.3 Berechnen Sie die folgenden Integrale!<br />

2<br />

3<br />

1 − x dx<br />

g)<br />

a) ( )<br />

b)<br />

c)<br />

d)<br />

0<br />

0<br />

2<br />

1<br />

dx<br />

4<br />

h)<br />

1<br />

−<br />

1<br />

−<br />

0<br />

1<br />

( 1 + x )<br />

1 − x dx<br />

i)<br />

3<br />

x ⋅ 1 + x dx<br />

j)<br />

1<br />

2<br />

e) ( 1 + )<br />

−<br />

1<br />

10<br />

x x dx k)<br />

1<br />

2<br />

f) ( 1 − )<br />

0<br />

x x 10<br />

dx l)<br />

1<br />

0<br />

2<br />

x ⋅ 1 − x dx<br />

3<br />

m) ( + − )<br />

1<br />

−<br />

2<br />

x ⋅ 1 − x dx n)<br />

1<br />

0,5<br />

x<br />

dx<br />

o)<br />

− 0,5 1 − x<br />

3<br />

( )<br />

2<br />

0 2<br />

x<br />

dx<br />

2<br />

p)<br />

2 1<br />

− − x<br />

1<br />

0<br />

x<br />

xe dx<br />

q)<br />

1<br />

−<br />

2<br />

0<br />

1<br />

<br />

−<br />

2<br />

<br />

1<br />

9<br />

<br />

1<br />

1<br />

10<br />

<br />

1<br />

x 4 x 1 e x dx<br />

x<br />

xe dx<br />

−<br />

xe dx<br />

1<br />

x<br />

2<br />

1 x<br />

e dx<br />

x<br />

ln x dx<br />

x 2<br />

e x<br />

dx<br />

r) ln ( ln 1 )<br />

1<br />

e<br />

<br />

e<br />

x<br />

x ⋅ x x − dx<br />

8.5 Numerische Integration<br />

Viele Funktionen können nicht mit Hilfe einer Stammfunktion integriert werden, da eine<br />

Stammfunktion nicht bekannt ist. Ein Beispiel hierfür ist die durch ( )<br />

f x = e − x gegebene<br />

Funktion, die in der Wahrscheinlichkeitsrechnung von großer Bedeutung ist. Um ein Integral<br />

näherungsweise zu berechnen, kann natürlich auf seine Definition zurückgegangen<br />

werden und der Wert des Integrals durch eine Riemannsche Summe mit genügende vielen<br />

Teilintervallen approximiert werden. Hierbei wird das Integral als Summe von Rechtecken<br />

angenähert. Der Nachteil ist, dass die Rechtecke in aller Regel deutlich über die<br />

gesuchte Fläche hinausragen bzw. relativ große Flächenteile nicht abdecken, da der<br />

Funktionsgraph gebogen, die Seiten des Rechtecks aber stets gerade sind und die Höhe<br />

eines jeden Rechtecks nur von einem Punkt auf dem Graphen bestimmt wird.<br />

Im Folgenden werden drei Methoden der numerischen Integration vorgestellt, die diese<br />

Fehler zu minimieren versuchen.<br />

8.5.1 Die Sehnentrapezregel<br />

Um eine Funktion f mit der Sehnentrapezregel über einem Intervall [ a | b ] zu integrieren,<br />

zerlegt man – wie bei der Berechnung von Riemannschen Summen – das Intervall [ a | b ]<br />

in N gleich große Teilintervalle. Mit<br />

h<br />

=<br />

b − a<br />

N<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

2<br />

2<br />

2<br />

2<br />

2<br />

2


8 Integrationsmethoden 95<br />

bezeichnen wir die Länge der Teilintervalle. Bei der Berechnung einer Riemannschen<br />

Summe haben wir nun über jedem Teilintervall ein Rechteck errichtet, das dessen Höhe<br />

durch den Wert der Funktion an einer Stelle – dem Mittelpunkt des Teilintervalls – bestimmt<br />

war. Für die Sehnentrapezregel verbinden wir jedoch jeweils die Punkte auf dem<br />

Graphen, die sich an den Grenzen jedes Teilintervalls befinden, mit einer Geraden:<br />

Sehne<br />

Approximation bei einer<br />

Riemannscher Summe<br />

Approximation bei der<br />

Sehnentrapezregel<br />

Über jedem Teilintervall entsteht so ein Trapez. Indem man die Flächen dieser Trapeze<br />

addiert, erhält man die Sehnentrapezregel:<br />

b<br />

a<br />

h<br />

f ( x ) dx f ( a ) f ( b ) 2 ( f ( a h ) f ( a 2 h ) f ( a 3 h ) f ( a ( N 1 ) h ) ) <br />

≈ ⋅ + + ⋅ + + + + + + + + −<br />

2 <br />

In der Summe werden also addiert:<br />

• der Funktionswerte an den Intervallgrenzen und<br />

• das jeweils doppelte der Funktionswerte an den Teilpunkten im Inneren des Integrationsintervalls.<br />

Wir berechnen<br />

Teilintervallen:<br />

1<br />

0<br />

e − x<br />

dx mit Hilfe der Sehnentrapezregel bei der Verwendung von N = 4<br />

1<br />

<br />

0<br />

( ) ( ) ( ( ) ( ) ( ) )<br />

− x<br />

e dx ≈ 0,125 ⋅ <br />

<br />

f 0 + f 1 + 2 ⋅ f 0, 25 + f 0,5 + f 0,75 <br />

<br />

( )<br />

− 1 − 0,0625 − 0,25 − 0,5625<br />

<br />

= 0,125 ⋅<br />

<br />

1 + e + 2 ⋅ e + e + e<br />

<br />

= 0,742984097<br />

8.5.2 Die Simpsonregel<br />

Anders als bei der Sehnentrapezregel wird bei der Simpsonregel nicht zwischen zwei Teilpunkten<br />

mit einer Sehne sondern zwischen drei aufeinander folgenden Teilpunkten mit<br />

einem Parabelbogen interpoliert. Da jeweils zwei Teilintervalle zu einem Parabelbogen<br />

führen, muss hier Integrationsintervall in eine gerade Anzahl von N gleich großen Teilintervallen<br />

zerlegt werden. Wenn wieder<br />

h<br />

=<br />

b − a<br />

N<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

8 Integrationsmethoden 96<br />

die Länge der einzelnen Teilintervalle bezeichnet, so erhält man nach Addition der einzelnen<br />

an einer Seite durch einen Parabelbogen begrenzten Flächenstücke die Simpsonregel<br />

