Therapeutische PflegeKorrektur - LiN
Therapeutische PflegeKorrektur - LiN
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Weiterbildung für Intensivpflege und Anästhesie<br />
Kurs 2008/2010<br />
Abschlussarbeit<br />
Betreuender Dozent: Harry Wolpert<br />
Abgabetermin: 31. Januar 2010<br />
Therapeutisch aktivierende Körperpflege und<br />
Lagerung in Neutralstellung (<strong>LiN</strong>)<br />
in der Weaningphase auf Intensivstation<br />
Vorgelegt von: Kamilla Rynkiewicz am 30. Januar 2010
Gliederung<br />
Einleitung Seite 1<br />
1. Definitionen Seite 2<br />
1.1 Bobath-Konzept Seite 2<br />
1.2 <strong>Therapeutische</strong> aktivierende Pflege Seite 2<br />
1.3 Lagerung in Neutralstellung (<strong>LiN</strong>) Seite 3<br />
1.4 Weaning auf Intensivstation Seite 4<br />
2. Warum ist Lagern und therapeutische aktivierende<br />
Körperpflege wichtig Seite 5<br />
3. Bedeutung der therapeutischen aktivierenden<br />
Körperpflege und <strong>LiN</strong> in Weaningphase Seite 6<br />
4. Alltag und Praxisbeispiele Seite 9<br />
4.1 Beispiel 1 – Frau A. Seite 9<br />
4.2 Beispiel 2 – Herr B. Seite 12<br />
4.3 Beispiel 3 – Frau C. Seite 14<br />
4.4 Beispiel 4 – Frau D. Seite 16<br />
4.5 Beispiel 5 – Frau E. Seite 18<br />
4.6 Beispiel 6 – Herr F. Seite 19<br />
5. Fazit Seite 21<br />
Literaturnachweis
Einleitung<br />
Grund für die Auswahl dieser Thematik war mein Wunsch mich als Pflegekraft<br />
intensiver in das Therapiekonzept auf Intensivstation einzubringen, um den<br />
Genesungsprozess des Patienten zu beschleunigen.<br />
Bei der aktivierenden Körperpflege und der Lagerung in Neutralstellung (<strong>LiN</strong>)<br />
handelt es sich um ein neues Aufgabegebiet, verknüpft mit selbständiger Planung,<br />
Durchführung und Beobachtung.<br />
Die aktivierende Körperpflege hat sich unter anderem aus dem Bobath-Konzept<br />
entwickelt und die Lagerung in Neutralstellung wurde 2000 von Fr. Pickenbrock<br />
entworfen und ist somit ein noch recht neues Konzept.<br />
Diese zwei Hauptthemen möchte ich in meiner Facharbeit verknüpfen und deren<br />
Bedeutung theoretisch und anhand von konkreten Beispielen erläutern. Das<br />
Bobath-Konzept wird hier nur zum besseren Verständnis der aktivierenden<br />
Körperpflege kurz dargestellt.<br />
1
1. Definitionen<br />
1.0 Bobath-Konzept<br />
Die Begründer sind Dr. med. Karl Bobath und Dr. h. c. med. Berta Bobath. Das<br />
Konzept ist eine der verbreitesten Therapieformen in der Behandlung von<br />
Menschen mit neurologischen Störungen. Die Lähmungen, die<br />
Gleichgewichtsstörrungen, die veränderte Muskelspannung sowie die Störungen<br />
der Körperselbstwahrnehmung stehen im Vordergrund des Konzepts. Aufgabe des<br />
Pflegenden ist es, dem Patient Bewegung zu erleichtern bzw. zu ermöglichen und<br />
einen Lernprozess wieder anzusterben. Ziel ist es die größtmögliche<br />
Selbstständigkeit des Betroffenen zu erreichen ohne ihn zu überfordern.<br />
Frau Dr. h. c. med. Berta Bobath beschreibt selbst: „ ... es muss den Patienten<br />
Freude mache, dass er wieder etwas kann. Der Patient wird durch unsere Hände<br />
so geleitet, wir müssen gar nicht viel sagen, sondern ihm das Gefühl von Haltung<br />
und Bewegung wiedergeben. Nur da wo der Patient selbst aktiv ist, lernt er seine<br />
Bewegungsmöglichkeiten wieder zu nutzen und in sinnvollen Kontext wieder<br />
abzurufen.“ (1).<br />
1.1 <strong>Therapeutische</strong> aktivierende Körperpflege<br />
Die aktivierende Körperpflege hat sich u.a. aus dem Bobath-Konzept entwickelt und<br />
stellt eine alltägliche Pflegepraxis dar, welche die Selbständigkeit und Unabhängigkeit<br />
des Menschen fördert (2). Diese Form der Hilfe zur Selbsthilfe soll Pflegebedürftigen<br />
mehr Selbstbewusstsein vermitteln und aufzeigen, wie Betroffene den Alltag allein<br />
