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retail 2/2013 - Wiener Zeitung

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etail___kolumne<br />

Im Handel wachsen<br />

nur die Quadratmeter<br />

und die Baustellen<br />

Wenn Teile des österreichischen<br />

Einzelhandels dieser<br />

Tage durch eine schwierige<br />

Phase gehen, lässt uns das aufhorchen.<br />

Denn zwischen dem EU-Beitritt Österreichs<br />

1995, der die Konsumbranchen<br />

aufblühen ließ und den Kunden eine<br />

enorme Auswahl an Geschäften und<br />

Sortimenten brachte, und dem Jahr<br />

2011 standen fast ausnahmslos Positivschlagzeilen<br />

an der Tagesordnung.<br />

Kleider Bauer und Schöps waren Ausreißer.<br />

Heute ist plötzlich alles anders. Die<br />

Meldungen über Probleme im Einzelhandel<br />

häufen sich. Schlecker machte<br />

den Anfang, nachdem die Konkurrenten<br />

die Kunden mit innovativen<br />

Konzepten in ihre Läden holten. Der<br />

Lebensmittelhändler Zielpunkt, Diskonter<br />

mit Preisen wie im Supermarkt,<br />

wurde bislang mehr oder weniger erfolglos<br />

von einem Eigentümer zum<br />

nächsten weitergegeben. Die Fixgröße<br />

Sport Eybl & Sport Experts mit einer<br />

verfehlten Markenstrategie und Standortpolitik<br />

ist ordentlich am Rudern.<br />

Der Elektrohändler Niedermeyer suchte<br />

neben dem richtigen Sortiment auch<br />

einen finanzpotenten Partner ohne Erfolg.<br />

Die Aufzählung ließe sich leider<br />

noch fortsetzen.<br />

Warum ist es so weit gekommen<br />

So unterschiedlich die einzelnen Unternehmenskrisen<br />

im Handel auch<br />

sind, eines ist ihnen gemeinsam: Beinahe<br />

ausnahmslos haben diejenigen,<br />

die jetzt in Schwierigkeiten sind, in<br />

den Nullerjahren auf bedingungslose<br />

Expansion gesetzt. Vor allem der massive<br />

Filialausbau hierzulande und in<br />

Osteuropa, den die Unternehmen von<br />

den Österreich-Zentralen aus initiierten,<br />

dürfte dazu wesentlich beigetragen<br />

haben. Da hat sich das Management zu<br />

sehr von der Gier leiten lassen, beim<br />

„Goldrausch“ dabei zu sein. Firmen,<br />

die bei den Mieten längere Überlegungsfristen<br />

wollten, gerieten durch<br />

drängende Immobilienentwickler unter<br />

Druck. Der Standortdiskussion wurde<br />

zu wenig Zeit eingeräumt. Österreich<br />

steht mit 1,90 Quadratmeter pro Einwohner<br />

im Ranking der europäischen<br />

Einzelhandelsflächen ganz oben.<br />

Dabei wissen wir, dass die Konsumenten<br />

die Ausgaben für das tägliche<br />

Leben seit Jahren kaum steigern. Das<br />

geänderte Freizeitverhalten der Österreicher<br />

gereicht dem Handel nicht zum<br />

Vorteil. Auch wurden Veränderungen,<br />

die der Online-Handel mit sich gebracht<br />

hat und bringen wird, lange<br />

Zeit unterschätzt. Noch heute lösen<br />

Prognosen von einem 30prozentigen<br />

Umsatzanteil für den Internet-Handel<br />

für das Jahr 2020 oftmals ungläubiges<br />

Kopfschütteln aus. Zudem wollen Herstellermarken<br />

mit Monobrand-Stores<br />

verstärkt am 60-Milliarden-Euro-Kuchen<br />

im Einzelhandel mitnaschen.<br />

Daraus lässt sich ableiten, dass manche<br />

Manager die Trends falsch eingeschätzt<br />

und langfristige Entwicklungen<br />

verschlafen haben. Die Unternehmensinhaber<br />

erwarten am Jahresende<br />

ordentliche Renditen von ihren Geschäftsführern.<br />

Diese wiederum treiben<br />

ihre Führungskräfte zu sehr ins<br />

Tagesgeschäft. In der täglichen Auseinandersetzung<br />

mit Zahlen und Kosten<br />

verpufft viel Energie. Was morgen und<br />

übermorgen angesagt ist, steht nicht in<br />

Excel-Files.<br />

Die schnelle Abfolge von neuen<br />

Entwicklungen gibt aber allen Unternehmen<br />

auch neue Chancen. Mit dem<br />

Trend zur Urbanisierung sollen 2050<br />

bereits 70 Prozent der Menschen in<br />

Städten leben. In Wien wird die Gruppe<br />

der über 65-Jährigen um 60 Prozent<br />

zulegen. Auch darauf werden die Handelsunternehmen<br />

sich einstellen müssen.<br />

Aber nur diejenigen, die schnell<br />

die richtigen Schlüsse aus solchen<br />

Entwicklungen ziehen, werden auch<br />

in Jahrzehnten noch im Einzelhandel<br />

mitmischen.<br />

Herbert Asamer ist Redakteur von<br />

DiePresse.com, dem Onlineformat der<br />

Tageszeitung Die Presse. Dort ist er im<br />

Wirtschaftsressort tätig und schreibt<br />

die regelmäßige Online-Serie „Handel<br />

im Wandel“.<br />

Foto: privat<br />

2/<strong>2013</strong>___41

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