8 b<br />

h<br />

f ( x ) dx f ( a ) f ( b )<br />

<br />

a<br />

≈ ⋅ <br />

3 + +<br />

+ 2 ⋅ + 2 + + 4 + + + − 2 +<br />

( f ( a h ) f ( a h ) f ( a ( N ) h ) )<br />

f ( a h ) f ( a h ) f ( a ( N ) h ) <br />

( )<br />

+ 4 ⋅ + + + 3 + + + − 1<br />

<br />

In der Summe werden also addiert:<br />

• die Funktionswerte an den Intervallgrenzen und<br />

• das Doppelte der Funktionswerte an den „geraden“ Teilpunkten im Inneren des Integrationsintervalls<br />

und<br />

• das Vierfache der Funktionswerte an den „ungeraden“ Teilpunkten im inneren des Integrationsintervalls.<br />

N = Teil-<br />

Wir berechnen<br />

intervallen.<br />

1<br />

0<br />

e − x<br />

dx mit Hilfe der Simpsonregel bei der Verwendung von 4<br />

1<br />

<br />

0<br />

− x 0, 25<br />

e dx ≈ ⋅ f ( 0 ) + f ( 1 ) + 2 ⋅ f ( 0,5 ) + 4 ⋅ ( f ( 0,25 ) + f ( 0,75 ) ) <br />

3 <br />

0, 25 1 2 4<br />

3<br />

0,746855379<br />

( )<br />

− 1 − 0,25 − 0,0625 − 0,5625<br />

<br />

= ⋅<br />

<br />

+ e + ⋅ e + ⋅ e + e<br />

<br />

8.5.3 Die Keplersche Fassregel<br />

Eine einfache – und ältere Version – der Simpsonregel ist die Keplersche Fassregel. Sie<br />

wurde von Johannes Kepler (geboren 27. Dezember 1571, gestorben 15. November<br />

1630) ursprünglich entwickelt, um das Volumen von Weinfässern zu berechnen. Bei der<br />

Keplerschen Fassregel wird das Integrationsintervall nur in zwei gleich große Teilintervalle<br />

zerlegt. Diese werden dann gebildet von der linken Intervallgrenze a des Integrationsintervalls,<br />

dem Mittelpunkt des Integrationsintervalls ( a + b ) 2 und der rechten Intervallgrenze<br />

b des Integrationsintervalls. Die Keplersche Fassregel lautet dann:<br />

b<br />

<br />

a<br />

b a a b<br />

f ( x ) dx − <br />

f ( a ) 4 f + <br />

≈ ⋅ f ( b )<br />

<br />

6<br />

+ ⋅ +<br />

2<br />

<br />

<br />

8 Thomas Simpson (geboren 20. August 1710, gestorben 14. Mai 1761)<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

2<br />

2<br />

2<br />

2


8 Integrationsmethoden 97<br />

Wir berechnen abschließend<br />

1<br />

0<br />

1<br />

0<br />

e − x<br />

dx mit Hilfe der Keplerschen Fassregel:<br />

1 1<br />

( ) ( ) ( )<br />

6 6<br />

x<br />

0,25 1<br />

e − dx ≈ ⋅ f 0 + 4 ⋅ f 0,5 + f 1 = ⋅ 1 + 4 ⋅ e − + e −<br />

<br />

= 0,747180428 .<br />

8.6 Übungen<br />

8.6.1 Berechnen Sie die folgenden Integrale mit der Sehnentrapez-, der Simpson- und der<br />

Keplerschen Fassregel. Verwenden Sie bei der Sehnentrapez- und der Simpsonregel<br />

jeweils 4 Teilintervalle.<br />

a)<br />

b)<br />

c)<br />

1<br />

0<br />

e − x<br />

dx<br />

d)<br />

0<br />

−<br />

e x<br />

− dx<br />

e)<br />

1<br />

1 3<br />

0<br />

x + 1<br />

dx<br />

3<br />

f)<br />

2 x + 1<br />

1<br />

<br />

1<br />

<br />

<br />

0<br />

0<br />

1<br />

x<br />

e x + 1<br />

0<br />

1<br />

1<br />

+ e −<br />

2<br />

1<br />

dx<br />

x dx<br />

( )<br />

1 + ln x + 1 dx<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 98<br />

9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung<br />

9.1 Fläche zwischen Graphen<br />

Der Sandkasten der Kindertagesstätte Regenbogen hat die Form eines stilisierten Fisches:<br />

Im Sandkasten sollen 15 Kinder der Kindertagesstätte spielen. Eine neue städtische Vorschrift<br />

besagt, dass jedes Kind im Sandkasten mindestens 2 m² Platz haben muss. Die<br />

Leiterin der Kindertagesstätte muss überprüfen, ob der Sandkasten in der gegenwärtigen<br />

Form weiterhin genutzt werden kann oder ob eine Vergrößerung notwendig ist. Die Umrisse<br />

des Sandkastens werden hierzu in eine maßstabsgerechte Zeichnung übertragen:<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 1 2 3 4 5<br />

Alle Einheiten sind in Metern angegeben. Die obere und untere Begrenzung entsprechen<br />

den Graphen zweier Funktionen f und g , die durch die folgenden Gleichungen gegeben<br />

sind:<br />

3 2<br />

f ( x ) = 0,125 x − 1,125 x + 3 x + 5 ,<br />

3 2<br />

g ( x ) = − 0,125 x + 1,125 x − 3 x + 3 .<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