oder unter Beaufsichtigung bzw. Anleitung oder Unterstützung bestreiten können. Die<br />
aktivierende Pflege soll den Pflegebedürftigen helfen, vorhandene Fähigkeiten zur<br />
Selbstversorgung zu erhalten und solche, die verloren gegangen sind, zu reaktivieren.<br />
Sie ist gekennzeichnet durch einen Beziehungsprozess mit zielgerichteten Maßnahmen<br />
und Aktivitäten und soll gemeinsam mit Patienten, dem Team und den Angehörigen<br />
geplant, durchgeführt und im Prozess evaluiert werden.<br />
2
<strong>Therapeutische</strong> aktivierende Pflege umfasst die Beziehungsebene und<br />
Handlungskompetenzen unter folgenden Aspekten (3):<br />
• die Einschätzung der Selbstpflegefähigkeit und des Selbstpflegebedarfs<br />
• die Anleitung, Beratung, Begleitung und Unterstützung bei der<br />
Bewältigung aller Alltagsaktivitäten unter Berücksichtigung der Ziele des<br />
zu pflegenden Menschen<br />
• die Anpassung an die jeweils aktuelle Situation<br />
• die Stärkung der Motivation zur Eigenaktivität und Autonomie<br />
• die Gestaltung von Bewegungsübergängen und Positionen, so dass für den<br />
zu pflegenden Menschen Bewegung erfahrbar wird.<br />
• die Vertiefung und Festigung von Handlungsabläufen durch<br />
Wiederholungen im Rahmen von Alltagssituationen<br />
• die individuelle Begleitung und Förderung zur Eigenverantwortung<br />
1.3 Lagerung in Neutralstellung (LIN)<br />
Ein wichtiger Baustein in der Versorgung von schwer betroffenen<br />
pflegebedürftigen Menschen ist deren Lagerung. Bei Patienten die sich selbst<br />
nicht mehr bewegen können, soll die individuell angepasste professionelle<br />
Lagerung ihnen ermöglichen, dass sie bequem liegen und sich ausruhen können<br />
(4).<br />
Die Lagerung soll sich insgesamt auf den Patienten günstig auswirken.<br />
Vermeiden, dass durch eine falsche, unangenehme Lagerung, ein zusätzlicher<br />
Stressfaktor entsteht. Zudem sollen Sekundärschaden vorgebeugt werden, wie<br />
z.B. Dekubitus oder Kontrakturen. Aus der Erkenntnis, dass beim aufrecht<br />
stehenden Menschen sich alle Gelenke in Neutralstellung befinden, d.h. weder in<br />
Beugung noch in Streckung und dass man sich aus der Neutralstellung heraus in<br />
alle Richtungen leicht bewegen kann, hat Fr. Pickenbrock die Lagerung in<br />
„neutraler“ Gelenkstellung für den pflegebedürftigen Menschen entwickelt.<br />
Der Körper passt sich nicht mehr an die Unterlage an, sondern die Unterlage wird<br />
individuelle dem Körper angepasst (4).<br />
3
Die <strong>LiN</strong>-Arbeitsgemeinschaft definiert folgende Ziele der Lagerung in<br />
Neutralstellung (5):<br />
• Bequemes Liegen und Wohlbefinden<br />
• Dekubitusprophylaxe<br />
• Kontrakturenpropylaxe und Unterstützung bei der Behandlung von<br />
Kontrakturen<br />
• Tonusregulation und Vermeiden von spastischen Mustern bei Patienten<br />
mit zentralen Läsionen<br />
• Einfluss auf Vitalparameter wie Herzfrequenz, Atmung, Blutdruck und<br />
Schwitzen<br />
• Haltungshintergrund geben um Beweglichkeit zu ermöglichen<br />
1.4 Weaning auf Intensivstation<br />
Weaning bezeichnet die Entwöhnung des Patienten von der Beatmungsmaschine.<br />
Weaning ist ein äußert wichtiger und schwieriger Prozess, gerade bei Patienten<br />
die Langzeit beatmet sind und evtl. noch ungünstige Faktore mitbringen, wie z.B.<br />
chronische Lungenerkrankung. Klar ist, dass man einen Weaningprozess nicht<br />
immer genau planen kann, dass sich stets neue Situationen ergeben können.<br />
Nach einer Langzeitbeatmung sind die Patienten häufig lustlos und wenig<br />
motiviert. Um eine entsprechend günstige Ausgangsposition zu schaffen, muss<br />
manchmal die „Freude am Leben“ erst wieder gefunden werden (6).<br />
Mann muss sich aber im Klaren sein, dass die Patienten in der Weaningphase<br />
