Wolfgang Hariolf Spindler, Art. Utz, Arthur - stiftung-utz.de
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„universalen Quelle jeglichen Gutseins“ (S. th.<br />
I-II 2,8 ad 1) wahres Glück (als Erfahrung <strong>de</strong>s<br />
bonum) anstrebt, so ist im sozialen Bereich<br />
Objekt <strong>de</strong>r sittlichen Entscheidung das Gemeinwohl<br />
(bonum commune), das vor <strong>de</strong>r Formulierung<br />
sozialer Handlungsprinzipien (Solidarität,<br />
Subsidiarität, gol<strong>de</strong>ne Regel usw.) bestimmt<br />
wer<strong>de</strong>n muss. Zwar ist das Gemeinwohl<br />
<strong>de</strong>n Einzelnen vorgeordnet, seine Definition<br />
erfor<strong>de</strong>rt aber die Berücksichtigung <strong>de</strong>r<br />
Interessen aller ihre persönliche Vervollkommnung<br />
intendieren<strong>de</strong>n Individuen. Nach U. integriert<br />
Thomas die (v. a. bei Aristoteles und<br />
Augustinus) vorgefun<strong>de</strong>nen Begriffe in seine<br />
Konzeption, in<strong>de</strong>m er sie neu akzentuiert. So<br />
erhebt er die gegenüber <strong>de</strong>r Tauschgerechtigkeit<br />
(iustitia commutativa) traditionell untergeordnete<br />
Gemeinwohlgerechtigkeit (iustitia<br />
generalis/legalis) zu einer Gerechtigkeit im<br />
strengen Sinne (S. th. II-II 58,5), ja zur „principalis<br />
virtus“ (S. th. II-II 80,1). Die Gesetze zur<br />
Herstellung <strong>de</strong>s Gemeinwohls dürfen sich<br />
nicht nur an <strong>de</strong>n „Tugendhaften“ orientieren.<br />
Von in sich schlechten und univok gesetzlich<br />
zu verbieten<strong>de</strong>n Handlungen (z. B. Abtreibung)<br />
abgesehen, sind Gesetze pragmatischer Natur<br />
und sichern nach U. nur das ethische Minimum<br />
(vgl. S. th. I-II 96,2 resp.). Dem entsprechend<br />
interpretiert U. die thomasische Ethik<br />
<strong>de</strong>s Sozialen strikt (seins-) philosophisch (keine<br />
Sozial-Theologie). Über die Annahme eines<br />
Schöpfergottes (als lex aeterna), <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Basis<br />
<strong>de</strong>r natürlichen Theologie rational erkannt<br />
wer<strong>de</strong>n kann (vgl. Vaticanum I, DH 3004), hinaus<br />
bedarf es keiner theologischen o<strong>de</strong>r<br />
Glaubens-Voraussetzungen, um <strong>de</strong>n apriorischen<br />
Charakter <strong>de</strong>s obersten Imperativs – das<br />
Gute ist zu tun, das Böse zu mei<strong>de</strong>n – mittels<br />
<strong>de</strong>r praktischen Vernunft (habitus principiorum)<br />
„spontan“ zu erkennen. U.ens Entwurf<br />
greift einerseits Erkenntnisse <strong>de</strong>r empirischen<br />
Wissenschaften auf und wen<strong>de</strong>t sich auch an<br />
Nichtglauben<strong>de</strong>. An<strong>de</strong>rerseits kapituliert er<br />
nicht vor <strong>de</strong>m neuzeitlichen „Dogma“ <strong>de</strong>r<br />
nachmetaphysischen Normenbegründung.<br />
Mit <strong>de</strong>n erkenntnistheoretischen Grundlagen<br />
Kants (und seiner transzen<strong>de</strong>ntalphilosophischen<br />
Epigonen), Hegels, <strong>de</strong>s Marxismus, <strong>de</strong>s<br />
„kritischen Rationalismus“ (Popper) und<br />
Rechtspositivismus (Kelsen) setzt sich U. kritisch<br />
auseinan<strong>de</strong>r. Der „Versöhnung“ <strong>de</strong>r thomasischen<br />
Erkenntnistheorie und (finalistischen)<br />
Normenbegründung mit <strong>de</strong>r das moralische<br />
„Werte-Bewusstsein“ introspektieren<strong>de</strong>n<br />
(i<strong>de</strong>alistischen) Phänomenologie erklärt U.<br />
eine Absage. Unter Rückgriff auf Thomas –<br />
nicht auf thomistische „Systeme“ – weist er<br />
ebenso rationalistische und <strong>de</strong>duktivistischessentialistische<br />
Ten<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>r Neuscholastik,<br />
<strong>de</strong>rer er von Kritikern (Franz Böckle, Franz<br />
Furger u. a.) freilich selber verdächtigt wird,<br />
zurück. Normen wer<strong>de</strong>n aus ganzheitlicher<br />
metaphysischer Real-Abstraktion unter Einbeziehung<br />
<strong>de</strong>r „vorwissenschaftlichen“ inneren<br />
Erfahrung <strong>de</strong>r sittlichen Verantwortung schöpferisch<br />
gewonnen. Doch ihre jeweilige Formulierung<br />
weist strikt analogen Charakter auf<br />
und berücksichtigt die äußere Erfahrung im<br />
Kontext <strong>de</strong>s gesellschaftlichen Diskurses.<br />
U.ens dynamische Neubegründung <strong>de</strong>s – gera<strong>de</strong><br />
für pluralistische Gemeinwesen – unaufgebbaren<br />
„Naturrechts“ differenziert mit Thomas<br />
<strong>de</strong>utlich zwischen unverän<strong>de</strong>rlichen allgemeinen<br />
normativen Prinzipien (lex naturalis)<br />
und <strong>de</strong>m flexiblen, eine „Situation im Hier und<br />
Jetzt“ entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, in die konkrete Sachlage<br />
hineinreichen<strong>de</strong>n Soll (ius naturale). Naturrecht<br />
ist jeweils das, was <strong>de</strong>n Sinn, die innere<br />
Zweckhaftigkeit <strong>de</strong>r auf die Vervollkommnung<br />
<strong>de</strong>r menschlichen Natur ausgerichteten<br />
Normen am besten erfüllt. U.ens Be<strong>de</strong>utung<br />
liegt in <strong>de</strong>r thomistisch-spekulativen Durchdringung<br />
<strong>de</strong>r katholischen Soziallehre auf <strong>de</strong>m<br />
wissenschaftlichen Reflexions-Niveau <strong>de</strong>s 20.<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rts. Das Denken in <strong>de</strong>r Logik <strong>de</strong>r katholischen<br />
Soziallehre, d. h. die Metho<strong>de</strong>, das<br />
christliche Menschenbild an die konkrete, je<br />
verschie<strong>de</strong>ne soziale Wirklichkeit heranzuführen,<br />
verdankt sich <strong>de</strong>r an Thomas geschulten<br />
Überzeugung von <strong>de</strong>r Erkenntniskraft <strong>de</strong>r (im<br />
Dienst <strong>de</strong>r Offenbarungswahrheiten stehen<strong>de</strong>n)<br />
natürlichen Vernunft. Diese Methodik<br />
aufgezeigt zu haben ist U.ens bleiben<strong>de</strong> wissenschaftliche<br />
Leistung.<br />
Werke: I. Monografien (in Auswahl): De connexione virtutum<br />
moralium inter se secundum doctrinam St. Thomae