3<br />

2<br />

2<br />

2


9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 99<br />

Zu berechnen ist die über dem Intervall [ 0 | 5 ] zwischen den beiden Graphen liegende<br />

Fläche:<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5<br />

Diese Fläche ist die Differenz aus der Fläche unter der Funktion f<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5<br />

und der Fläche unter der Funktion g<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 100<br />

Im vorliegenden Fall können beide Flächen mithilfe der jeweiligen Integrale berechnet<br />

werden. Für den gesuchten Flächeneinhalt A gilt also<br />

5 5 5<br />

A = f ( x ) dx − g ( x ) dx = ( f ( x ) − g ( x ) ) dx .<br />

0 0 0<br />

Diese Regel gilt ganz allgemein:<br />

Satz. Liegt für zwei Funktionen f und g im Intervall [ a | b ] der Graph von f nie unter<br />

dem Graphen von g , dann kann der Inhalt A der Fläche, die über dem Intervall [ a | b ]<br />

zwischen den beiden Graphen liegt, mit der Formel<br />

b<br />

<br />

a<br />

( ( ) ( ) )<br />

A = f x − g x dx<br />

berechnet werden.<br />

Für den Sandkasten der Kindertagesstätte ergibt sich<br />

5<br />

0<br />

5<br />

0<br />

5<br />

0<br />

( ( ) ( ) )<br />

A = f x − g x dx<br />

3 2 3 2<br />

( 0,125 1,125 3 5 ( 0,125 1,125 3 3 ) )<br />

= x − x + x + − − x + x − x + dx<br />

3 2<br />

( 0,25 2,25 6 2 )<br />

= x − x + x + dx<br />

4 3 2<br />

= 0,0625 x − 0,75 x + 3 x + 2 x<br />

=<br />

<br />

<br />

<br />

30,3125<br />

5<br />

0<br />

Für jedes Kind stehen also 30,3125 15 ≈ 2,02 m² zur Verfügung. Der Sandkasten genügt<br />

also den neuen Vorschriften.<br />

9.2 Volumenberechnung: Senkrechte Zylinder<br />

Der Sand im fischförmigen Sandkasten der Kindertagesstätte Regenbogen muss erneuert<br />

werden. Der Sandkasten ist überall 0,5 m tief.<br />

Um die Menge des benötigten Sandes zu bestimmen,<br />

muss das Volumen des<br />

Grundfläche<br />

Sandkastens<br />

berechnet werden.<br />

Der Sandkasten stellt einen senkrechten Zylinder<br />

dar: Ein senkrechter Zylinder ist ein Körper, der<br />

von zwei gleichen, parallel liegenden Flächen<br />

(Grundflächen) und der senkrecht zu diesen stehenden<br />

Mantelflächen gebildet wird. Das einfachste<br />

Beispiel eines senkrechten Zylinders ist<br />

der senkrechte Kreiszylinder, dessen Grundfläche<br />

ein Kreis ist.<br />

Mantelfläche<br />

senkrechter Kreiszylinder<br />

Burghardt – RWB 10/11


9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 101<br />

Grundfläche = Fläche des Sandkastens<br />

Sandkasten als senkrechter Zylinder, dessen Grundfläche<br />

die Sandkastenoberfläche ist<br />

Um die Fläche dieses Zylinders zu berechnen, gehen wir ähnlich vor wie bei der Berechnung<br />

des Integrals über Riemannsche Summen: Um die Sandkastenoberfläche zu<br />

berechnen, ist<br />

5<br />

<br />

0<br />

( ( ) ( ) )<br />

A = f x − g x dx<br />

zu berechnen. Dieser Wert wird durch Riemannsche Summen approximiert:<br />

( ; ) ( ( ) ( ) ) ( ) ( ( N ) ( N ) ) ( N N )<br />

5<br />

S<br />

0<br />

f − g N = f z<br />

1<br />

− g z<br />

1<br />

⋅ x<br />

1<br />

− x<br />

0<br />

+ + f z − g z ⋅ x − x − 1<br />

.<br />

Jeder einzelne Summand ist hierbei die Fläche eines Rechtecks. Ein solches ist in der<br />

folgenden Skizze schraffiert:<br />

Multipliziert man die Rechteckfläche mit der Tiefe des Sandkastens, erhält man das Volumen<br />

des Quaders, der sich von Rechtecksfläche bis zum Boden des Sandkastens erstreckt.<br />

Die Summation der Volumina all dieser Quader liefert eine Approximation an das<br />

Volumen des Sandkastens, die umso besser wird, je mehr Quader für die Berechnung<br />

herangezogen werden, je größer also N ist. Die Summe der Volumina der Quader ist<br />

5<br />

( f ( z<br />

1 ) g ( z<br />

1 ) ) ( x<br />

1<br />

x<br />

0 ) ( f ( z<br />

N ) g ( z<br />

N ) ) ( x<br />

N<br />

x<br />

N − 1 ) S<br />

0 ( f g N )<br />

0,5 ⋅ − ⋅ − + + 0,5 ⋅ − ⋅ − = 0,5 ⋅ − ;<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 102<br />

Beim Grenzübergang N → ∞ wird S 5<br />

0 ( f − g ; N ) zu ( ( ) ( ) )<br />

Sandkastens ist also<br />

5<br />

0<br />

f x − g x dx . Das Volumen des<br />

5<br />

<br />

0<br />

( ( ) ( ) )<br />

V = 0,5 ⋅ f x − g x dx = 15,15625<br />

Dies gilt auch im Allgemeinen.<br />

Satz. Liegt für zwei Funktionen f und g im Intervall [ a | b ] der Graph von f nie unter<br />

dem Graphen von g , dann kann das Volumen V des senkrechten Zylinders, dessen<br />

Grundfläche die zwischen a und b liegende Fläche zwischen den Funktionsgraphen ist<br />

und der die Höhe h hat, mit der Formel<br />

b<br />

<br />

a<br />

( ( ) ( ) )<br />

V = h ⋅ f x − g x dx<br />

berechnet werden.<br />

9.3 Volumenberechnung: Rotationskörper<br />

Eine Behindertenwerkstatt stellt Holzbecher her. Die Form der Holzbecher erhält man,<br />