meistens rasch erschöpf sind. Stresssituationen sollten schnell erkannt bzw.<br />
vermieden werden, um eine Verschlechterung der Atmung, mit möglicher Folge<br />
einer erneuten maschinellen Beatmung, zu verhindern.<br />
4
2. Warum ist Lagern und therapeutische aktivierende<br />
Körperpflege wichtig<br />
Menschen mit schweren Behinderungen, beispielsweise nach einem Unfall oder<br />
einem Schlaganfall, benötigen umfassende Hilfestellungen und therapeutische<br />
Behandlungen. Oft müssen sie neu lernen, sich zu bewegen und kleinste<br />
Alltagshandlungen zu übernehmen. Die Patienten sind in allen Aktivitäten des<br />
täglichen Lebens auf Hilfe angewiesen. Durch Pflegekräfte und Therapeuten<br />
lernen sie, Schritt für Schritt in den „normalen Alltag“ zurückzukommen.<br />
Dafür ist eine sehr intensive und zeitaufwändige Betreuung notwendig. Durch die<br />
knapper werdenden Ressourcen im Gesundheitssystem kann sich das<br />
Fachpersonal immer weniger direkt um den Patienten kümmern. Im Bereich der<br />
Frührehabilitation neurologischer Patienten wurde im Rahmen der Abrechnung<br />
über Fallpauschalen festgelegt, dass jeder Patient mindestens 300 Minuten<br />
Therapie am Tag erhalten muss (pflegetherapeutische Leistungen sind in dieser<br />
Zahl enthalten). Auch wenn diese Zeit geleistet wird, bleiben insgesamt 19<br />
Stunden, in denen der Patient sich selbst überlassen ist. Umso wichtiger wird eine<br />
sinnvolle Gestaltung der therapiefreien Phasen für Patienten, die kein<br />
Eigentrainingsprogramm absolvieren können (4).<br />
Der Patient muss so gelagert werden, dass es in dieser Zeit möglichst nicht zu<br />
sekundären Problemen (Spastik, Dekubitus, Kontrakturen usw.) kommt. Dabei<br />
sollte die Lagerung Bewegungen zulassen, die Muskelspannung günstig<br />
beeinflussen und unbedingt so bequem wie möglich sein. Durch eine<br />
professionelle Lagerung soll es dem Patienten erleichtert werden, in den<br />
Therapiephasen mitzuarbeiten. Er kann sich leichter bewegen und kann so von<br />
Pflegekräften und Therapeuten im Alltag besser aktiviert werden (4).<br />
5
3. Bedeutung der therapeutischen aktivierenden Körperpflege<br />
und <strong>LiN</strong> in Weaningphase<br />
Unser Leben ist stark von Routine Handlungen geprägt. Wir machen uns keine<br />
Gedanken, wie dusche ich mich heute oder wie koche ich Kaffe Ohne es zu<br />
wissen, wo wir uns befinden und was mit uns geschieht, sind wir verloren und<br />
ausgeliefert. Deshalb ist unser Gehirn ständig auf der Suche nach zuverlässigen<br />
Informationen. Was bedeutet das für die alltägliche Versorgung des<br />
Schwerbetroffenen auf der Intensivstation<br />
Ein Mensch mit einer Schädigung des Gehirns oder einer schwerwiegenden<br />
Erkrankung, wie im Rahmen einer Sepsis oder nach einem Koma ist in seinen<br />
Fähigkeiten häufig massiv gestört. Er ist nicht mehr in der Lage, für sich zu<br />
sorgen, die Umwelt zu verstehen und adäquat zu reagieren. Teilweise ist er auch<br />
nicht mehr in der Lage sich zu äußern, einfache Handlungen durchzuführen, die<br />
normalerweise automatisch ablaufen, oder einfache Bewegungen zu koordinieren,<br />
wie z.B. sich zu waschen, sich ein Glas Wasser einschenken oder sei es nur das<br />
Glas an den Mund zu bringen.<br />
Dem Schwerbetroffenen soll durch die aktivierende Körperpflege geholfen<br />
werden, seine Umwelt wieder wahrzunehmen. Der Patient wird so in den<br />
alltäglichen Pflegemaßnahmen auf eine „sanfte Art“ aktiv miteinbezogen.<br />
Hierdurch erhält er die Möglichkeit über die alltäglichen Handlungen wie Lagern<br />
oder Waschen in sein Leben zurückfinden. Ziel ist es die Pflege so zu gestallten,<br />
dass der Patient den Ablauf mit Verständnis folgen kann. Die Maßnahme stellt<br />
einen rehabilitativen Ansatz dar, angepasst an den Schwerbetroffenen und<br />
