Finance - März 2003 - Klein & Coll.
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FINANCE<br />
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<strong>März</strong> <strong>2003</strong><br />
FINANCE<br />
Österreich ¤ 6,80<br />
Schweiz sfr 12,00<br />
CFO – ein Job im Wandel<br />
Die Modelle von Allianz, Altana, IDS Scheer<br />
M&A-Markt<br />
im Fokus: IT<br />
Delete oder<br />
Reset<br />
Seite 16<br />
Mutiger Mittelstand<br />
Grenzebach kauft<br />
Babcock-Borsig-<br />
Tochter<br />
Seite 28<br />
Private<br />
Placements<br />
Wege aus der<br />
Kreditklemme<br />
Seiten 78 und 81<br />
Bilanzdetektive<br />
Kriminelle<br />
Machenschaften<br />
aufdecken<br />
Seite 96
KAUFEN & VERKAUFEN<br />
KELLERS<br />
M&A-KOLUMNE<br />
Unheimliche Begegnung<br />
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,<br />
Vor einiger Zeit war es einmal wieder<br />
so weit. Wir saßen zusammen mit einem<br />
unserer Mandanten, einem mittelständischen<br />
Unternehmer, in der letzten<br />
Verhandlungsrunde vor dem Verkauf<br />
seines Lebenswerks. Der Käufer<br />
wurde von einem jungen, dynamischen<br />
Investment Banker vertreten. Eigentlich<br />
sollte es bei diesem Meeting nur<br />
noch um Details gehen. Die<br />
schwierigsten Klauseln und Klippen<br />
des Vertrages hatten wir in entsprechenden<br />
Sitzungen in den Wochen zuvor<br />
verhandelt. Der Letter of Intent beschrieb<br />
ausführlich, wie der Verkauf<br />
letztlich ablaufen, und auch, zu welchem<br />
Preis er in etwa stattfinden sollte.<br />
Nicht wenig überrascht waren wir, als<br />
der Berater des Käufers, ungeachtet der<br />
ursprünglichen Agenda, ein neues<br />
Konzept auf den Tisch legte, was zu einer<br />
deutlichen Kaufpreisminderung<br />
geführt hätte. Während sich in meinem<br />
Kopf das Zahlenkarussell drehte und<br />
ich all meine diplomatischen Künste<br />
mobilisieren wollte, bemerkte ich, wie<br />
mein Mandant hochrot anlief. Der erfahrene<br />
Manager, der sonst sehr<br />
schwer aus der Fassung zu bringen<br />
war, war außer sich. Es gelang mir,<br />
unter Einsatz meiner 103 Kilo so eben<br />
noch, seinen Sprung über den Verhandlungstisch<br />
zu verhindern.<br />
Michael Keller ist Teilhaber der <strong>Klein</strong> & <strong>Coll</strong>., eine auf kleine und mittelständische M&A-Transaktionen<br />
spezialisierte Beratungsfirma in Griesheim.<br />
Um die Situation zu entspannen, entgegnete<br />
ich: „Sehr verehrter Herr<br />
Smith, in allen meinen Verträgen habe<br />
ich eine Klausel, die besagt, dass wenn<br />
mein Mandant sein Unternehmen verschenkt,<br />
ich, Michael Keller, es erhalte.“<br />
Dies rief auf allen Seiten Erheiterung<br />
hervor. Meine Botschaft war beim<br />
Käufer jedoch angekommen. Er spürte,<br />
dass er gewisse Grenzen überschritten<br />
hatte, und lenkte ein. An diesem Tag<br />
konnten wir den Vertrag in seiner endgültigen<br />
Form aushandeln.<br />
Es ist kein Geheimnis, dass das Nachverhandeln,<br />
nachdem man sich bereits<br />
über weite Vertragsbestandteile geeinigt<br />
hat, häufig praktiziert wird. Ursprung<br />
dieser Verhaltensweise ist der<br />
angelsächsische Kulturraum. Das<br />
M&A-Geschäft ist zweifellos angelsächsisch<br />
geprägt. Um freilich ein Geschäft<br />
mit einem deutschen Mittelständler<br />