5 3<br />

wenn man den Graphen der durch ( )<br />

x = 10 um die x -Achse rotieren lässt:<br />

f x = 0,0001 x − 0,01 x + 3 im Bereich von x = 0 bis<br />

3,5<br />

3<br />

2,5<br />

2<br />

1,5<br />

1<br />

0,5<br />

0<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Hierbei sind alle Einheiten in cm angegeben. Mit ähnlichen Überlegungen wie beim senkrechten<br />

Zylinder (der Unterschied: Das Volumen wird nicht durch schmale Quader, sondern<br />

durch schmale Kreiszylinder mit Radius ( ) f x approximiert) kommt man für das Volumen<br />

eines Rotationskörpers auf die folgende Formel:<br />

Burghardt – RWB 10/11


9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 103<br />

Satz. Das Volumen des Rotationskörpers, dessen Mantelfläche durch Rotation des Graphen<br />

der Funktion f im Bereich des Intervalls [ a | b ] um die x -Achse entsteht, kann mit<br />

der Formel<br />

b<br />

a<br />

( ( ) ) 2<br />

V = π ⋅ f x dx<br />

berechnet werden.<br />

Für die Becher der Behindertenwerkstatt berechnen wir:<br />

10<br />

0<br />

10<br />

0<br />

<br />

<br />

5 3<br />

( 0,0001 0,01 3 )<br />

V = π ⋅ x − x + dx<br />

10 8 6 5 3<br />

( 0,0000001 0,00002 0,001 0,0006 0,06 9 )<br />

11 9 7 6 4<br />

10<br />

( 0,000000009 x 0,000002222 x 0,000142857 x 0,0001 x 0,015 x 9 x<br />

0<br />

)<br />

( 909,091 2222,222 1428,571 100 150 90 )<br />

= 155 ⋅ π = 4 88,329<br />

2<br />

= π ⋅ x − x + x + x − x + dx<br />

= π ⋅ − + + − +<br />

= π ⋅ − + + − +<br />

Der Holzbecher fasst also 488,329 cm³, also rund einen halben Liter.<br />

9.4 Mittelwerte<br />

Nach Aufzeichnungen eines Wetterdienstes haben sich die Temperaturen in einem Ort im<br />

Lauf eines Jahres gemäß der folgenden Kurve entwickelt:<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0 30 60 90 120 150 180 210 240 270 300 330 360<br />

Hierbei wurde – der Einfachheit halber – das Jahr mit 360 Tagen und jeder Monat mit 30<br />

Tagen angenommen. Es soll die Durchschnittstemperatur für diesen Ort ermittelt werden.<br />

In einem ersten Schritt tun wir so, als wären die Temperaturen in jedem Monat konstant<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 104<br />

etwa in der Mitte der für jeden Monat ermittelten Werte. Dadurch rechnen wir zumindest<br />

eine erste Näherung an den tatsächlichen Jahresmittelwert aus:<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0 30 60 90 120 150 180 210 240 270 300 330 360<br />

Für Jahresmittelwert erhalten wir jetzt die folgende Annäherung:<br />

1<br />

M<br />

30<br />

= ⋅ ( 2,3 ⋅ 30 + 5,3 ⋅ 30 + 9,9 ⋅ 30 + 16,8 ⋅ 30 + 18,3 ⋅ 30 + 20,3 ⋅ 30<br />

360<br />

= + 20,3 ⋅ 30 + 18,3 ⋅ 30 + 16,8 ⋅ 30 + 9,9 ⋅ 30 + 5,3 ⋅ 30 + 2,3 ⋅ 30<br />

= 9,1<br />

)<br />

Der Term in der Klammer ist hierbei nichts anderes, als eine Riemannsche Summe für die<br />

Funktion f , deren Graph über dem Intervall [ 0 | 360 ] die Jahrestemperaturkurve ist. Für<br />

die Riemannsche Summe haben wir das Intervall [ 0 | 360 ] in 12 Teilintervalle der Länge 30<br />

zerlegt:<br />

1 360<br />

M<br />

30<br />

= S<br />

0<br />

f<br />

360<br />

( ;12 )<br />

Verkleinern wir hierbei die Bereiche, in denen wir die Temperatur als konstant annehmen<br />

– äquivalent: erhöhen wir die Anzahl N der Teilintervalle immer weiter – wird die Approximation<br />

immer genauer. Da für wachsendes N die Riemannschen Summen<br />

360<br />

360<br />

S<br />

0 ( f ; N ) gegen ( )<br />

Temperaturen<br />

0<br />

f x dx konvergieren, erhalten wir als Mittelwert M der<br />

1<br />

360<br />

360<br />

0<br />

( )<br />

M = ⋅ f x dx .<br />

Allgemein gilt:<br />

Satz. Ist die Funktion f über dem Intervall [ a | b ] stetig, dann ist<br />

Burghardt – RWB 10/11


9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 105<br />

der Mittelwert von f über [ a | b ] .<br />

1<br />

M = ⋅ f ( x ) dx<br />

b − a<br />

<br />

b<br />

a<br />

Die untersuchte Temperaturkurve ist der Graph der durch<br />

0,001 4 0,04 3 2<br />

( )<br />

f x = x − x + x +<br />

54000 3000<br />

0,0024 1,44<br />

gegebenen Funktion. Als Mittelwert der Temperaturen ergibt sich nun<br />

360<br />

1 0,001 4 0,04 3 2 <br />

M = ⋅ x − x + x + dx<br />

0,0024 1, 44 <br />

360 54000 3000 <br />

0<br />

360<br />

<br />

5 4 3<br />

1 0,001 0,01<br />

= ⋅ x − x + 0,0008 x + 1, 44 x<br />

360 270000 3000 <br />

= 11,808<br />

<br />

0 <br />

Die Durchschnittstemperatur ist also ungefähr 11,8 Grad.<br />

9.5 Gesamtänderung einer Größe<br />

Der CO2-Ausstoß von Pkws wird seit vielen Jahren in der Gesellschaft diskutiert. Wir<br />

wollen annehmen, dass für ein bestimmtes Fahrzeugmodell der momentane CO2-Ausstoß<br />

x Sekunden nach dem Starten des Motors mithilfe der durch<br />

( )<br />

f x<br />

= 04 +<br />

0,4<br />

( 0,01 x + 1 ) 2<br />

gegebenen Funktion modelliert werden kann. Der CO2-Ausstoß wird dabei in Gramm pro<br />

