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Alb Magazin - Ausgabe Kispel Lauter 4/2014

Regional Magazin auf der Schwäbischen Alb für die Region St. Johann, Sirchingen, Marbach und Gomadingen

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Skimuseum Beiwald<br />

<strong>Alb</strong>-<strong>Magazin</strong> <strong>Ausgabe</strong> 4/<strong>2014</strong><br />

Der Stoff, aus dem die Bretter sind – Besuch im Skimuseum St. Johann-Upfingen<br />

Die Idee mutet ebenso simpel wie genial an: Man nehme ein undicht gewordenes altes Fass, zersäge dessen Dauben der<br />

Länge nach in zwei etwa 10 Zentimeter breite, spitz zulaufende Streifen und befestige auf den konkaven Seiten der beiden<br />

Bretter jeweils mittig eine Schlaufe aus dickem, starrem Leder. Nun noch die Füße durch die Schlaufen gesteckt, zwei<br />

stabile Stöcke geschnitten, die dem auf den Brettern aufrecht stehenden menschlichen Körper den nötigen Antrieb verschaffen,<br />

und ab geht die Post – den Berg hinab. Natürlich immer vorausgesetzt, es liegt Schnee.<br />

Die Schlittensammlung des Museums - Vom Schnürstiefel zum Schnallenstiefel - Skibekleidung anno dazumal<br />