reduziert die Verweildauer auf der Intensivstation ohne die Krankenhausmortalität<br />
zu erhöhen (7).<br />
6
Während der akutstationären Phase des Krankheitsverlaufes können optimale<br />
Voraussetzungen für die weitergehende Rehabilitation erreicht werden. Ein<br />
weiterer positiver Effekt besteht in der Optimierung der Organisation der<br />
weiterführenden Rehabilitation. Durch den Einsatz rehabilitativer Kompetenz<br />
schon im Akutkrankenhaus ergibt sich eine deutliche Verbesserung der<br />
Übergänge in die weiterführende Rehabilitation. Rückmeldungen aus<br />
weiterführenden Rehabilitationskliniken zeigen, dass nach Frührehabilitation die<br />
Rehabilitationspotentiale der Patienten besser genutzt werden können.<br />
Die Frührehabilitation im Akutkrankenhaus beginnt im Rahmen einer akuten<br />
Gesundheitsstörung mit Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit und umfasst<br />
zwei Formen der umfassenden teamintegrierten ärztlich therapeutischen<br />
Leistungserbringung (s.o.), die von der (einfachen) funktionsorientierten<br />
Physiotherapie (sog. Frühmobilisation) abzugrenzen ist. Sie beinhaltet<br />
Rehabilitationsmaßnahmen während der Krankheitsphase, in der ein<br />
akutstationärer Behandlungsbedarf besteht. Sie ist somit von der weiterführenden<br />
Rehabilitation abzugrenzen. Ziel der Frührehabilitation ist das Erreichen der<br />
Rehabilitationsfähigkeit für andere Rehabilitations- (z.B. Anschlussrehabilitation)<br />
und Versorgungsformen.<br />
Wie Tabelle 1 zeigt, beginnt Frührehabilitation im Akutkrankenhaus so früh wie<br />
möglich und zielt auf die Wiederherstellung von Basisfunktionen und<br />
Vermeidung drohender bleibender Einschränkungen von Aktivitäten und<br />
Partizipation. Eine Rehabilitationsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen<br />
Rentenversicherung (Fähigkeit zur Teilnahme an aktiven Therapiemaßnahmen,<br />
Reisefähigkeit u.a.) ist noch nicht gegeben (Verband Deutscher<br />
Rentenversicherungsträger 2003). Dennoch muss auch in der Frührehabilitation<br />
ein Rehabilitationspotential vorhanden oder zumindest möglich sein (7a).<br />
7
Frührehabilitation<br />
Weiterführende<br />
Rehabilitation<br />
Phase Akutphase nichtakute Phase<br />
Zeitlicher Bezug zur<br />
Gesundheitsstörung<br />
Früh im Rahmen einer<br />
akuten Gesundheitsstörung<br />
mit Beeinträchtigung der<br />
Funktionsfähigkeit<br />
einsetzend<br />
spät in der Sequenz nach<br />
einer akuten<br />
Gesundheitsstörung mit<br />
Beeinträchtigung der<br />
Funktionsfähigkeit<br />
einsetzend<br />
Hauptzielsetzung der<br />
Rehabilitation<br />
Wiederherstellung der<br />
Basisfunktionen Vermeidung<br />
einer drohenden bleibenden<br />
Beeinträchtigung der<br />
Partizipation<br />
Wiederherstellung der über<br />
die Basisfunktionen<br />
hinausgehenden Fähigkeiten<br />
Verminderung oder<br />
Behebung einer manifesten<br />
Beeinträchtigung der<br />
Partizipation<br />
Rehabilitationspotential Vorhanden oder möglich<br />
vorhanden<br />
Rehabilitationsfähigkeit<br />
(im Sinne der DRV)<br />
Akutmedizinischer<br />
Behandlungsbedarf<br />
Akutmedizinische<br />
diagnostische und/oder<br />
therapeutische<br />
Infrastruktur<br />
Konzeption<br />
nicht gegeben<br />
hoch, dauernd oder<br />
intermittierend<br />
Notwendig<br />
Frührehabilitation im<br />
Akutkrankenhaus mit<br />
umfassendem Programm<br />
bezogen auf alle<br />
Komponenten der ICF:<br />
· Frührehabilitationsteams<br />
(Acute Rehab Team, ART)<br />
· Frührehabilitationsstationen<br />
(Acute Rehabilitation Unit;<br />
ARU)<br />
gegeben<br />
nicht vorhanden oder gering<br />
nicht notwendig<br />
Leistungserbringung in<br />
Rehabilitationsklinik oder<br />
ambulantem<br />
Rehabilitationszentrum<br />
