W 4 K 07.1422 - Bayerische Verwaltungsgerichtsbarkeit - Bayern
W 4 K 07.1422 - Bayerische Verwaltungsgerichtsbarkeit - Bayern
W 4 K 07.1422 - Bayerische Verwaltungsgerichtsbarkeit - Bayern
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Gericht: VG Würzburg<br />
Aktenzeichen: W 4 K <strong>07.1422</strong><br />
Sachgebiets-Nr: 920<br />
Rechtsquellen:<br />
§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO;<br />
§ 42 Abs. 2 VwGO;<br />
Art. 71 Satz 1 BayBO;<br />
§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB;<br />
§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB;<br />
Nr. 4.8 TA Luft;<br />
Anhang 1 Abbildung 4 der TA Luft;<br />
VDI Richtlinie 3471;<br />
Geruchsimmissions-Richtlinie, GIRL;<br />
Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG;<br />
Art. 4 Abs. 1, 2 GG;<br />
Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 WRV;<br />
Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BestG;<br />
§ 14 Abs. 3 BauGB;<br />
Hauptpunkte:<br />
baurechtliche Nachbarklage;<br />
baurechtlicher Vorbescheid:<br />
Klagebefugnis;<br />
Mastschweinestall im Außenbereich;<br />
Beeinträchtigung der Wasserversorgung durch Schweine-Intensivhaltung;<br />
schädliche Umwelteinwirkungen durch Ammoniakeintrag in den Wald;<br />
Geruchsimmissionen im Bereich der Wohnbebauung;<br />
Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen auf jüdischem Friedhof;<br />
Geruchsausbreitungsrechnung nach GIRL;<br />
Kaltluftabflüsse;<br />
Übertragung der Daten einer anderen Wetterstation auf den Standort;<br />
Durchführung konkreter Wettermessungen;<br />
Mastschweinestall in der Nähe des Denkmals jüdischer Friedhof (verneint);<br />
Glaubens- und Glaubensbetätigungsfreiheit;<br />
„schickliche Grabpflege“;<br />
Veränderungssperre;
Leitsätze:<br />
2<br />
1. Der an ein emittierendes Vorhaben angrenzende Waldeigentümer kann geltend<br />
machen, durch eine Ammoniakbelastung in seinen durch das Rücksichtnahmegebot<br />
(§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB: „schädliche Umwelteinwirkungen“) geschützten<br />
Rechten verletzt zu sein, wenn der Mindestabstand nach den Ziffern<br />
4.4.2 i.V.m. 4.8 i.V.m. Abbildung 4 des Anhangs 1 der TA Luft unterschritten wird.<br />
2. Zur Beantwortung der Frage, wann die von einem Schweinestall ausgehenden<br />
Geruchsemissionen als schädliche Umwelteinwirkungen i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1<br />
Nr. 3 BauGB zu qualifizieren sind, kann auch bei einem Vorhaben unterhalb der<br />
Schwelle der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht die Geruchsimmissions-Richtlinie<br />
(GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 neben der VDI-<br />
Richtlinie 3471 (Immissionsminderung Tierhaltung – Schweine) als Entscheidungs-<br />
und Orientierungshilfe herangezogen werden.<br />
3. Für Übergangsbereiche von der geschlossenen Bebauung zum Außenbereich<br />
kann im Einzelfall der in der GIRL für Wohngebiete angesetzte Immissionswert<br />
von 0,10 (Jahresstunden-Geruchshäufigkeit) überschritten werden bis zu dem für<br />
Dorfgebiete zulässigen Wert von 0,15 (Jahresstunden-Geruchshäufigkeit).<br />
4. Einem im Außenbereich gelegenen jüdischen Friedhof ist wegen seiner religiösen<br />
Bedeutung als heiliger Ort hinsichtlich der von einem ebenfalls im Außenbereich<br />
vorgesehenen Mastschweinestall ausgehenden Geruchsimmissionen ein<br />
höherer Schutzanspruch als einem christlichen Friedhof zuzubilligen. Dieser<br />
Schutzanspruch ist auch unter Berücksichtigung des kollektiven Grundrechts aus<br />
Art. 4 Abs. 1, 2 GG wie auch des Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 WRV jedenfalls<br />
dann gewahrt, wenn der nach der GIRL für ein Wohngebiet anzusetzende Immissionswert<br />
von 0,10 (Jahresstunden-Geruchshäufigkeit) eingehalten wird. Ein<br />
Anspruch auf völlige Geruchsfreiheit besteht auch für einen jüdischen Friedhof<br />
nicht.<br />
---------------------------------------------------------------------------------------------------<br />
Urteil der 4. Kammer vom 19. Oktober 2010
Nr. W 4 K <strong>07.1422</strong><br />
<strong>Bayerische</strong>s Verwaltungsgericht Würzburg<br />
In der Verwaltungsstreitsache<br />
1. **** ******** *** *** ** *************<br />
*********** *** ***** ********<br />
2. Gemeinde N******* ********<br />
********** ***** *** ** *************<br />
*********** ** ***** *********<br />
3. ************* *** **************<br />
**************** ** ******<br />
********** ***** *** ************<br />
*********** *** ***** *******<br />
4. Gemeinde W*******<br />
********** ***** *** ** *************<br />
********** *** ***** ******* ********<br />
5. Wasserzweckverband<br />
W********* ******<br />
********** ***** *** ************<br />
********** *** ***** ******* ********<br />
zu 1 bis 4 bevollmächtigt:<br />
Rechtsanwälte ******* *** ********<br />
******** *** ***** ********<br />
Freistaat <strong>Bayern</strong><br />
vertreten durch:<br />
Landratsamt Rhön-Grabfeld<br />
Spörleinstr.11, 97616 Bad Neustadt<br />
Im Namen des Volkes<br />
gegen<br />
- Kläger -<br />
- Beklagter -
eigeladen:<br />
******** *******<br />
********* *** ***** ********<br />
bevollmächtigt:<br />
Rechtsanwälte *** **** *** *****<br />
***************** ** ***** ********<br />
Bauvorbescheids (Aufhebung)<br />
2<br />
wegen<br />
erlässt das <strong>Bayerische</strong> Verwaltungsgericht Würzburg, 4. Kammer<br />
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Heilek,<br />
die Richterin am Verwaltungsgericht Graf,<br />
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Weinmann,<br />
den ehrenamtlichen Richter Hofmann,<br />
den ehrenamtlichen Richter Kaup<br />
aufgrund mündlicher Verhandlung am 19. Oktober 2010<br />
folgendes<br />
Urteil:<br />
I. Die Klagen werden abgewiesen.<br />
II. Die Klägerinnen zu 2) und 4) haben jeweils 4/11,<br />
die übrigen Kläger haben jeweils 1/11 der Kosten<br />
des Verfahrens einschließlich der außergerichtli-<br />
chen Aufwendungen des Beigeladenen zu tra-<br />
gen.<br />
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig voll-<br />
streckbar. Die Kläger können die Vollstreckung<br />
durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu voll-<br />
streckenden Betrages abwenden, wenn nicht der<br />
jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Hö-<br />
he Sicherheit leistet.<br />
* * *
3<br />
Tatbestand:<br />
Die Kläger wenden sich gegen den Vorbescheid des Landratsamtes Rhön-<br />
Grabfeld vom 22. Oktober 2007 i.d.F. der Ergänzungsbescheide vom 5. Au-<br />
I.<br />
gust 2008 und vom 20. März 2009. Diesem liegt zugrunde eine Bauvoranfra-<br />
ge des Beigeladenen für einen geplanten Mastschweinestall auf dem Grund-<br />
stück Fl.Nr. *83 der Gemarkung Ne********* (Baugrundstück), Gemeinde<br />
No****** **** ****.<br />
1.<br />
Das Baugrundstück, das in Ost-West-Richtung eine Länge von ca. 140 m<br />
und in Nord-Süd-Richtung eine Breite von ca. 100 m aufweist, grenzt mit sei-<br />
ner Nordseite an die in Ost-West-Richtung verlaufende Kreisstraße N** *2<br />
und im Osten an einen in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Flurweg<br />
(Fl.Nr. *34 der Gemarkung W*******) an, der die Gemeindegrenze zur Ge-<br />
meinde W****** markiert. Auf der anderen (östlichen) Seite des Weges befin-<br />
det sich die Hofstelle des Vaters des Beigeladenen (Grundstück Fl.Nr. *33<br />
der Gemarkung W*****). Dieser betreibt hier seit Mitte der 60er Jahre des<br />
letzten Jahrhunderts (Baugenehmigung des Landratsamtes M************<br />
vom 30. Juli 1964) einen landwirtschaftlichen Aussiedlerhof (Vollbauern-<br />
Stelle) mit Stallungen für Rinder- und Kälberhaltung, Fahrsilo, Güllegrube,<br />
Wirtschaftsgebäude und einem Wohnhaus.<br />
Nördlich der Kreisstraße liegt zunächst ein ca. 1,8 ha großes Ackergrund-<br />
stück (Fl.Nrn. *04 und *05). Dahinter befindet sich der jüdische Friedhof<br />
Ne******* (Fl.Nrn. *01 und *02 der Gemarkung Ne*******), der im Eigentum<br />
des Klägers zu 3) steht. Der Friedhof, der über einen Feldweg von der Kreis-<br />
straße erschlossen ist, ist von einer Mauer umgeben und mit Büschen und<br />
Bäumen eingewachsen. Der (geringste) Abstand zwischen dem Baugrund-<br />
stück (Nord-Ost-Ecke) und dem Friedhof (Süd-Spitze) beträgt ca. 150 m. Un-<br />
ter Beachtung der vom Landratsamt Rhön-Grabfeld gesetzten Vorgaben be-<br />
trägt der Abstand zwischen dem jüdischen Friedhof und dem Emissions-
schwerpunkt des Stalles ca. 185 m. In westlicher Richtung beginnt in einer<br />
Entfernung von ca. 850 m der Ortsrand von Ne*******, ein Ortsteil der Ge-<br />
meinde No************* (Klägerin zu 2). Die Entfernung zu den in östlicher<br />
Richtung befindlichen, nächstgelegenen (Wohn-) Anwesen in W***** (Ge-<br />
4<br />
meinde W*****, Klägerin zu 4) beträgt ca. 380 m, der Abstand zu dem bisher<br />
im Flächennutzungsplan dargestellten Mischgebiet beträgt 335 m. In östli-<br />
cher Richtung befindet sich, in einem Abstand von ca. 170 m, auf dem<br />
Grundstück Fl.Nr. *32 ein ehemaliger Aussiedlerhof, der noch bewohnt ist<br />
(Aussiedlerhof T******). Südlich bzw. südwestlich grenzt, in einem Abstand<br />
von ca. 70 m vom Standort des Bauvorhabens eine Waldfläche an (Fl.Nr. *91<br />
der Gemarkung Ne*******), die im Eigentum des Klägers zu 1) steht. In südli-<br />
cher Richtung beginnt in einem Abstand von 300 m das amtlich festgesetzte<br />
Wasserschutzgebiet der „W************quelle“, das für die Trinkwasserver-<br />
sorgung der Gemeinde S******** genutzt wird. Hieran Richtung Süden an-<br />
grenzend beginnt das Wasserschutzgebiet des Wasserzweckverbandes<br />
„W*****er Gruppe“ (Kläger zu 5), der in einem Abstand von ca. 560 m zum<br />
geplanten Schweinestall ein Wasserwerk betreibt.<br />
Das Baugrundstück selbst fällt ganz leicht Richtung Norden und Osten, jen-<br />
seits der Kreisstraße ist das Gelände bis zum jüdischen Friedhof nahezu<br />
eben. Richtung Westen (nach Ne*******) steigt das Gelände ganz leicht an,<br />
während es Richtung Osten (nach W*****) kontinuierlich abfällt, um dann jen-<br />
seits des Ortes zügig anzusteigen.<br />
2.<br />
Mit Bauvoranfrage vom 7. Juli 2005 hatte der Beigeladene einen Vorbe-<br />
scheid für den „Neubau eines Mastschweinestalles mit Güllegruben für 1.500<br />
Mastschweine“ auf dem Grundstück Fl.Nr. *29 der Gemarkung W*****, das<br />
südlich an die Hofstelle (Fl.Nr. *33 der Gemarkung W*****) angrenzt, bean-<br />
tragt. Die im Rahmen dieses Verfahrens durchgeführte immissionsschutz-<br />
fachliche Prüfung kam zu dem Ergebnis, dass an dem beantragten Standort<br />
ein Mastschweinestall mit 1.500 Plätzen auf Grund der nahen Siedlung nicht<br />
möglich sei. Das Amt für Landwirtschaft und Forsten Bad Neustadt a.d. Saa-<br />
le erläuterte in seiner Stellungnahme vom 19. September 2005, dass das
Vorhaben bzgl. der NH3-Emissionen gemäß TA-Luft einen Mindestabstand<br />
von 262 m zu empfindlichen Ökosystemen (Wald) einzuhalten habe. Der<br />
5<br />
vorhandene Abstand zu der auf Fl.Nr. *91 der Gemarkung Ne******* befindli-<br />
chen und vom beantragten Standort nur durch den Flurweg Fl.Nr. *34 der<br />
Gemarkung W***** getrennten Waldfläche unterschreite den errechneten<br />
Mindestabstand erheblich, so dass dem Stall an dieser Stelle nicht zuge-<br />
stimmt werden könne. Die Gemeinde W***** verweigerte das gemeindliche<br />
Einvernehmen. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2005 zog der Beigeladene<br />
seine Bauvoranfrage zurück. Auf Anfrage teilte das Landratsamt Rhön-<br />
Grabfeld – Sachgebiet Immissionsschutz – dem Beigeladenen mit Schreiben<br />
vom 27. Oktober 2006 mit, dass aber eine Bebauung der Grundstücke<br />
Fl.Nrn. *83, *83/1 und *83/2 der Gemarkung Ne******* mit einem Mast-<br />
schweinestall in der beantragten Größe aus immissionsschutzfachlicher Sicht<br />
möglich sei.<br />
3.<br />
Daraufhin beantragte der Beigeladene mit Bauvoranfrage vom 4. Dezember<br />
2006 einen Vorbescheid für den Neubau eines Mastschweinestalles mit Gül-<br />
legruben auf dem Grundstück Fl.Nr. *83 der Gemarkung Ne*******. Im An-<br />
tragsvordruck findet sich hinsichtlich der Bezeichnung des Vorhabens die<br />
Angabe „für 1.500 Mastschweine“. Dem Antrag ist ein Lageplan (Maßstab<br />
1:1.000) mit der Einzeichnung des Standortes des Gebäudes und der Gülle-<br />
grube beigefügt. Danach soll sich das Vorhaben im südlichen Grund-<br />
stücksteil befinden. Die in der Bauakte befindlichen Antragsunterlagen ent-<br />
halten keinen Eingangsvermerk der Gemeinde.<br />
Der Gemeinderat der Gemeinde No************* befasste sich in seiner Sit-<br />
zung vom 25. Januar 2007 mit der Bauvoranfrage mit folgendem Ergebnis:<br />
„Der Gemeinderat beschließt, vorerst keine Baufreigabe zu befürworten, da<br />
das Bauvorhaben erst durch das Landratsamt Rhön-Grabfeld zu prüfen ist“.<br />
Der Niederschriftauszug datiert vom 22. Februar 2007. Laut Eingangsstem-<br />
pel sind die Antragsunterlagen mit der Stellungnahme der Gemeinde<br />
No************* am 28. Februar 2007 beim Landratsamt Rhön-Grabfeld ein-<br />
gegangen. Nachdem das Landratsamt Rhön-Grabfeld mit Schreiben vom
3. Mai 2007 der Gemeinde No************* das Ergebnis der Trägerbeteili-<br />
gung mitgeteilt hatte, befasste sich diese in der Sitzung des Gemeinderats<br />
erneut mit der Angelegenheit und lehnte die Bauvoranfrage mit Beschluss<br />
vom 24. Mai 2007 ab. Dieser Beschluss wurde dem Landratsamt Rhön-<br />
6<br />
Grabfeld mit Kurzmitteilung vom 28. Juni 2007 (Eingang am 29.06.2007) zu-<br />
geleitet. Mit Schreiben des Landratsamts vom 4. Juli 2007 wurde die Ge-<br />
meinde No****** auf die Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Versagung des<br />
Einvernehmens hingewiesen und gebeten, nochmals über die Erteilung des<br />
Einvernehmens zu entscheiden. Daraufhin wurde in der Sitzung des Ge-<br />
meinderats vom 26. Juli 2007 die Bauvoranfrage ausführlich beraten und das<br />
Einvernehmen erneut verweigert.<br />
Am 22. Oktober 2007 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde<br />
No*************, für das Gebiet um das Baugrundstück einen Bebauungsplan<br />
aufzustellen und eine Veränderungssperre zu erlassen. Ziel der Planung ist<br />
„die Regelung gegenseitiger Interessen der Land-, Forst- und Wasserwirt-<br />
schaft, des Fremdenverkehrs und Berücksichtigung der Belange der öffent-<br />
lich rechtlichen Religionsgesellschaften, sowie der Belange des Umwelt- und<br />
Naturschutzes.“ Die Satzung über die Veränderungssperre wurde im Mittei-<br />
lungsblatt der Verwaltungsgemeinschaft F******** vom 3. November 2007<br />
bekannt gemacht.<br />
Am 29. November 2007 erließ die Gemeinde No************* eine Satzung<br />
„zum Erhalt des Denkmals und Begräbnisstätte jüdischer Friedhof (Fl.Nr. *02<br />
der Gemarkung Ne*******) und dessen näherer Umgebung“, in dessen Gel-<br />
tungsbereich das Baugrundstück einbezogen wurde. Diese wurde am 23.<br />
August 2008 im Mitteilungsblatt der Verwaltungsgemeinschaft F******** be-<br />
kannt gemacht.<br />
Die als Eigentümerin des an das Baugrundstück angrenzenden Weges<br />
Fl.Nr. *036 (jetzt: *34) vom Landratsamt Rhön-Grabfeld am Verfahren betei-<br />
ligte Gemeinde W***** machte mit Schreiben vom 2. August 2007 u.a. Be-<br />
denken hinsichtlich der Geruchsbelastung im Ortsteil W***** sowie der Ge-<br />
fährdung der Trinkwasserversorgung geltend. Im Übrigen wurde vorgebracht,
7<br />
dass der gemeindliche Feld- und Waldweg Fl.Nr. *036 nicht als befahrbar im<br />
Sinne von Art. 4 Abs. 3 <strong>Bayerische</strong>r Bauordnung angesehen werden könne.<br />
Der Wasserzweckverband „W*****er Gruppe“ sprach sich in seiner Sitzung<br />
vom 18. Oktober 2007 gegen das Bauvorhaben aus und machte Einwendun-<br />
gen geltend u.a. wegen der Gefahr von Einträgen von Ammoniak über die<br />
Luft in das Trinkwasser und des Schutzes der Einzugsgebiete. Einwendun-<br />
gen machte auch der Eigentümer des angrenzenden Waldes geltend; er be-<br />
fürchtet eine Schädigung durch die von dem Schweinestall ausgehende<br />
Ammoniakbelastung. Der als Träger öffentlicher Belange gehörte Landes-<br />
verband der Israelitischen Kultusgemeinden in <strong>Bayern</strong> nahm in seiner Stel-<br />
lungnahme vom 20. August 2007 vollinhaltlich Bezug auf ein Schreiben der<br />
Israelitischen Gemeinde W*******. Diese kam zu der Bewertung, dass es un-<br />
zweifelhaft nicht mit der jüdischen Ethik vereinbar sei, wenn in der Umge-<br />
bung des Friedhofs ein Schweinemastbetrieb errichtet werde.<br />
Der Umweltingenieur des Landratsamtes Rhön-Grabfeld beurteilte das Pro-<br />
jekt mit Stellungnahmen vom 10. April und 5. September 2007 und führte<br />
hierbei aus, dass der Abstand zwischen dem vorgesehenen Standort auf<br />
dem Grundstück Fl.Nr. *83 und der nächstgelegenen Bebauung der<br />
Ne*******er Siedlung etwa 850 m betrage, zu der im Flächennutzungsplan als<br />
M-Gebiet deklarierten Siedlungserweiterung von W***** seien es 370 m. Laut<br />
VDI-Richtlinie 3471 betrage der Mindestabstand eines solchen Stalles zu ei-<br />
nem Wohngebiet 300 bis 340 m. Würde man den ungünstigsten Fall anneh-<br />
men und das bisher noch nicht existierende Siedlungsgebiet als WA-Gebiet<br />
betrachten, müsste der geplante Stall so ausgestattet sein, dass er mit min-<br />
destens 60 Punkten zu bewerten sei, damit der gegebene Abstand ausrei-<br />
che. Berücksichtige man den Standort im Bereich von zeitweiligen Kaltluftzu-<br />
flüssen nach W***** mit dem maximal möglichen Abzug von 20 Punkten, wä-<br />
ren für den Stallbau selbst 80 Punkte notwendig. Bereits in der Stellungnah-<br />
me vom 10. April 2007 sei dem Vorhaben zugestimmt worden, sofern der<br />
Stall dem Stand der Technik entspreche, also mindestens 90 Punkte nach<br />
VDI-Richtlinie 3471 erreicht würden. Daraus sei ersichtlich, dass selbst bei<br />
einer Berücksichtigung der Siedlungserweiterung als WA-Gebiet und un-
günstiger Standorteinflüsse der gegebene Abstand von etwa 370 m ausrei-<br />
che.<br />
4.<br />
Mit Vorbescheid vom 22. Oktober 2007 stellte das Landratsamt Rhön-<br />
Grabfeld dem Beigeladenen eine Baugenehmigung u.a. unter folgenden<br />
„Voraussetzungen“ in Aussicht:<br />
„1. Die Erschließung des zur Bebauung vorgesehenen Grundstückes<br />
muss gesichert sein.<br />
…<br />
8<br />
8. Der Stall muss dem Stand der Technik entsprechen, also mindestens<br />
90 Punkte nach der VDI-Richtlinie 3471.<br />
…<br />
11. Zum Schutz des angrenzenden Waldes vor NH3-Immissionen ist der<br />
Mastschweinestall mit Güllegruben soweit wie möglich im nordöstlichen<br />
Grundstücksbereich anzuordnen. Hierbei sind die Anbauverbotszone<br />
zur Straße (Fl.Nr. *82) und die Vorgaben zur Eingrünung zu beachten.<br />
12. (…). Da es sich um einen Mastschweinestall mit einem Bestand von<br />
ca. 1500 Tieren handeln wird, unterliegt der Betrieb zukünftig den in<br />
§ 3 Abs. 3 i.V.m. Anlage 3 der o. g. Verordnung gestellten Anforderungen<br />
(Einfriedung, Hygieneschleuse, Isolierstall etc.).“<br />
Dem geplanten Vorhaben stünden keine öffentlichen Belange im Sinne von<br />
§ 35 Abs. 2 BauGB entgegen. Durch das beantragte Vorhaben entstünden<br />
keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1<br />
Nr. 3 BauGB, die geeignet seien, einen entgegenstehenden öffentlichen Be-<br />
lang zu begründen. Das Amt für Landwirtschaft und Forsten B** ******** ****<br />
***** habe ausgeführt, dass die durch das Vorhaben entstehenden NH3-<br />
Emissionen (Ammoniak-Emissionen) zu empfindlichen Ökosystemen, wie<br />
z.B. Wald, einen Mindestabstand von 262 m erforderten, den das geplante<br />
Vorhaben jedoch nicht einhalte. Wie das Amt für Landwirtschaft und Forsten<br />
weiter ausführe, ergebe sich eine Waldfläche von 0,5 ha, die einer Belastung<br />
über dem Grenzwert von 10 µg NH3/m³ ausgesetzt werde. Aus diesem Grun-
9<br />
de sei dem Bauherrn aufgegeben worden, das Bauvorhaben soweit wie mög-<br />
lich vom angrenzenden Wald abzurücken. Auf Grund der Tatsache, dass die<br />
betroffene Waldfläche außer den dem Wald regelmäßig zukommenden<br />
Funktionen keine hervorzuhebenden Funktionen habe, seien hier die Belan-<br />
ge des Bauherrn höher zu gewichten gewesen als die allgemein bestehende<br />
Verpflichtung, den Wald vor Schadstoffbelastungen zu bewahren. Durch das<br />
Vorhaben würden auch keine unwirtschaftlichen Aufwendungen für den<br />
Straßenbau im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BauGB verursacht. Es<br />
werde auch nicht der Erholungswert der Landschaft beeinträchtigt und auch<br />
eine Gefährdung der Wasserwirtschaft sei nicht gegeben. Auch sonstige Be-<br />
lange, wie etwa solche des Denkmalschutzes und die Belange der anerkann-<br />
ten Religionsgemeinschaften, stünden dem geplanten Vorhaben nicht entge-<br />
gen. Der jüdische Friedhof werde durch die zu erwartenden Emissionen nicht<br />
unzumutbar beeinträchtigt. Nachdem die Voraussetzungen für die Erteilung<br />
eines positiven Vorbescheides gegeben seien, habe auch das notwendige<br />
Einvernehmen der Gemeinde No****** ersetzt werden können.<br />
1.<br />
Die Kläger ließen am 22. November 2007 Klage erheben, mit dem<br />
A n t r a g,<br />
den Vorbescheid des Landratsamtes Rhön-<br />
Grabfeld vom 22. Oktober 2007 aufzuheben.<br />
II.<br />
Zur Begründung wurde zunächst mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten<br />
vom 4. Februar 2008 im Wesentlichen ausgeführt:<br />
Der Vorbescheid sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten.
Der Kläger zu 1) werde durch die Ansiedlung des Mastschweinestalls als<br />
10<br />
Waldbesitzer in erheblichem Maß beeinträchtigt. Sein nahe gelegener Wald<br />
mit einem hohen Fichtenanteil sei sehr empfindlich. Schon jetzt sei die Belas-<br />
tungsgrenze von 10 bis 15 kg Ammoniak pro Jahr überschritten. Liege der<br />
Normpegel schon jetzt an der kritischen Belastungsgrenze, müsse jede wei-<br />
tere Belastung als schädlich angesehen werden. Durch diese schädlichen<br />
Umwelteinwirkungen würden auch private Belange des Klägers zu 1) beein-<br />
trächtigt. Als Waldbesitzer könne er sich zudem auf das Gebot der Rück-<br />
sichtnahme als subjektiv-öffentliches Recht berufen. Sowohl von der Lage<br />
des Stalles als auch von seiner Größe und seinem Umfang sei davon auszu-<br />
gehen, dass er negative Auswirkungen auf den angrenzenden Wald haben<br />
werde. Der durch Schweineställe erhöhte Ammoniakeintrag führe in der Luft<br />
zu einem „Silbrig-Werden“ der Nadeln bei Nadelbäumen sowie zu einem<br />
„Braun-Werden“ der Blätter bei Laubbäumen. Letztlich führe dies zu einem<br />
Absterben der Bäume.<br />
Die individuelle Betroffenheit der Klägerin zu 2) ergebe sich aus Folgendem:<br />
Der Rastplatz am W*****er Eck sei fertig gestellt. Der Ortsteil Ne******* der<br />
Gemeinde No************* stelle mit dem Schloss, den Kolonistenhäusern und<br />
dem Potential seiner Ortsgeschichte eine Besonderheit dar; Wohnqualität<br />
und Erholungswert seien wegen des nahen Waldes hervorragend. Bei Ver-<br />
wirklichung des Bauvorhabens sei bei ungünstiger Witterungslage in den na-<br />
hen Ortschaften mit sehr starken Geruchsbelästigungen zu rechnen. Das<br />
Vorhaben verstoße gegen die am 29. November 2007 erlassene Satzung zur<br />
Erhaltung des Denkmals und Begräbnisstätte „Jüdischer Friedhof“ wie auch<br />
gegen den am 22. Oktober 2007 beschlossenen Bebauungsplan.<br />
Die individuelle Betroffenheit des Klägers zu 3) sei auf Grund der geringen<br />
Entfernung des Mastschweinestalles zum jüdischen Friedhof von ca. 150 m<br />
gegeben. Damit liege dieser mit größter Wahrscheinlichkeit in einem Areal,<br />
welches permanent größte Geruchsbelästigungen erfahren werde. Der<br />
Friedhof sei eingetragenes Baudenkmal. Hier sei der Stall wegen seiner<br />
Größe als „in der Nähe“ des Friedhofs befindlich anzusehen. Auch werde das<br />
Erscheinungsbild des Friedhofs nachdrücklich durch die ausgesprochene
11<br />
Nähe des vorgesehenen Stalls gemindert. Bei Andachten oder sonstigen Be-<br />
suchen auf dem Baudenkmal „Jüdischer Friedhof“ wäre daher jederzeit eine<br />
Geräusch- und Geruchsbelästigung vorhanden. Der Rechtsprechung sei<br />
auch zu entnehmen, dass das Erscheinungsbild eines denkmalgeschützten<br />
jüdischen Friedhofs, der in der Vergangenheit aus einer intoleranten Geis-<br />
teshaltung heraus weitab von der Wohnbebauung errichtet werden musste,<br />
beeinträchtigt werden kann, wenn die Wohnbebauung bis auf wenige Meter<br />
an ihn heranrückt. Das Landesamt für Denkmalpflege sei am Verfahren nicht<br />
beteiligt worden, obwohl sich dies wegen der besonderen Bedeutung der Sa-<br />
che aufgedrängt habe. Des Weiteren sei auch auf Art. 26 BayDSchG betref-<br />
fend kirchlicher Denkmäler hinzuweisen. Schließlich sei der jüdische Friedhof<br />
ein heiliger Ort für jeden Juden. Die Halacha, das jüdische Religionsgesetz,<br />
verurteile die Missachtung der Ehre der Toten wie auch eines heiligen Ortes<br />
auf das Schärfste. Es werde auf dem heiligen Ort gebetet und mit dem Kad-<br />
disch-Gebet gepriesen. Es sei unzweifelhaft nicht mit der jüdischen Ethik<br />
vereinbar, dass in der Umgebung des Friedhofs ein Schweinemastbetrieb er-<br />
richtet werde.<br />
Die individuelle Betroffenheit der Klägerin zu 4) ergebe sich daraus, dass das<br />
Baugrundstück nur wenige hundert Meter von den Ortseingängen Ne*******<br />
und W***** entfernt liege. Da beide Ortschaften in Talkesseln lägen, sei bei<br />
ungünstiger Wetterlage mit sehr starken Geruchsbelästigungen zu rechnen.<br />
Das Baugrundstück liege ca. 400 m westlich des Siedlungsplatzes W*****,<br />
500 m südlich befinde sich das Wasserwerk der „W*****er Gruppe“ und 150<br />
m nördlich der unter Denkmalschutz stehende jüdische Friedhof. Im Hinblick<br />
auf die zu erwartenden schädlichen Umwelteinwirkungen sei insbesondere<br />
auf das 550 m bzw. 650 m östlich entfernt liegende und im Eigentum der<br />
Klägerin stehende Dorfgemeinschaftshaus mit Dorfladen bzw. Dorfgasthaus<br />
abzustellen. Hier könnten die Gerüche die Kunden verschrecken und damit<br />
die Pächter zur Aufgabe zwingen, mit der Folge, dass die Klägerin keine<br />
Pachteinnahmen mehr verzeichnen könne. Hinzuweisen sei auch auf das<br />
500 m östlich vom Baugrundstück entfernt liegende Grundschulgebäude.