Sind so die ersten Ski entstanden Muss<br />

man sich die Geburtsstunde des Skisports<br />

so vorstellen Sicherlich nicht, denn die Geschichte<br />

des Skifahrens in Europa geht bis<br />

ins 3. Jahrhundert vor Christus zurück, wie<br />

Moorfunde und Felszeichnungen in Skandinavien<br />

beweisen. Und es ging dabei auch<br />

beileibe nicht um Sport, sondern ums nackte<br />

Überleben. Vor allem Nomaden und Hirten<br />

waren es, die sich schon früh etwas einfallen<br />

lassen mussten, um mit ihren Herden im<br />

Winter trotz gewaltiger Schneemassen von A<br />

nach B zu kommen, sollten ihnen ihre Tiere<br />

nicht verhungern.<br />

Exponate aus sieben Jahrzehnten<br />

Dennoch ist die Idee mit den umfunktionierten<br />

Fassdauben keine reine Fantasterei.<br />

Wer sich nämlich im Dachstüblein der Schihütte<br />

des Beiwaldlifts in St. Johann-Upfingen<br />

auf die Spurensuche begibt, der erfährt,<br />

dass solche und noch ganze andere Ski in<br />

den zurückliegenden 120 Jahren in unseren<br />

Breiten durchaus in Benutzung waren. Dort<br />

befindet sich seit dem 22. August <strong>2014</strong> das<br />

Skimuseum St. Johann, ein kleine, aber feine<br />

Sammlung von Skiern, Schlitten, Schlittschuhen<br />

und Schneeschuhen, die aus den<br />

Jahren 1900 bis 1970 datieren. Sie bringen<br />

dem interessierten Besucher die Entwicklung<br />

des Wintersports auf anschauliche Art<br />

und Weise nahe. Wer sich dort umsieht, erfährt,<br />

dass es bei der Herstellung von Skiern<br />

zunächst zwei grundlegende Methoden gab:<br />

Entweder man sägte den Ski in seiner bereits<br />

gebogenen Form aus einem Baumstamm<br />

heraus, oder man bog die Bretter mithilfe<br />

von Wärmeeinwirkung so zurecht, dass die<br />

Spitze nach oben stand. Entschied man sich<br />

für die letztere Vorgehensweise, so war es<br />

nötig, den Ski im Sommer mithilfe einer sogenannten<br />

Sommerverspannung stehend so<br />

aufzubewahren, dass er sich im unbenutzten<br />

Zustand nicht wieder zu einem planen Brett<br />

zurückverwandeln konnte. Eigens zu diesem<br />

Zweck befanden sich denn auch an der<br />

Spitze der ersten unlackierten Holzskier die<br />

sogenannten Zäpfchen, die des Sommers in<br />

die zugehörige Haltevorrichtung eingespannt<br />

werden konnten. Steiggurte aus Leinen und<br />

Fell halfen dem Skifahrer beim Rückweg den<br />

Hang hinauf – schließlich gab es in der ersten<br />

Hälfte des vorigen Jahrhunderts noch<br />

keine Lifte, mit deren Hilfe man sich bequem<br />

bergan befördern lassen konnte.<br />

Von der Stemmloch- bis zur Sicherheitsbindung<br />

Interessant sind jedoch nicht nur die Hölzer<br />

und Materialien, aus denen die ersten Bretter<br />

gefertigt wurden, kurios mutet auch an,<br />

was man sich im Lauf der 70 Jahre alles<br />

einfallen ließ, um Fuß und Ski dauerhaft und<br />

doch nicht untrennbar miteinander zu verbinden.<br />

Von der Bindung aus Lederriemen<br />

und Schnüren über die sogenannte Stemmloch-Bindung,<br />

wo durch das ohnehin dünne<br />

Brett des Skis noch ein Blech zur Fixierung<br />

der seitlichen Metallbacken durchgezogen<br />

wurde, über die Aufschraubbindung und die<br />

Huitfeldbindung mit beweglicher Metallsohle<br />

bis hin zu den ersten drehbaren Sicherheitsbindungen<br />

mit Fersenfeder und Stahlkabel<br />

gibt es nichts, womit man sich nicht versuchte<br />

in dieser wichtigen und doch heiklen<br />

Angelegenheit. Und so widmet das kleine<br />

Museum dem Thema Bindungen eine eigene<br />

Ausstellungsecke. Da mag sich denn mancher<br />

in seine Kindheitstage zurückversetzt<br />

fühlen angesichts der dargestellten Kabelzüge<br />

und Riemchen samt Hebel zu ihrer Bedienung.<br />

Es steht außer Frage, dass ähnlich wie<br />

die Bindungen folglich dann auch die Skistiefel<br />

im Lauf der Jahrzehnte ihre Entwicklung<br />

vom Schnürstiefel hin zum immer starrer<br />

werdenden Schnallenstiefel durchmachen<br />

mussten. Schließlich musste die Kompatibilität<br />

beider Elemente über die Jahrzehnte<br />

hinweg gewährleistet bleiben. Und wer sich<br />

für die Skibekleidung vergangener Zeiten interessiert,<br />

der tut gut daran, sich im Vorraum<br />

des Museums umzutun, wo man einen Jüngling<br />

aus besserem Hause in fein gewebtem<br />

lodengrünem Skianzug bestaunen kann und<br />

in Gestalt der guten alten Steghose der eigenen<br />

Kindheit erneut begegnet.<br />

Ausstellungsstücke finden eine bleibende<br />

Heimat<br />

Dass all diese guten Stücke nicht in Kleidersäcken<br />

verschwanden, dem Sperrmüll<br />

anheim gegeben wurden oder im Falle von<br />

Skiern gar zersägt und verheizt wurden, ist<br />

Skiliftbetreiber Karl Müller vom Beiwald-<br />

Lift zu verdanken, der schon in den Siebzigerjahren<br />

erkannte, was der Nachwelt in<br />

diesem Fall verloren ginge. Und so hörte er<br />

sich immer wieder unter den Skifahrern um,<br />

brachte in Erfahrung, wer noch solche alten<br />

Stücke auf dem Dachboden stehen hatte,<br />

sammelte, kaufte auf, ließ nachbauen und<br />

Vom Ski-Rohling bis zum Rennski aus den Siebzigern<br />

brachte im Lauf der Jahrzehnte eine ansehnliche<br />

Sammlung von Exponaten rund um den<br />

Wintersport in seinen Besitz. Diese hatte zu<br />

Beginn der Achtzigerjahre denn auch schon<br />

einmal in der Lifthütte ihren Platz, ehe sie<br />

1986 im alten Rathaus von Upfingen, dem<br />

sogenannten Schepperhaus, für fünf Jahre<br />

einen musealen Ehrenplatz bekam. Die Entwicklungen<br />

des Dorfes brachten es jedoch<br />

mit sich, dass das alte Rathaus 1991 einem<br />

neuen Dorfgemeinschaftshaus weichen<br />

musste, und so fristeten die Ausstellungsstücke<br />

in den darauffolgenden 13 Jahren ein<br />

unbeachtetes und trauriges Dasein im alten<br />

Upfinger Schulhaus. Erst im August dieses<br />

Jahres konnte die Ausstellung im Rahmen<br />

einer feierlichen Einweihung zu neuem Leben<br />

erweckt werden. Heute betreiben Stefan<br />

und Reinhold Müller, die Söhne des Initiators<br />

Karl Müller, den Skilift Beiwald. Es ist ihnen<br />

ein Anliegen, die väterliche Sammlung auch<br />

heute interessierten Besuchern zugänglich<br />

zu machen. Immer an den Wochenenden<br />

der ungeraden Wochen steht die Sammlung<br />

zur Besichtigung frei, samstags von 16 bis<br />

20 Uhr, sonntags von 10 bis 20 Uhr. Zu diesen<br />

Zeiten ist auch das von Achim und Anita<br />

Muckenfuß betriebene Skiliftstüble geöffnet,<br />

lockt mit heimeligen rotkarierten Tischdecken<br />

und Kissen, selbst gebackenem Kuchen,<br />

Waffeln, regionalen Vespergerichten<br />

und einem warmen Gericht am Sonntag. Es<br />

handelt sich um einen kleinen, mit viel Liebe<br />

zum Detail bewirtschafteten Familienbetrieb,<br />

dem man anmerkt, dass den Wirtsleuten<br />

ihre Arbeit Spaß macht. Ähnlich wie bei<br />

Berghütten üblich, gibt auch hier von Weitem<br />

schon eine Fahne Kunde davon, dass die Tür<br />

geöffnet ist. Über die genannten Öffnungszeiten<br />

hinaus übrigens auch immer dann,<br />

wenn der Lift wieder läuft.<br />

Text: Petra Zwerenz<br />

Fotografie: PR<br />

Skilift Beiwald Upfingen<br />

Else Müller<br />

Hölderlinstr. 14<br />

72581 Dettingen<br />

Informationen<br />

Tel.: 07121 / 754780<br />

info@skilift-beiwald.de<br />

www.skilift-beiwald.de<br />

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