Sekunde gemessen. Wie viel CO2 wird dann bei einer einstündigen Autofahrt an die<br />

Umwelt abgegeben<br />

Um diese Frage zu beantworten, berechnen wir zunächst, welche CO2-Menge während<br />

dieser 3600 Sekunden ( 60 ⋅ 60 = 3600 ) durchschnittlich je Sekunde abgegeben werden.<br />

Dies ist nach dem im letzten Abschnitt gefundenen Resultat<br />

3600<br />

1 0, 4 <br />

M = ⋅ 4 +<br />

dx<br />

2<br />

3600 − 0<br />

<br />

0 ( 0,01 x + 1 ) <br />

<br />

Gramm. Indem wir die durchschnittlich je Sekunde ausgestoßene CO2-Menge mit der Anzahl<br />

der verstrichenen Sekunden multiplizieren, erhalten wir dann die insgesamt ausgestoßene<br />

CO2-Menge. Diese ist also gleich<br />

3600 3600<br />

1 0, 4 0,4<br />

3600 M <br />

3600 4 4<br />

2 2<br />

3600<br />

0 ( 0,01 1 ) dx <br />

⋅ = ⋅ ⋅ + = +<br />

x <br />

+ <br />

0 ( 0,01 x + 1 ) <br />

dx<br />

<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 106<br />

Gramm. Diese Überlegungen kann man auch ganz allgemein durchführen und erhält:<br />

Satz. Angenommen, die Veränderung einer Größe G zwischen zwei Zeitpunkten a und<br />

b kann mithilfe einer stetigen Funktion f berechnet werden, das heißt, f ( x ) ist die<br />

momentane Veränderung von G zum Zeitpunkt x . Dann ist<br />

b<br />

<br />

a<br />

( )<br />

f x dx<br />

die Gesamtänderung von G im Zeitraum von a bis b .<br />

Um die während einer einstündigen Autofahrt abgegebene CO2-Menge zu berechnen,<br />

bestimmen wir zunächst eine Stammfunktion der durch<br />

( )<br />

f x<br />

= 4 +<br />

0, 4<br />

( 0,01 x + 1 ) 2<br />

gegebenen Funktion:<br />

0,4 <br />

0, 4 0,01<br />

dx x dx<br />

2 2<br />

<br />

0,4<br />

= x + ⋅ − x +<br />

4 4<br />

+ ( 0,01 x 1 ) <br />

= − 0,01<br />

⋅ <br />

+ ( 0,01 x + 1 )<br />

( )( )<br />

4 1 0,01 1<br />

0,01<br />

40<br />

4<br />

x<br />

= −<br />

0,01 x + 1<br />

−<br />

1<br />

Damit ergibt sich<br />

3600<br />

0<br />

3600<br />

0, 4 <br />

40<br />

4 dx 4 x<br />

14438,919<br />

2<br />

+ ( 0,01 x + 1 ) = − 0,01 x + 1<br />

= ,<br />

<br />

0<br />

also rund 14.440 Gramm. Dieser Wert ist nicht unrealistisch: Zum Beispiel stoßen heutige<br />

Diesel-PKW der Mittelklasse je Kilometer eine CO2-Menge von 130 bis 160 g aus. Fährt<br />

man eine Stunde mit 100 km/h, so ergibt sich ein CO2-Ausstoß von 13.000 g bis 16.000 g.<br />

Der berechnete Wert liegt in diesem Bereich.<br />

9.6 Bogenlänge<br />

Wie kann die Länge eines Funktionsgraphen über einem Intervall [ ] | a b bestimmt werden<br />

Untersuchen wir zunächst den Fall, dass die Funktion eine lineare Funktion ist:<br />

Burghardt – RWB 10/11


9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 107<br />

Q = ( b | f ( b ) )<br />

P = ( a | f ( a ) )<br />

f ( b ) − f ( a )<br />

b − a<br />

a b<br />

In diesem Fall ist die Länge der Strecke c von P nach Q zu bestimmen. Nach dem Satz<br />

des Pythagoras gilt in dem eingezeichneten (Steigungs-)Dreieck:<br />

( ) 2<br />

( ( ) ( ) ) 2<br />

c<br />

2 = b − a + f b − f a<br />

P = ( a | f a ) und<br />

Durch Wurzelziehen erhält man für die Strecke zwischen den Punkten ( )<br />

Q = ( b | f ( b ) ) :<br />

c = ( b − a ) 2<br />

+ ( f ( b ) − f ( a ) ) 2<br />

.<br />

Wie sieht es nun bei einer beliebigen Funktion aus Um die Länge L des Graphen zwischen<br />

a und b zu approximieren, zerlegen wir das Intervall wie bei der Definition des Integrals<br />

über Riemannsche Summen in N Teilintervalle. Statt die Länge des Funktionsgraphen<br />

zu berechnen, berechnen wir in jedem Teilintervall die Länge der Sekante, die<br />

durch die Punkte auf dem Graphen an den Intervall-Enden läuft:<br />

= ( k − 1 ( k − 1 ) )<br />

Q = ( x<br />

k<br />

| f ( x<br />

k ) )<br />

P x f x<br />

x<br />

k − 1<br />

x<br />

k<br />

Wie wir eben gesehen haben, kann diese Strecke berechnet werden durch den Term<br />

( ) ( ( ) ( ) ) 2<br />

x 2<br />

k<br />

− x<br />

k − 1<br />

+ f x<br />

k<br />

− f x<br />

k − 1<br />

.<br />

Wir formen dies wie folgt um:<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 108<br />