12<br />
Die individuelle Betroffenheit des Klägers zu 5) ergebe sich aus Folgendem:<br />
In etwa 370 m Luftlinie Entfernung zur vorgesehenen Schweinemastanlage<br />
befinde sich das Wasserwerk der „W*****er Gruppe“. Bei entsprechender<br />
(nördlicher) Windrichtung bestehe daher jederzeit die Möglichkeit, dass die<br />
Gase, die aus der Mastanlage emittiert würden, in das Trinkwasser im Was-<br />
serwerk eingetragen werden und so die Qualität nachhaltig mindern würden.<br />
Das Wasserwerk sei verkehrsmäßig über den Gemeindeweg Fl.Nr. *036 der<br />
Gemeinde W***** erschlossen, der durch schwere Fahrzeuge beschädigt<br />
werden könne. Ebenso werde die Beschädigung der im Weg verlegten Was-<br />
serleitungen befürchtet. Der Wasserzweckverband sei gesetzlich verpflichtet,<br />
Wasser keimfrei und in bestmöglicher Qualität an die Gemeinden des Ver-<br />
bandes und damit an deren Einwohner abzugeben. Der Landwirt werde im<br />
Mastbetrieb erhebliche Mengen Gülle produzieren und diese auf seinen ei-<br />
genen bzw. gepachteten Grundstücken ausbringen. Diese Grundstücke lä-<br />
gen im Einzugsbereich der Wasserquellen des Zweckverbandes. Bei Auftre-<br />
ten von Starkregen könne die aufgebrachte Gülle aus den gedüngten<br />
Grundstücken ausgeschwemmt und über das Oberflächenwasser dem Bach<br />
Sulz und über diesen den Trinkwasserquellen zugeführt werden. Die Fäkal-<br />
keime würden demnach den Trinkwasserquellen zugeführt und das Wasser<br />
verkeimen.<br />
Die Rechtswidrigkeit des Vorbescheids ergebe sich bereits daraus, dass das<br />
Landratsamt Rhön-Grabfeld die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen<br />
und die Erteilung des Vorbescheids allein auf der Grundlage baurechtlicher<br />
Vorschriften vorgenommen habe. Sowohl der Sachverhaltsdarstellung als<br />
auch den Hinweisen zum Vorbescheid sei zu entnehmen, dass ein Stall für<br />
1.500 Mastschweine beantragt worden sei. Unter Berücksichtigung dieser<br />
Tierzahl sei jedoch ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren<br />
durchzuführen. Damit richteten sich die Voraussetzungen für die Erteilung<br />
eines Vorbescheids nicht nach Art. 75 BayBO, sondern nach § 9 BImSchG.<br />
§ 9 BImSchG schließe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-<br />
richts die Erteilung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften aus. Im<br />
Ergebnis sei festzuhalten, dass der Beklagte die Voraussetzungen und An-<br />
forderungen des Immissionsschutzrechts komplett außer acht gelassen ha-
13<br />
be, so dass der Bescheid bereits aus diesem Grunde rechtswidrig sei. Dar-<br />
über hinaus handele es sich bei dem beantragten Vorhaben um ein UVP-<br />
pflichtiges Vorhaben. Denn gemäß Ziffer 7.7.2 der Anlage 1 zum UVPG un-<br />
terliege die Errichtung und der Betrieb einer Anlage zur Intensivhaltung oder<br />
–aufzucht von Mastschweinen mit 1.500 bis weniger als 2.000 Plätzen der<br />
UVP-Pflicht. Da der Beklagte nicht einmal ansatzweise die Umweltverträg-<br />
lichkeitsprüfung abgearbeitet habe und auch nicht die notwendige standort-<br />
bezogene Vorprüfung durchgeführt habe, sei der Vorbescheid auch aus die-<br />
sem Grund rechtswidrig. Darüber hinaus enthalte der angegriffene Vorbe-<br />
scheid auch keine konkrete Standortausweisung. Der konkrete Standort sei<br />
jedoch für die Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens und damit der<br />
Frage nach der Genehmigungsfähigkeit unerlässlich. Da sich die Zulässigkeit<br />
von Immissionen u.a. nach der Entfernung zwischen Immissionsschwelle und<br />
Immissionsort richte, sei ein konkreter Standort erforderlich. Dem Beklagten<br />
sei daher die Prüfung und Bewertung, ob von dem Vorhaben schädliche<br />
Umwelteinwirkungen ausgehen, nicht möglich gewesen. Damit entbehre die<br />
getroffene Aussage, dass dem geplanten Vorhaben keine öffentlichen Be-<br />
lange entgegenstünden, jeglicher Grundlage. Des Weiteren werde auch der<br />
vom Amt für Landwirtschaft geforderte Mindestabstand von 262 m zum an-<br />
grenzenden Wald nicht eingehalten. Das Amt für Landwirtschaft habe in sei-<br />
ner Stellungnahme auf die durch das Vorhaben hervorgerufenen NH3-<br />
Immissionen und auf die Empfindlichkeit des Ökosystems hingewiesen. Im<br />
Übrigen widerspreche das Vorhaben der städtebaulichen Entwicklung der<br />
Gemeinde No*************. Bereits mit Schreiben vom 16. Oktober 2007 habe<br />
diese gegenüber dem Beklagten die Aufstellung eines Bebauungsplans und<br />
den Erlass einer Veränderungssperre für den Bereich des Baugrundstücks<br />
angekündigt; die entsprechenden Beschlüsse habe der Gemeinderat am 22.<br />
Oktober 2007 gefasst. Im Hinblick auf die mit dem Vorhaben verbundenen<br />
schädlichen Einwirkungen auf das Grundwasser und damit auf die Wasser-<br />
versorgung seien die Ausführungen des Beklagten nicht schlüssig; insbe-<br />
sondere werde angezweifelt, dass hier eine den rechtlichen Anforderungen<br />
genügende Prüfung vorgenommen worden sei. Nach der Trinkwasserverord-<br />
nung sei Trinkwasser „genusstauglich“ an den Bürger abzugeben, was nicht<br />
möglich sei, wenn aus dem Schornstein des Mastschweinestalls über die Luft
14<br />
Ammoniak, Keime oder geruchsintensive Gase in das Wasserwerk gelang-<br />
ten. Am Wasserwerk würden für die Zubereitung des Wassers in drei Ar-<br />
beitsgängen täglich erhebliche Mengen Luft von außen angesogen. Bei ent-<br />
sprechender Windrichtung bestehe daher jederzeit die Möglichkeit, dass Ga-<br />
se, die aus der Schweinemastanlage emittiert werden, in das Trinkwasser im<br />
Wasserwerk eingetragen würden und so die Qualität des Wassers nachhaltig<br />
gemindert, ja sogar die Wasserversorgung gefährdet werde. Schließlich er-<br />
weise sich auch die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens als<br />
rechtswidrig, da die rechtlichen Voraussetzungen zur Erteilung des Vorbe-<br />
scheides nicht gegeben gewesen seien und deshalb die Gemeinde<br />
No************* ihr gemeindliches Einvernehmen zu Recht versagt habe.<br />
2.<br />
Der Beklagte beantragte,<br />
die Klage abzuweisen.<br />
Die Klage sei unbegründet. Das geplante Vorhaben sei als privilegiertes Vor-<br />
haben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich zulässig. Öf-<br />
fentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB stünden dem Vorhaben<br />
nicht entgegen. Das geplante Vorhaben sei nach den Verfahrensvorschriften<br />
des Baurechts und nicht des Immissionsschutzrechts zu würdigen. Denn auf<br />
Grund der Vorgespräche mit dem Bauherrn sei der Genehmigungsbehörde<br />
bekannt gewesen, dass ein Mastschweinestall geplant sei, der unterhalb der<br />
Schwelle der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht liege. Die<br />
insoweit anders lautende Erklärung in den Bauvorlagen sei analog § 133<br />
BGB dahingehend auszulegen, dass ein Mastschweinestall mit einer Größe<br />
von unter 1.500 Plätzen geplant sei. Daraus folge, dass eine Umweltverträg-<br />
lichkeitsprüfung nicht erforderlich sei. Für ein Vorbescheidsverfahren sei<br />
nicht erforderlich, dass ein konkreter Standort im Sinne einer genau einge-<br />
messenen Fläche zur Beurteilung vorgelegt werde. Die Bindungswirkung ei-<br />
nes Vorbescheides sei abhängig von der Detailliertheit der vom Bauherrn der<br />
Baugenehmigungsbehörde vorgelegten Fragen. Vorliegend habe sich die
Anfrage auf die generelle Standorteignung des Baugrundstücks bezogen.<br />
Sinn und Zweck der Vorgaben, aus denen sich der vorgeschriebene Min-<br />
15<br />
destabstand zum Wald ergebe, sei es, die genannten Schutzgüter wie emp-<br />
findliche Ökosysteme vor übermäßigem Ammoniakeintrag und den daraus<br />
resultierenden Schädigungen zu schützen. Dies konkretisiere einen öffentli-<br />
chen Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, der aber im kon-<br />
kreten Fall dem geplanten Vorhaben nicht entgegenstehe. Denn angesichts<br />
des geringen Flächenanteils, für den eine Grenzwertüberschreitung beim<br />
Ammoniakeintrag prognostiziert werde, sei der Belang nicht so stark zu ge-<br />
wichten, dass er dem Vorhaben entgegenstehen könnte. Im Übrigen handele<br />
es sich auch um einen rein öffentlichen Belang, auf den sich ein Nachbar<br />
grundsätzlich nicht berufen könne. Des Weiteren könne der Beschluss zur<br />
Aufstellung eines Bebauungsplans vom 22. Oktober 2007 und die hierzu er-<br />
lassene Veränderungssperre, die mit ihrer Veröffentlichung am 3. November<br />
2007 in Kraft getreten sei, dem – früher erteilten – Vorbescheid des Land-<br />
ratsamts vom 22. Oktober 2007 nicht entgegen gehalten werden. Darüber<br />
hinaus sei man der Ansicht, dass die Veränderungssperre einer gerichtlichen<br />
Kontrolle nicht Stand halten würde. Denn die Voraussetzung, dass die zu si-<br />
chernde Planung im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Verände-<br />
rungssperre bereits eine Stand erreicht habe, der ein Mindestmaß des In-<br />
halts der beabsichtigten Planung erkennen lasse, sei vorliegend nicht gege-<br />
ben. Der Gemeinde No****** fehle es auch für die meisten der in der Pla-<br />
nung genannten Belange an der Kompetenz, diese Angelegenheiten zu re-<br />
geln; es fehle auch an der Erforderlichkeit der Planaufstellung im Sinne von<br />
§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Hinsichtlich der Befürchtungen der Verschlechte-<br />
rung der Wasserqualität sei das Gesundheitsamt gehört worden, das in sei-<br />
ner Stellungnahme vom 24. August 2007 zum Ergebnis gekommen sei, dass<br />
geruchliche Beeinträchtigungen im Bereich des Wasserwerks nur bei einer<br />
invasiven nördlichen Luftströmung auftreten könnten. In der Stellungnahme<br />
finde sich dagegen keine Aussage darüber, ob geruchliche und geschmackli-<br />
che Beeinträchtigungen durch gelegentlich auftretende Geruchsimmissionen<br />
entstehen können. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Abstand des ge-<br />
planten Stalles zum Wasserwerk so groß sei, dass nach den einschlägigen<br />
technischen Regelwerken in diesem Bereich nicht (mehr) von schädlichen
16<br />
Umwelteinwirkungen in Folge von Geruchs- oder sonstigen Emissionen aus-<br />
zugehen sei. Bei Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen zum Schutz<br />
des Grundwassers und zum Betrieb der entsprechenden Anlagen sei eine<br />
unmittelbare Gefährdung des Grundwassers auszuschließen. Die generell<br />
geäußerten Befürchtungen, wonach von der Gülleausbringung eine Gefähr-<br />
dung des Grundwassers ausgehen könne, sei ein Belang, der nicht dem<br />
Vorhaben als solches, sondern der Landbewirtschaftung allgemein entge-<br />
gengehalten werden müsste. Das Landratsamt habe das fehlende Einver-<br />
nehmen vorsorglich ersetzt, weil nicht mit letztendlicher Sicherheit habe ge-<br />
klärt werden können, ob die Einvernehmensfiktion eingetreten sei. Der An-<br />
trag des Bauherrn trage das Datum 4. Dezember 2006, enthalte aber entge-<br />
gen der üblichen Verwaltungspraxis keinen Eingangsvermerk. Jedenfalls ha-<br />
be sich der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 25. Januar 2007 erstmals mit<br />
dem Vorbescheidsantrag befasst, und zwar nur zur „Kenntnisnahme“, eine<br />
Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen sei an diesem Tag nicht<br />
ergangen. Erst in seiner Sitzung vom 24. Mai 2007 habe der Gemeinderat<br />
das gemeindliche Einvernehmen verweigert, so dass konkrete Anhaltspunkte<br />
vorlägen, dass die Einvernehmensfiktion des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB ein-<br />
getreten sei. Im Übrigen sei die Entscheidung der Gemeinde No****** auch<br />
rechtswidrig, so dass das Landratsamt das Einvernehmen habe ersetzen<br />
können. Der jüdische Friedhof des Klägers zu 3) werde durch das geplante<br />
Vorhaben nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Die Einschätzung der<br />
Klägerseite, wonach der Friedhof mit größter Wahrscheinlichkeit innerhalb<br />
des Areals liegen würde, welches permanent größte Geruchsbelästigungen<br />
erfahren werde, werde nicht geteilt. Da der Friedhof nicht in der Hauptwind-<br />
richtung zum geplanten Stallgebäude liege, sei nur mit gelegentlichen Ge-<br />
ruchseinwirkungen zu rechnen. Ebenso wenig stünden dem Vorhaben Be-<br />
lange des Denkmalschutzes entgegen. Denn auf Grund der relativ großen<br />
Entfernung des geplanten Stalles von 150 m bis 250 m zum Friedhof sei<br />
nicht mehr von einem Vorhaben in der Nähe eines ausgewiesenen Denkmals<br />
auszugehen. Das Erscheinungsbild des jüdischen Friedhofs werde durch das<br />
geplante Vorhaben nicht tangiert.
3.<br />
Der Beigeladene beantragte ebenfalls,<br />
die Klage abzuweisen.<br />
17<br />
Der Beigeladene sehe es nicht als seine Aufgabe an, die richtigen Darstel-<br />
lungen in der Klageerwiderung des Beklagten zu wiederholen, sondern zu<br />
speziellen Themen eine Stellungnahme abzugeben. Es bestünden bereits<br />
Zweifel an der Zulässigkeit der Klage, da nicht sicher sei, ob es den Klägern<br />
gelinge, eine Klagebefugnis geltend zu machen. So sei festzuhalten, dass<br />
die Bauvoranfrage am 25. Januar 2007 dem Gemeinderat vorgelegt worden<br />
und in dieser Sitzung beschlossen worden sei, vorerst keine Baufreigabe zu<br />
befürworten. Die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens sei erst-<br />
malig in der Sitzung vom 24. Mai 2007 erfolgt, so dass das gemeindliche<br />
Einvernehmen auf Grund des Ablaufs der Zwei-Monatsfrist als erteilt gelte.<br />
Jedenfalls seien die Klagen unbegründet, da dem privilegierten Vorhaben öf-<br />
fentliche Belange nicht entgegenstünden. Die Erklärung in den Bauvorlagen,<br />
wonach ein Stall für 1.500 Mastschweine erstrebt werde, sei auslegungsfähig<br />
und auslegungsbedürftig. Der Beigeladene habe nur soviel Mastplätze pla-<br />
nen und sich genehmigen lassen wollen, dass er unterhalb der Grenze der<br />
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht und der UVP-Pflicht blei-<br />
be. Dies sei der Genehmigungsbehörde und dem Amt für Landwirtschaft be-<br />
kannt gewesen. Soweit ein fehlender Mindestabstand zum Wald gerügt wer-<br />
de, werde Bezug genommen auf die Stellungnahmen des Amtes für Land-<br />
wirtschaft. Dieses lehne den Standort nicht ab, sondern lege der Genehmi-<br />
gungsbehörde den Sachverhalt zur Abwägung und Entscheidung vor. Dieser<br />
öffentliche Belang stehe dem Vorhaben nicht entgegen. Die Satzung zum<br />
Denkmalschutz (Judenfriedhof) stehe dem Vorhaben nicht entgegen. Die<br />
Aufstellung einer Erhaltungssatzung sei nur vorgeschoben und solle der Ver-<br />
hinderung des Bauvorhabens des Beigeladenen dienen. Der Friedhof werde<br />
durch das geplante Vorhaben nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Da<br />
der Friedhof nicht in Hauptwindrichtung liege, sei nur mit gelegentlichen Ge-<br />
ruchseinwirkungen zu rechnen, wie sie im ländlichen Raum allgemein üblich
18<br />
seien. Geruchsfreiheit könne auf dem Friedhof nicht verlangt werden. Schäd-<br />
liche Umwelteinwirkungen kämen grundsätzlich erst bei Unterschreitung des<br />
¼-Abstandes der VDI-Richtlinie 3471 in Betracht. Belange des Denkmal-<br />
schutzes stünden ebenfalls nicht entgegen. Aufgrund der relativ großen Ent-<br />
fernung sei nicht mehr von einem Vorhaben in der Nähe des Baudenkmals<br />
auszugehen. Hinzu komme, dass der Friedhof eingegrünt sei und auch der<br />
künftige Stall einer Begrünungspflicht unterliege. Die Lage des Friedhofs im<br />
Außenbereich bringe es nun einmal mit sich, dass ein solcher die Nachbar-<br />
schaft eines privilegierten Außenbereichsvorhabens hinnehmen müsse. Das<br />
Dorfgemeinschaftshaus, das Wasserwerk, das Grundschulgebäude und das<br />
Dorfgasthaus der Klägerin zu 4) lägen in einer Entfernung von deutlich über<br />
340 m zum geplanten Bauvorhaben entfernt, weshalb schädliche Umwelt-<br />
einwirkungen in Form von Gerüchen für die genannten Anlagen auszuschlie-<br />
ßen seien. Die städtebauliche Entwicklung der Klägerin zu 2) sei durch das<br />
geplante Vorhaben nicht beeinträchtigt. Weder der Bebauungsplan noch die<br />
Veränderungssperre könnten dem Vorhaben entgegen gehalten werden, da<br />
der Vorbescheid vor der Veränderungssperre erlassen worden sei. Im Übri-<br />
gen vertrete man die Auffassung, dass die Veränderungssperre einer gericht-<br />
lichen Überprüfung nicht standhalten würde.<br />
4.<br />
Mit Beschluss der Kammer vom 23. November 2007 wurde die zunächst von<br />
den Klägern gemeinsam erhobene Klage in jeweils eigene Verfahren abge-<br />
trennt und weitergeführt: Kläger zu 1): W 4 K <strong>07.1422</strong>, Klägerin zu 2): W 4 K<br />
07.1435, Kläger zu 3): W 4 K 07.1436, Klägerin zu 4): W 4 K 07.1437 und<br />
Kläger zu 5): W 4 K 07.1438.<br />
5.<br />
Mit Schriftsätzen vom 29. Mai sowie vom 5. und 21. August 2008 erwiderte<br />
der Klägerbevollmächtigte auf das Vorbringen des Beklagten und des Beige-<br />
ladenen und ergänzte sein bisheriges Vorbringen:<br />
Die vom Beklagten wie auch vom Beigeladenen vertretene Auffassung, der<br />
Gemeinderat der Gemeinde No****** habe in seiner Sitzung vom 25. Januar
19<br />
2007 das Einvernehmen nicht verweigert, sei nicht zutreffend. Insoweit bleibe<br />
festzuhalten, dass das gemeindliche Einvernehmen in allen drei Sitzungen,<br />
nämlich am 25. Januar, am 24. Mai und am 26. Juli 2007 verweigert worden<br />
sei. Die Stellungnahme der Gemeinde vom 23. Februar 2007, in welcher<br />
ausdrücklich angekreuzt gewesen sei, dass das gemeindliche Einvernehmen<br />
nicht erteilt wird, sei am 28. Februar 2007 beim Landratsamt Rhön-Grabfeld<br />
eingegangen, so dass die Einvernehmensfiktion nach § 36 Abs. 2 Satz 2<br />
BauGB nicht eingetreten sei. Die Behauptungen des Beklagten und des Bei-<br />
geladenen, der Bauherr habe keinen Schweinestall für 1.500 Mastschweine<br />
beantragt, sondern nur für 1.499 Mastschweineplätze, seien nicht haltbar.<br />
Die Zahl von 1.500 Mastschweinen ergebe sich eindeutig aus dem Vorbe-<br />
scheidsantrag, sie sei dort zweimal gleichlautend genannt worden. Einer<br />
Auslegung sei diese eindeutige Formulierung nicht zugänglich. Denn wenn<br />
die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt habe, sei für<br />
eine Auslegung kein Raum. Damit unterfalle das Vorhaben dem immissions-<br />
schutzrechtlichen Verfahren und sei auch UVP-pflichtig. Ob der Beigeladene<br />
bereit und in der Lage sei, durch eine teilweise Rücknahme des Antrags das<br />
gesamte Verfahren auf 1.499 Plätze zu beschränken, sei irrelevant. Zudem<br />
stünde dem dann zu erlassenden Bescheid die Veränderungssperre entge-<br />
gen. Die Auffassung, dass die Nichtberücksichtigung von Verfahrensrecht<br />
unbeachtlich sei, sei nicht haltbar. Hierbei sei auf die so genannte Wells-<br />
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hinzuweisen. Mit dieser Ent-<br />
scheidung habe der Europäische Gerichtshof dem Einzelnen ausdrücklich<br />
das Recht zugesprochen, sich auf das Unterlassen einer Umweltverträglich-<br />
keitsprüfung zu berufen. Damit könnten sich auch die Kläger darauf berufen,<br />
dass vorliegend nicht die erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung durch-<br />
geführt worden sei. Das Amt für Landwirtschaft und Forsten habe in beiden<br />
Stellungnahmen Bedenken hinsichtlich der Nichteinhaltung des Mindestab-<br />
standes zum Wald geäußert, jedenfalls sei dem inzident zu entnehmen, dass<br />
es offensichtlich erhebliche Bedenken gegen das beantragte Vorhaben ge-<br />
hegt habe. Bei der von der Genehmigungsbehörde zu entscheidenden Fra-<br />
ge, ob wegen der Nichteinhaltung des erforderlichen Mindestabstandes dem<br />
beantragten Vorhaben öffentliche Belange im Sinn von § 35 Abs. 3 BauGB<br />
entgegenstehen, sei nicht korrekt entschieden worden, da sie nicht beachtet
habe, dass der Wald grundsätzlich vielerlei lebensnotwendige Funktionen<br />
20<br />
wahrnehme und demgemäß besonders zu schützen sei. Zu beachten sei zu-<br />
dem, dass Wald und jüdischer Friedhof in entgegen gesetzter Richtung lä-<br />
gen, mit der Folge, dass je weiter der Schweinestall vom Friedhof wegrut-<br />
sche, umso näher er am Wald sein werde, und umgekehrt. Das streitgegen-<br />
ständliche Vorhaben stehe auch im Widerspruch zur Bauleitplanung der Ge-<br />
meinde No******. Diese sei auch insoweit maßgeblich, als ein baurechtlicher<br />
Vorbescheid gerade nicht habe erlassen werden dürfen, und für den Fall,<br />
dass ein anderer Vorbescheid noch beantragt werde, dessen Erteilung die<br />
Veränderungssperre entgegenstehe. Diese sei auch wirksam, denn die vom<br />
Gemeinderat vorgesehenen Regelungen des Bebauungsplans (Regelung<br />
gegenseitiger Interessen der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, des Frem-<br />
denverkehrs und Berücksichtigung der Belange öffentlich-rechtlicher Religi-<br />
onsgemeinschaften sowie der Belange des Umwelt- und Naturschutzes) un-<br />
terfielen auch der Kompetenz einer Gemeinde zur Regelung im Rahmen ei-<br />
nes Bebauungsplans. Dadurch, dass insbesondere das Baudenkmal „Jüdi-<br />
scher Friedhof“ sowie Freizeiteinrichtungen der Gemeinde und das Grund-<br />
wasser durch die Festsetzungen des Bebauungsplans geschützt werden sol-<br />
len, könne auch nicht die Auffassung vertreten werden, dass die Planung<br />
nicht erforderlich oder nicht hinreichend konkret sei. Außerdem könne der<br />
gemeindlichen Planung auch kein Abwägungsfehler entgegen gehalten wer-<br />
den. Die Planung entspreche der am 29. November 2007 zur Aufstellung be-<br />
schlossenen Satzung „zum Erhalt des Denkmals und Begräbnisstätte Jüdi-<br />
scher Friedhof“. Des Weiteren seien die Belange des jüdischen Friedhofs<br />
vom streitgegenständlichen Vorhaben in unzulässiger Weise beeinträchtigt.<br />
Auf Grund der sehr geringen Entfernung von 150 m bis 250 m sei der Stall<br />
auf Grund seiner Größe und Lage immer vom Friedhof aus sichtbar und die<br />
daraus resultierenden Gerüche dort wahrnehmbar. Dass nur ein 1/4-Abstand<br />
nach der VDI-Richtlinie 3471 ausreichen würde, sei dieser Richtlinie nicht zu<br />
entnehmen. Dass der vorgesehene Standort für den Mastschweinestall auf-<br />
grund der Nähe zum jüdischen Friedhof ungeeignet sei, werde bestätigt<br />
durch ein Schreiben des <strong>Bayerische</strong>n Landesamtes für Denkmalpflege vom<br />
6. Dezember 2007. Hinzuweisen sei auch auf Art. 149 BV.
6.<br />
21<br />
Mit Bescheid vom 5. August 2008 ergänzte das Landratsamt Rhön-Grabfeld<br />
den Vorbescheid vom 22. Oktober 2007, indem es nach Ziffer I.8. folgende<br />
Auflage einfügte:<br />
„8 a) Die Höchsttierzahl wird auf maximal 1.499 Schweine beschränkt.“<br />
Zur Begründung wurde angeführt, dass der Bevollmächtigte des Antragstel-<br />
lers mit Schreiben vom 20. Juni 2008 mitgeteilt habe, dass er auf die rechtli-<br />
chen Wirkungen des Vorbescheids bzgl. eines Mastschweineplatzes verzich-<br />
te; er nehme insoweit seinen Antrag auf Vorbescheid zurück und sei damit<br />
einverstanden, dass der Vorbescheid durch eine Klarstellung ergänzt werde,<br />
dass dieser Vorbescheid nur für einen Antrag auf Vorbescheid für einen<br />
Mastschweinestall mit 1.499 Mastplätzen Gültigkeit besitzen solle. Der Be-<br />
vollmächtigte habe um den Erlass eines entsprechenden Ergänzungsbe-<br />
scheides gebeten. Die vom Landratsamt nachträglich eingefügte Auflage<br />
diene in erster Linie der Klarstellung dessen, was die Genehmigungsbehörde<br />
zugelassen habe. Da nach dem bisherigen Sach- und Streitstand Unklarheit<br />
darüber geherrscht habe, wie weit die Bindungswirkung reiche, sei die Aufla-<br />
ge auch erforderlich, um die Bindungswirkung des im baurechtlichen Verfah-<br />
ren erteilten Vorbescheids klarzulegen. Insoweit habe dem Begehren des<br />
Antragstellers auf entsprechende klarstellende Bescheidsergänzung stattge-<br />
geben werden können.<br />
7.<br />
Mit Schriftsatz vom 21. August 2008 erklärte der Bevollmächtigte der Kläger,<br />
dass der Ergänzungsbescheid vom 5. August 2008 ausdrücklich in die Klage<br />
miteinbezogen und zum Gegenstand der Klage gemacht werde. Es sei fest-<br />
zustellen, dass der Beigeladene nicht auf die rechtlichen Wirkungen eines<br />
Vorbescheids verzichten könne. Der Beigeladene habe mit seinem Schrei-<br />
ben vom 20. Juni 2008 seinen Antrag auf immissionsschutzrechtlichen Vor-<br />
bescheid zurückgenommen und zu erkennen gegeben, dass er einen bau-<br />
rechtlichen Vorbescheid für einen Mastschweinestall mit 1.499 Mastplätzen<br />
stellen möchte. Insoweit sei eine Teilerledigung des Rechtsstreits in dem
22<br />
Umfang eingetreten, in dem der Beigeladene eine Verzichtserklärung abge-<br />
geben habe. Im Hinblick auf die Reichweite der Erklärung sei zu beachten,<br />
dass diese nicht nur einen einzigen Mastschweineplatz betreffe, sondern den<br />
immissionsschutzrechtlichen Verfahrensantrag und damit den ursprünglichen<br />
Prüfungsgegenstand. Da mit der Rücknahmeerklärung sich das ursprüngli-<br />
che immissionsschutzrechtliche Verfahren erledigt habe, sei der jetzt erlas-<br />
sene Ergänzungsbescheid formell und materiell rechtswidrig, da er einen un-<br />
selbständigen Regelungsakt zu einem ansonsten unangetastet gebliebenen<br />
unwirksamen oder zumindest rechtswidrigen Vorbescheid hinzufüge. Bei ei-<br />
ner richtigen Würdigung hätte das Landratsamt als Immissionsschutzbehörde<br />
den Vorbescheid vom 22. Oktober 2007 für unwirksam erklären und sodann<br />
durch die Baugenehmigungsbehörde mit der Änderung in Ziffer I. 8., also mit<br />
einer neuen Fassung neu erlassen müssen. Im Übrigen sei davon auszuge-<br />
hen, dass der Beigeladene auf seiner Hofstelle, die in engem räumlichen und<br />
betrieblichen Zusammenhang mit dem geplanten Vorhaben stehe, schon<br />
bisher 60 Schweine halte. Damit unterfiele das Gesamtvorhaben mit insge-<br />
samt 1.560 bzw. 1.559 Schweinen noch immer dem § 4 Abs. 1 BImSchG; es<br />
hätte sich also durch die Änderung der Stückzahl im Mastschweinestall be-<br />
züglich der geplanten Anlage nichts geändert. Gerade auch im Hinblick auf<br />
den Ergänzungsbescheid vom 5. August 2008 werde deutlich, dass das ge-<br />
plante Vorhaben durch die Veränderungssperre, die am 3. November 2007 in<br />
Kraft getreten sei, berührt werde. Denn maßgebliches Datum sei der Zeit-<br />
punkt der letzten Behördenentscheidung, und an diesem sei die Verände-<br />
rungssperre schon lange in Kraft getreten gewesen.<br />
8.<br />
Der Beigeladene brachte mit Schriftsatz vom 6. August 2008 vor, dass er als<br />
Bauantragsteller in jeder Lage des Verfahrens berechtigt sei, seinen ur-<br />
sprünglichen Antrag zu verändern, einzuschränken oder zurückzunehmen.<br />
Dies habe er getan. Mit dem Ergänzungsbescheid seien alle Argumente, ein<br />
immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren sei erforderlich gewe-<br />
sen und eine Umweltverträglichkeitsprüfung habe stattfinden müssen, hinfäl-<br />
lig.