mit umfassendem Programm<br />
bezogen auf alle<br />
Komponenten der ICF<br />
Tabelle 1: Abgrenzung der Frührehabilitation gegenüber der weiterführenden<br />
Rehabilitation (nach Stucki et al 2002a, modifiziert). (7a)<br />
8
Die aktivierende Körperpflege sollte aber natürlich keine Stresssituation für den<br />
Patienten darstellen. Es ist Aufgabe der Pflegenden die Ausgangssituation und<br />
Ressourcen des Patienten richtig zu erkennen und einzuschätzen. Die Lagerung<br />
spielt hierbei auch eine wichtige Rolle, denn ein adäquat gelagerter Patient ist<br />
entspannter und aufnahmefähiger. Die Lagerung in Neutralstellung eignet sich<br />
hierfür hervorragend.<br />
Unruhige Patienten werden oft schon während des Lagerns in <strong>LiN</strong> ruhiger. Auch<br />
stark schwitzende Patienten hören meist auf zu schwitzen. Günstige Auswirkung<br />
auf Vitalparameter und Beweglichkeit konnten in einer Studie von Pickenbrock<br />
und Oelmann nachgewiesen werden (8).<br />
Viele sekundär auftretende Probleme können durch die Lagerung in<br />
Neutralstellung vermieden werden. Personen, die in <strong>LiN</strong> gelagert werden,<br />
empfinden sie als sehr bequem. Mit der Lagerung in Neutralstellung steht den<br />
Pflegenden schwerstbetroffener Patienten eine geeignete Technik für die<br />
behandlungsfreien Zeiten zur Verfügung (4).<br />
4. Alltag und Praxisbeispiele<br />
4.1 Beispiel 1 – Frau A.<br />
Patienteninformation:<br />
Z.n. Myokardinfarkt, Z.n. Krampfanfall, Hemiparese rechts, ist über<br />
Trachealkanüle beatmet.<br />
Ressourcen/Möglichkeiten von Frau A.:<br />
Frau A. ist nicht mehr sediert. Sie reagiert adäquat auf Ansprache,<br />
Spontanbewegungen mit dem linken Bein sind diskret erkennbar.<br />
9
Probleme von Frau A.:<br />
Hautprobleme: Dekubitus II Grades. Hemiparese rechts. Kaum eigenständige<br />
Bewegungsmöglichkeiten. Körperabschnitte in vorgefundener Lagerung verdreht.<br />
Noch druckunterstützte Beatmung notwendig (Bild 1-4).<br />
Bild 3 : Problemstellung<br />
Bild 1 und 2: vorgefundene Lagerung,<br />
Körperabschnitte verdreht<br />
Bild 4: Messwerte vorher<br />
10
Pflegerische Zielsetzung:<br />
Körperwahrnehmung fördern, Druckentlastung erreichen, Körperabschnitte<br />
günstig stellen um Komplikationen zu vermeiden.<br />
Bild 5: aktivierende<br />
Körperpflege in stabiler<br />
Seitenlage und<br />
Druckentlastung 90°<br />
<strong>LiN</strong>.<br />
Bild 6 und Bild 7: 90° <strong>LiN</strong>. Körperabschnitte in günstiger Ausgangsstellung<br />
11
Ergebnis durch die aktivierende Körperpflege und Lagerung in Neutralstellung:<br />
Durch die aktivierende Körperpflege konnte ich Frau A. auf eine sanfte und nicht<br />
überfordernde Weise in meiner Tätigkeit involvieren und fördern. Durch die<br />
anschließende <strong>LiN</strong> Lagerung war Frau A. bequem gelagert. Die Druckstellen<br />
waren entlastet und Frau A. konnte sich bequem ausruhen, sie wirkte entspannt.<br />
Die Messwerte (Sättigung, RR, Atemfrequenz) besserten sich nachweislich.<br />
Bild 8: Messwerte danach<br />
4.2 Beispiel 2 – Herr B.<br />
Patienteninformation:<br />
Z.n. Lungenkontusionen bds. Z.n. Impressionsfraktur des Sternums. Z.n.<br />
Rippenserienfraktur I-VIII rechts. V.a. Lebereinriss Z.n. Trümmerfraktur des<br />
rechten distalen Femurs mit Einstrahlung in die Gelenkfläche subpatellar. Z.n.<br />
Trümmerfraktur der proximalen Fibula rechts. Z.n. Trümmerfraktur der distalen<br />
Fibia mit Gelenkbeteiligung rechts.<br />
Ressourcen/Möglichkeiten von Herrn B.:<br />
Wach, kontaktfähig. Bewegt das linke Bein und drückt die linke Hand.<br />
Weaningphase - Pordex mit 6 l Sauerstoff wird gut toleriert bei stabilem<br />
Gasaustausch.<br />
12
Probleme von Herrn B.:<br />
In der Lagerung: Hautproblem. Extreme Aussenrotation des rechten Beines! (mit<br />