( x<br />

k<br />

x<br />

k − ) ( f ( x<br />

k ) f ( x<br />

k − ) ) ( x<br />

k<br />

x<br />

k − )<br />

( x x )<br />

( f ( x<br />

k ) − f ( x<br />

k − ) )<br />

( x − x )<br />

2<br />

<br />

2 2<br />

2 1<br />

−<br />

1<br />

+ −<br />

1<br />

= −<br />

1<br />

⋅ 1 + <br />

2<br />

<br />

k k − 1 <br />

1<br />

( ) − ( )<br />

f x f x <br />

k k − 1<br />

=<br />

k<br />

−<br />

k − 1<br />

⋅ + <br />

x<br />

k<br />

− x<br />

k − 1 <br />

Nach einem wichtigen Satz der Differentialrechnung – dem Mittelwertsatz – kann man im<br />

Intervall [ ]<br />

x<br />

k − 1<br />

| x<br />

k<br />

eine Stelle z k<br />

finden, sodass<br />

ist. Im Intervall [ ]<br />

( ) − ( )<br />

f x f x<br />

k k<br />

x − x<br />

k k<br />

−<br />

1<br />

−<br />

1<br />

=<br />

f z<br />

( )<br />

x<br />

k − 1<br />

| x<br />

k<br />

wird also die Länge des Graphen durch den Term<br />

( x ) ( ( ) ) 2<br />

k<br />

− x<br />

k − 1<br />

⋅ 1 + f ′ z<br />

k<br />

angenähert. Die Länge des Graphen zwischen a und b wird dann durch die Summe dieser<br />

Werte, also durch<br />

( 1 0 ) 1 ( ( 1 ) ) ( 2 1 ) 1 ( ( 2 ) ) ( − 1 ) 1 ( ( ) )<br />

k<br />

2 2 2<br />

L = x − x ⋅ + f ′ z + x − x ⋅ + f ′ z + + x − x ⋅ + f ′ z<br />

N N N N<br />

approximiert. L N<br />

ist nichts anderes als eine Riemannsche Summe für die durch<br />

( ) = 1 + ( ( ) ) 2<br />

g x f x<br />

gegebene Funktion. Durch die Erhöhung der Zahl N der Teilintervalle wird die Annäherung<br />

L<br />

N<br />

an die Länge des Graphen immer genauer. Andererseits streben die<br />

Riemannschen Summen gegen das Integral 1 + ( ( ) ) 2<br />

b<br />

a<br />

f x dx . Dies bedeutet:<br />

2<br />

Satz. Angenommen, die Funktion f ist über dem Intervall [ a | b ] differenzierbar und die<br />

Ableitung f ′ ist über dem Intervall [ a | b ] stetig. Dann ist<br />

b<br />

( ( ) ) 2<br />

L = 1 + f x dx<br />

die Länge des Graphen von f über dem Intervall [ a | b ] .<br />

<br />

a<br />

9.7 Übungen<br />

9.7.1 Bei den Übungen dieses Abschnitts ist manchmal die folgenden Formeln nützlich:<br />

2 2 2 2<br />

( )<br />

2 2 2 2 2<br />

( )<br />

a + b + c = a + b + c + 2 ab + 2 ac + 2 bc<br />

a + b + c + d = a + b + c + d + 2 ab + 2 ac + 2 ad + 2 bc + 2 bd + 2 cd .<br />

Beweisen Sie sie.<br />

9.7.2 Hühnereier aus biologischer Haltung werden mehr und mehr nachgefragt. Neben<br />

vielen anderen Bedingungen verlangt das Prädikat „aus biologischer Landwirtschaft“, dass<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

|<br />

′<br />

′<br />

′<br />


9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 109<br />

die Hühner frei laufen können, wobei für jedes Tier mindestens 4 m² Fläche zur Verfügung<br />

stehen müssen. Ein Landwirt plant, auf einem freien Gelände Hühner zu halten, um dort<br />

nach Bio-Kriterien Hühnereier zu produzieren. Das Gelände kann mathematisch modelliert<br />

werden als die Fläche zwischen den Graphen der Funktionen mit den Gleichungen<br />

( )<br />

2<br />

f x = − 0,019 x + 1,52 x + 5<br />

(Nordbegrenzung) und<br />

( )<br />

3 2<br />

g x = − 0,0005 x + 0,0525 x − 0,9 x + 5<br />

(Südbegrenzung). Hierbei entspricht eine Längeneinheit einem Meter. Die y -Achse weist<br />

nach Norden.<br />

a) Bestimmen Sie, wie viele Hühner der Bauer auf der Fläche halten darf.<br />

b) Dort, wo der Abstand von Nord- zu Südbegrenzung am größten ist, soll genau in der<br />

Mitte zwischen beiden Begrenzungen ein Unterstand mit Futterstation errichtet<br />

werden. Berechnen Sie, wo der Unterstand gebaut werden muss. Bestimmen Sie<br />

auch den durchschnittlichen Abstand von Nord- zu Südbegrenzung.<br />

c) Das Gelände soll mit einem Zaun eingefriedet werden, dessen Errichtung 25 € je<br />

Meter kostet. Ermitteln Sie, mit welchen Kosten der Landwirt ungefähr rechnen<br />

muss.<br />

9.7.3. Für Open-Air-Veranstaltungen will die Stadt Bonn eine 120 Meter lange Freifläche<br />

ausweisen. Die nördliche Begrenzung der Freifläche kann dargestellt werden durch den<br />

im Bereich [ 0 |120 ] liegenden Teil des Graphen der Funktion f mit<br />

3 2<br />

f ( x ) = 0,0001 x − 0,0237 x + 1,368 x + 11 .<br />

Die südliche Grenze entspricht dem im selben Bereich liegenden Teil des Graphen der<br />