zum Erfolg zu führen, bedarf es eines<br />
gewissen Einfühlungsvermögens, einer<br />
Sensibilität für heimische Gepflogenheiten<br />
und Umgangsformen. Und der<br />
Einsicht, dass ein Wort (fast) so viel<br />
wert ist wie ein Vertrag.<br />
Ihr Michael Keller<br />
36<br />
Februar <strong>März</strong> | <strong>2003</strong><br />
FINANCE
KAUFEN & VERKAUFEN<br />
INFORMATIONSMEMORANDUM<br />
Der überzeugende<br />
„Verkaufsprospekt“<br />
Was beim Informationsmemorandum zu beachten ist<br />
Ob Informationsmemorandum, Infomemo, Fact-Book oder Firmenexposé – es gibt viele<br />
Bezeichnungen für den „Verkaufsprospekt“ für Unternehmen. Dabei dreht es sich immer darum,<br />
potenziellen Käufern Appetit auf eine Übernahme zu machen. Gelingt dies nicht mit dieser<br />
ersten Ansprache, sind weitere Bemühungen oft erfolglos.<br />
Von Mariela Gadjeva<br />
Im Markt für Unternehmenstransaktionen<br />
haben sich feste Regeln etabliert.<br />
Hierzu zählt auch das Informationsmemorandum.<br />
Als Informationsquelle<br />
für potenzielle Käufer gibt es einen<br />
Überblick über das gesamte Unternehmen,<br />
das zum Verkauf steht. Es soll<br />
über das Geschäftskonzept informieren<br />
und auf das Objekt neugierig machen.<br />
Ein Informationsmemorandum ist jedoch<br />
kein reduzierter Businessplan,<br />
sondern eher ein „Verkaufsprospekt“.<br />
Interessierte Käufer sollen einen ersten<br />
Einblick erhalten, um beurteilen zu<br />
können, ob es sich lohnt, nähere Informationen<br />
einzuholen und eventuell in<br />
Verhandlungen zu treten. Der Käufer<br />
erhält dadurch sehr schnell prägnante<br />
und aussagekräftige Daten, die ihm als<br />
Basis für spätere Verhandlungen dienen.<br />
Das im Infomemo enthaltene Zahlenmaterial<br />
kann auch als Grundlage einer<br />
Unternehmenswertindikation und<br />
zur Kaufpreisfindung verwendet werden.<br />
Schwächen sind Potenzial<br />
Üblicherweise erstellt ein M&A-Berater<br />
das Informationsmemorandum, wenn<br />
er das zur Disposition stehende Unternehmen<br />
analysiert. Dabei befasst er<br />
sich sowohl mit dem Unternehmen<br />
selbst als auch mit den relevanten Märkten.<br />
Dieses meist umfangreiche Porträt<br />
des Verkaufsobjekts umfasst die relevanten<br />
Informationen über das Unternehmen,<br />
sein Produkt oder seine<br />
Dienstleistung und das Zahlenmaterial.<br />
Daneben bietet es wichtige Angaben<br />
zum Markt, wie beispielsweise zur<br />
Wettbewerbssituation, zum Marktvolumen,<br />
zum Marktanteil sowie zu<br />
den Markttendenzen. Die Stärken des<br />
Unternehmens sind hervorzuheben,<br />
doch die Schwächen dürfen nicht verschwiegen<br />
werden. Im Gegenteil:<br />
Sie können mittels einer<br />
geeigneten Argumentation<br />
als Potenziale für<br />
künftiges Wachstum ausgelegt<br />
werden.<br />
Das Exposé beginnt in der<br />
Regel mit einem Executive<br />
Summary. Hier wird die nachfolgende<br />
Firmendarstellung<br />
zusammengefasst. Es<br />
enthält Kernaussagen<br />
zum Unternehmen,<br />
zu seinen Produkten<br />
oder Dienstleistungen<br />
sowie zu seinen<br />
Erfolgen, Zielen<br />
und Strategien.<br />
Auch die besonderen<br />
Stärken und Potenziale<br />
werden im Überblick<br />
genannt. Insbesondere der routinierte<br />
Leser ist daran gewöhnt,<br />