Fixateur versorgt). Der Patient gibt Schmerzen an.<br />
Bild 1: vorgefundene Lagerung<br />
Bild 2: Aussenrotation des rechten<br />
Beines<br />
Pflegerische Zielsetzung:<br />
Physiologische Stellung aller Körperabschnitte und vor allem des rechten Beines<br />
um Schmerzreduktion zu erreichen.<br />
Ergebnis durch <strong>LiN</strong>:<br />
Bild 3: Unterstützungsfläche zum<br />
Patienten gebracht<br />
13
Bild 4 und 5: Neutrale Stellung der Körperabschnitte ( v.a. Arme und Beine)<br />
Nach der Lagerung war Herr B. entspannt (Tonusregulierung). Sein rechtes Bein<br />
war in Neutralstellung gelagert. Nach eigenen Aussagen empfand er die Lagerung<br />
als angenehm und gab an, die Schmerzen seien dadurch deutlich gelindert. Nach<br />
einer kurzen Pause konnte ich in diesem Kontext mit der aktivierenden<br />
Körperpflege beginnen.<br />
4.3 Beispiel 3 – Frau C.<br />
Patienteninformation:<br />
Z.n. traumatisches Subduralhämatom frontotemporobasal rechts mit<br />
Mittellinienverlagerung von 9 mm. Z.n. Kopfplatzwunde links frontal. Z.n.<br />
Fraktur 6. Rippe links. Multiple Prellungen.<br />
Ressourcen/Möglichkeiten von Frau C.:<br />
Frau C. bewegt beide Beine und den rechten Arm spontan. Teilweise wach und<br />
kontaktfähig, nimmt Blickkontakt auf. Weaningphase: Frau C. macht mehrmals<br />
täglich Pordex 6 l Sauerstoff, dabei gute Oxygenierung.<br />
14
Problem von Frau C. :<br />
Hautprobleme: Ödem rechter Arm. Körperpflege selbstständig nicht möglich.<br />
Pflegerische Zielsetzung:<br />
Stabilisierung in <strong>LiN</strong> für aktivierende Körperpflege im Sitzbett (Stabilität<br />
ermöglich Mobilität). Gestaltung von Bewegungsabläufen in stabiler Position, so<br />
dass für Frau C. die Bewegungen erleichtert werden.<br />
Ergebnis durch die aktivierende Körperpflege und <strong>LiN</strong>:<br />
Nachdem ich Frau C. gelagert hatte, wirkte sie ruhig und entspannt. Ich habe mich<br />
für die sitzende Position entschieden, um ihr das Atmen im Weaningprozess und<br />
die Beteiligung an der aktivierenden Körperpflege zu erleichtern. Sie konnte mir<br />
mit einem Kopfnicken sogar auf Nachfrage bestätigen, dass die Lagerung für sie<br />
angenehm war. Nach einer kurzen Erholungspause habe ich mit der aktivierenden<br />
Körperpflege begonnen. Sie hat sich mit Unterstützung sehr gut führen lassen.<br />
Interessant war zudem, dass wenn ihr die Geschwindigkeit zu schnell war, sie<br />
mich mit ihrer Hand weggedrückt hat und mir somit eine gute Rückkopplung gab<br />
(gegenseitiger Dialog). Frau C. war am Ende der Maßnahme deutlich wacher.<br />
Bild 1: Haare kämmen<br />
Bild 2: <strong>LiN</strong><br />
15
4.4 Beispiel 4 – Frau D.<br />
Patienteninformation:<br />
COPD bei Nikotinabusus, Alkoholabusus. Z.n. explorativer Laparotomie,<br />
Sigmateilresektion.<br />
Ressourcen/Möglichkeiten von Frau D.:<br />
Wach und gut kontaktfähig, bewegt alle Extremitäten nach Auforderung spontan.<br />
Spontanatmung bei gutem Gasaustausch.<br />
Probleme von Frau D.:<br />
Eingeschränkte eigenständige Beweglichkeit. Selbstständige Körperpflege<br />
dadurch nicht möglich. Unphysiologische Lagerung vorgefunden.<br />
Bild 1 und 2: vorgefundene Position in ungünstiger Ausgangsposition<br />
16
Pflegerische Zielsetzung:<br />
Stabilisierung in <strong>LiN</strong>, Haltungshintergrund für tonischer Muskulatur (M.<br />
transversus, M. Multifidii) ermöglichen, um dann aktivierende Körperpflege zu<br />
gestalten (phasische Muskulatur besser bewegen).<br />
Bild 3 und 4: Sitzbett - Tonische Muskulatur stützen<br />
Bild 4 und 5: Phasische Muskulatur leichter bewegen z.B. bei oraler Absaugung<br />
von Speichelsekret und aktivierender Körperpflege<br />
Ergebnis von <strong>LiN</strong> und aktivierender Körperpflege:<br />