Funktion g mit<br />

2<br />

g ( x ) = 0,01 x − 1, 2 x − 7, 2 .<br />

Hierbei entsprechen eine x - und eine y -Einheit jeweils einem Meter. Die y -Achse weist<br />

nach Norden.<br />

a) Bestimmen Sie, für wie viele Menschen die Fläche höchstens freigegeben werden<br />

darf, wenn für zwei Menschen mindestens 1 m² zur Verfügung stehen muss.<br />

b) Neben dem Haupteingang an der der Westseite soll aus Sicherheitsgründen an der<br />

breitesten Stelle der Freifläche jeweils ein Notausgang an der Nord- und der Südseite<br />

angelegt werden. Berechnen Sie, wo dies ist. Bestimmen Sie auch die durchschnittliche<br />

Breite der Freifläche.<br />

c) Das Gelände soll mit einem Zaun eingefriedet werden, dessen Errichtung 28,50 € je<br />

Meter kostet. Ermitteln Sie, mit welchen Kosten ungefähr zu rechnen ist.<br />

9.7.4 Beim Fußballspielen der Jugendgruppe in der Turnhalle schießt Florian den Ball<br />

quer durch die Halle. Die Flugkurve kann mit Hilfe der durch<br />

( )<br />

3 2<br />

f x = − 0,00625 x + 0,1125 x<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 110<br />

gegebenen Funktion modelliert werden, wobei x und f ( x ) in Metern gemessen werden.<br />

a) Jeder, der einen Ball an die Hallendecke schießt, muss 50 Cent Strafe in die<br />

Gruppenkasse zahlen. Untersuchen Sie, ob Florian etwas zahlen muss. Die Halle ist<br />

6 Meter hoch.<br />

b) Berechnen Sie, wie weit der Ball fliegt, bei welcher Entfernung er am stärksten steigt<br />

und wie groß die durchschnittliche Flughöhe ist.<br />

c) Ermitteln Sie die ungefähre Länge der Strecke, die der Ball in der Luft zurücklegt.<br />

9.7.5 Hervorgerufen durch einen zu feuchten Sommer vermehrt sich die Anzahl eines<br />

Schädlings in einem Wald exponentiell. Nach einer Zählung von Botanikern der Uni Bonn<br />

befinden sich in dem Wald im Moment rund 20.000 Schädlinge bei einer täglichen<br />

Wachstumsrate von 0,1. Jeden Tag vertilgt jeder Schädling eine Blattfläche von 4 cm².<br />

Berechnen Sie, welche Blattfläche nach 3 Wochen vernichtet sein wird.<br />

9.7.6 Die Blätter eines Ahornbaumes produzieren abhängig von der Sonneneinstrahlung<br />

Sauerstoff. Die von einem Quadratmeter Blattfläche an einem wolkenlosen Sommertag<br />

zwischen 6 Uhr und 21 Uhr je Stunde produzierte Sauerstoffmenge kann näherungsweise<br />

mit der durch<br />

( )<br />

f x = 500 ⋅ e<br />

( x − 12 ) 4<br />

−<br />

360<br />

für x ∈ [ 6 | 21 ] definierten Funktion f modelliert werden. Dabei wird die Sauerstoffmenge<br />

in Milliliter gemessen.<br />

a) Berechnen Sie, um welche Uhrzeit die Sauerstoffproduktion am höchsten ist, und<br />

wann sie am stärksten ansteigt sowie am stärksten abfällt.<br />

b) Ein Ahornbaum hat ungefähr 100.000 Blätter und jedes Blatt hat eine Oberfläche von<br />

55 cm². Ermitteln Sie, wie viel Sauerstoff der Ahornbaum ungefähr im Lauf eines<br />

wolkenlosen Sommertags produziert.<br />

9.7.7. Der Querschnitt durch ein Tal in der Eifel von West nach Ost kann näherungsweise<br />

beschrieben werden durch den über dem Intervall [ − 4 | 3 ] liegenden Teil des Graphen der<br />

Funktion f mit<br />

3 2<br />

f ( x ) = 0,125 x + 0,75 x − 3 .<br />

Dabei entspricht eine Längeneinheit 50 m. In West-Ost-Richtung durchzieht das Tal ein<br />

Bergwanderweg.<br />

a) Zeichnen Sie den Querschnitt des Tales.<br />

b) Berechnen Sie das größte Gefälle und die größte Steigung des Bergwanderwegs.<br />

c) Ermitteln Sie die ungefähre Länge des Bergwanderwegs. Bestimmen Sie auch, nach<br />

wie viel Kilometern das größte Gefälle und nach wie viel Kilometern der tiefste Punkt<br />

des Bergwanderwegs erreicht werden.<br />

d) Entlang des Bergwanderwegs soll für eine neue Talsperre eine Staumauer errichtet<br />

werden, die vom tiefsten Punkt des Tales aus gemessen 150 m hoch ist. Bestimmen<br />

Sie die Breite der geplanten Staumauer an der Oberkante.<br />

e) Bestimmen Sie die Fläche der geplanten Staumauer.<br />

f) Hinter der geplanten Staumauer erstreckt sich das Tal noch weitere 400 m mit im<br />

Burghardt – RWB 10/11


9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 111<br />

Wesentlichen unveränderten Querschnitt und endet dann an einer nahezu senkrechten<br />

Bergwand. Berechnen Sie das Fassungsvermögen der geplanten Talsperre.<br />

9.7.8 Eine Bürgerinitiative protestiert gegen den Bau eines Stausees in den Alpen. Um<br />

fundiert argumentieren zu können, studieren die Aktivisten die vom Freistaat Bayern veröffentlichten<br />

Pläne des Stausee-Projekts.<br />

Der Querschnitt des Tals, das durch den Bau einer Staumauer zum Wasserbecken des<br />

Stausees werden soll, kann näherungsweise durch die Funktion f mit<br />

3 2<br />

f ( x ) = − 15 x + 115 x − 25 x +<br />

8<br />

64 64 8 5<br />

beschrieben werden, wobei eine Längeneinheit 50 m entspricht. Dabei beginnt die Krone<br />

der Staumauer im Hochpunkt des Graphen und endet in gleicher Höhe auf der gegenüberliegenden<br />