9.<br />
23<br />
Mit Schriftsätzen vom 25. August, 9. und 10. September 2008 ergänzte die<br />
Klägerseite ihr Vorbringen. Die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB<br />
sei nicht gegeben. Denn hierfür sei u.a. erforderlich, dass das Vorhaben ei-<br />
nem landwirtschaftlichen Betrieb diene und nur einen untergeordneten Teil<br />
der Betriebsfläche einnehme; dies sei hier nicht der Fall. Voraussetzung hier-<br />
für wäre, dass die Tierhaltung unter den Begriff Landwirtschaft i.S.d. § 201<br />
BauGB zu subsumieren sei. Dies erfordere aber die zwingend zu ermittelnde<br />
Tatsache, dass das Futter für die Tierhaltung überwiegend auf den zum<br />
landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden landwirtschaftlich genutzten Flächen<br />
erzeugt werde. Entscheidend sei, ob genügend landwirtschaftlich genutzte<br />
Flächen, die zum landwirtschaftlichen Betrieb gehören, zur überwiegenden<br />
Futtererzeugung vorhanden seien und auch genutzt würden. Um die dauer-<br />
hafte landwirtschaftliche Nutzung sicherzustellen, müsse die Genehmi-<br />
gungsbehörde dem Bauherrn vor Erteilung der Baugenehmigung zudem den<br />
Nachweis gemäß § 201 BauGB abverlangen, dass die überwiegend eigene<br />
Futterversorgung möglich sein werde. Der Vorbescheid enthalte keine dies-<br />
bezügliche Regelung; das Landratsamt habe das Merkmal der überwiegen-<br />
den landwirtschaftlichen Futterversorgung nicht ordnungsgemäß geprüft.<br />
10.<br />
Aufgrund Beweisbeschlusses der Kammer vom 10. Juli 2008 wurde am<br />
16. September 2008 durch die Kammer ein Augenschein über die örtliche<br />
Lage des Baugrundstücks und seine Umgebung durchgeführt, bei dem durch<br />
den Berichterstatter eine Reihe von Lichtbildern gefertigt wurde. Hierbei wur-<br />
de auch der jüdische Friedhof in Augenschein genommen. Wegen des Ab-<br />
laufs des Augenscheins vom 16. September 2008 wird auf die Niederschrift<br />
verwiesen.<br />
In der sich an den Augenscheintermin anschließenden mündlichen Verhand-<br />
lung vom 16. September 2008 wurde das Verfahren W 4 K <strong>07.1422</strong> mit den<br />
Verfahren W 4 K 07.1435, W 4 K 07.1436, W 4 K 07.1437 und W 4 K<br />
07.1438 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden und die Sach- und<br />
Rechtslage mit den Beteiligten ausführlich erörtert. Der Beigeladene erklärte
auf Nachfrage des Gerichts, dass er nicht mehr sagen könne, wann er die<br />
24<br />
Bauvoranfrage vom 4. Dezember 2006 bei der Gemeinde eingereicht habe.<br />
Er teilte des Weiteren mit, dass der benachbarte ehemalige Aussiedlerhof<br />
T****** etwa im Jahre 2002 aufgegeben worden sei und nur noch vom Eigen-<br />
tümer und dessen Sohn bewohnt werde. Der 1. Bürgermeister der Klägerin<br />
zu 4) erläuterte, dass für die im Flächennutzungsplan als M-Gebiet darge-<br />
stellte Fläche noch kein Bebauungsplan aufgestellt worden sei; es sei noch<br />
nicht klar, wie diese Fläche entwickelt werden solle. Er erklärte weiter, dass<br />
es im ganzen Ort W***** keine landwirtschaftlichen Hofstellen mehr gebe.<br />
Die Vertreter des Amtes für Landwirtschaft und Forsten B** ******** **** *****<br />
erklärten, dass die Ammoniakausbreitungsrechnung nach TA Luft aufgrund<br />
einer Sonderbeurteilung angefertigt worden sei; sie erläuterten, dass eine<br />
Fläche von 0,5 ha Wald als gefährdet angesehen werde. Der Beweisantrag<br />
des Klägerbevollmächtigten, ein Sachverständigengutachten zu der Behaup-<br />
tung einzuholen, dass der Waldbesitz des Klägers zu 1) auf einer Fläche von<br />
3 ha durch Ammoniakimmissionen unzumutbar geschädigt werde, wurde von<br />
der Kammer mit der Begründung abgelehnt, dass aufgrund der vom Amt für<br />
Landwirtschaft und Forsten angenommenen Schadensfläche von 0,5 ha<br />
nach Auffassung der Kammer bereits § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zu<br />
Lasten des Klägers zu 1) verletzt sei.<br />
In der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2008 stellte der Bevoll-<br />
mächtigte der Kläger den<br />
A n t r a g,<br />
den Vorbescheid des Landratsamtes Rhön-<br />
Grabfeld vom 22. Oktober 2007 und den Ergän-<br />
zungsbescheid vom 5. August 2008 aufzuheben.<br />
Der Klägerbevollmächtigte erklärte:
25<br />
Für den Fall, dass das Gericht durch Umstellung<br />
des Vorbescheidantrages von 1.500 auf 1.499<br />
Schweine von einer Erledingung ausgeht, wird<br />
hilfsweise der Rechtsstreit in der Hauptsache für<br />
erledigt erklärt und beantragt, der Gegenseite die<br />
Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.<br />
Der Vertreter des Beklagten stellte den<br />
A n t r a g,<br />
die Klage abzuweisen.<br />
Der Bevollmächtigte des Beigeladenen stellte den<br />
A n t r a g,<br />
die Klage abzuweisen.<br />
Die anderen Beteiligten gingen nicht von einer Erledigung des Rechtsstreits<br />
aus.<br />
Daraufhin erklärte der Beigeladenenbevollmächtigte, dass der Antrag auf Er-<br />
teilung eines Vorbescheides hinsichtlich der Tierzahl auf 1.000 Mastschwei-<br />
ne reduziert werde. Er stellte den Beweisantrag, ein Sachverständigengut-<br />
achten zu der Behauptung einzuholen, dass bei einer Reduzierung der Tier-<br />
zahl auf 1.000 Schweine und einem günstigen Standort auf dem Baugrund-<br />
stück sowie beim Einbau eines Abluftfilters sich schädliche Umwelteinwir-<br />
kungen zu Lasten des Klägers zu 1) vermeiden ließen. Daraufhin fasste die<br />
Kammer den Beschluss, die Streitsache zu vertagen.
26<br />
Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2008<br />
im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.<br />
1.<br />
III.<br />
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 20. November 2008 beantragte<br />
der Beigeladene beim Landratsamt Rhön-Grabfeld die Erteilung eines Er-<br />
gänzungsbescheides für einen Mastschweinstall mit einer (reduzierten) Tier-<br />
zahl von 1.000 Mastschweinen. Er verzichte auf die rechtlichen Wirkungen<br />
des Vorbescheides vom 22. Oktober 2007, soweit dieser die Baugenehmi-<br />
gung für ein Stallgebäude mit mehr als 1.000 Mastschweineplätzen in Aus-<br />
sicht stelle.<br />
2.<br />
Dem Antrag war in Anlage eine Ammoniakimmissionsprognose des Ingeni-<br />
eurbüros L******* **** * *** **, K********, vom November 2008 (Ammoniak-<br />
immissionsprognose) beigefügt, die dieses im Auftrag des Beigeladenen er-<br />
stellt hatte. Die Ausbreitungsrechnung sei mit dem Lagrangemodell nach An-<br />
hang 3 der TA Luft unter Verwendung der übertragenen Windstatistik der<br />
Wasserkuppe (als der nächstgelegenen repräsentativen Windmessung)<br />
durchgeführt worden. Der Mastschweinehaltung sei ein Emissionsfaktor von<br />
3,64 kg NH3 je Tierplatz und Jahr bei Zwangsentlüftung und Flüssigmistver-<br />
fahren zugeordnet worden. Aufgrund der N-angepassten Fütterung sei eine<br />
mittlere Reduktion um 20 % angesetzt worden. Damit errechne sich für den<br />
Mastschweinestall eine jährliche Ammoniakemission von: 1.000 Tierplätzen<br />
(TP) x 3,64 kg NH3 (TP a) = 2.912 kg. Entsprechend Anhang 1 der TA Luft<br />
ergebe sich daraus ein Mindestabstand zu empfindlichen Pflanzen und Öko-<br />
systemen von 348 m. Entsprechend den Vorgaben der TA Luft sei bei Unter-<br />
schreiten des Mindestabstandes nach Abbildung 4, Anhang 1, der neue Min-<br />
destabstand anhand der 3 µg/m³-Isolinie aus Ausbreitungsrechnungen
– wie hier geschehen – zu bestimmen. Dabei hätten sich die höchsten Im-<br />
missionen mit ca. 26,4 µg /m³ östlich der Quellen auf dem geplanten Be-<br />
triebsgelände berechnet. Die Zusatzbelastung von 3 µg/m³ werde auf der<br />
27<br />
beurteilungsrelevanten Waldfläche nicht überschritten. Auch die nördlich ge-<br />
legenen Biotope lägen darunter. Folglich werde die in der TA Luft angegebe-<br />
ne Grenze, bei deren Überschreitung Anhaltspunkte für das Vorliegen erheb-<br />
licher Nachteile gegeben seien, auf allen Beurteilungsflächen nicht über-<br />
schritten. Damit sei für die umliegenden Biotope bzw. empfindlichen Ökosys-<br />
teme, d.h. auch für den südlich gelegenen Wald kein Anhaltspunkt zum Vor-<br />
liegen erheblicher Nachteile oder Schädigungen durch die Abluft des Stalles<br />
gegeben. Die Gesamtbelastung für Ammoniak, ab der Anhaltspunkte für das<br />
Vorliegen erheblicher Nachteile gegeben seien (10 µg/m³), werde auch bei<br />
Berücksichtigung einer Vorbelastung (ca. 3 µg/m³) nicht erreicht.<br />
3.<br />
Der Umweltingenieur des Landratsamtes Rhön-Grabfeld beurteilte das redu-<br />
zierte Projekt in seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 2008 und errech-<br />
nete mit den Eingangsgrößen 140 Großvieheinheiten und 80 Punkte nach<br />
der VDI-Richtlinie 3471 eine Mindestentfernung von 295 m zu einem Wohn–<br />
oder Mischgebiet bzw. von 150 m (gerundet) zu einem Dorfgebiet. Damit sei<br />
sowohl der Abstand zu den vorhandenen oder im Flächennutzungsplan dar-<br />
gestellten Baugebieten von W***** und Ne******* als auch der Abstand zu<br />
dem Wohnhaus auf dem Aussiedlerhof eingehalten.<br />
4.<br />
Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2009 wandte sich der Klägerbevollmächtigte<br />
an das Landratsamt Rhön-Grabfeld und rügte den vom Gutachter vorge-<br />
nommen 20 %igen Abschlag, da es sich bei der Erklärung, dass nitratarmes<br />
Futter verwendet werde, nur um eine unverbindliche Absichtserklärung han-<br />
dele. Die Übertragbarkeit der Windverhältnisse der Wasserkuppe auf den<br />
Standort des Bauvorhabens sei nicht gegeben und die Ammoniakimmissio-<br />
nen seien nicht realistisch prognostiziert worden, wie sich aus der in Anlage<br />
beigefügten Stellungnahme des Herrn Dipl.-Meteorologen R****** (iMA) er-<br />
gebe. Das Gutachten enthalte keine Angaben darüber, wie stark die Ge-
uchsbelästigung in der Umgebung der Schweinemastanlage sein werde.<br />
28<br />
Schließlich ergebe sich aus der ebenfalls beigefügten gutachterlichen Stel-<br />
lungnahme des Dipl.-Ing. ***** K**** zum Thema „Ammoniak und Natur-<br />
stein“, dass durch den Betrieb der Schweinemastanlage eine erhöhte Am-<br />
moniakbelastung in der Umgebung vorhanden sein werde und diese zu er-<br />
heblichen Auswirkungen auf die Grabmäler des jüdischen Friedhofs und zur<br />
Zerstörung dieses Kulturdenkmals führen werde. Die Mastanlage in unmittel-<br />
barer Nähe zum Friedhof sei als Angriff auf dessen sakrale Integrität zu ver-<br />
stehen. Insoweit werde hingewiesen auf die Studie von Prof. Dr. ******** H***<br />
mit dem Thema „Totenruhe und Tiermast“, die ebenfalls beigefügt sei.<br />
5.<br />
Der Dipl.-Meteorologe ************ R****** (iMA R****** * ****** **** * *** **,<br />
F*******) kommt in der vom Kläger zu 1) in Auftrag gegebenen Prüfung der<br />
Ammoniakimmissionsprognose vom 27. Januar 2009 zu der Aussage, dass<br />
die Übertragung der meteorologischen Statistik der Wasserkuppe auf das<br />
Untersuchungsgebiet – auch bei Anwendung eines Windfeldmodells – mit<br />
großen Unsicherheiten behaftet sei. Mathematische Modelle hätten in der<br />
Regel Schwierigkeiten, die Windverhältnisse in Topographien, wie sie hier<br />
vorlägen (mehrer Täler), nachzubilden. So weise der Windrosenatlas von<br />
Hessen, der auch das Untersuchungsgebiet umfasse, eine abweichende<br />
Verteilung auf. Bereits kleine Änderungen in der Häufigkeit der Windrich-<br />
tungsverteilung könnten zu erheblichen Änderungen der Immissionen führen.<br />
Es werde daher empfohlen, eine temporäre Windmessung vor Ort durchzu-<br />
führen und zusätzlich ein Gutachten des Deutschen Wetterdienstes (Qualifi-<br />
zierte Prüfung der Übertragbarkeit einer Windmessstation) erstellen zu las-<br />
sen. Kaltluftabflüsse könnten für den Judenfriedhof von Bedeutung sein, falls<br />
sie sich in Richtung Nordosten bewegten. Gemäß den Anforderungen in An-<br />
hang 3 der TA Luft seien Gebäudeeinflüsse zu berücksichtigen, wenn die<br />
Schornsteinbauhöhe weniger als das 1,7-fache der Gebäudehöhe betrage.<br />
Hier betrage sie nur das 1,25-fache, so dass höhere Immissionen zu erwar-<br />
ten seien.<br />
6.
29<br />
Mit Ergänzungsbescheid des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 20. März<br />
2009 erhielt Ziffer I. 8 a) des Vorbescheids vom 22. Oktober 2007 in der Fas-<br />
sung des Ergänzungsbescheids vom 5. August 2008 folgende Fassung:<br />
„8 a) Die Höchsttierzahl wird auf maximal 1.000 Schweine beschränkt.“<br />
Nach Ziffer I. 8 a) wurden folgende weitere Auflagen eingefügt:<br />
„b) Das Bauvorhaben muss so ausgeführt werden, dass es ohne<br />
den negativen Standorteinfluss Kaltluftabfluss 100 Punkte nach<br />
VDI erreicht (mit negativen Standorteinfluss 80 Punkte).<br />
c) Der Emissionsschwerpunkt des Bauvorhabens (in der Regel die<br />
Kamine) muss einen Abstand von mindestens 150 m zum<br />
Wohnhaus des Aussiedlerhofes T****** auf dem Grundstück<br />
Fl.Nr. *32 einhalten.<br />
d) Der Emissionsschwerpunkt des Bauvorhabens (in der Regel die<br />
Kamine) muss einen Abstand von mindestens 300 m zu vorhandenen<br />
oder in den Flächennutzungsplänen von W***** und<br />
Ne******* dargestellten, geplanten Baugebieten einhalten.<br />
e) Die Haltung hat im Flüssigmistverfahren bei Stickstoff angepasster<br />
Fütterung zu erfolgen.<br />
f) Es ist eine Zwangsentlüftung mit Zentralabluft einzubauen.<br />
g) Die Abluftkamine des Schweinestalles müssen mindestens<br />
1,5 m über First errichtet werden.“<br />
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach dem bisherigen Sach- und<br />
Streitstand Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass das Vorhaben in sei-<br />
ner ursprünglichen Form (1.499 Schweineplätze) schädliche Umwelteinwir-<br />
kungen hervorrufen könne. Nach der durchgeführten Beteiligung der Träger<br />
öffentlicher Belange sei das Landratsamt zu dem Ergebnis gelangt, dass von<br />
dem geänderten Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen (mehr)<br />
ausgingen. Nach der Ammoniakimmissionsprognose werde der angrenzende<br />
Wald nur mit 1 bis 2 µg/m³ zusätzlich belastet und damit die Zusatzbelastung<br />
von 3µg/m³ nicht überschritten, so dass eine nachhaltige Schädigung des<br />
Waldes ausgeschlossen werden könne. Des Weiteren würden nach den Be-
30<br />
rechnungen des Immissionsschutzes die nach der VDI-Richtlinie 3471 erfor-<br />
derlichen Abstände zur Wohnbebauung eingehalten.<br />
Der Ergänzungsbescheid vom 20. März 2009 wurde dem Bevollmächtigten<br />
der Kläger am 25. März 2009 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.<br />
1.<br />
Hiergegen ließen die Kläger am 27. April 2009 mit Schriftsatz ihres Bevoll-<br />
IV.<br />
mächtigten vom gleichen Tage erklären, dass sich die bereits anhängige Kla-<br />
ge auch auf den Ergänzungsbescheid des Landratsamtes Rhön-Grabfeld<br />
vom 20. März 2009 beziehe. Soweit sich der Vorbescheid vom 22. Oktober<br />
2007 durch den Ergänzungsbescheid erledigt habe, werde die Erledigung<br />
des Rechtsstreits in der Hauptsache erklärt und beantragt, gemäß § 161<br />
Abs. 2 VwGO die Kosten dem Beklagten und dem Beigeladenen aufzuerle-<br />
gen.<br />
2.<br />
Mit Schreiben vom 25. Mai 2009, eingegangen bei Gericht am 27. Mai 2009,<br />
teilte der Kläger zu 5) mit, dass er ab sofort nicht mehr durch seinen früheren<br />
Bevollmächtigten vertreten werde.<br />
Auf Anfrage der Klägerin zu 4) teilte das <strong>Bayerische</strong> Landesamt für Umwelt<br />
mit Schreiben vom 25. Mai 2009 mit, dass eine überschlägige Ausbreitungs-<br />
berechnung ergeben habe, dass durch die Schweine-Intensivhaltung am<br />
Standort der Trinkwasseraufbereitungsanlage nur geringe Anhebungen der<br />
Schadstoffkonzentrationen zu erwarten seien, so dass sich die allgemeine<br />
Hintergrundkonzentration insgesamt nur unwesentlich erhöhe. Die Konzent-<br />
ration von Bioaerosolen nehme mit zunehmender Entfernung rasch ab, so<br />
dass bei der hier gegebenen Entfernung kein Gefährdungspotential gesehen<br />
werde. Eine wesentliche Änderung der Kontaminationsgefahr durch Auflö-<br />
sung von Schadstoffen im Wasser und damit eine mikrobiologische oder ge-<br />
schmackliche Beeinträchtigung des Trinkwassers werde nicht gesehen. Eine
31<br />
Abluftreinigungsanlage am Schweinestall, die bis zu 90 % der Schadstoffe<br />
aufnehme, führe wegen der geringen Erhöhung der Schadstoffkonzentration<br />
zu keiner anderen Betrachtungsweise.<br />
3.<br />
Mit Beweisbeschluss vom 25. Juni 2009 beauftragte die Kammer die TÜV<br />
Süd Industrie Service GmbH, M******* (TÜV Süd GmbH), mit der Erstellung<br />
einer Geruchsausbreitungsrechnung nach der Geruchsimmissions-Richtlinie<br />
(GIRL) zur Frage, ob von dem Vorhaben des Beigeladenen schädliche Um-<br />
weltauswirkungen durch Geruchsimmissionen ausgehen, wobei auf Kaltluft-<br />
abflüsse besonderes Augenmerk zu legen sei. Da für die Ausbreitungsrech-<br />
nung Angaben über die meteorologischen Gegebenheiten benötigt wurden,<br />
beauftragte die TÜV Süd GmbH am 15. September 2009 den Deutschen<br />
Wetterdienst (DWD), eine Qualifizierte Prüfung der Übertragbarkeit einer<br />
Zeitreihe von Ausbreitungsklassen (AKTerm) für das Baugrundstück durch-<br />
zuführen.<br />
In seinem amtlichen Gutachten vom November 2009 (DWD-Gutachten) hat<br />
der Deutsche Wetterdienst eine für den Standort geeignete Ausbreitungszeit-<br />
reihe mit Hilfe einer Qualifizierten Prüfung ermittelt. Darin wird die Ausbrei-<br />
tungsklassenzeitreihe der Windmessstation Würzburg als übertragbar festge-<br />
legt. Als geeigneter Standort wird der nahegelegene H***berg angesehen.<br />
Die Windverteilung am Standort sei durch die Tallage geprägt. Am häufigsten<br />
träten Winde aus Südwest bis West auf, ein weiteres ausgeprägtes Maxi-<br />
mum sei aus Südost, ein kleineres Nebenmaximum aus Richtung Nordost zu<br />
finden. Der Einfluss lokaler Windsysteme auf die Windverhältnisse in mehr<br />
als 1 m über Grund werde als nicht relevant eingeschätzt, allenfalls in unmit-<br />
telbarer Bodennähe würden sich schwache Kaltluftabflüsse entwickeln.<br />
Die TÜV Süd GmbH kommt in ihrem Gutachten vom 8. Februar 2010 (Ge-<br />
ruchsimmissionsprognose) zu folgender Einschätzung: Zur Verifikation der<br />
Aussagen des DWD sei eine Kaltluftsimulation durchgeführt worden, die er-<br />
geben habe, dass am Standort keine relevanten Kaltluftabflüsse aufträten.<br />
Die Geschwindigkeit des Kaltluftabflusses sei äußerst gering. Da diese
32<br />
Rechnung die Aussage des DWD-Gutachtens bestätige, werde kein Einfluss<br />
der Kaltluft in der weiteren Berechnung berücksichtigt. Die Ausbreitungs-<br />
rechnung sei gemäß TA Luft, Anhang 3, mit dem Modell AUSTAL2000 er-<br />
folgt. Die Auswertung der Rechenergebnisse erfolge gemäß GIRL auf Flä-<br />
chen mit einer Seitenlänge von 50 m x 50 m. Bei der Ermittlung der Gesamt-<br />
belastung sei die Vorbelastung mit berücksichtigt worden. Dabei zeige sich<br />
im Umfeld des geplanten Schweinestalles die größte Häufigkeit (57,1 % Häu-<br />
figkeit von Geruchsstunden pro Jahr). Am Ortsrand von Ne******* lägen die<br />
Werte unterhalb von 10 %. Das Wohnhaus T****** liege auf zwei Flächen (19<br />
% und 16 %). Da das Haus im Außenbereich liege, könne eine Häufigkeit<br />
von bis zu 25 % nach GIRL angesetzt werden. Am Ortsrand von W***** seien<br />
Häufigkeiten von maximal 12 % der Jahresstunden berechnet worden. Somit<br />
werde der Beurteilungswert von 15 % für Dorfgebiete nicht überschritten. Im<br />
größten Teil von W***** werde sogar der Beurteilungswert für Wohn- und<br />
Mischgebiete von 10 % der Jahresstunden eingehalten. Am jüdischen Fried-<br />
hof seien maximal 8 % Geruchshäufigkeiten berechnet worden. Der Gutach-<br />
ter kommt zu dem Ergebnis, dass die Immissionswerte der GIRL an allen re-<br />
levanten Beurteilungsflächen eingehalten seien, so dass aus fachtechnischer<br />
Sicht mit keinen schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß § 1 BImSchG zu<br />
rechnen sei.<br />
4.<br />
Mit Schriftsatz vom 20. April 2010 äußerte sich der Klägerbevollmächtigte<br />
zum DWD-Gutachten und zur Geruchsimmissionsprognose: Eine erste Über-<br />
prüfung habe gezeigt, dass bei der Erstellung beider Gutachten zahlreiche<br />
handwerkliche, aber auch methodische Fehler unterlaufen seien. Bereits aus<br />
dem DWD-Gutachten selbst ergebe sich, dass die Erstellung einer Ausbrei-<br />
tungsklassenzeitreihe nur bedingt und nur unter besonderer Berücksichti-<br />
gung der lokalen Gegebenheiten vorgenommen werden könne. Es liege auf<br />
der Hand, dass die Winddaten der Messstation Würzburg auf den H***berg<br />
nicht 1 zu 1 übertragen werden könnten. Eine zumindest einjährige Messung<br />
der Kaltluftabströme könne durch die Übertragung der Daten nicht ersetzt<br />
werden. Da der Ersteller des Gutachtens eine mehrjährige Messung nicht<br />
habe durchführen wollen, habe er ohne weitere Erklärung ein numerisches
Simulationsmodell eingesetzt. Die Aussage, dass diese Simulation am<br />
33<br />
Standort keine relevanten Kaltluftabflüsse ergeben habe, könne so nicht als<br />
Feststellung stehen bleiben. Der Gutachter habe nur untersucht, inwieweit<br />
Kaltluft sich auf die Luftschichten in 2 m und darüber auswirke. Es hätten<br />
aber die Kaltluftströme unterhalb von 2 m Höhe intensiver untersucht werden<br />
müssen. Das Gutachten sei insoweit absolut unzureichend und in seinen<br />
Schlussfolgerungen fehlerhaft. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gutachter<br />
des TÜV Süd die vom DWD-Gutachter angesprochene spürbare lokale Be-<br />
einflussung des Windfeldes aufgegriffen und Schlussfolgerungen daraus ge-<br />
zogen habe. Die Ausführungen des TÜV-Süd erschienen so, als wenn die<br />
Messdaten der Station Würzburg unverändert auf den Standort W***** an-<br />
gewendet worden wären. Der Rechnung der Geruchemissionen fehle eine<br />
Begründung, wie dieser GE-Wert zustande gekommen sei. Dass eine nähere<br />
Begründung notwendig sei, ergebe sich daraus, dass es hier einen methodi-<br />
schen Spielraum gebe. Kritisch zu betrachten sei auch die Ansetzung des<br />
GV-Wertes von 0,14. Das TÜV-Gutachten gehe darüber hinaus an mehreren<br />
Stellen von bloßen Annahmen aus, die im Bescheid nicht geregelt seien. So<br />
wenn für die Abdeckung der Güllegrube ein Minderungsfaktor berücksichtigt<br />
oder eine Quellhöhe von 7,5 m angenommen oder die umliegende Bebauung<br />
nicht berücksichtigt werde. Der Gutachter setze seine festgestellten Ge-<br />
ruchsstundenhäufigkeiten in Beziehung zu den Gebietstypen nach BauNVO.<br />
Hierfür fehle ihm zum einen die Kompetenz und zum anderen sei die Einord-<br />
nung nicht richtig. Denn bei dem Ortsrand von W*****, für den eine Geruchs-<br />
stundenhäufigkeit von 12 % festgestellt worden sei, handele es sich nicht um<br />
ein Dorfgebiet, sondern um ein Mischgebiet. Zur Substantiierung dieses Vor-<br />
trags werde eine Katasterkarte mit Eintragungen vorgelegt. Damit sei der<br />
Beurteilungswert nach GIRL für Mischgebiete aber überschritten. Zu dem jü-<br />
dischen Friedhof werde in dem Gutachten lediglich kurz festgestellt, dass ei-<br />
ne Zuordnung des Beurteilungswertes nach GIRL nicht erfolgen könne. In-<br />
soweit unterlasse der Gutachter fehlerhaft die Beurteilung der Geruchsim-<br />
mission. Die GIRL sehe aber in Punkt 5 die Beurteilung im Einzelfall vor, die<br />
dann vorzunehmen sei, wenn eine „ungewöhnliche“ Nutzung gegeben sei.<br />
Dies sei hier wegen des besonderen Schutzes des jüdischen Friedhofs der<br />
Fall. Im Bereich der Zuwegung zum Friedhof sei eine Geruchsstundenhäu-
figkeit von 10 % bis 18,5 % zu erwarten. Der Wald sei in der Immissions-<br />
34<br />
prognose nicht bewertet worden. Der vom Kläger zu 1) beauftragte Diplom-<br />
forstingenieur ****** S******** komme in seiner, in Anlage beigefügten, fach-<br />
lichen Stellungnahme zu dem Schluss, dass eine Schädigung des Waldes<br />
nur bei einer Tierzahl von unter 200 Stück abgewendet werden könne.<br />
Schließlich sei aufgrund des DWD-Gutachtens die Ammoniak-Immissions-<br />
prognose vom November 2008 nicht mehr aussagekräftig.<br />
5.<br />
Das Landratsamt Rhön-Grabfeld erwiderte mit Schreiben vom 16. März,<br />
30. April und 1. Juli 2010: Die Geruchsimmissionprognose des TÜV Süd<br />
komme – wie auch die vorangegangenen einfacheren Voraussagen des<br />
Technischen Immissionsschutzes auf Basis der VDI 3471 – zu dem Ergeb-<br />
nis, dass der geplante Stallneubau keine unzulässigen Geruchsimmissionen<br />
mit sich bringen werde. Soweit der Klägerbevollmächtigte behaupte, die<br />
Ausbreitung der geruchsbeladenen Stallabluft werde überwiegend in einer<br />
Höhe von unter 2 m stattfinden, sei dies nicht nachzuvollziehen. Vielmehr<br />
werde die Abluft über einen Abluftkamin in mehreren Metern Höhe abgege-<br />
ben, steige aufgrund der vom Ventilator erzeugten Strömungsgeschwindig-<br />
keit und Thermik noch ein Stück auf und breite sich dann aus. Von Anfang an<br />
sei nach Rücksprache mit dem Beigeladenen ein Wert von 0,14 GV je Mast-<br />
schwein angesetzt worden. Dies entspreche einem Schwein, das von 25 kg<br />
auf 115 kg gemästet werde. Damit liege man auf der sicheren Seite, da das<br />
Schlachtgewicht der Schweine sich bisher üblicherweise zwischen 105 kg<br />
und 110 kg bewegt habe. Abgesehen davon werde die GV-Zahl von 0,14 in<br />
eine Baugenehmigung aufgenommen werden. Das Mastendgewicht für bay-<br />
erische Ferkel von 116,3 kg, das der Klägerbevollmächtigte heranziehe, sei<br />
nicht der Maßstab der vorliegenden Planung. Im Übrigen errechne sich bei<br />
gleichem Anfangsgewicht von 25 kg eine GV-Zahl von 0,1413, gerundet<br />
0,14. Das Abdecken der Güllegrube bei Stallungen dieser Größenordnung<br />
sei Standard, ohne diese Maßnahme sei eine Stallbewertung von 100 Punk-<br />
ten nach VDI 3471 nicht erreichbar. Damit ergebe sich die Annahme bereits<br />
aus der entsprechenden Auflage. Detaillierte Auflagen könnten erst im Bau-<br />
genehmigungsverfahren formuliert werden.