Ich habe mich für <strong>LiN</strong> im Sitzbett entschieden, um Frau D. eine ausreichende<br />
Stabilisierung von Außen zu geben und die Gefahr eines sekundären Hypertonus<br />
17
zu vermindern. So war es auch für sie in der aktivierenden Phase einfacher, sich<br />
zu bewegen und bei den Alltagsaktivitäten soweit wie möglich mitzuhelfen. Frau<br />
D. hat sehr gut mitgemacht, war sehr kooperativ. Ich habe die Geschwindigkeit<br />
der Maßnahmen an Frau D. so angepasst, dass ich die orale Absaugung des<br />
Rachenraumes ohne Negativerfahrung durchführen konnte.<br />
4.5 Beispiel 5 – Frau E.<br />
Patienteninformation:<br />
Sepsis bei perforierter Sigmadivertikulitis und 4-Quadranten-Peritonitis. V.a.<br />
Pneumonie und Aspiration.<br />
Ressourcen/Möglichkeiten von Frau E.:<br />
Wach und kontaktfähig, normale Kommunikation möglich, kann alle<br />
Extremitäten spontan bewegen.<br />
Probleme von Frau E.:<br />
Akut schlechte Oxygenierungssituation pO2 in BGA: 65%! Erschwerte Atmung<br />
und eingeschränkte Bewegung durch inadäquate Lagerung im Bett .<br />
Bild 1-2: Ausgangsposition in ungünstiger<br />
Stellung aller Körperabschnitte, Rumpf<br />
stark gebeugt, Zwerchfellaktivität gestört<br />
18
Pflegerische Zielsetzung:<br />
Auf die initial geplante aktivierende Körperpflege musste wegen der akuten<br />
Verschlechterung der Atemsituation verzichtet werden. Priorität hatte eine bessere<br />
Lagerung in <strong>LiN</strong>, im Sitzbett, zur Erleichterung der Atmung mit CPAP-Maske.<br />
Ergebnis von <strong>LiN</strong>:<br />
Bild 3 Bild 4<br />
Die Lagerung hat Frau E. Halt und Stabilisierung gegeben, so dass sich die<br />
Patientin gezielt auf das Atmen konzentrieren konnte. Die Atmung war zudem in<br />
sitzender Position für sie einfacher. Nach ca. 20 min war die Atmung klinisch und<br />
in der BGA deutlich besser (pO2: 93%).<br />
4.6 Beispiel 6 – Herr F.<br />
Patienteninformation<br />
Respiratorische Insuffizienz mit Hypoxie und konsekutivem Herzversagen. Z.n.<br />
Schläfenkopfschuss in suizidaler Absicht. Z.n. traumatischer SAB. Z.n.<br />
traumatischer ICB links frontal. Z.n. temporaler Schädelfraktur bds.<br />
19
Ressourcen/Möglichkeiten von Herrn F.:<br />
Reagiert auf Schmerzreiz mit Augenöffnen. Beatmung mit CPAP/ASB<br />
Probleme von Herrn F.:<br />
Adipositas per magna. Der Bauch hängt seitlich, der Picco-Katheter in der Leiste<br />
ist dadurch ständig abgeknickt, der Körperstamm hat keine Stabilität. Als<br />
Sekundärfolge wird die Atmung erschwert.<br />
Bild 1 und 2: Ausgangsposition in ungünstiger Stellung der Körperabschnitte<br />
Pflegerische Zielsetzung:<br />
Optimale Lagerung in <strong>LiN</strong><br />
Bild 3 Bild 4<br />
20
Ergebnis durch <strong>LiN</strong>:<br />
Durch die veränderte Gewichtsverteilung mit Stabilisierung von Außen konnte<br />
eine verbesserte Rumpfstabilität erreicht werden und unterstützend durch eine 30°<br />
Oberkörperlagerung war die Atmung erleichtert. Eine aktivierende Körperpflege<br />
war bei dem Patienten zu diesem Zeitpunkt nicht sinnvoll umsetzbar.<br />
5. Fazit<br />
Der Alltag auf der Intensivstation ist ständig von wechselnden Situationen und<br />
Geschehnissen gekennzeichnet. Als Pflegekraft ist man gefordert, ein hohes Maß<br />
an Anpassungsfähigkeit und Organisation aufzubringen, die bei der aktivierenden<br />
Körperpflege und der Lagerung in Neutralstellung sehr maßgeblich sind. Dies<br />
konnte ich bei meiner Tätigkeit auf der Intensivstation als sehr positiven Eindruck<br />
gewinnen. Es hat mir ein gutes Gefühl verliehen, den Patienten im Rahmen<br />
meiner pflegerischen Tätigkeit etwas Gutes tun zu können, mit Maßnahmen, die<br />
lediglich mit etwas mehr Zeitaufwand verbunden sind, jedoch mit kaum einem<br />
finanziellen Mehraufwand.<br />
Ein offensichtliches Problem scheint mir die „mangelnde Zeit“ im Pflegealltag zu<br />
