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Wolfgang Hariolf Spindler, Art. Utz, Arthur - stiftung-utz.de

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681 <strong>Utz</strong><br />

682<br />

„universalen Quelle jeglichen Gutseins“ (S. th.<br />

I-II 2,8 ad 1) wahres Glück (als Erfahrung <strong>de</strong>s<br />

bonum) anstrebt, so ist im sozialen Bereich<br />

Objekt <strong>de</strong>r sittlichen Entscheidung das Gemeinwohl<br />

(bonum commune), das vor <strong>de</strong>r Formulierung<br />

sozialer Handlungsprinzipien (Solidarität,<br />

Subsidiarität, gol<strong>de</strong>ne Regel usw.) bestimmt<br />

wer<strong>de</strong>n muss. Zwar ist das Gemeinwohl<br />

<strong>de</strong>n Einzelnen vorgeordnet, seine Definition<br />

erfor<strong>de</strong>rt aber die Berücksichtigung <strong>de</strong>r<br />

Interessen aller ihre persönliche Vervollkommnung<br />

intendieren<strong>de</strong>n Individuen. Nach U. integriert<br />

Thomas die (v. a. bei Aristoteles und<br />

Augustinus) vorgefun<strong>de</strong>nen Begriffe in seine<br />

Konzeption, in<strong>de</strong>m er sie neu akzentuiert. So<br />

erhebt er die gegenüber <strong>de</strong>r Tauschgerechtigkeit<br />

(iustitia commutativa) traditionell untergeordnete<br />

Gemeinwohlgerechtigkeit (iustitia<br />

generalis/legalis) zu einer Gerechtigkeit im<br />

strengen Sinne (S. th. II-II 58,5), ja zur „principalis<br />

virtus“ (S. th. II-II 80,1). Die Gesetze zur<br />

Herstellung <strong>de</strong>s Gemeinwohls dürfen sich<br />

nicht nur an <strong>de</strong>n „Tugendhaften“ orientieren.<br />

Von in sich schlechten und univok gesetzlich<br />

zu verbieten<strong>de</strong>n Handlungen (z. B. Abtreibung)<br />

abgesehen, sind Gesetze pragmatischer Natur<br />

und sichern nach U. nur das ethische Minimum<br />

(vgl. S. th. I-II 96,2 resp.). Dem entsprechend<br />

interpretiert U. die thomasische Ethik<br />

<strong>de</strong>s Sozialen strikt (seins-) philosophisch (keine<br />

Sozial-Theologie). Über die Annahme eines<br />

Schöpfergottes (als lex aeterna), <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Basis<br />

<strong>de</strong>r natürlichen Theologie rational erkannt<br />

wer<strong>de</strong>n kann (vgl. Vaticanum I, DH 3004), hinaus<br />

bedarf es keiner theologischen o<strong>de</strong>r<br />

Glaubens-Voraussetzungen, um <strong>de</strong>n apriorischen<br />

Charakter <strong>de</strong>s obersten Imperativs – das<br />

Gute ist zu tun, das Böse zu mei<strong>de</strong>n – mittels<br />

<strong>de</strong>r praktischen Vernunft (habitus principiorum)<br />

„spontan“ zu erkennen. U.ens Entwurf<br />

greift einerseits Erkenntnisse <strong>de</strong>r empirischen<br />

Wissenschaften auf und wen<strong>de</strong>t sich auch an<br />

Nichtglauben<strong>de</strong>. An<strong>de</strong>rerseits kapituliert er<br />

nicht vor <strong>de</strong>m neuzeitlichen „Dogma“ <strong>de</strong>r<br />

nachmetaphysischen Normenbegründung.<br />

Mit <strong>de</strong>n erkenntnistheoretischen Grundlagen<br />

Kants (und seiner transzen<strong>de</strong>ntalphilosophischen<br />

Epigonen), Hegels, <strong>de</strong>s Marxismus, <strong>de</strong>s<br />

„kritischen Rationalismus“ (Popper) und<br />

Rechtspositivismus (Kelsen) setzt sich U. kritisch<br />

auseinan<strong>de</strong>r. Der „Versöhnung“ <strong>de</strong>r thomasischen<br />

Erkenntnistheorie und (finalistischen)<br />

Normenbegründung mit <strong>de</strong>r das moralische<br />

„Werte-Bewusstsein“ introspektieren<strong>de</strong>n<br />

(i<strong>de</strong>alistischen) Phänomenologie erklärt U.<br />

eine Absage. Unter Rückgriff auf Thomas –<br />

nicht auf thomistische „Systeme“ – weist er<br />

ebenso rationalistische und <strong>de</strong>duktivistischessentialistische<br />

Ten<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>r Neuscholastik,<br />

<strong>de</strong>rer er von Kritikern (Franz Böckle, Franz<br />

Furger u. a.) freilich selber verdächtigt wird,<br />

zurück. Normen wer<strong>de</strong>n aus ganzheitlicher<br />

metaphysischer Real-Abstraktion unter Einbeziehung<br />

<strong>de</strong>r „vorwissenschaftlichen“ inneren<br />

Erfahrung <strong>de</strong>r sittlichen Verantwortung schöpferisch<br />

gewonnen. Doch ihre jeweilige Formulierung<br />

weist strikt analogen Charakter auf<br />

und berücksichtigt die äußere Erfahrung im<br />

Kontext <strong>de</strong>s gesellschaftlichen Diskurses.<br />

U.ens dynamische Neubegründung <strong>de</strong>s – gera<strong>de</strong><br />

für pluralistische Gemeinwesen – unaufgebbaren<br />

„Naturrechts“ differenziert mit Thomas<br />

<strong>de</strong>utlich zwischen unverän<strong>de</strong>rlichen allgemeinen<br />

normativen Prinzipien (lex naturalis)<br />

und <strong>de</strong>m flexiblen, eine „Situation im Hier und<br />

Jetzt“ entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, in die konkrete Sachlage<br />

hineinreichen<strong>de</strong>n Soll (ius naturale). Naturrecht<br />

ist jeweils das, was <strong>de</strong>n Sinn, die innere<br />

Zweckhaftigkeit <strong>de</strong>r auf die Vervollkommnung<br />

<strong>de</strong>r menschlichen Natur ausgerichteten<br />

Normen am besten erfüllt. U.ens Be<strong>de</strong>utung<br />

liegt in <strong>de</strong>r thomistisch-spekulativen Durchdringung<br />

<strong>de</strong>r katholischen Soziallehre auf <strong>de</strong>m<br />

wissenschaftlichen Reflexions-Niveau <strong>de</strong>s 20.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rts. Das Denken in <strong>de</strong>r Logik <strong>de</strong>r katholischen<br />

Soziallehre, d. h. die Metho<strong>de</strong>, das<br />

christliche Menschenbild an die konkrete, je<br />

verschie<strong>de</strong>ne soziale Wirklichkeit heranzuführen,<br />

verdankt sich <strong>de</strong>r an Thomas geschulten<br />

Überzeugung von <strong>de</strong>r Erkenntniskraft <strong>de</strong>r (im<br />

Dienst <strong>de</strong>r Offenbarungswahrheiten stehen<strong>de</strong>n)<br />

natürlichen Vernunft. Diese Methodik<br />

aufgezeigt zu haben ist U.ens bleiben<strong>de</strong> wissenschaftliche<br />

Leistung.<br />

Werke: I. Monografien (in Auswahl): De connexione virtutum<br />

moralium inter se secundum doctrinam St. Thomae

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