6.<br />
35<br />
Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2010 vertrat der Bevollmächtigte des Beigelade-<br />
nen die Auffassung, dass durch die Ammoniak-Immissionsprognose des In-<br />
genieurbüros L*******, der Immissionsprognose des TÜV-Süd und der nun in<br />
Anlage beigefügten ergänzenden Stellungnahme des Ingenieurbüros<br />
L******* vom 8. Juni 2010 fest stehe, dass die immissionsschutzrechtlichen<br />
Bedenken der Klägerseite unbegründet seien.<br />
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Juni 2010 wies das Ingenieur-<br />
büro L******* darauf hin, dass sich bei der von ihr bzw. dem DWD verwende-<br />
te Windstatistik hinsichtlich der Windgeschwindigkeit in einer Messhöhe von<br />
10 m eine gute Übereinstimmung zeige (L*******: 3,3 m/s, DWD: 3,5 m/s).<br />
Gleiches gelte für die Verteilung der Stabilitätsklassen, auch hier stimmten<br />
die Meteorologiedatensätze gut überein, es zeige sich jeweils ein Maximum<br />
bei der Ausbreitungsklasse III/1. Einzig bei der Windrichtungsverteilung er-<br />
gäben sich gewisse Abweichungen. Das Hauptmaximum liege übereinstim-<br />
mend im Sektor West bis Südwest. Es ergebe sich aber eine Abweichung<br />
beim sekundären Maximum (L*******: Ost, DWD: Südost). Die vom Gutach-<br />
ten des Ingenieurbüros L******* verwendete Windrichtungsverteilung werde<br />
als geeigneter eingeschätzt. Der Meteorologiedatensatz des DWD lasse<br />
bzgl. der Beurteilung des Waldes südlich des Standorts sehr ähnliche Ergeb-<br />
nisse erwarten, die ebenfalls auf keine Überschreitung der zulässigen Zu-<br />
satzbelastung gemäß Anhang 1 der TA Luft schließen ließen. Herr S********<br />
leite sein Fazit, nämlich die maximale Tierzahl von 200, anhand der Ab-<br />
standsformel nach TA Luft bzw. der <strong>Bayerische</strong>n Mindestabstandsformel ab.<br />
Sowohl die TA Luft als auch die Handreichung des Bayer. Ministeriums für<br />
Landwirtschaft und Forsten ermögliche aber die Unterschreitung des Min-<br />
destabstands mittels Ausbreitungsrechnungen nach Anhang 3 der TA Luft. In<br />
diesen könnten lokale Gegebenheiten, wie beispielsweise Windverteilung<br />
und Topographie am Untersuchungsstandort, besser berücksichtigt werden<br />
als in den pauschalierten Abstandsformeln. Eine solche Ausbreitungsrech-<br />
nung sei mit dem Gutachten des Büros L******* vorgelegt worden und zeige<br />
bei einer Tierzahl von 1.000 eine maximale Ammoniakimmission (Zusatzbe-
trag) von 3µg/m³. Rechne man die in <strong>Bayern</strong> anzusetzende Vorbelastung<br />
36<br />
von 3µg/m³ hinzu, addiere sich die Gesamtbelastung auf 6µg/m³ am Wald-<br />
rand. Folglich unterschreite die berechnete Gesamtbelastung die in der TA<br />
Luft angegebene Grenzbelastung von 10µg/m³ deutlich.<br />
7.<br />
Auf Anfrage des Gerichts legte der TÜV Süd unter dem 14. Juni 2010 eine<br />
ergänzende Stellungnahme zum Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom<br />
20. April 2010 vor: Bei einer Qualifizierten Prüfung werde in den seltensten<br />
Fällen eine exakte Übereinstimmung mit den Erwartungswerten gefunden.<br />
Ziel sei es vielmehr, eine geeignete Wetterstation zu finden, die auf den Ziel-<br />
standort übertragen werden könne. Dies sei hier bei der Station Würzburg<br />
der Fall gewesen. Dabei seien die Koordinaten umgerechnet worden. Die<br />
Winddaten seien auch nicht 1 zu 1 übertragen worden. Vielmehr sei die<br />
Orographie und Rauhigkeit in der Ausbreitungsrechnung selbst berücksich-<br />
tigt worden. Dem Rechenlauf liege ein digitales Geländemodell zugrunde.<br />
Die Ermittlung der Kaltluftabflüsse mittels einer Modellsimulation könne nur<br />
unter Berücksichtigung der orographischen Gegebenheiten erfolgen, so dass<br />
dies nicht extra erwähnt worden sei. Die Mündung der Schornsteine befinde<br />
sich über Dach, in einer Höhe von 7,5 m. Da aufgrund der geringen Turbu-<br />
lenz der Strömungen kein Austausch mit anderen Luftschichten stattfinde,<br />
könne der Geruch nicht in die Kaltluftströmung eingemischt werden. In 2 m<br />
und darüber seien Kaltluftströmungen nicht relevant. Die Kaltluft in 1 m Höhe<br />
werde nicht mit Geruch beladen. Die Vorgaben des DWD-Gutachtens seien<br />
sachgerecht umgesetzt worden. Die Beeinflussungen der Windrichtungen<br />
aufgrund der Tallage würden durch das Windfeldmodell berücksichtigt. Auf<br />
Seite 10 der Immissionsprognose werde die Quelle für die Emissionsfaktoren<br />
für die Geruchsstoffe genannt. Hierbei sei auf die sog. Cloppenburg-Liste zu-<br />
rückgegriffen worden, mit deren Werten bisher gute Ergebnisse erzielt wor-<br />
den seien. Dort sei der Wert von 40 GE/GVs für Mastschweine genannt. Der<br />
GV-Wert von 0,14 sei dem Ergänzungsbescheid vom 20. März 2009 ent-<br />
nommen worden. Da es sich um eine Bauvoranfrage ohne detaillierte Pla-<br />
nungen handele, müsse sich das Gutachten auf Annahmen stützen, da sonst<br />
keine Immissionsprognose erstellt werden könne. Hierbei seien hinsichtlich
37<br />
der Abluftführung und der Güllegrube Annahmen getroffen worden, die den<br />
Erfahrungen von anderen Anlagen entsprächen. Bei der Höhe von 7,5 m sei<br />
das Kriterium der TA Luft für eine freie Abströmung nicht erfüllt, so dass der<br />
Gebäudeeinfluss berücksichtigt werden müsse. Im größten Teil von W*****<br />
und im ganzen Ortsbereich von Ne******* liege die Jahreshäufigkeit von Ge-<br />
ruchsstunden unter bzw. bei maximal 10 %. Daher sei es unerheblich, ob<br />
Wohn-/Mischgebiet oder Dorfgebiet angesetzt werde. Der Bereich mit höhe-<br />
ren Werten liege am Ortsrand im Übergangsbereich zum Außenbereich. Da-<br />
her seien hier höhere Werte bis 15 % möglich. Die Beurteilung des jüdischen<br />
Friedhofs sei nicht – fehlerhaft – unterlassen worden, vielmehr werde im<br />
Gutachten explizit die Häufigkeit von Geruchsereignissen genannt. Da der<br />
Friedhof nicht einem Immissionsort gemäß GIRL entspreche, sei eine Beur-<br />
teilung nicht erfolgt.<br />
8.<br />
Mit Schriftsatz vom 20. September 2010 legte der Klägerbevollmächtigte ei-<br />
ne, im Auftrag der Klägerin zu 4) gefertigte, gutachterliche Stellungnahme<br />
(Prüfung) des Dipl.-Meteorologen ***** ****** R****** (iMA) vom 16. Septem-<br />
ber 2010 zur Geruchsimmissionsprognose des TÜV Süd vor. Dieser kommt<br />
hinsichtlich der Übertragung der meteorologischen Daten zu der Einschät-<br />
zung, dass die gewählte Vorgehensweise bei Immissionsprognosen üblich<br />
sei, wobei der DWD auch auf die Unsicherheiten verweise, die bei Verwen-<br />
dung der Station Würzburg bestünden. Im Gutachten des DWD werde die<br />
Mächtigkeit der Kaltluftabflüsse als gering eingeschätzt, weil sich in höheren<br />
Lagen Wald befinde und von dort keine Kaltluft abfließe. In der Literatur wer-<br />
de aber in bewaldeten Gebieten von hohen Kaltluftproduktionsraten ausge-<br />
gangen. Aufgrund der Topographie empfehle er, einen höheren Kaltluftein-<br />
zugsbereich anzusetzen als vom Gutachter des TÜV Süd geschehen. Die<br />
von ihm durchgeführten Modellrechnungen sowie die qualitative Messung,<br />
die von ihm während der Abend- und frühen Nachtstunden bei einer wolken-<br />
armen Wetterlage durchgeführt worden seien, zeigten, dass Kaltluftabflüsse<br />
bei der Immissionsprognose zu berücksichtigen seien. Bei dieser hätten sich<br />
kurz nach Einsetzen der Kaltluftabflüsse flache Hangabwindsysteme ausge-<br />
bildet, die eine vertikale Mächtigkeit von wenigen Metern besäßen. Nach 30
Minuten sei die mittlere Windgeschwindigkeit am Standort des geplanten<br />
38<br />
Stalles zurückgegangen und die vertikale Mächtigkeit des Kaltluftabstroms<br />
auf ca. 20 m und im weiteren Verlauf der Nacht auf über 50 m angestiegen.<br />
Die Windrichtung schwanke zunächst zwischen West und Westnordwest,<br />
später überwiege Wind aus nordwestlichen Richtungen. In der ersten Phase<br />
bilde sich eine Geruchsfahne in Richtung Nordosten aus, danach folge sie<br />
dem Kaltluftabfluss aus dem Streutal und werde in Richtung Südosten verla-<br />
gert. In der Immissionsprognose verblieben Unsicherheiten, die v.a. durch<br />
die topographische Situation bedingt seien. Es sei zwar nach der Modell-<br />
rechnung im Verlaufe der Nacht mit Windströmung aus Nordwest zu rech-<br />
nen, jedoch nicht auszuschließen, dass Teile der westlichen Wohnbebauung<br />
von W***** von der Geruchsfahne betroffen würden. Für den Judenfriedhof<br />
könnten Kaltluftabflüsse von Bedeutung sein. Es erscheine angebracht, eine<br />
mehrmonatige Messung am Standort durchzuführen. Die Emissionen der<br />
Güllegrube würden in der Immissionsprognose des TÜV Süd plausibel abge-<br />
schätzt. Die Vorgehensweise bei der Ermittlung der Emissionen aus dem<br />
Mastschweinestall werde begründet, jedoch sei zu empfehlen, eine weitere<br />
Berechnung mit dem Emissionsfaktor von 50 GE/(m²/s) durchzuführen. Fer-<br />
ner sei darauf hinzuweisen, dass die Windgeschwindigkeiten der Station<br />
Würzburg geringer seien, als die bei der Ammoniakimmissionsprognose an-<br />
gesetzten Daten der Wasserkuppe. Bei Verwendung der Daten von Würz-<br />
burg könnten höhere Immissionen in den empfindlichen Ökosystemen be-<br />
rechnet werden, so dass die Unterschreitung der Irrelevanzschwelle nicht<br />
mehr sichergestellt sei.<br />
Der Klägerbevollmächtigte kommt in seinem Schriftsatz vom 20. September<br />
2010 zu der Einschätzung, dass als Fazit der Prüfung des Dipl.-Meteoro-<br />
logen R****** festgehalten werden könne, dass eine konkrete Untersuchung<br />
der Kaltluftabflüsse ergeben habe, dass sowohl der Judenfriedhof als auch<br />
die Wohnbereiche der Klägerin zu 4) in wesentlichen Teilen von Kaltluftab-<br />
strömen erfasst würden. Des Weiteren sei der Emissionsfaktor von 50<br />
GE/m²s anzusetzen und die Ergebnisse der Ammoniak-Immissionsprognose<br />
dürften nicht mit den Ergebnissen der Geruchsimmissionsprognose in Bezie-<br />
hung gesetzt werden. Die Unterschreitung der Irrelevanzschwelle von 3µg/m³
39<br />
sei nicht mehr sichergestellt. Letztlich seien die Ausgangswerte der Geruchs-<br />
immissionsprognose nicht mehr sichergestellt und die Berechnungen des Bü-<br />
ros L******* würden an einem systematischen Fehler leiden. Der angegriffene<br />
Vorbescheid sei darüber hinaus wegen fehlender ausreichender Berücksich-<br />
tigung der Belange der Glaubens- und Glaubensbetätigungsfreiheit (Art. 4<br />
Abs. 1, 2 GG) sowie der Gewährleistung nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 138<br />
WRV mit dem Einrichtungs- und Nutzungsinteresse des Beigeladenen auf<br />
jeden Fall rechtswidrig. Der jüdische Friedhof unterliege als Kirchengut dem<br />
Schutz von Art. 4 Abs. 1, 2 und Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 2 WRV. Der<br />
jüdische Friedhof W***** stehe im Eigentum des Klägers zu 3). Er sei auch<br />
als Kirchengut und Ort der Religionsausübung einzuordnen. Der Kläger zu 3)<br />
könne sich auch auf den Schutz der kollektiven Religionsfreiheit nach Art. 4<br />
Abs. 1, 2 GG berufen. Die in dem angegriffenen Vorbescheid enthaltene Ge-<br />
nehmigung führe zu einem grundrechtlich relevanten Eingriff. Die verbindli-<br />
che Zusage des Beklagten, den Schweinemastbetrieb an der vorgesehenen<br />
Stelle errichten zu können, werde dazu führen, dass der Geruch und der<br />
Lärm von Schweinen auf dem Friedhof wahrnehmbar seien. Dies allein sei<br />
schon eine schwerwiegende Beeinträchtigung in den Religionsausübungsab-<br />
sichten des einzelnen Friedhofsgänger jüdischen Glaubens, aber auch eine<br />
Missachtung des Klägers zu 3). Die Häufigkeit von Kaltluftströmen betrage<br />
über das Jahr verteilt ca. 20 %. Die Geruchsbelastung werde in jedem Fall<br />
dann mehr als 10 % betragen. Die Belästigung des jüdischen Friedhofs<br />
durch Schweinegeruch könne auch nicht durch Bestandsschutz gerechtfertigt<br />
werden. Die Wirkung des Schweingeruchs sei als Eingriff in das Recht auf<br />
Religionsausübung anzusehen. Denn im jüdischen Glauben sei das Beten in<br />
Anwesenheit von „schlechtem Geruch“ verboten. Es existiere sogar eine<br />
„Abstandsregel“ hierfür, um dieses Verbot in der Realität handhabbar zu ma-<br />
chen. Bereits die Nähe des Schweinestalls führe wegen ihres Symbolcharak-<br />
ters zu einer Entwürdigung dieses heiligen Ortes. Denn alles, was in der<br />
Synagoge wegen Respektlosigkeit verboten sei, sei auch am Friedhof verbo-<br />
ten. Die Friedhöfe seien gerade in ihrem geschlossenen Zustand Zeugen der<br />
untergegangenen jüdischen Kultur. Zu verweisen sei auch auf die negative<br />
Bedeutung des Schweinefleischs und des Schweins für den jüdischen Glau-<br />
ben. Unbedeutend sei, dass es sich um einen mittelbaren Grundrechtseingriff
durch den Beklagten handele. Es gebe auch keine verfassungsrechtliche<br />
Rechtfertigung für den Eingriff. Die Glaubensbetätigungsfreiheit könne nur<br />
40<br />
durch kollidierendes Verfassungsrecht beschränkt werden. Die Eigentums-<br />
gewährleistung des Beigeladenen werde durch eine Verlegung des Vorha-<br />
bens an einen anderen, geeigneten Standort nur relativ gering beschränkt,<br />
weil der Schweinemastbetrieb nicht standortabhängig sei. Im Unterschied<br />
zum Stall bestehe der Friedhof schon seit langer Zeit. Die nach dem Grund-<br />
satz der praktischen Konkordanz geboten gewesene Abwägung des grund-<br />
rechtlich besonders geschützten Interesses an dem Schutz des Friedhofs vor<br />
Schweinegerüchen mit dem Interesse des Beigeladenen habe der Beklagte<br />
nicht in ausreichendem Maße vorgenommen. Es sei hier von einem eklatan-<br />
ten unheilbaren Abwägungsdefizit auszugehen. Der Bescheid könne auch<br />
nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Besuche auf dem jüdischen<br />
Friedhof seltener stattfänden als auf den sonstigen Friedhöfen. Die gegentei-<br />
lige Auffassung ließe die Rechtsprechung zu den rechtlichen Auswirkungen<br />
des Holocaust auf das deutsche Recht außer Acht. Dieser Abwägungsman-<br />
gel sei auch kausal für die getroffene Entscheidung.<br />
9.<br />
Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2010 erwiderte der Beklagte, dass die gutach-<br />
terliche Stellungnahme des Büros iMA vom 16. September 2010 nicht geeig-<br />
net sei, die Gutachten des Büros L******* und des TÜV Süd zu entkräften.<br />
Die Belange der Glaubens- und Glaubensbetätigungsfreiheit sowie die Ge-<br />
währleistung nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 WRV würden nicht beeinträch-<br />
tigt. Der Status des jüdischen Friedhofs als religiöse Einrichtung und als Ort<br />
der Religionsausübung werde von keiner Seite in Frage gestellt. Die Religi-<br />
onsfreiheit gelte nicht grenzenlos, vielmehr sei hierbei auf andere Belange,<br />
zu denen die Entwicklungsmöglichkeiten eines im Außenbereich existieren-<br />
den landwirtschaftlichen Betriebes gehöre, Rücksicht zu nehmen. Hinzu<br />
komme, dass der jüdische Friedhof aufgrund seiner ortsfesten Lage ver-<br />
schiedenen Einflüssen unterliege. Die vom TÜV Süd ermittelten Werte lägen<br />
sogar unter den in einem Wohngebiet zulässigen Werten. Die räumliche<br />
Trennung zwischen Friedhof und Bauvorhaben werde durch die Kreisstraße
verstärkt; durch den Verkehrslärm ergebe sich auch eine akustische Tren-<br />
nung.<br />
10.<br />
41<br />
In der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2010 wurde mit den Betei-<br />
ligten die Sach- und Rechtslage umfassend erörtert. Der vom Gericht mit der<br />
Erstellung der Geruchsimmissionsprognose beauftragte Gutachter, Herr<br />
Dipl.-Met. W***** (TÜV Süd GmbH), erläuterte in der mündlichen Verhand-<br />
lung das von ihm erstellte Gutachten und wurde zu den technischen Fragen<br />
angehört. Der vom Beigeladenen mit der Erstellung der Ammoniakimmissi-<br />
onsprognose beauftragte Sachverständige Dr. Ing. L******* und Dipl.-<br />
Geoökologin Sö**** (Büro L*******) sowie der von der Klägerin zu 4) mit der<br />
Erstellung einer gutachterlichen Stellungnahme beauftragte Sachverständige<br />
Dipl.-Met. R****** (iMA) erläuterten ebenfalls ihre Gutachten und wurden zu<br />
technischen Fragen angehört. Gehört wurden auch der vom Kläger zu 1)<br />
beigezogene Diplomforstingenieur S******** sowie der von dem Kläger zu 3)<br />
beigezogene Rabbiner E****. Der vom Klägerbevollmächtigten gestellte Be-<br />
weisantrag, es möge Beweis erhoben werden durch Einholung eines Sach-<br />
verständigengutachtens zu der Frage, welche Geruchsbelästigungen auf die<br />
Gemeinde W*****, die Gemeinde No******/Ortsteil Ne******* und auf den jüdi-<br />
schen Friedhof zu erwarten sind, und zwar unter Zugrundelegung von kon-<br />
kreten Messungen der Kaltluftströme, deren Mächtigkeit, deren Fließrichtung<br />
und deren Fließgeschwindigkeit, wurde von der Kammer abgelehnt.<br />
Der Vertreter der Beklagtenseite wie auch der Bevollmächtigte des Beigela-<br />
denen erklärten ihre Zustimmung zur Erledigungserklärung des Klägerbe-<br />
vollmächtigten, soweit sich der Rechtsstreit durch den Ergänzungsbescheid<br />
vom 20. März 2009 erledigt hatte.<br />
In der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2010 stellte die Klägerseite<br />
übereinstimmend den<br />
A n t r a g,
42<br />
den streitgegenständlichen Vorbescheid vom<br />
22. Oktober 2007 i.d.F. der Bescheide vom<br />
5. August 2008 und vom 20. März 2009 aufzuhe-<br />
ben.<br />
Der Vertreter des Beklagten stellte den<br />
A n t r a g,<br />
die Klagen abzuweisen.<br />
Der Bevollmächtigte des Beigeladenen stellte den<br />
A n t r a g,<br />
die Klagen abzuweisen.<br />
Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2010 im<br />
Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.<br />
Mit Beschlüssen der Kammer wurde aufgrund mündlicher Verhandlung vom<br />
19. Oktober 2010 von der Verwaltungsstreitsache W 4 K <strong>07.1422</strong> (Kläger zu<br />
1) der Teil des Rechtsstreits abgetrennt, der sich durch den Ergänzungsbe-<br />
scheid des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 20. März 2009 erledigt hat<br />
und unter dem Aktenzeichen W 4 K 10.1124 weitergeführt. Ein gleichlauten-<br />
der Beschluss wurde jeweils im Verfahren W 4 K 07.1435 (Klägerin zu 2)<br />
– neues Aktenzeichen W 4 K 10.1120), im Verfahren W 4 K 07.1436 (Kläger<br />
zu 3) – neues Aktenzeichen W 4 K 10.1121), im Verfahren W 4 K 07.1437<br />
(Klägerin zu 4) – neues Aktenzeichen W 4 K 10.1122) und im Verfahren W 4<br />
K 07.1438 (Kläger zu 5) – neues Aktenzeichen W 4 K 10.1123) gefasst.
43<br />
Mit weiterem Beschluss der Kammer wurden die Verfahren W 4 K <strong>07.1422</strong>,<br />
W 4 K 07.1435, W 4 K 07.1436, W 4 K 07.1437 und W 4 K 07.1438, soweit<br />
sie nicht erledigt sind, zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und unter<br />
dem Aktenzeichen W 4 K <strong>07.1422</strong> weitergeführt.<br />
11.<br />
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die<br />
zahlreichen und (teilweise) umfangreichen Schriftsätze mit einer Vielzahl von<br />
Anlagen sowie auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.<br />
Entscheidungsgründe:<br />
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Vorbescheid vom 22. Oktober 2007<br />
I.<br />
i.d.F. der Bescheide vom 5. August 2008 und vom 20. März 2009, mithin der<br />
baurechtliche Vorbescheid für einen Stall mit 1.000 Mastschweinen.<br />
Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2009 die Erledi-<br />
gung des Rechtsstreits in der Hauptsache erklärt, soweit sich der Vorbe-<br />
scheid vom 22. Oktober 2007 durch den Ergänzungsbescheid vom 20. März<br />
2009 (1.000 Schweine) erledigt habe. Der Vertreter des Beklagten und der<br />
Bevollmächtigte des Beigeladenen haben in der mündlichen Verhandlung<br />
vom 19. Oktober 2010 hierzu ihre Zustimmung erklärt. Mit dem Ergänzungs-<br />
bescheid vom 20. März 2009 wurde der ursprüngliche Genehmigungsumfang<br />
um etwa ein Drittel reduziert. Insoweit ist hinsichtlich der Tierzahl von 499<br />
Schweinen eine Erledigung der Hauptsache eingetreten. Aufgrund der Teiler-<br />
ledigung war es sachgerecht, den erledigten Teil des Rechtsstreits abzutren-<br />
nen (§ 93 VwGO).<br />
Die Klagen sind zulässig.<br />
II.
1.<br />
44<br />
Den Klägern steht – entgegen der Rechtsauffassung des Bevollmächtigten<br />
des Beigeladenen – auch eine Klagebefugnis zu. Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist<br />
die Klage grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Kläger geltend macht,<br />
durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.<br />
Die Klagebefugnis des Klägers zu 1) ergibt sich daraus, dass er geltend<br />
macht, der Wald, der auf dem an das Baugrundstück angrenzenden Grund-<br />
stück Fl.Nr. *91 der Gemarkung Ne******* vorhanden ist, könne durch die von<br />
dem künftigen Mastschweinestall ausgehenden Ammoniakbelastungen ge-<br />
schädigt werden. Anders als das Verwaltungsgericht Ansbach (U.v.<br />
07.10.2009, AN 11 K 09.01439, ), das Verwaltungsgericht München<br />
(U.v. 16.10.2007, M 1 K 07.2892, ) und das Verwaltungsgericht Ol-<br />
denburg (U.v. 10.03.2010, 5 A 1375/09, ) geht die Kammer davon aus,<br />
dass die Ziffern 4.4.2 i.V.m. 4.8 i.V.m. Abbildung 4 des Anhangs 1 der TA<br />
Luft (Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissions-<br />
schutzgesetz – Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – vom 24. Juli<br />
2002) i.V.m. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB Rechte Einzelner begründen<br />
und folglich zur Begründung einer Klagebefugnis herangezogen werden kön-<br />
nen. Der Eigentümer eines an ein emittierendes Vorhaben angrenzenden<br />
Waldgrundstücks kann geltend machen, durch eine Ammoniakbelastung<br />
handgreiflich in seinen durch das Rücksichtnahmegebot vermittelten Rechten<br />
verletzt zu sein, wenn der Mindestabstand unterschritten wird. Nach Lage der<br />
Dinge wird in Bezug auf die zu erwartenden Ammoniak-Emissionen dem<br />
Kläger zu 1) die für den Nachbarschutz notwendige Qualifizierung, Individua-<br />
lisierung und Eingrenzung bewirkt.<br />
Die Klagebefugnis des Klägers zu 3) ergibt sich daraus, dass er als Eigentü-<br />
mer des Friedhofs geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu<br />
sein. Der Kläger zu 5) kann geltend machen, in der satzungsgemäß festge-<br />
legten Aufgabe der Trinkwasserversorgung beeinträchtigt zu sein. Die Kläge-<br />
rinnen zu 2) und 4) bringen vor, in ihrer Planungshoheit verletzt zu sein und<br />
machen Belange des Denkmalschutzes und des Bestattungsrechts geltend.