sein. Natürlich wird bei einem neuen Konzept vorausgesetzt etwas mehr Zeit<br />
aufzubringen um die Handlungstechniken zu verinnerlichen. Jedoch würde keiner<br />
Beispielsweise ein neues Beatmungsatmungsgerät ablehnen nur Aufgrund der<br />
benötigten Einlernphase. Die bei der aktivierenden Körperpflege und Lagerung in<br />
Neutralstellung benötigte Zeit, sollte als eine sinnvolle Investition angesehen<br />
werden. Gerade wenn man bedenkt, durch welch geringen Mehraufwand, die<br />
Genesung gefördert und Komplikationen vorgebeugt werden können.<br />
Die Lagerung in Neutralstellung und die aktivierende Körperpflege während der<br />
Weaningphase wird auf der Intensivstation derzeit von einigen Pflegekräften noch<br />
kritisch betrachtet. Sie beanstanden, dass Patienten hierbei einer Stresssituation<br />
unterzogen werden, welche sich durch Unruhe und Schwitzen bemerkbar mache.<br />
21
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die zuständige Pflegekraft<br />
Ausgangsituation, Ressourcen und Problemen des Patienten richtig erkennt und<br />
einschätzt. Die Maßnahmen, d.h. sowohl aktivierende Körperpflege als auch<br />
Lagerung in Neutralstellung sollen dem Patienten individuell angepasst werden.<br />
Wenn die Lagerung adäquat gewählt wurde und der Patient bei den Maßnahmen<br />
gefordert, geführt aber nicht überfordert wird, zeigt sich dann in der Praxis eine<br />
deutliche positive Auswirkung für den Patienten.<br />
Aus eigener Erfahrung waren die Patienten bei denen ich die aktivierende<br />
Körperpflege angewendet habe, aktiver und wacher. In der Lagerung in<br />
Neutralstellung konnten sie sich bequem ausruhen und waren entspannter.<br />
Aktivierende Körperpflege sowie <strong>LiN</strong> sind keine starren Vorgaben sondern<br />
flexible Konzepte, die sich kontinuierlich weiter entwickeln und an neue<br />
Erkenntnisse anpassen.<br />
22
Literaturnachweis<br />
(1) Kohl, Renate 02.2007: Dem Patienten das Gefühl von Haltung<br />
und Bewegung zurückgeben. In:<br />
Die Schwester/Der Pfleger, S. 110-114<br />
(2) Bundesministerium für<br />
Gesundheit 16.06.2008:<br />
(3) Bobath-Initiative für Krankenund<br />
Altenpflege (BIKA) e.V.:<br />
www.bmg.bund.de<br />
www.bika.de<br />
(4) Hartnick, Angela 09.2006: Lagerung in Neutralstellung - Halt und<br />
Beweglichkeit für neurologische<br />
Patienten. In: Die Schwester/Der Pfleger<br />
S. 719-724.<br />
(5) <strong>LiN</strong>-Arbeitsgemeinschaft www.lin-arge.de<br />
(6) IntensivCareUnit 16.05.2001: www.intensivcareunit.de/weaning.htlm<br />
(7) Norton SA, Hogan LA,<br />
Holloway RG, Temkin-Greener<br />
H, Buckley MJ, Quill TE<br />
06.2007:<br />
Proactive palliative care in the medical<br />
intensive care unit: effects on length of<br />
stay for selected high-risk patients. In:<br />
Crit Care Med.;35(6):1530-5.<br />
7a<br />
Gemeinsame Arbeitsgruppe<br />
DRG (gAG-DRG)<br />
Positionspapier zur Fachübergreifenden<br />
Frührehabilitation<br />
(8) Pickenbrock, H., Oelmann,<br />
HD<br />
2001:<br />
Lagerung in Neutralstellung veränderte<br />
Beweglichkeit bei Patienten mit zentralneurologischen<br />
Störungen<br />
Posterpräsentation auf dem DGNR-<br />
JahreskongressGailingen<br />
23
Erklärung der Verfasserin<br />
Ich versichere hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit zum Thema<br />
Therapeutisch aktivierende Körperpflege und<br />
Lagerung in Neutralstellung (<strong>LiN</strong>)<br />
in der Weaningphase auf Intensivstation<br />
selbständig verfasst habe. Quellen und Materialien sind als solche<br />
gekennzeichnet und nachgewiesen.<br />
Ich habe keine anderen Materialien als die angegebenen Hilfsmittel benutzt.<br />
Remseck, den 31. Januar 2010<br />
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