sich zu Beginn schnell<br />
und zuverlässig orientieren zu<br />
Foto: Alexandra Lechner<br />
48<br />
<strong>März</strong> | <strong>2003</strong><br />
FINANCE
können. Es folgt das eigentliche Firmenprofil,<br />
das die Vision, die Werte und die<br />
Unternehmensstrategie, aber auch formale<br />
Aspekte des Unternehmens, wie<br />
z.B. Gründung, Rechtsform, Organisationsstruktur<br />
und Gesellschafter, darstellt.<br />
Hier wird auch auf die Historie<br />
eingegangen. Dabei liegt der Fokus auf<br />
den Erfolgen der nahen Vergangenheit<br />
– insbesondere dann, wenn diese auch<br />
in der Zukunft weiterwirken.<br />
Den Kern des Informationsmemorandums<br />
bildet der Abschnitt Produktund<br />
Leistungsspektrum. Dieser Teil beschreibt<br />
detailliert die Produkte oder<br />
Dienstleistungen des Unternehmens<br />
sowie die Gestaltung der dazugehörigen<br />
Wertschöpfungskette. Dieses Kapitel<br />
stellt auch dar, auf welche Weise Erlöse<br />
erzielt und wie Kunden gewonnen und<br />
gehalten werden. Die Beschreibung des<br />
Leistungsprogramms muss klar vermitteln,<br />
welche Vorteile das Unternehmen<br />
den Abnehmern bietet und wie sich die<br />
Leistungen vom Wettbewerbsumfeld<br />
abheben. Das Infomemo vermittelt<br />
auch ein genaues Bild von der Fertigung.<br />
Wichtige Stichworte sind hierbei:<br />
Kapazitäten, Auslastung, Fertigungstiefe<br />
und Standorte. Auch das Alter der<br />
Produktionseinrichtungen, der technologische<br />
Standard sowie zukünftige Veränderungen<br />
sind erwähnenswert. Soweit<br />
es kritische Faktoren gibt, werden<br />
die Sicherungskonzepte dargelegt,<br />
durch die Engpasssituationen vermieden<br />
werden.<br />
Stratege oder Finanzinvestor<br />
Auch Firmenexposé genannt, hat das<br />
Informationsmemorandum in Abhängigkeit<br />
von der jeweiligen Zielgruppe<br />
unterschiedliche Schwerpunkte. Die<br />
Gestaltung berücksichtigt, ob es sich bei<br />
dem Interessenten um einen Strategen<br />
oder um einen Finanzinvestor handelt.<br />
Insbesondere wenn das Unternehmen<br />
in technisch anspruchsvollen oder innovativen<br />
Branchen tätig ist, ergänzt eine<br />
Erläuterung der Technologie die Darstellung<br />
der Unternehmensleistung.<br />
Hierin liegt eine nicht unbedeutende<br />
Herausforderung, denn meist sind die<br />
Leser von Infomemos kaufmännisch<br />
ausgebildet. Ihnen muss die Technologie<br />
verständlich vermittelt werden. Andererseits<br />
sollte ein technologisch versierter<br />
Leser die Kompetenz des Verfassers<br />
nicht infrage stellen müssen;<br />
schließlich ist es üblich, dass Exposés<br />
nicht nur kaufmännisch, sondern auch<br />
technisch geprüft werden.<br />
Weiterer Bestandteil der Unternehmensdarstellung<br />
ist die Marktanalyse.<br />
Unternehmensexterne Quellen stützen<br />
die Aussagen zu vielen Themen, wie<br />
beispielsweise über die Verhandlungsmacht<br />
der Abnehmer, die Bedrohung<br />
durch Ersatzprodukte und -dienste sowie<br />
die Verhandlungsstärke der Lieferanten.<br />
Auch die Bedrohung durch<br />
neue Konkurrenten und die Rivalität<br />
unter den bestehenden Unternehmen<br />
sind Teil der Analyse. Besonders relevant<br />
ist dabei auch die Wachstumsdynamik<br />
des Marktes.<br />
Im betriebswirtschaftlichen Teil des<br />