Des Weiteren wird durch die Klägerin zu 4) eine Geruchsbeeinträchtigung<br />
kommunaler Gebäude gerügt.<br />
2.<br />
45<br />
Die Klagebefugnis der Klägerin zu 2) ist auch nicht wegen einer Einverneh-<br />
mensfiktion entfallen. Mit Erteilung des Einvernehmens kann nicht mehr gel-<br />
tend gemacht werden, durch den Vorbescheid in eigenen Rechten verletzt zu<br />
sein. Wer einem Bauvorhaben zustimmt – sei es als Nachbar oder als Ge-<br />
meinde –, begibt sich seines Anfechtungsrechts gegen die Genehmigung<br />
dieses Bauvorhabens. Dies gilt auch dann, wenn die Zustimmung kraft Ge-<br />
setzes fingiert wird (BayVGH, B.v. 27.10.2000, 1 ZS/CS 00.2727). Das ge-<br />
meindliche Einvernehmen gilt gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB als erteilt,<br />
wenn es nicht binnen zwei Monaten nach Einreichung des Bauantrags bzw.<br />
der Voranfrage bei der Gemeinde verweigert wird. Die Frist des § 36 Abs. 2<br />
Satz 2 BauGB beginnt mit dem Eingang der vollständigen Bauvoranfrage bei<br />
der Gemeinde zu laufen. Die Versagung des Einvernehmens muss innerhalb<br />
von zwei Monaten der Bauaufsichtsbehörde zugehen.<br />
Der Gemeinderat der Gemeinde No************* befasste sich in seiner Sit-<br />
zung vom 25. Januar 2007 „zur Kenntnisnahme“ mit der Bauvoranfrage des<br />
Beigeladenen vom 4. Dezember 2006, und zwar mit folgendem Ergebnis:<br />
„Der Gemeinderat beschließt vorerst keine Baufreigabe zu befürworten, da<br />
das Bauvorhaben erst durch das Landratsamt Rhön-Grabfeld zu prüfen ist“.<br />
Der Niederschriftauszug, der vom 22. Februar 2007 datiert, ist laut Ein-<br />
gangsvermerk am 28. Februar 2007 bei der Bauaufsichtsbehörde eingegan-<br />
gen. Nachdem das Landratsamt Rhön-Grabfeld mit Schreiben vom 3. Mai<br />
2007 der Klägerin zu 2) das Ergebnis der Trägerbeteiligung mitgeteilt hatte,<br />
befasste sich diese in der Sitzung vom 24. Mai 2007 erneut mit der Angele-<br />
genheit und „lehnte (…) die Bauvoranfrage ab“. Ein diesen Beschluss wie-<br />
dergebender Niederschriftauszug wurde dem Landratsamt Rhön-Grabfeld<br />
mit Kurzmitteilung vom 28. Juni 2007 (Eingang am 29.06.2007) zugeleitet.<br />
Hinsichtlich des erstgenannten Beschlusses bestehen erhebliche Unklarhei-<br />
ten, ob insoweit von einer Versagung des Einvernehmens ausgegangen<br />
werden kann. Das Schriftstück, das den zweitgenannten Beschluss wieder-
46<br />
gibt, ist eindeutig erst nach Ablauf der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB an<br />
die Bauaufsichtsbehörde weitergeleitet worden. Allerdings wurde hier dem<br />
Landratsamt Rhön-Grabfeld am 28. Februar 2007 – zusammen mit dem Pro-<br />
tokollbuchauszug über die Sitzung vom 25. Januar 2007 – eine formblattmä-<br />
ßige Stellungnahme der Gemeinde No************* übermittelt, in der die<br />
Schlussfeststellung enthalten war, dass das gemeindliche Einvernehmen<br />
nicht erteilt werde. Im Vordruck findet sich ein Kreuz im Kästchen „nein“ bei<br />
der Angabe „Das gemeindliche Einvernehmen wird erteilt“. Entscheidend für<br />
die Frage, ob das gemeindliche Einvernehmen verweigert wurde oder nicht,<br />
ist der Inhalt dieser Stellungnahme. Die Versagung des Einvernehmens zu<br />
einem Bauvorhaben ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung der Ge-<br />
meinde, die erst wirksam wird, wenn sie der Bauaufsichtsbehörde zugeht<br />
(BayVGH, B.v. 27.10.2000, a.a.O.). Damit wäre aber die Zwei-Monats-Frist<br />
des § 36 Abs. 2 BauGB nur überschritten, wenn die Bauvoranfrage vor dem<br />
28. Dezember 2006 bei der Gemeinde No************* eingereicht worden wä-<br />
re. Dies ließ sich im gerichtlichen Verfahren aber nicht aufklären, was aber<br />
nicht zu Lasten der Gemeinde gehen darf. Der Antrag des Bauherrn trägt das<br />
Datum 4. Dezember 2006, enthält aber entgegen der üblichen Verwaltungs-<br />
praxis keinen Eingangsvermerk. Eine vom Gericht angeforderte Stellung-<br />
nahme der Gemeinde No************* vom 9. September 2008 hat auch keine<br />
Klarheit schaffen können. Die Gemeinde hat nämlich mitgeteilt, dass nicht<br />
mehr nachvollzogen werden könne, wann der Antrag auf Vorbescheid des<br />
Beigeladenen bei der Verwaltungsgemeinschaft F******** eingegangen ist.<br />
Die Bauvoranfrage sei vom Beigeladenen an den damaligen Bürgermeister<br />
übergeben worden. Der Verwaltungsgemeinschaft F******** sei erst mit der<br />
Sitzungsladung am 19. Januar 2007 bekannt geworden, dass es eine Bauvo-<br />
ranfrage für den Neubau des Schweinestalles in Ne******* gebe. Bauvoran-<br />
fragen würden nicht im Eingangsbuch erfasst und die gelbe Bauplanmappe<br />
sei nicht mehr vorhanden. Zu den Umständen der Antragseinreichung wurde<br />
der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2008<br />
befragt. Er konnte hierzu jedoch keine konkreten Angaben machen, er konn-<br />
te insbesondere auf Nachfrage des Gerichts nicht angeben, wann er die<br />
Bauvoranfrage vom 4. Dezember 2006 bei der Gemeinde No*************<br />
bzw. bei deren 1. Bürgermeister abgegeben hat. Damit lässt sich aber nicht
47<br />
belegen, dass die Voranfrage vom 4. Dezember 2006 vor dem 28. Dezember<br />
2006 bei der Gemeinde eingereicht wurde. Damit muss aber davon ausge-<br />
gangen werden, dass die Einvernehmensfiktion des § 36 Abs. 2 BauGB im<br />
vorliegenden Fall nicht eingetreten ist.<br />
3.<br />
Der dem Beigeladenen erteilte Vorbescheid des Landratsamtes Rhön-<br />
Grabfeld vom 22. Oktober 2007 i.d.F. der Bescheide vom 5. August 2008<br />
und vom 20. März 2009 ist auch nicht zwischenzeitlich unwirksam geworden,<br />
mit der Folge, dass die Klagen mangels Rechtsschutzbedürfnisses unstatt-<br />
haft (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 42, RdNr. 58) und damit unzu-<br />
lässig geworden wären. Gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 2 der <strong>Bayerische</strong>n Bau-<br />
ordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. August 1997 (GVBl<br />
S. 433 – BayBO 1998) bzw. Art. 71 Satz 2 der <strong>Bayerische</strong>n Bauordnung in<br />
der Fassung vom 14. August 2007 (GVBl S. 588 – BayBO 2008) gilt der Vor-<br />
bescheid drei Jahre, wenn er nicht kürzer befristet ist bzw. soweit in ihm kei-<br />
ne andere Frist bestimmt ist. Nun hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof die<br />
bislang umstrittene Frage dahin entschieden (U.v. 15.03.2010, 1 BV 08.3157;<br />
), dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs den Lauf der Geltungsfrist<br />
nicht hemmt. Die Frist beginnt grundsätzlich mit der Bekanntgabe an den An-<br />
tragsteller (Art. 41 BayVwVfG). Dabei dürfte es hier aus Sicht der Kammer<br />
nicht auf den Vorbescheid vom 22. Oktober 2007, sondern auf den Ergän-<br />
zungsbescheid vom 20. März 2009 ankommen. Letztlich kann die Frage, ob<br />
es insoweit auf den ursprünglichen Vorbescheid oder auf den Ergänzungs-<br />
bescheid ankommt, hier offenbleiben, da der Vorbescheid vom 22. Oktober<br />
2007 dem Beigeladenen am 26. Oktober 2007 gegen Empfangsbekenntnis<br />
zugestellt wurde, so dass die Drei-Jahres-Frist zum Zeitpunkt der Entschei-<br />
dung des Gerichts nicht abgelaufen ist.<br />
Die Klagen sind aber nicht begründet.<br />
III.
48<br />
Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. Der<br />
Vorbescheid des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 22. Oktober 2007 i.d.F.<br />
der Bescheide vom 5. August 2008 und vom 20. März 2009, mithin der bau-<br />
rechtliche Vorbescheid für einen Stall mit 1.000 Mastschweinen, ist nicht<br />
rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1<br />
Satz 1 VwGO).<br />
Ein Nachbar, der eine Baugenehmigung anficht, kann mit seiner Klage nur<br />
dann Erfolg haben, wenn er durch die Genehmigung in seinen subjektiven<br />
Rechten verletzt wird, wenn also öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt<br />
sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn es das Vorhaben an der<br />
gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses<br />
Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Der streitgegenständliche Vor-<br />
bescheid des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 22. Oktober 2007 i.d.F. der<br />
Bescheide vom 5. August 2008 und vom 20. März 2009 für einen Stall mit<br />
1.000 Mastschweinen verletzt aber schon keine öffentlich-rechtlichen Vor-<br />
schriften; es besteht ein Rechtsanspruch des Beigeladenen auf Erteilung<br />
dieses Vorbescheids. Im Einzelnen:<br />
Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998 kann vor Einreichung eines Bauan-<br />
trags auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen in der Baugenehmi-<br />
gung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbe-<br />
scheid) erteilt werden. Entsprechendes gilt nach Art. 71 Satz 1 BayBO 2008.<br />
Für das Verfahrensrecht folgt aus dem Grundsatz des intertemporalen Ver-<br />
fahrensrechts, dass dasjenige Recht anzuwenden ist, das zum Zeitpunkt der<br />
jeweiligen Entscheidung Geltung beansprucht. Eine Änderung des Verfah-<br />
rensrechts gilt grundsätzlich ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen<br />
Rechts und erfasst auch bereits anhängige Verfahren, nicht jedoch bereits<br />
abgeschlossene Verfahren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gesetz<br />
eine abweichende Regelung trifft, insbesondere eine Übergangsregelung, die<br />
etwas anderes anordnet (vgl. Simon/Busse, BayBO, Mai 2010, Art. 83,<br />
RdNr. 4). Eine solche Übergangsregelung enthält Art. 83 Abs. 1 BayBO für<br />
das Baugenehmigungsverfahren. Kein Baugenehmigungsverfahren ist je-
49<br />
doch das Verfahren auf Erteilung eines Vorbescheides (vgl. Simon/Busse,<br />
Art. 83, RdNr. 9), so dass hier im gerichtlichen Verfahren das Verfahrens-<br />
recht des Art. 71 BayBO 2008 einer Entscheidung zu Grunde zu legen ist.<br />
1.<br />
Formelle Rechtmäßigkeit:<br />
Der Vorbescheid des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 22. Oktober 2007<br />
i.d.F. der Bescheide vom 5. August 2008 und vom 20. März 2009 enthält kei-<br />
ne Verfahrensfehler.<br />
Von Klägerseite wird zunächst bemängelt, dass für den Antrag des Beigela-<br />
denen ein immissionsschutzrechtliches Verfahren und nicht ein baurechtli-<br />
ches Vorbescheidsverfahren hätte durchgeführt werden müssen. Es sei mit-<br />
hin das falsche Verfahren gewählt worden und die notwendige Umweltver-<br />
träglichkeitsprüfung unterblieben.<br />
1.1.<br />
Gemäß Ziffer 7.1 Buchst. g) Spalte 2 des Anhangs zur Vierten Verordnung<br />
zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über<br />
genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV) i.d.F. der Bekanntmachung<br />
vom 14. März 1997, zuletzt geändert am 6. Januar 2004, ist für Anlagen mit<br />
1.500 bis weniger als 2.000 Mastschweineplätzen ein immissionsschutz-<br />
rechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen. Auch unter Berücksich-<br />
tigung des Gesetzes zur Reduzierung und Beschleunigung von immissions-<br />
schutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vom 23. Oktober 2007 sowie der<br />
letzten Änderung der 4. BImSchV durch Art. 13 RechtsbereinigungsG Um-<br />
welt vom 11. August 2009 bleibt es dabei, dass Anlagen mit 1.500 bis weni-<br />
ger 2.000 Mastschweineplätzen dem Immissionsschutzrecht unterliegen.<br />
Mit baurechtlichem Vorbescheid vom 22. Oktober 2007 hat hier das Land-<br />
ratsamt Rhön-Grabfeld auf den Antrag des Beigeladenen vom 4. Dezember<br />
2010 einen Vorbescheid für 1.499 Mastschweine erteilt, was mit Ergän-<br />
zungsbescheid vom 5. August 2008 klargestellt wurde.
50<br />
Für die Auslegung des Antrags auf Erteilung einer Bauvoranfrage wie auch<br />
für die Auslegung des Verwaltungsaktes zur Bestimmung seines Inhalts gilt<br />
§ 133 BGB entsprechend. Hinsichtlich des Antrags ist der erklärte Wille<br />
maßgeblich, wie ihn die Behörde als Empfängerin bei objektiver Würdigung<br />
verstehen konnte. Etwas im Bauantrag nicht oder anders Bezeichnetes ist<br />
nicht maßgeblich, wenn sich durch objektive Umstände eine anderweitige<br />
Deutung ergibt. Dabei kann der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklä-<br />
rung zurücktreten. Für die Auslegung sind auch weitere Erklärungen und<br />
Umstände heranzuziehen und es ist auf das erkennbar verfolgte Rechts-<br />
schutzziel abzustellen (Simon/Busse, Art. 64, RdNrn. 13 ff.). Auch für die<br />
Auslegung des Verwaltungsaktes kommt es grundsätzlich auf den Empfän-<br />
gerhorizont an, d.h. darauf, wie Adressaten und Drittbetroffene den Verwal-<br />
tungsakt nach Treu und Glauben verstehen mussten bzw. verstehen durften.<br />
Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung. Soweit dies mit diesem<br />
Grundsatz vereinbar ist, ist davon auszugehen, dass die Behörde den Ver-<br />
waltungsakt im Zweifel im Einklang mit dem Gesetz, das sie zum Erlass des<br />
Verwaltungsaktes ermächtigt, und mit sonstigen einschlägigen Rechts-<br />
grundsätzen verstanden wissen wollte (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl.,<br />
§ 35, RdNr. 55).<br />
Der Vorbescheid vom 22. Oktober 2007 enthält weder im Tenor noch im<br />
Betreff einen Ausspruch zu der Frage, für wie viele Mastschweineplätze die<br />
Baugenehmigung in Aussicht gestellt wurde. In Ziffer 12 der Nebenbestim-<br />
mungen ist von „ca. 1500 Tiere“ die Rede. Der Sachverhaltsdarstellung zum<br />
Vorbescheid ist zu entnehmen, dass ein Stall für „1.500 Mastschweine“ be-<br />
antragt worden sei. In der Voranfrage vom 4. Dezember 2006 ist von „1.500<br />
Mastschweine“ die Rede. Mit dem Ergänzungsbescheid vom 5. August 2008<br />
wird auf Antrag des Beigeladenen eine Auflage eingefügt, wonach die<br />
Höchsttierzahl auf „maximal 1.499 Schweine“ beschränkt wird. Zur Begrün-<br />
dung dieses Bescheids wird u.a. angeführt, dass der Bevollmächtigte des<br />
Antragstellers mit Schreiben vom 20. Juni 2008 mitgeteilt habe, dass er da-<br />
mit einverstanden sei, dass der Vorbescheid durch eine Klarstellung ergänzt<br />
werde, dass dieser Vorbescheid nur für einen Antrag auf Vorbescheid für ei-
51<br />
nen Mastschweinestall mit 1.499 Mastplätzen Gültigkeit besitzen solle. Der<br />
Bevollmächtigte habe um den Erlass eines entsprechenden Ergänzungsbe-<br />
scheides gebeten. Aus dem Bescheid des Landratsamtes vom 5. August<br />
2008 ergibt sich, dass die nachträglich eingefügte Auflage in erster Linie der<br />
Klarstellung dessen diene, was die Genehmigungsbehörde zugelassen habe.<br />
Da nach dem bisherigen Sach- und Streitstand Unklarheit darüber geherrscht<br />
habe, wie weit die Bindungswirkung reiche, sei die Auflage auch erforderlich,<br />
um die Bindungswirkung des im baurechtlichen Verfahren erteilten Vorbe-<br />
scheids klarzulegen. Beantragt war ursprünglich die Durchführung eines<br />
Vorbescheidverfahrens nach der <strong>Bayerische</strong>n Bauordnung. Gewollt war,<br />
dass die Schwelle der Genehmigungsbedürftigkeit nach dem Bundesimmis-<br />
sionsschutzgesetz bzw. der 4. BImSchV unterschritten wird. Diese liegt bei<br />
1.500 Mastschweinen. Das Landratsamt Rhön-Grabfeld hat hier ein bau-<br />
rechtliches Verfahren und kein immissionsschutzrechtliches Verfahren<br />
durchgeführt. Es hat den Antrag des Beigeladenen – ohne dies deutlich aus-<br />
zudrücken – so verstanden, dass dieser ein baurechtliches Verfahren unter-<br />
halb der Grenze eines immissionsschutzrechtlichen Verfahrens durchgeführt<br />
haben möchte, also ein Verfahren für einen Mastschweinestall mit 1.499<br />
Mastschweineplätzen. Nur so macht sowohl der Antrag wie auch der Vorbe-<br />
scheid einen Sinn. Demgegenüber würde es der Verwaltungspraxis voll-<br />
kommen widersprechen, wegen eines einzigen zusätzlichen Mastschweine-<br />
platzes ein aufwändigeres Verfahren zu beantragen. Die mit dem Ergän-<br />
zungsbescheid eingefügte „Auflage“ dient der Klarstellung dessen, was die<br />
Genehmigungsbehörde mit dem Vorbescheid vom 22. Oktober 2007 zuge-<br />
lassen hat. Sie wollte damit die verbliebenen Unklarheiten ausräumen.<br />
Soweit der Kläger vorbringt, dass Hinweise vorlägen, dass der Beigeladene<br />
auf seiner Hofstelle, die in engem räumlichen und betrieblichen Zusammen-<br />
hang mit dem geplanten Vorhaben stehe, schon bisher 60 Schweine halte,<br />
und das Gesamtvorhaben mit insgesamt 1.560 bzw. 1.559 Schweinen damit<br />
auf jeden Fall sich als immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig dar-<br />
stelle, kann er hiermit nicht durchdringen.
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 der 4. BImSchV liegen die im Anhang bestimmten<br />
52<br />
Voraussetzungen auch vor, wenn mehrere Anlagen derselben Art in einem<br />
engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen (gemeinsame<br />
Anlagen) und zusammen die maßgebenden Leistungsgrenzen oder Anla-<br />
gengrößen erreichen oder überschritten werden. Ob mehrere Anlagen der-<br />
selben Art vorliegen, ist auf Grund einer Betrachtung von Beschaffenheit und<br />
Betriebsweise der Anlagen selbst und nicht des mit ihnen angestrebten wei-<br />
teren Zwecks zu entscheiden. Es liegen hier nicht „mehrere Anlagen“, son-<br />
dern nur eine Anlage vor, die die entscheidende Anlagengröße (1.500 Mast-<br />
schweineplätze) nicht erreicht. Denn der Bauherr hat erklärt, dass nach dem<br />
Stallneubau der Bestand auf der Hofstelle aufgelöst wird (siehe Stellung-<br />
nahme des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 03.09.2008 unter Bezug-<br />
nahme auf die Erklärung des Beigeladenen vom 02.08.2007): „Der Tierbe-<br />
stand auf oben genanntem Hofgrundstück wird mit Bau des beantragten<br />
Mastschweinestalles reduziert und damit die Schweinehaltung auf dem Hof-<br />
grundstück eingestellt“.<br />
Nach allem stellt sich hier das baurechtliche Vorbescheidsverfahren als das<br />
„richtige“ Verfahren dar, ein immissionsschutzrechtliches Verfahren war nicht<br />
erforderlich.<br />
Aus diesem Grunde war auch keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach Zif-<br />
fer 7.7.3 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung<br />
(UVPG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (bzw. Ziffer 7.7.2.<br />
der Anlage 1 zum UVPG i.d.F. der Bekanntmachung vom 25.06.2005) erfor-<br />
derlich.<br />
1.2.<br />
Von Seiten des Klägerbevollmächtigten wird gerügt, dass der angegriffene<br />
Vorbescheid auch keine konkrete Standortausweisung enthalte. Der konkrete<br />
Standort sei jedoch für die Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens und<br />
damit der Frage nach der Genehmigungsfähigkeit unerlässlich.
53<br />
Der Vorbescheidsantrag muss hinreichend bestimmt sein. Das folgt aus der<br />
Formulierung „zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens“. Inhalt des Vorbe-<br />
scheidsantrags sind somit bestimmte Fragen der Zulässigkeit des Vorha-<br />
bens, wobei der Dispositionsbefugnis des Bauherrn nur durch die Beschrän-<br />
kung des Prüfungsumfangs Grenzen gesetzt sind (vgl. auch BayVGH, U.v.<br />
14.10.2008, 2 BV 04.863, ; s.a. Simon/Busse, Art. 71, RdNr. 34).<br />
Der Vorbescheidsantrag des Beigeladenen enthält unter Ziffer 7 die Frage,<br />
über die im Vorbescheid entschieden werden soll. Der Antragsteller wollte<br />
die Frage geklärt haben, ob auf dem Grundstück Fl.Nr. *83 der Gemarkung<br />
Ne******* generell ein derartiger Mastschweinestall zulässig ist. Dies ist<br />
durchaus eine zulässige Frage für einen Vorbescheid. Die Angabe eines ge-<br />
nauen Standortes auf dem Grundstück ist nicht erforderlich. Im Übrigen hat<br />
der Beigeladene in dem beigefügten Lageplan hinsichtlich des Standortes ei-<br />
ne gewisse Festlegung getroffen, nämlich diesen im südlichen Bereich des<br />
Grundstücks eingezeichnet. Das Landratsamt hat in Ziffer 11 des Tenors des<br />
Vorbescheides vom 22. Oktober 2007 eine Festlegung des Standortes ge-<br />
troffen. Nach allem ist hier von einer hinreichenden Bestimmtheit auszuge-<br />
hen.<br />
2.<br />
Der streitgegenständliche Vorbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Im Ein-<br />
zelnen:<br />
Nach Art. 71 Satz 1 BayBO 2008 (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998) kann<br />
vor Einreichung eines Bauantrags auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu<br />
einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein<br />
schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden.<br />
Der Vorbescheid ist ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt, der nur auf<br />
ausdrücklichen Antrag des Bauherrn erteilt wird. Inhalt des Vorbescheidsan-<br />
trags sind bestimmte Fragen zur Zulässigkeit des Vorhabens, wobei der Dis-<br />
positionsbefugnis des Bauherrn kaum Grenzen gesetzt sind. So kann sich<br />
der Vorbescheidsantrag auch auf die Frage der grundsätzlichen baupla-
54<br />
nungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens (sog. Bebauungsgenehmi-<br />
gung) beschränken, auch wenn es nur in groben Umrissen nach Art und Um-<br />
fang bestimmt ist und seine Ausführung im Einzelnen einer späteren Prüfung<br />
vorbehalten bleibt (vgl. BVerwG, U.v. 23.05.1975, IV C 78.72, BVerwGE 48,<br />
242; U.v. 03.04.1987, 4 C 41/84, NVwZ 1987, 884). Als feststellender Ver-<br />
waltungsakt stellt der Vorbescheid im Rahmen der vom Bauherrn gestellten<br />
Fragen die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vor-<br />
schriften, die Gegenstand der Prüfung sind, fest; er hat insoweit während<br />
seiner Geltungsdauer „Bindungswirkung“: D.h. die Vereinbarkeit des Vorha-<br />
bens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Baugenehmigungsverfah-<br />
ren ist nicht mehr zu prüfen, soweit die Feststellungswirkung des Vorbe-<br />
scheids reicht (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 3. Aufl., 2000, Art. 75,<br />
RdNr. 5).<br />
Die Nachbarklage ist nur dann erfolgreich, wenn der angefochtene Vorbe-<br />
scheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Nach<br />
Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO 2008 (bzw.<br />
Art. 75 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO 1998) ist der<br />
Vorbescheid zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen<br />
Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen<br />
sind. Stehen derartige öffentlich-rechtliche Vorschriften dem Bauvorhaben<br />
nicht entgegen, besitzt der Bauherr also einen Rechtsanspruch auf Erteilung<br />
des Vorbescheids. Dies entsprach trotz der Formulierung „kann“ in Art. 75<br />
Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998 auch schon der bisherigen herrschenden Mei-<br />
nung (vgl. Simon/Busse, Art. 71, RdNr. 79).<br />
Als solche öffentlich-rechtliche Vorschriften kommen hier nur solche des<br />
Bauplanungsrechts in Betracht.<br />
Nach § 35 Abs. 1 BauGB ist im Außenbereich ein Vorhaben nur zulässig,<br />
wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschlieä-<br />
ßung gesichert ist und wenn es sich um ein privilegiertes Vorhaben i.S.d. Zif-<br />
fern 1 bis 7 handelt.
3.<br />
Privilegierung des Vorhabens:<br />
55<br />
Mit Schriftsatz vom 10. September 2008 wird von der Klägerseite erstmals<br />
die Privilegierung des Vorhabens des Beigeladenen in Frage gestellt, indem<br />
gerügt wird, dass das Landratsamt das Merkmal der überwiegenden land-<br />
wirtschaftlichen Futterversorgung nicht ordnungsgemäß geprüft habe.<br />
Bei dem Mastschweinestall des Beigeladenen handelt es sich um ein nach<br />
§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben, nämlich um ein Vorhaben,<br />
das einem landwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten<br />
Teil der Betriebsfläche einnimmt. Die Voraussetzungen der Landwirtschaft<br />
i.S.v. § 201 BauGB sind gegeben. Nach dieser Begriffsbestimmung, die im<br />
Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB heranzuziehen ist, ist Landwirtschaft<br />
im Sinne des Baugesetzbuchs u.a. die Wiesen- und Weidewirtschaft ein-<br />
schließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirt-<br />
schaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen er-<br />
zeugt werden kann. Die mit dem EAG-Bau (BGBl I 2004, S. 2414) eingeführ-<br />
te Neuregelung des § 201 BauGB hält daran fest, dass Landwirtschaft i.S.d.<br />
§ 201 BauGB im Zusammenhang mit Tierhaltung und Tierzucht nur vorliegt,<br />
wenn sie auf „überwiegend eigener Futtergrundlage“ erfolgt. Sie stellt aber<br />
auch klar, dass es bei Tierhaltungsbetrieben nicht erforderlich ist, dass das<br />
selbst erzeugte Futter im eigenen Betrieb tatsächlich auch verfüttert wird,<br />
sondern dass es ausreichend ist, wenn genügend landwirtschaftlich genutzte<br />
Flächen, die zum landwirtschaftlichen Betrieb gehören, zur (überwiegenden)<br />
Futtererzeugung vorhanden sind (so die Begründung zum Gesetzentwurf der<br />
Bundesregierung, BT-Drucks. 15/2250, S. 62). Maßgeblich ist also nicht, ob<br />
das Futter für die gehaltenen Tiere tatsächlich aus dem Betrieb kommt, wenn<br />
es nur dort erzeugt werden kann (Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, BauGB -<br />
BauNVO, 5. Aufl. 2007, § 201 BauGB, RdNr. 4). Aus der Stellungnahme des<br />
Amtes für Landwirtschaft und Forsten Bad Neustadt a.d. Saale vom 26. April<br />
2007 ergibt sich eindeutig, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb mit 194 ha<br />
landwirtschaftlicher Fläche vorhanden ist und das geplante Bauvorhaben<br />
nach seiner Art, Größe und Umfang dem landwirtschaftlichen Betrieb dient.