Tal-Seite.<br />

a) Berechnen Sie die Länge der Krone der Staumauer.<br />

b) Das Tal hat eine Länge von 2 km und schließt dann mit einer nahezu senkrechten<br />

Felswand ab. Sein Querschnitt bleibt auf die gesamte Länge im Wesentlichen unverändert.<br />

Bestimmen Sie, wie viel Wasser das Staubecken fassen wird.<br />

c) Die Staumauer ist im Schnitt 8 m dick. 80 % ihres Volumens wird aus Beton bestehen.<br />

Der Beton soll von Lkws, die 15 t laden können, zur Baustelle gebracht<br />

werden. Ermitteln Sie, wie viele Lkw-Fahrten zur Baustelle nötig sind, wenn 1 m³ Beton<br />

2.400 kg wiegen.<br />

9.7.9 Der Verlauf der Küste zwischen zwei Häfen am Nordfriesischen Wattenmeer kann<br />

näherungsweise dargestellt werden durch den Teil des Graphen der Funktion f mit<br />

3 2<br />

f ( x ) = − x + 6 x − 9 x + 4 ,<br />

der zwischen seinem Schnittpunkt S mit der y -Achse und seinem Hochpunkt H liegt.<br />

Hierbei entspricht eine Längeneinheit 2,5 km.<br />

a) Zeichnen Sie den Graphen der Funktion f über dem Intervall [ 0 | 4 ]<br />

b) Ermitteln Sie die ungefähre Länge des Küstenstreifens.<br />

c) Zwischen S und H befindet sich am Tiefpunkt T des Graphen von f ein beliebter<br />

Ferienort. Der Tourismusverein überlegt, von hier aus Tagestouren mit Wattwagen<br />

zum nächstgelegenen Punkt auf einer vorgelagerten Insel anzubieten. Die Küstenlinie<br />

der Insel kann im in Frage kommenden Bereich ungefähr durch den Graphen<br />

der durch<br />

( )<br />

2<br />

g x = 0,1 x + 0, 2 x + 5<br />

gegebenen Funktion beschrieben werden. Stellen Sie diese Funktion über dem<br />

Intervall [ 0 | 4 ] im Koordinatensystem aus a) dar und berechnen Sie dann unter der<br />

Annahme, dass die Wagen eine gerade Strecke fahren können, die Länge der Fahrstrecke.<br />

d) Der heutige Küstenverlauf unterscheidet sich von dem Küstenverlauf in früheren<br />

Jahrhunderten. Die damalige Küstenlinie zwischen T und H kann beschrieben<br />

werden mithilfe der durch<br />

Burghardt – RWB 10/11<br />

9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 112<br />

( )<br />

2<br />

h x = x − 2 x + 1<br />

gegebenen Funktion. Untersuchen Sie, ob es durch die Veränderung der Küstenlinie<br />

zu einem Landgewinn oder einem Landverlust kam, und berechnen Sie, wie hoch<br />

dieser war.<br />

9.7.10. Eine Kaffeebohne ähnelt dem Rotationskörper, der entsteht, wenn die Parabel mit<br />

der Gleichung<br />

1<br />

( ) ( 7 )<br />

f x = − x ⋅ x −<br />

6<br />

zwischen den Nullstellen um die x -Achse rotiert. Hierbei werden x und f ( x ) in Millimetern<br />

gemessen. Berechnen Sie das Volumen der Kaffeebohne.<br />

9.7.11 Die Mantelfläche eines 80 m hohen, runden Kühlturms<br />

eines Kraftwerks kann modelliert werden durch Rotation des<br />

Graphen der Funktion f mit<br />

( )<br />

3 2<br />

f x = 0,01 x − 0,09 x + 3<br />

um die x -Achse. Hierbei entspricht eine Einheit 10 m.<br />

a) Zeichnen Sie den Graphen der Funktion f .<br />

b) Ermitteln Sie, in welcher Höhe der Turm den kleinsten Umfang hat, und berechnen<br />

Sie den Umfang in dieser Höhe.<br />

c) Berechnen Sie das Volumen des Kühlturms.<br />

d) Die Wandstärke des Kühlturms beträgt 0,5 m. Bestimmen Sie das Volumen der<br />

Wand.<br />

9.7.12 Der Kelch eines Weinglases entsteht durch Rotation des Graphen einer Funktion<br />

f um die x -Achse, wobei f wie folgt gegeben ist:<br />

• Für 0 x 4<br />

• Für 4 x 12<br />

≤ ≤ ist f ( x ) = x .<br />

≤ ≤ stimmt ( )<br />

g ( x ) = x gezeichneten Tangente überein.<br />

Eine Längeneinheit entspricht hierbei 1 cm.<br />

f x mit der an der Stelle 4 an den Graphen der Funktion<br />

a) Überprüfen Sie, dass die Tangente die Gleichung ( )<br />

t x x<br />

4<br />

1<br />

= + 1 hat.<br />

b) Das Weinglas wird bis zur Höhe x = 4 mit Wein gefüllt. Berechnen Sie, wie viel Liter<br />

Wein im Glas sind.<br />

c) Berechnen Sie, wie viel Liter Wein sich im Glas befinden, wenn das Glas bis zur<br />

Höhe x = 5 , x = 8 bzw. x = 12 gefüllt wird.<br />

d) Weisen Sie nach, dass das Flüssigkeitsvolumen in Abhängigkeit von der Einfüllhöhe<br />

x für 4 ≤ x ≤ 12 berechnet werden kann mithilfe der durch<br />

3 2<br />

V ( x ) = π ⋅ 1 x + 1 x + x −<br />

4 <br />

<br />

48 4 3 <br />

Burghardt – RWB 10/11


9 Weitere Anwendungen der Integralrechnung 113<br />

gegebenen Funktion.<br />

e) Das Weinglas soll einen Eichstrich bei der Füllhöhe 250 ml bekommen. Bestimmen<br />

Sie, in welcher Höhe der Eichstrich gesetzt werden muss.<br />

Burghardt – RWB 10/11

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