Exposés werden die Vermögens-, Finanz-<br />
und Ertragslage sowie die Planung<br />
des Unternehmens aufgeführt.<br />
Der Zahlenteil berichtet sowohl Istzahlen<br />
der Vergangenheit – meist drei Jahre<br />
zurück – als auch die Planzahlen für<br />
die Zukunft, wiederum für drei Jahre.<br />
Dabei sind Bilanzen, GuV-Rechnungen<br />
sowie Cashflow-Rechnungen zu präsentieren.<br />
Entscheidend bei der Planungsrechnung<br />
ist die Nachvollziehbarkeit<br />
der Planzahlen. Alle Prämissen, die in<br />
die Planung eingehen, sind deutlich<br />
auszuweisen. Oft bildet die Planungsrechnung<br />
neben dem Normalfall auch<br />
ein Worst-Case- und ein Best-Case-<br />
Szenario ab.<br />
Ein potenzieller Erwerber will wissen,<br />
welche Investitionen in den nächsten<br />
Jahren anstehen. Daher werden sowohl<br />
das notwendige Volumen an<br />
Ersatzinvestitionen zur Erhaltung des<br />
Unternehmens als auch die für strategische<br />
Vorhaben notwendigen Investitionen<br />
quantifiziert.<br />
Oft dient der kaufmännische Teil des<br />
Informationsmemorandums als erste<br />
Stütze für eine indikative Unternehmensbewertung<br />
durch den Käufer. Das<br />
in der anfänglichen Phase offen gelegte<br />
Zahlenmaterial ist jedoch ein Bruchteil<br />
dessen, was ein ernsthafter Interessent<br />
nach der Unterzeichnung eines Letter<br />
Dipl.-Kauffrau<br />
Mariela Gadjeva<br />
ist Projektleiterin<br />
bei <strong>Klein</strong> & <strong>Coll</strong>.<br />
in Griesheim/<br />
Darmstadt.<br />
mariela.gadjeva@kleincoll.de<br />
of Intent im Rahmen einer Financial<br />
Due Diligence an Finanzinformationen<br />
gewinnen kann.<br />
Das Darstellen der rechtlichen Aspekte<br />
vervollständigt das Unternehmensbild.<br />
Dazu zählen die bedeutsamen gesellschafts-<br />
und arbeitsrechtlichen sowie<br />
vertraglichen Zusammenhänge.<br />
Diese können jedoch die Erkenntnisse<br />
einer Legal Due Diligence nicht abdecken.<br />
Je nach Komplexität und Verfügbarkeit<br />
der Informationen sind allein für<br />
das Erstellen des Informationsmemorandums<br />
vier bis sechs Wochen zu veranschlagen.<br />
Das Memo sollte schon<br />
dann vorhanden sein, wenn potenzielle<br />
Investoren angesprochen werden. Als<br />
Informationsquellen für die benötigten<br />
Unternehmensdaten stehen idealerweise<br />
der Auftraggeber, delegierte Mitarbeiter<br />
oder der Wirtschaftsprüfer bzw.<br />
Steuerberater des Targetunternehmens<br />
zur Verfügung. Für die Recherche der<br />
Marktinformationen hingegen zieht der<br />
M&A-Berater neben dem Auftraggeber<br />
bevorzugt externe Quellen (Verbandspublikationen,<br />
Datenbanken, Internet)<br />
heran. Letztere dienen der Abrundung,<br />
aber auch der Validierung der Sicht des<br />
Auftraggebers.<br />
Wie bereits ausgeführt, ist ein Unternehmensverkauf<br />
ohne ein aussagekräftiges<br />
Informationsmemorandum und<br />
eine plausible, nachvollziehbare Planung<br />
nicht denkbar. Potenzielle Erwerber<br />
benötigen umfangreiche und zuverlässige<br />
Informationen über das Targetunternehmen.<br />
Mit der richtigen Struktur<br />
und den relevanten Inhalten kann<br />
das Informationsmemorandum Neugierde<br />
nicht nur wecken, sondern auch<br />
erhalten.<br />
➜<br />
FINANCE <strong>März</strong> | <strong>2003</strong> 49