56<br />
Nach den Äußerungen der Fachbehörde konnte die Baugenehmigungsbe-<br />
hörde davon ausgehen, dass ausreichend landwirtschaftliche Flächen vor-<br />
handen sind, um Futter für die Tiere erzeugen zu können. Entgegen der Auf-<br />
fassung des Klägerbevollmächtigten kommt es nicht darauf an, ob das Futter<br />
für die Tiere überwiegend auf den Flächen des Beigeladenen erzeugt wird.<br />
4.<br />
Beeinträchtigung der Wasserversorgung:<br />
4.1.<br />
Geruchliche Beeinträchtigungen des Trinkwassers im Wasserwerk des Was-<br />
serzweckverbandes W*****er Gruppe:<br />
Der Kläger zu 5) wie auch die Klägerin zu 4) haben die Befürchtung geäu-<br />
ßert, dass bei entsprechender Windrichtung die Möglichkeit bestehe, dass<br />
Gase, die aus der Schweinemastanlage emittiert würden, in das Trinkwasser<br />
im Wasserwerk eingetragen würden und so die Qualität des Wassers nach-<br />
haltig gemindert, ja sogar die Wasserversorgung gefährdet werde.<br />
Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher<br />
Belange u.a. dann vor, wenn das Vorhaben die Wasserwirtschaft gefährdet.<br />
Dieser öffentliche Belang hat insbesondere Bedeutung zur Vermeidung<br />
schädlicher Verunreinigungen des Grundwassers oder sonstiger nachteiliger<br />
Veränderungen (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB – BauNVO,<br />
Juni 2010, § 35 BauGB, RdNr. 102). Die Unzulässigkeit eines Vorhabens wä-<br />
re daher anzunehmen bei einer Gefahr für die Trinkwasserversorgung. Da<br />
die Reinhaltung des Grundwassers zum Schutz der gegenwärtigen oder<br />
künftigen Trinkwasserversorgung eine überragend wichtige Gemeinwohlauf-<br />
gabe ist, genügt für die Annahme einer Gefahr schon die sehr geringe Wahr-<br />
scheinlichkeit eines Schadenseintritts.<br />
Allerdings führt zur Überzeugung der Kammer das Vorhaben des Beigelade-<br />
nen nach den vorliegenden fachbehördlichen Stellungnahmen zu keiner Be-<br />
einträchtigung der Trinkwassergewinnungsanlage des Klägers zu 5). So lässt
sich der Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 24. August 2007 ent-<br />
57<br />
nehmen, dass nicht bekannt sei, inwieweit am Wasserwerk eine Geruchseli-<br />
mination erfolge. Es sei allerdings davon auszugehen, dass durch entspre-<br />
chend aufwändige Filter auch Geruchsimmissionen zu verhindern seien.<br />
Nach der Stellungnahme des Amtes für Landwirtschaft und Forsten B**<br />
******** **** ***** vom 24. August 2007 bestehen hinsichtlich der Wasserauf-<br />
bereitung keine Bedenken. Der Umweltingenieur des Landratsamtes Rhön-<br />
Grabfeld hat in der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2008 eben-<br />
falls darauf aufmerksam gemacht, dass keine Erkenntnisse über die behaup-<br />
tete Gefährdung des Trinkwassers vorlägen.<br />
Aus Sicht der Kammer ist Folgendes festzuhalten: Der tatsächliche Abstand<br />
zwischen dem vorgesehenem Standort für den Mastschweinestall und dem<br />
Wasserwerk beträgt ca. 560 m. Damit ist der vom Umweltingenieur des<br />
Landratsamtes Rhön-Grabfeld ermittelte volle Abstand nach der VDI Richtli-<br />
nie Emissionsminderung Tierhaltung Schweine (VDI 3471) von 295 m hier<br />
deutlich eingehalten, es liegt fast der doppelte Abstand vor. Dabei markiert<br />
die Geruchsschwelle (dies entspricht schon dem halben Abstand), die kleins-<br />
te Konzentration eines gasförmigen Stoffes oder eines Stoffgemisches, bei<br />
der die menschliche Nase einen Geruch (noch) wahrnimmt (vgl. hierzu die<br />
Ausführungen unter Ziffer 6.2.). Es ist bei Einhaltung des hier gegebenen<br />
Abstandes, der fast das 4-fache der Geruchsschwelle beträgt, davon auszu-<br />
gehen, dass keine wahrnehmbaren Gerüche aus der Schweinehaltung im<br />
Bereich des Wasserwerks vorliegen und in das Trinkwasser eingetragen wer-<br />
den.<br />
Schließlich hat das <strong>Bayerische</strong> Landesamt für Umwelt auf Anregung der Klä-<br />
gerin zu 4) eine überschlägige Ausbreitungsrechnung bezüglich der von die-<br />
ser angegebenen Parameter Ammoniak, Schwebstaub, Methan und Schwe-<br />
felwasserstoff durchgeführt. Diese erbrachte das Ergebnis, dass durch die<br />
Schweine-Intensivhaltung am Standort der Trinkwasseraufbereitungsanlage<br />
nur geringe Anhebungen der Schadstoffkonzentrationen zu erwarten seien,<br />
so dass sich die allgemeine Hintergrundkonzentration insgesamt nur unwe-<br />
sentlich erhöhe. Die Konzentration von Bioaerosolen nehme mit zunehmen-
der Entfernung rasch ab, so dass bei der hier gegebenen Entfernung kein<br />
Gefährdungspotential gesehen werde. Trinkwasseraufbereitungsanlagen<br />
seien generell so einzurichten und zu betreiben, dass die Wasserqualität<br />
58<br />
nicht nachteilig beeinträchtigt werden könne. Die Anforderungen an die ein-<br />
zusetzenden Filter seien unabhängig von der Kontaminationsgefahr von au-<br />
ßen nach der DIN EN 7789 in verschiedene Filterklassen eingeteilt. Eine we-<br />
sentliche Änderung der Kontaminationsgefahr durch Auflösung von Schad-<br />
stoffen im Wasser und damit eine mikrobiologische oder geschmackliche<br />
Beeinträchtigung des Trinkwassers werde nicht gesehen. Eine Abluftreini-<br />
gungsanlage am Schweinestall, die bis zu 90 % der Schadstoffe aufnehme,<br />
führe wegen der geringen Erhöhung der Schadstoffkonzentration zu keiner<br />
anderen Betrachtungsweise.<br />
Der 1. Bürgermeister der Klägerin zu 4) hat erstmals in der mündlichen Ver-<br />
handlung vom 19. Oktober 2010 die Befürchtung geäußert, dass coliforme<br />
Keime, die den Stall über die Abluft verließen, durch die Luft weitergetragen<br />
würden und so in das Wasserwerk eingetragen werden könnten. Dafür, dass<br />
sich coliforme Keime über einen derart weiten Weg in der Luft bis hin zum<br />
Wasserwerk ausbreiten würden, sind aber nicht die geringsten Anhaltspunkte<br />
ersichtlich. So hat denn auch der Vertreter des Beklagten hierzu vorgebracht,<br />
dass der Eintrag coliformer Keime über den Boden in das Grundwasser we-<br />
sentlich wahrscheinlicher sei. Dies zeigt auch die Aussage des Staatlichen<br />
Gesundheitsamtes vom 24. August 2007, wonach der vom Wasserwerk der<br />
W*****er Gruppe genutzte Grundwasserleiter punktuell mikrobiologisch ver-<br />
unreinigt und mit Fäkalkeimen belastet ist.<br />
4.2.<br />
Gefährdung des Grundwassers durch Gülleausbringung:<br />
Die Klägerseite hat des Weiteren die Befürchtung geäußert, dass bei Auftre-<br />
ten von Starkregen die auf den landwirtschaftlichen Flächen im Einzugsbe-<br />
reich der Trinkwasserquellen des Zweckverbandes aufgebrachte Gülle aus<br />
den gedüngten Grundstücken ausgeschwemmt und über das Oberflächen-<br />
wasser dem Bach S*** und über diesen den Trinkwasserquellen zugeführt
59<br />
werden könne. Dies kann jedoch nicht dem Bauvorhaben des Beigeladenen<br />
entgegen gehalten werden. Denn es handelt sich hierbei um eine Fragestel-<br />
lung, die sich ganz allgemein in der Landbewirtschaftung stellt und die im<br />
Rahmen der Ausweisung eines (Wasser-)Schutzgebietes, also beim Erlass<br />
der entsprechenden Rechtsverordnung, einer Lösung zuzuführen ist. So hat<br />
denn auch das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen in seiner Stellungnah-<br />
me vom 30. Juli 2007 geäußert, dass die Ausbringung von organischem<br />
Dünger in den Wasserschutzgebieten in den jeweiligen Schutzgebietsver-<br />
ordnungen geregelt und zu beachten sei. Wenn hier die von Klägerseite vor-<br />
getragenen Bedenken gerechtfertigt sein sollten, wären gegebenenfalls die<br />
Grenzen des Wasserschutzgebietes weiter zu ziehen oder die erforderlichen<br />
Beschränkungen in die Verordnung aufzunehmen.<br />
4.3.<br />
Beschädigung des Weges bzw. der Leitungen:<br />
Schließlich wird von Seiten der Kläger zu 4) und 5) noch vorgebracht, dass<br />
das Wasserwerk verkehrsmäßig über den Gemeindeweg Fl.Nr. *036 der<br />
Gemeinde W***** erschlossen sei und bei einer Benutzung durch schwere<br />
Fahrzeuge der Weg, wie auch die im Weg verlegten Wasserleitungen schwer<br />
beschädigt werden könnten. Hierzu bleibt lediglich festzuhalten, dass es sich<br />
bei der Beschädigung des Weges bzw. der Leitungen nicht um ein öffentlich-<br />
rechtliches, sondern um ein zivilrechtliches Problem handelt. Im Übrigen darf<br />
der gemeindliche Weg entsprechend seiner straßenrechtlichen Klassifizie-<br />
rung benutzt werden.<br />
5.<br />
Schädliche Umwelteinwirkungen durch Ammoniak:<br />
Von Seiten des Klägers zu 1) wird im Wesentlichen eine Schädigung des in<br />
ca. 70 m in südlicher bzw. südwestlicher Richtung an das geplante Bauvor-<br />
haben anschließenden Waldgrundstücks durch Ammoniakeintrag befürchtet.<br />
5.1.
60<br />
Die einem privilegierten Vorhaben entgegenstehenden öffentlichen Belange<br />
können sich aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ergeben, wenn das Vorha-<br />
ben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Schädliche Umwelt-<br />
einwirkungen liegen auch dann vor, wenn die von dem Stall ausgehende<br />
Ammoniakbelastung den in der Nähe befindlichen Wald schädigen kann.<br />
Es kann hier offen bleiben, ob im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens für<br />
eine Bebauungsgenehmigung der Anwendungsbereich der TA Luft eröffnet<br />
ist. Nach Nr. 1 Abs. 5 der TA Luft sollen die in Nr. 4 festgelegten Grundsätze<br />
zur Ermittlung und Maßstäbe zur Beurteilung von schädlichen Umwelteinwir-<br />
kungen herangezogen werden, soweit im Hinblick auf die Pflichten der<br />
Betreiber von nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 22 Abs. 1 Nrn.<br />
1 und 2 BImSchG zu beurteilen ist, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch<br />
Luftverunreinigungen vorliegen. Soweit jedenfalls in verwaltungsrechtlichen<br />
Vorschriften Begriffe verwandt werden, die in der TA Luft konkretisiert wer-<br />
den, beispielsweise der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 35<br />
Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, kann die TA Luft herangezogen werden. Ziffer 4<br />
enthält eine „auch die Gerichte bindende Konkretisierung des Begriffs der<br />
schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen“ (so Land-<br />
mann/Rohmer, Umweltrecht, 2010, TA Luft Nr. 1, RdNr. 16; Hansmann, Die<br />
neue TA Luft, NVwZ 2003, 268).<br />
5.2.<br />
Ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher<br />
Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme durch die<br />
Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist, ist dabei gemäß Nr. 4.4.2<br />
(Satz 3) der TA Luft nach Nr. 4.8 der TA Luft zu prüfen, da in Nr. 4.4 der<br />
TA Luft für Ammoniak kein Immissionswert festgelegt ist.<br />
Nach Nr. 4.8 der TA Luft ist eine Prüfung, ob schädliche Umwelteinwirkungen<br />
hervorgerufen werden können, erforderlich, wenn hierfür hinreichende An-<br />
haltspunkte bestehen. Gemäß Absatz 5 Satz 1 der Nr. 4.8 der TA Luft ist bei<br />
der Prüfung, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung<br />
empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoni-
61<br />
ak gewährleistet ist, Anhang 1 Abbildung 4 der TA Luft heranzuziehen. Die<br />
Berechnung des nötigen Abstandes zwischen dem Mastschweinestall und<br />
dem Wald wurde hinsichtlich des ursprünglichen Antrags von 1.499 Mast-<br />
schweinen vom Amt für Landwirtschaft und Forsten B** ******** **** *****<br />
vorgenommen. Dieses kommt in der Stellungnahme vom 26. April 2007 be-<br />
reits unter Berücksichtigung der bayerischen Mindestabstandsformel dazu,<br />
dass bei „dem geplanten Stallneubau mit ca. 1.499 Schweinemastplätze“ ein<br />
Mindestabstand von 262 m zu empfindlichen Ökosystemen (Wald) einzuhal-<br />
ten sei. Es berechne sich eine Waldfläche von 0,5 ha, welche einer Belas-<br />
tung mit mehr als 10 µg/m³ ausgesetzt wäre. Hinsichtlich des geänderten An-<br />
trags, nämlich bei einer Tierzahl von 1.000 Mastschweinen errechnet sich<br />
nach Anhang 1 Abbildung 4 der TA Luft ein Mindestabstand von 348 m zu<br />
empfindlichen Ökosystemen. Tatsächlich wird aber nur ein Abstand von ca.<br />
70 m zum Wald des Klägers zu 1) eingehalten.<br />
Die Unterschreitung dieses Mindestabstandes gibt somit zunächst einen An-<br />
haltspunkt für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch die Schädigung<br />
empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoni-<br />
ak (vgl. Ziffer 4.8., Absatz 5 Satz 2 der TA Luft).<br />
5.3.<br />
Derartige Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile sind gemäß<br />
Absätzen 1 und 2 zu Anhang 1 Abbildung 4 der TA Luft trotz Unterschreitens<br />
dieses Mindestabstandes gleichwohl dann nicht gegeben, wenn über eine<br />
Ausbreitungsrechnung nach Anhang 3 der TA Luft unter Berücksichtigung<br />
der Haltungsbedingungen nachgewiesen wird, dass bei einem geringeren als<br />
nach Abbildung 4 des Anhang 1 zu ermittelnden Abstand an keinem maß-<br />
geblichen Beurteilungspunkt eine Zusatzbelastung für Ammoniak von<br />
3 µg/m³ und eine Gesamtbelastung an Ammoniak von 10 µg/m³ nicht über-<br />
schritten wird.<br />
Diesen Verfahrensschritt hat der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom<br />
20. April 2010 sowie der vom Kläger zu 1) mit der Erstellung einer fachlichen<br />
Stellungnahme beauftragte Diplomforstingenieur ****** S******** nicht gese-
hen. Denn diese leiten die maximale Tierplatzzahl von 200 bei einem Ab-<br />
stand von 90 m zum Wald anhand der Mindestabstandsformel nach Abbil-<br />
62<br />
dung 4 des Anhangs 1 der TA Luft bzw. der „<strong>Bayerische</strong>n Mindestabstands-<br />
formel“ (vgl. Schreiben des Bayer. Staatsministeriums für Landwirtschaft und<br />
Forsten vom 26.02.2004 und vom 29.10.2003) ab. Sowohl nach der TA Luft<br />
(Abbildung 4 des Anhangs 1) als auch nach der dem Schreiben vom 29. Ok-<br />
tober 2003 in Anlage beigefügten „Handreichung des <strong>Bayerische</strong>n Staatsmi-<br />
nisteriums für Landwirtschaft und Forsten, Referat Landtechnik, Bauen und<br />
Energieversorgung in Zusammenarbeit mit der <strong>Bayerische</strong>n Landesanstalt<br />
für Landwirtschaft, Institut für Landtechnik, Bauwesen und Umwelttechnik<br />
und dem <strong>Bayerische</strong>n Landesamt für Umweltschutz“ (Handreichung) zur An-<br />
wendung der TA Luft in <strong>Bayern</strong> bei Stellungnahmen zum Waldabstand ge-<br />
genüber landwirtschaftlichen Tierhaltungsanlagen ist bei einer Nichteinhal-<br />
tung der Mindestabstände nach der Abstandsformel bzw. der Bayer. Min-<br />
destabstandsformel eine Ausbreitungsrechnung nach Anhang 3 der TA Luft<br />
bzw. Schritt 5 des Ablaufschemas der „Handreichung“ der letzte Schritt zur<br />
Ermittlung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Ammoniak. Dieser letzte<br />
Schritt wurde hier vom Kläger zu 1) und von dem von ihm mit der Erstellung<br />
einer gutachterlichen Stellungnahme beauftragten Diplomforstingenieur<br />
S******** nicht erkannt, wie sich in der mündlichen Verhandlung vom<br />
19. Oktober 2010 deutlich gezeigt hat.<br />
5.4.<br />
Das Ingenieurbüro L******* hat mit seinem Gutachten vom November 2008<br />
eine solche Ausbreitungsrechnung nach Anhang 3 der TA Luft vorgelegt.<br />
Diese zeigt bei einer Tierzahl von 1.000 Mastschweinen, dass eine Zusatz-<br />
belastung (also eine maximale Ammoniakimmission durch das Vorhaben des<br />
Beigeladenen) von 3 µg/m³ an keinem maßgeblichen Bezugspunkt, auch<br />
nicht im Wald des Klägers zu 1), überschritten wird. Unter Berücksichtigung<br />
der in <strong>Bayern</strong> anzusetzenden Vorbelastung von 3 µg/m³ (vgl. Ziffer 5 der<br />
„Handreichung“) und der mittels Ausbreitungsrechnung bestimmten maxima-<br />
len Zusatzbelastung von 3 µg/m³ errechnet sich eine maximale Gesamtbe-<br />
lastung von maximal 6 µg/m³ am Waldrand, so dass auch die in der TA Luft<br />
vorgegebene Gesamtbelastung von 10 µg/m³ unterschritten wird. Damit sind
63<br />
aber nach den Absätzen 1 und 2 der Abbildung 4 des Anhangs 1 der TA Luft<br />
keine Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Schädi-<br />
gung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme auf Grund der Einwirkung von<br />
Ammoniak gegeben.<br />
5.5.<br />
Die von der Klägerseite gegen Inhalt und Methode der Ammoniakimmissi-<br />
onsprognose erhobenen Einwände, so im Wesentlichen in den Schriftsätzen<br />
des Klägerbevollmächtigten vom 30. Januar 2009 und vom 20. April 2010<br />
und in der gutachterlichen Stellungnahme durch den Dipl.-Meteorologen<br />
R****** (iMA) vom 27. Januar 2009 und vom 16. September 2010 können<br />
das vom Büro L******* erstellte Gutachten nicht erschüttern. Das Büro<br />
L******* hat unter dem 8. Juni 2010 und unter dem 7. Oktober 2010 ergän-<br />
zende Stellungnahmen abgegeben. Die Anhörung der Gutachter Dr. Ing.<br />
L******* und Dipl.-Geoökologin Sö**** sowie Dipl.-Meteorologen R****** in<br />
der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2010 haben nach Überzeu-<br />
gung der Kammer ergeben, dass keine Zweifel an der Ammoniakimissi-<br />
onsprognose angebracht sind. Im Einzelnen:<br />
5.5.1<br />
Die Kammer teilt die Bedenken des Klägerbevollmächtigten nicht, dass ein<br />
20 %iger Abschlag wegen Stickstoff angepasster Fütterung nicht gerechtfer-<br />
tigt sei und dass es sich insoweit um eine bloße Absichtserklärung des Bei-<br />
geladenen handele und der Vorbescheid insoweit nicht hinreichend bestimmt<br />
sei.<br />
Die Ammoniakemissionen errechnen sich aus den Angaben der Tabelle 11 in<br />
Anhang 1 der TA Luft. Bei einer Mastschweinehaltung mit Zwangsentlüftung<br />
und Flüssigmistverfahren – wie hier vorgesehen – wird ein Emissionsfaktor<br />
von 3,64 kg NH3 je Tierplatz und Jahr zugrunde gelegt. Nach der amtlichen<br />
Anmerkung hierzu können auf der Grundlage plausibler Begründungen (z.B.<br />
Messberichte, Praxisuntersuchungen) abweichende Emissionsfaktoren zur<br />
Berechnung herangezogen werden, wenn die Anlagen zum Halten oder zur<br />
Aufzucht von Nutztieren wesentlich in Bezug auf Tierart, Nutzungsrichtung,
64<br />
Aufstallung, Fütterung oder Wirtschaftsdüngerlagerung von den in Tabelle 11<br />
genannten Verfahren abweichen. Nach der Studie des Kuratoriums für Tech-<br />
nik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) „Handhabung der TA Luft<br />
bei Tierhaltungsanlagen“ wird bei einer Stickstoff angepassten Fütterung in<br />
Mehrphasenfütterung eine mittlere Reduktion von 20 % zugrundegelegt. Dies<br />
wird auch bestätigt durch das Schreiben des <strong>Bayerische</strong>n Staatsministeriums<br />
für Landwirtschaft und Forsten vom 29. Oktober 2003, das in der als Anlage<br />
beigefügten Handreichung „Minderungspotentiale für Ammoniakemissionen<br />
aus Schweineställen bezogen auf die Emissionsfaktoren – aus KTBL 2003,<br />
ergänzt“ aufgezeigt hat und hierbei ebenfalls von einem 20 %igen Abschlag<br />
ausgeht. Dass das Gutachterbüro L******* diesen Abschlag hier bei der Be-<br />
rechnung der Ammoniakemissionen zu Grunde gelegt hat, ist mithin nicht zu<br />
beanstanden.<br />
Die weiteren Bedenken des Klägerbevollmächtigten sind bereits deshalb<br />
nicht berechtigt, weil der Ergänzungsbescheid vom 20. März 2009 unter Zif-<br />
fer 8. Buchst. e) explizit die Auflage enthält, dass die Haltung „bei Stickstoff<br />
angepasster Fütterung zu erfolgen“ habe. Von einer bloßen Absichtserklä-<br />
rung oder mangelnden Bestimmtheit kann mithin nicht gesprochen werden.<br />
5.5.2.<br />
Der Klägerbevollmächtigte hat schriftsätzlich erhebliche Zweifel an der Über-<br />
tragbarkeit der Windverhältnisse von der Wasserkuppe auf das Untersu-<br />
chungsgebiet geäußert und des Weiteren vorgebracht, dass die Ammoniak-<br />
immissionen in der Umgebung nicht realistisch prognostiziert worden seien,<br />
insbesondere die Immissionen für den südlich gelegenen Wald deutlich un-<br />
terschätzt und der Einfluss von Kaltluftabflüssen auf den Wald nicht geprüft<br />
worden sei.<br />
Die Kammer teilt – unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahmen<br />
des Gutachterbüros L******* und der Anhörung der Gutachter L*******, Sö****<br />
und R****** in der mündlichen Verhandlung – die Bedenken der Klägerseite<br />
nicht. Es kann hier nicht davon gesprochen werden, dass die Winddaten von<br />
der Wasserkuppe 1 zu 1 übertragen worden seien, diese wurden vielmehr
65<br />
auf die örtliche Situation angepasst, die Topographie und die geringere Höhe<br />
wurden berücksichtigt. Der vom Kläger zu 1) beauftragte Gutachter, Herr<br />
R******, hat im Übrigen in seiner schriftlichen Stellungnahme lediglich darge-<br />
legt, dass mathematische Modelle in der Regel Schwierigkeiten hätten, To-<br />
pographien, wie hier gegeben, nachzubilden. Er hat dabei auf den Windro-<br />
senatlas von Hessen Bezug genommen, der eine abweichende Verteilung<br />
der Windrichtungen aufweise, nämlich aus Südost bzw. Nordwest, während<br />
nach den vom Büro L******* verwendeten Daten die Hauptwindrichtung bei<br />
Winden aus Südwest und ein zweites Maximum bei Winden aus Osten lä-<br />
gen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Juni 2010 hat das Ingeni-<br />
eurbüro L******* darauf hingewiesen, dass sich bei der von ihm bzw. vom<br />
Deutschen Wetterdienst (DWD) verwendeten Windstatistik hinsichtlich der<br />
Windgeschwindigkeit in einer Messhöhe von 10 m eine gute Übereinstim-<br />
mung gezeigt habe (L*******: 3,3 m/s, DWD: 3,5 m/s). Gleiches gelte für die<br />
Verteilung der Stabilitätsklassen. Einzig bei der Windrichtungsverteilung hät-<br />
ten sich gewisse Abweichungen ergeben. Das Hauptmaximum liege überein-<br />
stimmend im Sektor West bis Südwest. Es ergebe sich aber eine Abwei-<br />
chung beim sekundären Maximum (L*******: Ost, DWD: Südost). Die vom<br />
Gutachten des Ingenieurbüros L******* verwendete Windrichtungsverteilung<br />
werde als geeigneter eingeschätzt. Der Meteorologiedatensatz des DWD<br />
lasse bzgl. der Beurteilung des Waldes südlich des Standorts sehr ähnliche<br />
Ergebnisse erwarten, die ebenfalls auf keine Überschreitung der zulässigen<br />
Zusatzbelastung gemäß Anhang 1 der TA Luft schließen ließen. Mit ergän-<br />
zender Stellungnahme vom 7. Oktober 2010 machte das Büro L******* darauf<br />
aufmerksam, dass eine weitere Ausbreitungsrechnung unter Verwendung<br />
der Ausbreitungszeitreihe Würzburg ergeben habe, dass am Waldrand und<br />
in den nördlichen Biotopen (am jüdischen Friedhof) die Irrelevanzschwelle<br />
einer Zusatzbelastung von 3 µg/m³ nicht überschritten werde. Herr R******<br />
erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass durch diese zwischenzeitlich<br />
vorliegenden ergänzenden Äußerungen seine ursprünglichen Bedenken be-<br />
züglich der Übertragbarkeit der Windverhältnisse der Wasserkuppe auf das<br />
hier maßgebliche Gebiet ausgeräumt seien und er eine Notwendigkeit zu<br />
temporären Windmessungen wegen der Ammoniakbelastung nicht (mehr)<br />
sehe. Schließlich hat Herr R****** auf Frage des Gerichts erklärt, dass ihm
Kaltluftabflüsse Richtung Süden bzw. Südwesten, also zum Wald des Klä-<br />
gers zu 1) als „eher nicht denkbar“ erschienen. Auch vom Gutachter Dipl.<br />
66<br />
Met. W***** (TÜV Süd) wurde diese Einschätzung bestätigt.<br />
5.5.3<br />
Auch die zunächst von Herrn R****** geäußerten Bedenken dahingehend,<br />
dass die Gebäudeeinflüsse auf die Ausbreitung nicht berücksichtigt worden<br />
seien, sind zwischenzeitlich ausgeräumt.<br />
Nach Ziffer 10 Satz 1 des Anhangs 3 der TA Luft sind Einflüsse von Bebau-<br />
ung auf die Immission im Rechengebiet zu berücksichtigen. Beträgt die<br />
Schornsteinbauhöhe mehr als das 1,2 fache, aber weniger als das 1,7 fache<br />
(wie hier: Gebäudehöhe 6 m, Schornsteinbauhöhe: 7,50 m) und ist eine freie<br />
Abströmung gewährleistet, können die Einflüsse mit Hilfe eines diagnosti-<br />
schen Windfeldmodells für Gebäudeumströmung berücksichtigt werden (Zif-<br />
fer 10 Satz 2 Buchst. b). Hier hat Herr R****** in seiner gutachterlichen Stel-<br />
lungnahme vom 27. Januar 2009 darauf hingewiesen, dass die vier Abluft-<br />
kamine im Modell als Punktquellen, die eine Höhe von 7,5 m besäßen, be-<br />
rücksichtigt worden seien, was sich aus der log-Datei auf Seite 16 des Gut-<br />
achtens L******* und hier der Zeile „>hq“ ergebe. Zwischenzeitlich hat aber<br />
das Büro L******* mit Stellungnahme vom 7. Oktober 2010 mitgeteilt, dass<br />
eine weitere Ausbreitungsrechnung unter sog. „Quellverschmierung“ (d.h.<br />
Quellhöhe 0 m und Quellerstreckung von 0 m bis 7,5 m) vorgenommen wor-<br />
den sei. Diese Quellverschmierung stelle – so übereinstimmend Frau Sö****<br />
wie auch Herr R****** in der mündlichen Verhandlung – einen konservativen<br />
Ansatz der Quellenmodellierung dar. Auch bei diesem konservativen Ansatz<br />
werde – so Frau Sö**** – am Waldrand die Irrelevanzschwelle von 3 µg/m³<br />
nicht überschritten. Frau Sö**** hat in der mündlichen Verhandlung weiter er-<br />
läutert, dass durch die Kombination von vier Schornsteinen eine höhere ef-<br />
fektive Schornsteinhöhe erreicht werde als die Bauhöhe. Schließlich hat der<br />
vom Kläger zu 1) beauftragte Gutachter R****** in der mündlichen Verhand-<br />
lung erklärt, dass aus seiner Sicht die zunächst geäußerten Bedenken hin-<br />
sichtlich der Nichtberücksichtigung der Gebäudeeinflüsse ausgeräumt seien.
6.<br />
Schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen (Ortslagen<br />
Ne******* und W*****):<br />
67<br />
Von den Klägerinnen zu 2) und 4) werden unzumutbare Geruchsbeeinträch-<br />
tigungen in den Ortslagen von Ne******* und W***** und insbesondere in den<br />
dort vorhandenen kommunalen Gebäuden befürchtet.<br />
6.1.<br />
Maßgebliche Norm des Bauplanungsrechts ist insoweit § 35 Abs. 3 Satz 1<br />
Nr. 3 BauGB. Der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen in der Nr. 3<br />
ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der Konkretisierung bedarf. Ob-<br />
jektive gesetzliche Regelungen, die verbindlich zu beachten wären, gibt es<br />
zu der Frage, wann ein Geruch eine unzumutbare Beeinträchtigung darstellt,<br />
nicht. Für die Ermittlung und Bewertung, ob eine nicht genehmigungspflichti-<br />
ge Anlage, für die die TA Luft deshalb nicht gilt, unzumutbare Gerüche emit-<br />
tiert, gibt es auch keine untergesetzlich zwingend zu beachtenden Vorschrif-<br />
ten. Die Verwaltungspraxis und auch die <strong>Verwaltungsgerichtsbarkeit</strong> ziehen<br />
deshalb unter Beachtung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls<br />
rechtlich unverbindliche technische Regelwerke heran, die das Spannungs-<br />
feld zwischen hinzunehmenden Beeinträchtigungen und erheblichen Belästi-<br />
gungen regeln (vgl. OVG Münster, U.v. 28.10.2005, 7 D 17/04.NE; OVG Lü-<br />
neburg, U.v. 12.11.2008, 12 LB 17/07; beide ).<br />
6.2<br />
Hierzu zählt vorrangig – soweit es Geruchsimmissionen aus Schweineställen<br />
anbetrifft – die VDI-Richtlinie 3471 (Emissionsminderung Tierhaltung –<br />
Schweine). Diese enthält nähere Vorgaben, und in Ziffer 3.2 Mindestab-<br />
standsregelungen für den von der Anlage zur nächsten Wohnbebauung ein-<br />
zuhaltenden Abstand.<br />
Das Vorgehen bei der Prüfung von emittierenden Tierhaltungsanlagen, die<br />
nicht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungspflichtig sind,<br />
besteht darin, die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch
Gerüche erforderlichen Mindestabstände zur nächsten Wohnbebauung zu<br />
68<br />
ermitteln. Dies erfolgt bei der Schweinehaltung auf der Basis der Richtlinie<br />
VDI 3471. Die Richtlinie ist so konzipiert worden, dass unter Einsatz entspre-<br />
chend geeigneter Probanden die Wahrnehmungsschwelle der Gerüche be-<br />
stimmt wurde und die so ermittelten Abstände verdoppelt wurden. Daher<br />
sieht sie ohne Verminderung des Schutzniveaus eine mögliche Halbierung<br />
des ermittelten Mindestabstandes gegenüber Dorfgebieten und Wohnhäu-<br />
sern im Außenbereich vor (Nr. 3.2.3.2). Die Einhaltung der Abstände ist in<br />
der Regel ein Indiz dafür, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen auf-<br />
treten.<br />
Die in dieser VDI-Richtlinie vorgeschriebenen Mindestabstände zur Wohnbe-<br />
bauung bezeichnen die Zumutbarkeitsgrenze. Die VDI-Richtlinie sieht in Zif-<br />
fer 3.2.1 unter Absatz 5 bei besonderen Standorteinflüssen einen Zu- oder<br />
Abschlag von insgesamt höchstens 20 Punkten vor. Der Umweltingenieur<br />
des Landratsamtes Rhön-Grabfeld hat das auf 1.000 Mastschweine reduzier-<br />
te Projekt in seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 2008 beurteilt und mit<br />
den Eingangsgrößen 140 Großvieheinheiten und 80 Punkte (unter Berück-<br />
sichtigung von Kaltluftabflüssen) nach der VDI 3471 eine Mindestentfernung<br />
von 295 m zu einem Wohn- oder Mischgebiet, bzw. von 150 m (gerundet) zu<br />
einem Dorfgebiet errechnet. Damit sei sowohl der Abstand zu den vorhande-<br />
nen oder im Flächennutzungsplan dargestellten Baugebieten von W***** und<br />
Ne******* als auch der Abstand zu dem Wohnhaus auf dem Aussiedlerhof<br />
eingehalten. Hier beträgt der Abstand zwischen dem geplanten Vorhaben<br />
und der nächsten Bebauung in Ne******* ca. 850 m, zu der nächsten Bebau-<br />
ung in W***** ca. 380 m, zu dem im Flächennutzungsplan von W***** darge-<br />
stellten Baugebiet ca. 335 m. Somit ist hier der Wohngebietsabstand ein-<br />
gehalten. Zu dem Wohnhaus auf dem ehemaligen Aussiedlerhof T****** liegt<br />
ein Abstand von ca. 170 m vor. Nach Ziffer 3.2.3.2. der VDI Richtlinie 3471<br />
reicht für Wohnhäuser im Außenbereich, wie in Dorfgebieten, der halbe Ab-<br />
stand, der hier auch eingehalten ist. Nach der Berechnung anhand der Richt-<br />
linie VDI 3471 liegen mithin keine Anhaltspunkte dafür vor, dass von dem<br />
Vorhaben des Beigeladenen schädliche Umwelteinwirkungen durch Ge-
69<br />
ruchsstoffimmissionen auf die Umgebungsbebauung in den Ortslagen W*****<br />
und Ne******* einwirken würden.<br />
6.3.<br />
Schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsstoffimmissionen auf die<br />
Ortslagen von Ne******* und W***** (einschließlich Anwesen T******) liegen<br />
aber auch nach dem im Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigen-<br />
gutachten, nämlich der Geruchsausbreitungsrechnung nach der Geruchsim-<br />
missions-Richtlinie (GIRL) nicht vor:<br />
6.3.1.<br />
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass für die Frage, wann die bei einer<br />
Schweinehaltung unvermeidbar auftretenden Geruchsimmissionen den Grad<br />
der erheblichen Belästigung erreichen, auf die Richtlinie VDI 3471 als Ent-<br />
scheidungs- und Orientierungshilfe zurückgegriffen werden kann (vgl.<br />
BayVGH, U.v. 01.07.2005, 25 B 99.86; U.v. 17.09.2007, 15 BV 07.142; beide<br />
). Die prognostische Beurteilung nach der VDI-Richtlinie 3471 führt in<br />
der Regel zu zuverlässigen Ergebnissen, denn die Einhaltung der aufgrund<br />
des Vorsorgegrundsatzes nach betrieblichen Merkmalen entwickelten Ab-<br />
stände ist der genannten Rechtsprechung zufolge ein Indiz dafür, dass keine<br />
schädlichen Umwelteinwirkungen auftreten. Es ist in der Regel ausreichend,<br />
den Abstand, den eine Schweinestallanlage von der Wohnbebauung einzu-<br />
halten hat, nach dem Abstandsdiagramm der VDI-Richtlinie 3471 zu bemes-<br />
sen. Eine zusätzliche Anwendung der GIRL ist nicht geboten (BayVGH in st.<br />
Rspr., vgl. bspw. U.v. 17.09.2007, a.a.O.; vgl. auch OVG Lüneburg, B.v.<br />
15.12.2006, 2 B 278/06, ).<br />
Mit Beweisbeschluss vom 25. Juni 2009 hat die Kammer die TÜV Süd In-<br />
dustrie Service GmbH, M******* (TÜV Süd GmbH), mit der Erstellung einer<br />
Geruchsausbreitungsrechnung nach der Geruchsimmissions-Richtlinie<br />
(GIRL) zur Frage beauftragt, ob von dem Vorhaben des Beigeladenen<br />
schädliche Umweltauswirkungen durch Geruchsimmissionen ausgehen, wo-<br />
bei auf Kaltluftabflüsse besonderes Augenmerk zu legen sei.
Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar<br />
70<br />
2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 wurde mittlerweile auch<br />
in <strong>Bayern</strong> vom <strong>Bayerische</strong>n Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und<br />
Verbraucherschutz (BayStMUGV) als Erkenntnisquelle für den Vollzug, ins-<br />
besondere für schwierige Einzelfälle eingeführt (Schreiben des BayStMUGV<br />
vom 13.02.2009) und ist auch von den Bayer. Verwaltungsgerichten aner-<br />
kannt (siehe BayVGH, U.v. 14.07.2006, 22 ZB 05.1601, ; VG Würz-<br />
burg, U.v. 22.07.2008, W 4 K 07.1208 und U.v. 26.04.2005, W 4 K 04.914;<br />
beide ). Bei der GIRL handelt es sich – wie auch bei der VDI 3471 –<br />
nicht um Rechtsquellen, sondern um technische Normen, die auf den Er-<br />
kenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit<br />
die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generel-<br />
len Sachverständigengutachten haben (BVerwG, B.v. 07.05.2007, 4 B 5/07;<br />
OVG Münster, U.v. 20.09.2007, 7 A 1434/06; beide ). Die GIRL ver-<br />
sucht, die Beeinträchtigung durch Gerüche mit einem Ausbreitungsmodell zu<br />
erfassen und bewertet die Zumutbarkeit von Gerüchen unter Berücksichti-<br />
gung der Hedonik des Geruchs und der besonderen Umstände des Einzel-<br />
falls anhand einer prozentualen Schätzung der Jahresstunden, in denen die<br />
Gerüche auf die benachbarte Bebauung einwirken. Eine „volle“ Geruchs-<br />
stunde wird bereits bei jeder positiven Einzelmessung, wenn also während<br />
mindestens 10 v.H. der Zeit (Geruchszeitanteil) Geruchsimmissionen erkannt<br />
werden (vgl. Nr. 4.4.7 der GIRL), angenommen.<br />
6.3.2.<br />
Der mit der Erstellung des Gutachtens beauftragte TÜV Süd gelangt zum Er-<br />
gebnis, dass die Immissionswerte der GIRL an allen relevanten Beurteilungs-<br />
flächen eingehalten sind, so dass aus fachtechnischer Sicht mit keinen<br />
schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß § 1 BImSchG zu rechnen ist. Am<br />
Ortsrand von Ne******* lägen die Werte unterhalb von 10 %. Das Wohnhaus<br />
T****** liege auf zwei Flächen (19 % und 16 %). Am Ortsrand von W*****<br />
seien Häufigkeiten von maximal 12 % der Jahresstunden berechnet worden.<br />
Somit werde der Beurteilungswert von 15 % für Dorfgebiete nicht überschrit-<br />
ten. Im größten Teil von W***** werde sogar der Beurteilungswert für Wohn-<br />
und Mischgebiete von 10 % der Jahresstunden eingehalten. Am jüdischen
71<br />
Friedhof seien maximal 8 % Geruchshäufigkeiten berechnet worden. Bei der<br />
Ermittlung der Gesamtbelastung sei die Vorbelastung mit berücksichtigt wor-<br />
den.<br />
6.3.3.<br />
Nach Auffassung der Kammer sind nach der vom TÜV Süd vorgelegten Aus-<br />
breitungsrechnung an den maßgeblichen Immissionsorten keine unzulässi-<br />
gen Geruchshäufigkeiten zu erwarten. Im Einzelnen:<br />
Nach Ziffer 1 der GIRL werden zur Ermittlung der Erheblichkeit der Ge-<br />
ruchseinwirkung in dieser Richtlinie in Abhängigkeit von verschiedenen Nut-<br />
zungsgebieten Immissionswerte als regelmäßiger Maßstab für die höchstzu-<br />
lässige Geruchsimmission festgelegt. Nach der Tabelle 1 unter Ziffer 3.1 der<br />
GIRL (Immissionswerte IW für verschiedene Nutzungsgebiete) ist in<br />
Wohn-/Mischgebieten ein Immissionswert (IW) von 0,10, in Gewerbe-/Indus-<br />
triegebieten ein IW von 0,15 und in Dorfgebieten ein solcher von 0,15 zuläs-<br />
sig. Dabei gilt der Immissionswert der Spalte Dorfgebiete nur für Geruchs-<br />
immissionen verursacht durch Tierhaltungsanlagen. Nach Ziffer 1 der GIRL<br />
ist der Immissionswert mit der Gesamtbelastung, die sich ergibt aus der vor-<br />
handenen Belastung und der zu erwartenden Zusatzbelastung, die wiederum<br />
durch eine Geruchsausbreitungsrechnung ermittelt wird, zu vergleichen.<br />
Für die Ortslage von Ne******* bleibt die Gesamtbelastung unterhalb von<br />
10 %. Somit kann offen bleiben, ob hier ein Dorfgebiet oder ein Wohn- bzw.<br />
Mischgebiet vorliegt. Es ist insoweit nicht von schädlichen Umwelteinwirkun-<br />
gen durch Geruchsimmissionen auszugehen.<br />
Gleiches gilt für das Wohnhaus T****** (Aussiedlerhof): Dieser liegt auf zwei<br />
Beurteilungsflächen, von denen eine mit 19 % und die andere mit 16 % Häu-<br />
figkeit von Geruchsstunden berechnet wurde. Nach Überzeugung der Kam-<br />
mer sind diese Werte hier noch hinnehmbar. Denn nach der Begründung und<br />
den Auslegungshinweisen zur GIRL, genauer zu Nr. 3.1 der GIRL, ist das<br />
Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren<br />
Schutzanspruch verbunden. Vor diesem Hintergrund ist es möglich, unter
72<br />
Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbe-<br />
urteilung im Außenbereich einen Wert bis zu 0,25 für landwirtschaftliche Ge-<br />
rüche heranzuziehen. Dies muss gerade hier gelten, nämlich in einer Situati-<br />
on, in der sich ursprünglich mehrere Aussiedlerbetriebe in räumlicher Nähe<br />
angesiedelt hatten und über Jahrzehnte den Betrieb ausgeübt haben und<br />
nun ein Betrieb aufgegeben wird. Selbst wenn hier unzulässige Geruchsim-<br />
missionen hinsichtlich dieses Aussiedlerhofes vorlägen – was nicht der Fall<br />
ist – könnte dies keiner der Klagen zum Erfolg verhelfen, weil hierdurch nicht<br />
die Kläger in ihren eigenen Rechten verletzt wären.<br />
In W***** werden in wesentlichen Teilen der Ortschaft, auch in dem Bauge-<br />
biet und auch in dem Bereich, in dem der Flächennutzungsplan eine ge-<br />
mischte Baufläche (Misch- oder Dorfgebiet) vorsieht, die Werte für ein Wohn-<br />
gebiet (0,10) eingehalten. Lediglich am westlichen Ortsrand wird auf den<br />
Grundstücken – bzw. nur auf Teilen hiervon – Fl.Nr. *35 (11,0 % bzw.<br />
11,8 %), Fl.Nr. *39 (10,2 %), Fl.Nr. *37 (10,9 %), Fl.Nr. *37/3 (10,6 %) und<br />
Fl.Nr. *48 (10,5 %) die Werte für ein Wohngebiet (knapp) überschritten. Nach<br />
der Begründung und den Auslegungshinweisen zur GIRL, nämlich zu Nr. 3.1<br />
der GIRL, kann beim Übergang vom Außenbereich zur geschlossenen<br />
Wohnbebauung – wie hier – in begründeten Einzelfällen ein Zwischenwert<br />
gebildet werden. Hierbei kann ein solcher bis maximal 0,15 zur Beurteilung<br />
herangezogen werden. Dies hat bereits das Oberverwaltungsgericht Münster<br />
entscheiden (vgl. U.v. 26.04.2007, 7 D 4/07.NE, ). Des Weiteren ist<br />
auch eine Zwischenwertbildung möglich, wenn sich – wie hier – ein Dorf zum<br />
Wohngebiet entwickelt hat. Hier zeigt sich deutlich anhand der gegebenen,<br />
aufgelockerten Bebauung, dass ein Übergangsbereich vom Außenbereich<br />
zur Siedlung gegeben ist. Dies hat im Übrigen die Klägerin zu 4) bisher auch<br />
so gesehen, denn sie hat im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens<br />
und eines Vorbescheidsverfahrens für je ein Wohnhaus auf dem Grundstück<br />
Fl.Nr. *37/1 dieses Grundstück dem Außenbereich gemäß § 35 BauGB zu-<br />
geordnet (vgl. Stellungnahme der Gemeinde W***** vom 09.11.2005 zum<br />
Vorbescheid vom 02.01.2006 und Stellungnahme der Gemeinde W***** vom<br />
25.07.2005 zur Baugenehmigung vom 01.08.2005). Entgegen der Auffas-<br />
sung des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 20. April 2010 ist hier
nicht der Beurteilungswert der GIRL für Mischgebiete anzusetzen und die<br />
73<br />
Einordnung des Gutachters ist auch nicht falsch. Es ist vielmehr sachgerecht,<br />
einen Zwischenwert zu bilden, eine Geruchsstundenhäufigkeit in dem hier<br />
gegebenen Randbereich einer dörflich geprägten Ortslage zwischen 10 %<br />
und 12 % erscheint im vorliegenden Bereich noch ohne Weiteres als zumut-<br />
bar.<br />
6.3.4.<br />
Die Klägerseite kann mit der von ihr gegen Inhalt und Methode der Geruchs-<br />
immissionsprognose des TÜV Süd vom 8. Februar 2010 wie auch gegen das<br />
DWD-Gutachten vom November 2009 vorgebrachten Einwände nicht durch-<br />
dringen. Der TÜV Süd hat unter dem 14. Juni 2010 eine ergänzende Stel-<br />
lungnahme abgegeben. Die Anhörung der Gutachter Dipl.-Met. W***** sowie<br />
Dipl.-Met. R****** in der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2010 ha-<br />
ben nach Überzeugung der Kammer ergeben, dass keine Zweifel an der Im-<br />
missionsprognose angebracht sind. Im Einzelnen:<br />
6.3.5.<br />
Meteorologische Messungen bzw. Übertragung der Daten:<br />
Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 20. April 2010 wurde gerügt,<br />
dass sich bereits aus dem DWD-Gutachten selbst ergebe, dass die Erstel-<br />
lung einer Ausbreitungsklassenzeitreihe nur bedingt und nur unter besonde-<br />
rer Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten vorgenommen werden kön-<br />
ne. Es liege auf der Hand, dass die Winddaten der Messstation Würzburg auf<br />
den Höhnberg nicht 1 zu 1 übertragen werden könnten. Es hätte vielmehr ei-<br />
ne langfristige Messung der Wetterdaten vor Ort durchgeführt werden müs-<br />
sen.<br />
Herr R****** kommt in der Stellungnahme vom 16. September 2010 hinsicht-<br />
lich der Übertragung der meteorologischen Daten zu der Einschätzung, dass<br />
die gewählte Vorgehensweise bei Immissionsprognosen üblich sei, wobei der<br />
DWD auch auf die Unsicherheiten verweise, die bei Verwendung der Station<br />
Würzburg aufträten.
74<br />
Nach der TA Luft hat die Ermittlung der Erheblichkeit einer Einwirkung in der<br />
Regel durch olfaktorische Feststellungen oder durch Geruchsausbreitungs-<br />
rechnung zu erfolgen (vgl. Ziffer 1 der GIRL). Letzteres wurde durch den Be-<br />
weisbeschluss der Kammer angeordnet. Diese Ermittlung der Zusatzbelas-<br />
tung ist auf der Basis der Richtlinie VDI 3788 Blatt 1, des Anhangs 3 der TA<br />
Luft und der speziellen Anpassungen für Geruch durchzuführen. Hinsichtlich<br />
der meteorologischen Daten sieht Ziffer 8.1 des Anhangs 3 der TA Luft in<br />
Satz 3 und 4 vor, dass für den Fall, dass keine Messungen am Standort der<br />
Anlage vorliegen, Daten einer geeigneten Station des Deutschen Wetter-<br />
dienstes oder einer anderen entsprechend ausgerüsteten Station zu verwen-<br />
den sind; die Übertragung dieser Daten auf den Standort der Anlage ist zu<br />
prüfen. Dies hat der DWD hier getan. Diese Vorgehensweise kann somit<br />
nicht beanstandet werden. Dass das hierbei vom DWD durchgeführte Ver-<br />
fahren der üblichen Vorgehensweise entspricht, hat auch der von der Kläge-<br />
rin zu 4) eingeschaltete Gutachter R****** sowohl in seiner Stellungnahme<br />
vom 16. September 2010 als auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt.<br />
Dass eine mehrjährige Messung die Verhältnisse am Standort besser be-<br />
schreibt, als eine Übertragung von einem anderen Standort, ist nicht zu<br />
bestreiten. Allerdings ist dieses sehr aufwändige Verfahren bei nicht nach<br />
dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen Anlagen un-<br />
üblich. Dass hier mehrmonatige oder gar mehrjährige Windmessungen am<br />
Standort W***** durchgeführt werden, hat das Gericht nicht verlangt, dies<br />
fordert weder die GIRL noch die TA Luft. Letztlich hat auch der von der Klä-<br />
gerin zu 4) beauftragte Sachverständige R****** in der mündlichen Verhand-<br />
lung schließlich explizit erklärt, dass er eine konkrete Langzeitmessung nur<br />
wegen der Kaltluftproblematik für angebracht halte, während die anderen<br />
Wetterdaten ausreichend gut in der Modellrechnung übertragen werden<br />
könnten.<br />
Es bleibt auch festzuhalten, dass der Gutachter TÜV Süd die Winddaten der<br />
Station Würzburg nicht 1 zu 1 auf den Standort W***** übertragen hat. Aus-<br />
weislich der ergänzenden Stellungnahme des TÜV Süd vom 14. Juli 2010 er-<br />
folgte die Übertragung vielmehr auf einem Punkt auf dem H***berg, der eine
75<br />
freie Lage aufweist, die dem Standort Würzburg entspricht. Dabei wurden die<br />
örtlichen Verhältnisse, nämlich die Orographie und Rauhigkeit, in der Aus-<br />
breitungsrechnung berücksichtigt. Dem Rechenlauf mit AUSTAL2000 wurde<br />
ein digitales Geländemodell zugrunde gelegt und auch die Windverhältnisse<br />
an die örtliche Situation angepasst. Die berechneten Ergebnisse erfüllen die<br />
Genauigkeit, die vom Gericht gefordert wurden.<br />
Soweit der Klägerbevollmächtigte rügt, dass es nicht ersichtlich sei, dass der<br />
Gutachter des TÜV Süd die vom DWD-Gutachter angesprochene spürbare<br />
lokale Beeinflussung des Windfeldes aufgegriffen und Schlussfolgerungen<br />
daraus gezogen hätte, kann dies nicht nachvollzogen werden. Vielmehr<br />
spricht nichts dafür, dass die Vorgaben des DWD hier nicht sachgerecht um-<br />
gesetzt worden wären. Der DWD-Gutachter kommt zu dem Schluss, dass für<br />
„den Standort W***** die Jahreszeitreihe aus Windrichtung, Windgeschwin-<br />
digkeit und Ausbreitungsklasse der Station Würzburg des Jahres 2001 ge-<br />
eignet“ ist. Nach Anhang 3 der TA Luft (Ziffer 8.2. bis 8.4) sind bei Ausbrei-<br />
tungsrechnungen nicht jede einzelne Windgeschwindigkeit und Windrichtung<br />
zu betrachten, sondern nur Windrichtungs-, Windgeschwindigkeits- und Aus-<br />
breitungsklassen. In der Ausbreitungsrechnung wird dann mit Mittelwerten<br />
gerechnet. Hierzu hat der TÜV Süd in seinem ergänzenden Gutachten vom<br />
14. Juni 2010 nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die Unterschiede<br />
zwischen dem Sollwert am Standort und dem Istwert der Station Würzburg<br />
nicht so groß sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Durch die Ver-<br />
wendung des diagnostischen Windfeldmodells „taldia“ würden zudem die<br />
Windgeschwindigkeiten entsprechend der Tallage angepasst, so dass hier<br />
niedrigere Windgeschwindigkeiten vorherrschten als auf dem H***berg. Auch<br />
die Beeinflussung der Windrichtungen aufgrund der Tallage werde durch das<br />
Windfeldmodell berücksichtigt. Die Winddaten der Station müssten nicht ver-<br />
ändert werden. Diese seien für den Standort W***** geeignet, wenn der<br />
Anemometerstandort auf dem H***berg (höchster Punkt im Modellgebiet)<br />
festgelegt und die Orographie durch ein digitales Geländemodell in Verbin-<br />
dung mit dem diagnostischen Windfeldmodell „taldia“ berücksichtigt wurde,<br />
was hier geschehen sei.
6.3.6.<br />
Kaltluftabflüsse:<br />
76<br />
Die Klägerseite bemängelt im Wesentlichen die Aussage im Gutachten des<br />
TÜV Süd, wonach die Simulation am Standort keine relevanten Kaltluftab-<br />
flüsse ergeben habe. Es hätten die Kaltluftströme wesentlich intensiver un-<br />
tersucht, v.a. hätten auch die Kaltluftströme unterhalb von 2 m näher unter-<br />
sucht werden müssen. Die von Herrn R****** durchgeführten Modellrech-<br />
nungen sowie die qualitative Messung, die von ihm während der Abend- und<br />
frühen Nachtstunden bei einer wolkenarmen Wetterlage durchgeführt worden<br />
seien, zeigten, dass Kaltluftabflüsse bei der Immissionsprognose zu berück-<br />
sichtigen seien, es sei hierfür ein Sachverständigengutachten zu erstellen.<br />
Für die Ausbreitung von Gerüchen und Luftschadstoffen sind Kaltluftabflüsse<br />
von besonderer Bedeutung. In klaren, windschwachen Nächten (Strahlungs-<br />
nächten) kann die Bodenoberfläche praktisch ungehindert Wärme über die<br />
Atmosphäre abgeben. Es bildet sich Kaltluft aus, wenn die Energieabgabe<br />
der Boden- und Pflanzenoberflächen aufgrund der Wärmeausstrahlung grö-<br />
ßer ist als die Gegenstrahlung der Luft. Dieser Energieverlust verursacht eine<br />
Abkühlung der Boden- und Pflanzenoberfläche, so dass die Bodentempera-<br />
tur niedriger ist als die Lufttemperatur. Durch den Kontakt zwischen Boden<br />
und Umgebungsluft bildet sich bodennahe Kaltluft. In ebenem Gelände bleibt<br />
die bodennahe Kaltluft vor Ort liegen. In geneigtem Gelände setzt sie sich in-<br />
folge ihres höheren spezifischen Gewichts hangabwärts in Bewegung. Ge-<br />
ruchsstoffe, die in Bodennähe in die Kaltluft freigesetzt werden, verbleiben<br />
somit in Bodennähe und werden mit der Kaltluft abtransportiert. Aufgrund der<br />
geringen Turbulenz findet kein Austausch mit anderen Luftschichten und so-<br />
mit nur eine geringe Verdünnung statt, so dass der Geruch sehr weit trans-<br />
portiert werden kann. Besonders markant treten die Kaltluftabflüsse in tief<br />
eingeschnittenen Bergtälern in Erscheinung.<br />
Der TÜV Süd hat in seinem Gutachten die Kaltluftabflüsse mittels einer Mo-<br />
dellsimulation (mit dem Modell KLAM_21 des DWD) ermittelt. Dass bei einer<br />
Modellsimulation die topographischen Gegebenheiten einzufließen haben,
77<br />
versteht sich von selbst und wurde deshalb nicht eigens erwähnt. Kaltluftbil-<br />
dung erfolgt in Abhängigkeit vom Untergrund und die Fließrichtung und die<br />
Fließgeschwindigkeit hängt ebenfalls von der Topographie, der Geländenei-<br />
gung und der Geländerauhigkeit ab.<br />
Die Quellen für die Stallabluft bzw. des Güllebehälters (abgedeckt) befinden<br />
sich in einigen Metern Höhe (ca. 7, 5 m bzw. ca. 2 m), außerdem steigt die<br />
Stallabluft aufgrund der vom Ventilator erzeugten Strömungsgeschwindigkeit<br />
noch etwas nach oben. Damit ist aber die Aussage des Klägerbevollmächtig-<br />
ten im Schriftsatz vom 20. April 2010, es hätten auch die Kaltluftströme un-<br />
terhalb von 2 m näher untersucht werden müssen und damit die Behauptung,<br />
die Ausbreitung der geruchsbeladenen Stallabluft werde überwiegend in ei-<br />
ner Höhe von unter 2 m stattfinden, nicht nachvollziehbar. Der Geruch wird in<br />
Luftschichten deutlich über 2 m eingemischt.<br />
Es steht auch zur Überzeugung der Kammer fest, dass das vorliegende Gut-<br />
achten des TÜV Süd ausreichend ist, um beurteilen zu können, ob schädli-<br />
che Umwelteinwirkungen zu erwarten sind. Deshalb war auch der vom Klä-<br />
gerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2010<br />
gestellte Beweisantrag, es möge Beweis erhoben werden, durch Einholung<br />
eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, welche Geruchsbelästi-<br />
gungen auf die Gemeinde W*****, die Gemeinde No******/Ortsteil Ne*******<br />
und auf den jüdischen Friedhof zu erwarten sind, und zwar unter Zugrunde-<br />
legung von konkreten Messungen der Kaltluftströme, deren Mächtigkeit, de-<br />
ren Fließrichtung und deren Fließgeschwindigkeit, abzulehnen.<br />
Nach übereinstimmender Feststellung der in der mündlichen Verhandlung<br />
vernommenen Gutachter sind Kaltluftabströme in Richtung Westen und da-<br />
mit in die ca. 850 m entfernte Ortslage von Ne******* nicht zu erwarten. Denn<br />
das Baugrundstück befindet sich in einer Höhe von ca. 360 m über NN, Rich-<br />
tung Westen steigt das Gelände bis nach Ne******* leicht an, Ne******* befin-<br />
det sich in einer Höhenlage von ca. 400 m über NN. Insoweit hat Herr<br />
R****** auf Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass<br />
aufgrund der gegebenen Höhenunterschiede ein Kaltluftabfluss in Richtung
78<br />
Ne******* auszuschließen sein dürfte. Herr W***** hat diese Aussage bestä-<br />
tigt.<br />
Kaltluftströme können damit allenfalls Richtung W***** und in Richtung jüdi-<br />
scher Friedhof auftreten. Insoweit haben sich zwischen den Gutachtern deut-<br />
liche Meinungsunterschiede gezeigt. Während Herr W***** – wie auch der<br />
Gutachter des DWD – nach der von ihm durchgeführten Simulation von einer<br />
geringen Mächtigkeit der Kaltluftschichten und insgesamt einer geringen Be-<br />
deutung der Kaltluft am Standort des geplanten Schweinestalles ausgeht,<br />
kommt Herr R****** aufgrund der von ihm durchgeführten Simulation zu einer<br />
stärkeren Bedeutung der Kaltluft. Bei der von ihm durchgeführten Untersu-<br />
chung hätten sich kurz nach Einsetzen der Kaltluftabflüsse flache Hangab-<br />
windsysteme ausgebildet, die eine vertikale Mächtigkeit von wenigen Metern<br />
besäßen. Nach 30 Minuten sei die mittlere Windgeschwindigkeit am Standort<br />
des geplanten Stalles zurückgegangen und die vertikale Mächtigkeit des<br />
Kaltluftabstroms auf ca. 20 m und im weiteren Verlauf der Nacht auf über 50<br />
m angestiegen. Die Windrichtung schwanke zunächst zwischen West und<br />
Westnordwest, später überwiege Wind aus nordwestlichen Richtungen. In<br />
der ersten Phase bilde sich eine Geruchsfahne in Richtung Nordosten aus,<br />
danach folge sie dem Kaltluftabfluss aus dem Tal der S*** und werde in<br />
Richtung Südosten verlagert. In der Immissionsprognose verblieben Unsi-<br />
cherheiten, die vor allem durch die topographische Situation bedingt seien.<br />
Es sei zwar nach der Modellrechnung im Verlaufe der Nacht mit Windströ-<br />
mung aus Nordwest zu rechnen, jedoch nicht auszuschließen, dass Teile der<br />
westlichen Wohnbebauung von W***** von der Geruchsfahne betroffen wür-<br />
den.<br />
Auf Frage des Gerichts haben die Gutachter W***** und R****** überein-<br />
stimmend erklärt, dass Kaltluftabflüsse in der Regel nur nachts eine Rolle<br />
spielten. Nur bei einem außergewöhnlich großen Einzugsgebiet, das hier<br />
nicht vorliege, könne sich die Erscheinung bis in den Vormittag hinein erstre-<br />
cken. Damit kann aber die Kaltluftproblematik hinsichtlich des jüdischen<br />
Friedhofs vernachlässigt werden, da sie nur in wenigen Abendstunden zu ei-<br />
ner Verlagerung der Stallabluft in Richtung des jüdischen Friedhofs – und
79<br />
auch nur in dessen Randbereich – führen kann. Sie spielt jedenfalls zur Ta-<br />
geszeit keine Rolle. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist aber nur zur<br />
Tageszeit mit Besuchern auf einem außerhalb der Ortschaft liegenden Fried-<br />
hof zu rechnen, zumal der Friedhof eingefriedet und abgeschlossen ist und<br />
der Schlüssel in Ne******* aufbewahrt wird. Zum einen ist aber im weiteren<br />
Verlauf der Nacht nach der Modellberechnung und der Aussage des Gutach-<br />
ters R****** in der mündlichen Verhandlung mit einem Kaltluftabfluss aus<br />
Nordwest nach Südost zu rechnen, was auch die abknickende Geruchsfahne<br />
in seinem Gutachten zeige. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die<br />
Kaltluft – und damit auch die gegebenenfalls in ihr enthaltene Stallabluft –<br />
nicht im Standortbereich verbleibt. Der Gutachter R****** hat hierzu auf Fra-<br />
ge des Gerichts erklärt, dass die Kaltluft auf Grund der örtlichen Gegebenhei-<br />
ten abfließen könne und sie im Laufe der Nacht nach Südosten herausfließe.<br />
Hinsichtlich der Ortslage W***** bleibt festzuhalten, dass sich die schriftsätz-<br />
lich getroffene Aussage des Klägerbevollmächtigten, dass die Untersuchung<br />
des Büros iMA ergeben habe, dass wesentliche Teile von W***** von Kalt-<br />
luftabflüssen betroffen seien, sich gerade nicht aus dieser Untersuchung ab-<br />
leiten lässt. Denn Herr R****** kommt nur zu der Einschätzung, dass es nicht<br />
auszuschließen sei, dass Teile der Wohnbebauung im westlichen Bereich<br />
von W***** von der Geruchsfahne betroffen sein können. Betrachtet man die<br />
in Abbildung 3 - 6 der Stellungnahme des Dipl.-Met. R****** vom<br />
16. September 2010 gezeigte Geruchsfahne, so zeigt sich, dass diese, je-<br />
denfalls soweit es die maßgebliche Geruchsbeeinträchtigung anbelangt, am<br />
westlichen Ortsrand vorbei führt. Darüber hinaus hat Herr W***** in der<br />
mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass ein wichtiges Thema in die-<br />
sem Zusammenhang die Ableithöhe darstelle. Bei der von ihm berücksichtig-<br />
ten sog. „Quellverschmierung“ handelt es sich – nach übereinstimmender<br />
Aussage der Gutachter in der mündlichen Verhandlung – um einen konser-<br />
vativen Ansatz. Ziehe man das Gutachten von Herrn R****** heran, so sei<br />
darauf zu achten, dass sich die maßgebliche Geruchsbeeinträchtigung im<br />
Kernbereich der Geruchsfahne befinde. Hinsichtlich der Stallabluft ist des<br />
Weiteren zu sehen, dass diese in einer Höhe von ca. 7, 5 m über dem Erd-<br />
boden – bzw. aufgrund des Ventilators noch höher – in die Umgebungsluft
80<br />
eingebracht wird. Herr R****** hat auf Frage des Gerichts die Aussage ge-<br />
troffen, dass die Emissionen, die in einer Kaltluftsituation in den Luftstrom<br />
eingebracht wird, im Wesentlichen in der Höhe erhalten bleiben, in der sie in<br />
den Luftstrom eingebracht wurden. Damit spricht einiges dafür, dass die in<br />
7,5 m Höhe bzw. höher in den Luftstrom eingebrachte geruchsbeladene<br />
Stallabluft in einer Kaltluftsituation nicht auf Bodenhöhe absinkt.<br />
Nach allem ist also das Risiko, dass Besucher auf dem jüdischen Friedhof<br />
bzw. die Bewohner von W***** von der mit der Kaltluft mitgeführten Stallab-<br />
luft beeinträchtigt werden, nach Überzeugung der Kammer als sehr gering<br />
anzusehen. Damit kann aber die Durchführung konkreter Messungen, die ei-<br />
nen nicht unerheblichen Kostenaufwand mit sich bringen würden, nicht mehr<br />
gerechtfertigt werden. Herr R****** hat hierzu erklärt, dass an zwei Methoden<br />
zu denken wäre, die sich eventuell zueinander ergänzen würden: Zum einen<br />
um die Einrichtung eines stationären Windmessers und zum anderen um ei-<br />
ne sog. Messkampagne mit Luftballons, deren Flugbahn verfolgt werden<br />
könnte. Eventuell wäre noch eine zweite Messstation im Tal erforderlich.<br />
Beide Methoden wären aber sehr aufwendig.<br />
Aus Sicht der Kammer bleibt noch festzuhalten, dass bei Durchführung die-<br />
ser (auch finanziell) aufwendigen konkreten Messungen letztlich auch nur ei-<br />
ne Prognose erstellt werden kann, da die streitgegenständliche Anlage noch<br />
nicht betrieben wird. Sollte sich nach Errichtung der Anlage herausstellen,<br />
dass die Werte der Geruchsimmissionsprognose überschritten werden und<br />
zwar in einer nicht zulässigen Höhe, wäre von der Bauaufsichtsbehörde bzw.<br />
der Immissionsschutzbehörde im Ermessensweg die Frage eines eventuel-<br />
len Nachrüstungsgebotes zu prüfen. Schließlich bleibt zur Begründung der<br />
Ablehnung des Beweisantrags noch festzuhalten, dass die Kammer mit der<br />
Anordnung einer Geruchsausbreitungsrechnung nach GIRL bereits deutlich<br />
über das hinausgegangen ist, was üblicherweise in baurechtlichen Verfah-<br />
ren, noch zumal bei Vorbescheidsverfahren, verlangt wird. Konkrete Mes-<br />
sungen werden üblicherweise nur bei immissionsschutzrechtlich genehmi-<br />
gungspflichtigen Anlagen, und auch da in der Regel nur bei besonders emis-
sionsträchtigen Anlagen wie Kraftwerken oder Abfallbehandlungsanlagen,<br />
veranlasst.<br />
6.3.7.<br />
81<br />
Geruchsausbreitung: Emissionsfaktoren und GV-Wert:<br />
Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 20. April 2010 wird gerügt,<br />
dass der Berechnung der Geruchsemissionen eine Begründung dafür fehle,<br />
wie dieser GE-Wert zustande gekommen sei. Im Übrigen sei auch die Anset-<br />
zung des GV-Wertes von 0,14 kritisch zu betrachten.<br />
Der Gutachter des TÜV Süd hat für die Geruchsimmissionsprognose den<br />
Emissionsfaktor der „Festlegung der Geruchsemissionsfaktoren im Landkreis<br />
Cloppenburg, Stand 05.09.2005“ entnommen. Er hat dies im Gutachten<br />
selbst auch offen gelegt, so dass der Vorwurf der Klägerseite, es fehle eine<br />
Begründung, nicht gerechtfertigt ist. Dies sieht auch der von der Klägerin zu<br />
4) eingeschaltete Gutachter so, der ausführt, dass die Vorgehensweise bei<br />
der Ermittlung der Emissionen vom TÜV Süd begründet werde. Der Gutach-<br />
ter R****** fordert auch nicht – wie der Klägerbevollmächtigte meint –, dass<br />
der in der Veröffentlichung des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Ener-<br />
gie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Merkblatt Geruchsimmissions-<br />
prognosen bei Tierhaltungsanlagen, 2009) festgelegte Wert von 40 GE/GV*s<br />
zu Grunde zu legen sei, sondern empfiehlt lediglich eine weiter Berechnung<br />
auf dieser Basis. Die Kammer hält dies nicht für erforderlich. Denn selbst<br />
nach dem Hessischen Merkblatt ist von einem Konventionswert von 40 – 50<br />
auszugehen, nach der sog. Cloppenburg-Liste von einem solchen von 40. Im<br />
Übrigen wurde hier eine stickstoffangepasste Fütterung gewählt und im Er-<br />
gänzungsbescheid vorgeschrieben; diese ist aber mit einer Ammoniak- und<br />
Geruchsminderung verbunden. Die Wahl des geringeren Emissionsfaktors ist<br />
mithin nicht zu beanstanden.<br />
Der Wert für die Großvieheinheiten (GV-Wert) von 0,14 ergibt sich bereits<br />
aus dem Ergänzungsbescheid vom 20. März 2009 und wird nach der eindeu-<br />
tigen Erklärung des Landratsamtes Rhön-Grabfeld auch in einer Baugeneh-
82<br />
migung festgeschrieben werden. Hierzu bleibt aus Sicht der Kammer noch<br />
darauf hinzuweisen, dass die TA Luft in Tabelle 10 bei Mastschweinen bis<br />
110 kg einen GV-Wert/Tier von 0,13 und bei Tieren bis 120 kg einen solchen<br />
von 0,15 zu Grunde legt. Dies bedeutet aber für Mastschweine bis 115 kg ei-<br />
nen Wert von 0,14. Im Übrigen hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass<br />
das Mastendgewicht für bayerische Ferkel, das der Klägerbevollmächtigte<br />
heranziehe, nicht der Maßstab der vorliegenden Planung gewesen sei.<br />
Selbst wenn man dies aber zugrunde lege, errechne sich bei gleichem An-<br />
fangsgewicht von 25 kg eine GV-Zahl von 0,1413, gerundet 0,14.<br />
6.3.8.<br />
Beurteilungsgrundlage:<br />
Des Weiteren wird im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 20. April<br />
2010 gerügt, dass das TÜV-Gutachten an mehreren Stellen von bloßen An-<br />
nahmen ausgehe, die im Bescheid nicht geregelt seien. So wenn für die Ab-<br />
deckung der Güllegrube ein Minderungsfaktor berücksichtigt oder eine<br />
Quellhöhe von 7,5 m angenommen oder die umliegende Bebauung nicht be-<br />
rücksichtigt werde.<br />
Zunächst bleibt hier darauf hinzuweisen, dass der von Klägerseite einge-<br />
schaltete Gutachter R****** in seiner Stellungnahme vom 16. September<br />
2010 erklärt, dass die Emissionen der Güllegrube in der Immissionsprognose<br />
des TÜV Süd plausibel abgeschätzt worden seien. Im Übrigen bleibt festzu-<br />
halten, dass Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens ein baurechtli-<br />
cher Vorbescheid auf einen Vorbescheidsantrag ist, der sich auf die Frage<br />
der grundsätzlichen bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens be-<br />
schränkt (sog. Bebauungsgenehmigung). Dabei ist das Vorhaben nur in gro-<br />
ben Umrissen nach Art und Umfang bestimmt und seine Ausführung im Ein-<br />
zelnen der späteren bauaufsichtlichen Prüfung vorbehalten (vgl. BVerwG,<br />
U.v. 23.05.1975, a.a.O. und U.v. 03.04.1987, a.a.O.). Es kann dann aber<br />
auch nicht bemängelt werden, dass in einem solchen Vorbescheidsverfahren<br />
– anders als im Baugenehmigungsverfahren – konkrete Pläne und genaue<br />
Angaben noch nicht vorliegen. Somit muss mit gewissen – realistischen und
83<br />
praxisgerechten, aus anderen Bauvorhaben gewonnenen – Annahmen gear-<br />
beitet werden, da ansonsten eine Immissionsprognose wie auch jede andere<br />
Prognose nicht erstellt werden kann. Es ist dann Sache des Bauwerbers<br />
bzw. der Genehmigungsbehörde in einem späteren Genehmigungsverfahren<br />
die dem Gutachten zugrunde liegenden Annahmen umzusetzen.<br />
Das Abdecken der Güllegrube bei Vorhaben in einer derartigen Größenord-<br />
nung wie hier ist mittlerweile Standard. Dies wurde (indirekt) auch in Ziffer 8<br />
Buchst. b des Vorbescheids festgeschrieben, da ansonsten 100 Punkte nicht<br />
möglich wären (vgl. Tabelle 4 unter 3.2.1 der VDI 3471). Nach Ziffer 2.6.2 der<br />
Richtlinie VDI 3471 wird für einfache Abdeckungen ein Minderungsgrad von<br />
70 % bis 85 % angesetzt, nach der Hess. Handreichung von etwa 80 %.<br />
Die Quellhöhe der Abluftführung von 7,5 m ergibt sich aus der für ein<br />
Schweinemaststallgebäude typischen Höhe von 6 m und aus der nach der<br />
Richtlinie VDI 3471 geforderten Höhe der Kamine von 1,5 m über Dach.<br />
Nach Ziffer 10 Satz 1 des Anhangs 3 der TA Luft sind Einflüsse von Bebau-<br />
ung auf die Immission im Rechengebiet zu berücksichtigen. Beträgt die<br />
Schornsteinbauhöhe mehr als das 1,2 fache, aber weniger als das 1,7 fache<br />
(wie hier: Gebäudehöhe 6 m, Schornsteinbauhöhe 7,50 m) und ist eine freie<br />
Abströmung gewährleistet, können die Einflüsse mit Hilfe eines diagnosti-<br />
schen Windfeldmodells für Gebäudeumströmung berücksichtigt werden (Zif-<br />
fer 10 Satz 2 Buchst. b)). Der TÜV Süd legt in seinem ergänzenden Gutach-<br />
ten vom 14. Juni 2010 dar, dass das Kriterium der TA Luft für eine freie Ab-<br />
strömung nicht erfüllt sei, so dass der Gebäudeeinfluss berücksichtigt wer-<br />
den müsse. Dabei werde der Einfluss durch den Stall mittels einer vertikalen<br />
Ersatzquelle berücksichtigt. Aus dem Gutachten des TÜV Süd lässt sich ent-<br />
nehmen, dass der Gebäudeeinfluss des Stalles berücksichtigt wurde, indem<br />
die Schornsteine als vertikale Linienquelle angesetzt wurden. Dies wird auch<br />
belegt durch die Angabe der Zeile „> hq“ in der Anlage „A 2: Rechenlaufpro-<br />
tokoll AUSTAL2000 –Zusatzbelastung“ mit „0.00“. Gemäß den Empfehlun-<br />
gen des Leitfadens des Landes Nordrhein-Westfalen sei der Einfluss durch<br />
den Stall mittels einer vertikalen Ersatzquelle (Linienquelle ohne Abluftfah-
84<br />
nenüberhöhung) berücksichtigt worden. Die Wahl einer Ersatzquelle ist ein<br />
konservativer Ansatz. Der Kammer sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die<br />
insoweit auf einen Fehler in dem Gutachten des TÜV Süd hindeuten würden.<br />
Die vom Klägerbevollmächtigten aufgeworfene Frage, ob die Eigenbelastung<br />
des Hofes N******* begutachtet worden sei, lässt sich bereits nach dem TÜV-<br />
Gutachten beantworten. Denn auf Seite 11 des Gutachtens sind in Tabelle 4<br />
(„Emissionen der vorhandenen Tierhaltungen“) die Tierzahlen genannt. Im<br />
Gutachten ist in Abbildung 7 die Zusatzbelastung durch den geplanten<br />
Schweinestall dargestellt, in Abbildung 8 die Gesamtbelastung. Beim Ver-<br />
gleich der beiden Grafiken zeigt sich die Eigenbelastung des Hofes N*******.<br />
6.3.9.<br />
Soweit im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 20. April 2010 gerügt<br />
wird, dass der Wald in der Immissionsprognose des TÜV Süd nicht bewertet<br />
worden sei, ist darauf zu verweisen, dass der Auftrag des TÜV Süd in einer<br />
Geruchsausbreitungsrechnung bestanden hat.<br />
7.<br />
Öffentliche Belange im Hinblick auf den Jüdischen Friedhof:<br />
7.1.<br />
Schädliche Umwelteinwirkung durch Geruchsbelästigung:<br />
7.1.1.<br />
Zunächst wird von Seiten des Bevollmächtigten des Klägers zu 3) gerügt,<br />
dass die Belange des jüdischen Friedhofs vom streitgegenständlichen Vor-<br />
haben in unzulässiger Weise beeinträchtigt würden, weil die vom Stall aus-<br />
gehenden Gerüche dort – nämlich durch die Friedhofsbesucher – wahr-<br />
nehmbar seien. Dass nur ein Viertelabstand nach der Richtlinie VDI 3471<br />
ausreichend sein solle, lasse sich dieser nicht entnehmen. Der GIRL-<br />
Gutachter habe fehlerhaft eine Beurteilung unterlassen. Des Weiteren wird
85<br />
besonders eindrucksvoll von dem in der mündlichen Verhandlung gehörten<br />
Rabbiner ***** E****, darauf hingewiesen, dass der jüdische Friedhof ein hei-<br />
liger Ort für jeden Juden sei. Die Halacha, das jüdische Religionsgesetz, ver-<br />
urteile die Missachtung der Ehre der Toten wie auch eines heiligen Ortes auf<br />
das Schärfste. Es werde auf dem heiligen Ort gebetet und Gott mit dem<br />
Kaddisch-Gebet gepriesen. Es sei nicht mit der jüdischen Ethik vereinbar,<br />
dass in der Umgebung des Friedhofs ein Schweinemastbetrieb errichtet wer-<br />
de.<br />
7.1.2.<br />
Als maßgebliche Norm des Bauplanungsrechts ist auch hier zunächst § 35<br />
Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB heranzuziehen, wonach eine Beeinträchtigung öf-<br />
fentlicher Belange dann vorliegt, wenn das Vorhaben schädliche Umweltein-<br />
wirkungen hervorrufen kann. Wie bereits unter Punkt 6.1. ff. dargestellt, sind<br />
mangels objektiver gesetzlicher Regelungen zu der Frage, wann ein Geruch<br />
eine unzumutbare Beeinträchtigung darstellt, auch hinsichtlich eines Fried-<br />
hofs unter Beachtung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls die tech-<br />
nischen Regelwerke der VDI Richtlinie 3471 und der GIRL heranzuziehen.<br />
Nach der VDI-Richtlinie 3471 errechnet sich unter Zugrundelegung einer<br />
Tierzahl von 1.000 Mastschweinen (Berechnung des Umweltingenieurs vom<br />
17.12.2008) ein Abstand für Wohn- bzw. Mischgebiete von 295 m. Der tat-<br />
sächliche Abstand beträgt vom Emissionsschwerpunkt des Stalles bis zum<br />
südlichen Rand des Friedhofs ca. 185 m. Der halbe Abstand für Dorfgebiete<br />
(ca. 150 m) – und somit die Geruchswahrnehmungsschwelle – ist damit ein-<br />
gehalten.<br />
Das vom TÜV Süd erstellte Gutachten nach der GIRL gelangt zu dem Er-<br />
gebnis, dass die Geruchsstundenhäufigkeiten im Bereich des jüdischen<br />
Friedhofs zwischen 4,5 % und 8,1 % liegen. Das heißt, dass hier die Werte<br />
für ein Wohngebiet – teilweise sogar deutlich – eingehalten werden. Im Be-<br />
reich des zum jüdischen Friedhof führenden Weges sind Werte von 10 % bis<br />
18,5 % zu erwarten.
86<br />
Im Hinblick auf das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthaltene Gebot der<br />
baurechtlichen Rücksichtnahme stellt sich die Frage, welcher Schutz dem jü-<br />
dischen Friedhof aufgrund der jüdischen Ethik in Bezug auf Geruchsimmissi-<br />
onen zuzubilligen ist, und ob – wie der Kläger zu 3) reklamiert – ein Anspruch<br />
auf völlige Geruchsfreiheit besteht. Die an das Gebot der Rücksichtnahme<br />
zu stellenden Anforderungen hängen nach der Rechtsprechung des Bundes-<br />
verwaltungsgerichts (U. v. 25.02.1977, 4 C 22.75, BVerwGE 52, 122; seit-<br />
dem ständige Rechtsprechung) wesentlich von den jeweiligen Unständen ab.<br />
Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rück-<br />
sichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, um so mehr kann<br />
an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer<br />
die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht der-<br />
jenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei die-<br />
sem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles we-<br />
sentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rück-<br />
sichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen<br />
nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dabei muss allerdings demjenigen, der<br />
sein eigenes Grundstück in einer sonst zulässigen Weise baulich nutzen will,<br />
insofern ein Vorrang zugestanden werden, als er berechtigte Interessen nicht<br />
schon deshalb zurückzustellen braucht, um fremde gleichwertige Interessen<br />
zu schonen.<br />
Hinsichtlich der Schutzwürdigkeit des Friedhofes ist noch ein weiterer Belang<br />
zu berücksichtigen:<br />
Die Vorschrift des § 35 Abs. 3 BauGB enthält keine allgemeine Definition der<br />
öffentlichen Belange, sondern nur eine beispielhafte Aufzählung. Es kommen<br />
daher auch andere öffentliche Belange als die in Absatz 3 bezeichneten in<br />
Betracht; nämlich alle bodenrechtlich relevanten öffentlichen Belange. Inso-<br />
fern können auch die bei der Bauleitplanung zu beachtenden öffentlichen Be-<br />
lange des § 1 Abs. 6 BauGB hinzugezogen werden (Ernst/Zinkahn/Bielen-<br />
berg/Krautzberger, § 35 BauGB, RdNr. 75), und zwar als Auslegungshilfe.<br />
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 06.12.1967,<br />
4 C 44.66; s.a. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 BauGB,
RdNr. 75) gilt dies aber nur, soweit der jeweilige Belang in Bezug auf den<br />
Außenbereichsschutz im Einzelgenehmigungsverfahren bedeutsam ist.<br />
87<br />
Letztlich ist nämlich ausschlaggebend, dass die Belange im Schutze des Au-<br />
ßenbereichs und in seiner spezifischen Zweckbestimmung ihren Ursprung<br />
haben.<br />
Die Nummer 6 des § 1 Abs. 6 BauGB bezeichnet als abwägungsbeachtlich<br />
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts<br />
festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge. Die Erfordernis-<br />
se des Gottesdienstes und der Seelsorge sind – für die Bauleitplanung – re-<br />
levant, sofern sie Raum beanspruchend sind, für sie also Flächen bereitge-<br />
stellt werden müssen, oder auf sie in sonstiger Weise Rücksicht zu nehmen<br />
ist. Der Kreis der entsprechenden Einrichtungen ist weit zu ziehen. Hierher<br />
zu rechnen sind auch die kirchlichen Friedhöfe (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/<br />
Krautzberger, § 1 BauGB, RdNr. 140).<br />
7.1.3.<br />
Zur Schutzbedürftigkeit bzw. Schutzwürdigkeit eines jüdischen Friedhofs er-<br />
weist sich eine Recherche in den Rechtsprechungssammlungen bzw. in der<br />
Kommentarliteratur als erfolglos. Es lassen sich aber einige wenige Ent-<br />
scheidungen zu der eines (christlichen) Friedhofs finden:<br />
So hat das Oberverwaltungsgericht Berlin (B.v. 18.07.2001, 2 S 1.01, ) – allerdings hinsichtlich des von einem Baumarkt/Hochregallager aus-<br />
gehenden Lärms – entschieden, dass ein Friedhof in bauplanungsrechtlicher<br />
Gemengelage (Wohnen/Gewerbe) keinen über den Immissionsrichtwert der<br />
TA Lärm für allgemeine Wohngebiete hinausgehenden Schutzanspruch ha-<br />
be. Die erkennende Kammer des Verwaltungsgerichts Würzburg hat unter<br />
Heranziehung der VDI-Richtlinie 3471 entschieden (W 4 K 00.1280, U.v.<br />
06.11.2001), dass im konkreten Fall eines Dorfgebietes im Hinblick auf den<br />
dörflichen Charakter und auf die „Ortsüblichkeit“ von Gerüchen aus der Tier-<br />
haltung hinsichtlich des Friedhofes keine unzumutbaren Geruchsbeeinträch-<br />
tigungen zu besorgen sind, weil zwischen dem Emissionsschwerpunkt des<br />
landwirtschaftlichen Betriebs und dem Friedhof der 1/4-Abstand nach der
88<br />
VDI-Richtlinie eingehalten wird und erst bei Unterschreitung dieses Abstan-<br />
des die Gefahr schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne unzumutbarer Ge-<br />
ruchsbelästigungen anzunehmen ist. Das Verwaltungsgericht Gera hat (U.v.<br />
21.08.2003, 4 K 437.99.GE, ) bei der Frage, welche Geruchsimmissi-<br />
onen auf einem Friedhof zumutbar sind, auf die Richtwerte der Vorläufigen<br />
Thüringer Richtlinie zur Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmissionen<br />
zurückgegriffen. Es hat entschieden, dass Geruchswahrnehmungshäufigkei-<br />
ten zwischen 15 % und 20 % der Jahresstunden hinzunehmen sind, weil bei<br />
einem Friedhof nicht von einer Dauernutzung durch Menschen auszugehen<br />
ist. Das Gericht hat ausdrücklich erklärt, dass keine Bedenken bestehen,<br />
dass der Schutzanspruch eines Friedhofs gewahrt ist, wenn die Geruchs-<br />
wahrnehmungshäufigkeit unter 20 % der Jahresstunden liegt. Der besondere<br />
Charakter eines Friedhofs werde dadurch nicht in Frage gestellt.<br />
7.1.4.<br />
Der jüdische Friedhof Ne******* ist – wie Prof. Dr. ******** H*** in seiner Stel-<br />
lungnahme „Totenruhe und Tiermast“ (ohne Datum, eingegangen beim Klä-<br />
gerbevollmächtigten am 09.01.2009) darlegt – ein wichtiges Kultur- und Ge-<br />
schichtsmonument für die gesamte Gegend und muss auch als solches be-<br />
handelt werden. Hier handelt es sich um einen geschlossenen Friedhof, dies<br />
meint in Entsprechung der jüdisch-sakralrechtlichen Bestimmungen zum „Al-<br />
ten Friedhof“ den ungestörten Erhalt gemäß den biblischen Vorschriften zur<br />
ungestörten Totenruhe (so Prof. Dr. H***). Es handelt sich nicht um einen<br />
entwidmeten Friedhof. Der jüdische Friedhof wird bezeichnet als Beit Olam<br />
(„Haus auf Ewigkeit“) oder Beit Chaim („Haus des Lebens“). Der jüdische<br />
Friedhof hat die Bedeutung eines Heiligtums. Die Halacha, das jüdische Sak-<br />
ralrecht, verlangt die Würde der Toten (Kevod haMetim) genau so zu achten<br />
wie die Würde des lebenden Menschen (Kevod haChaiim), so Prof. Dr. H***.<br />
Der Rabbiner ***** E**** hat sowohl in seiner schriftlichen Stellungnahme<br />
vom 27. August 2010 wie auch in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass<br />
ein jüdischer Friedhof einen heiligen Ort darstelle, der ähnlich wie eine Syn-<br />
agoge zu bewerten sei. Nach jüdischen Rechtsvorstellungen komme es letzt-<br />
lich nicht so sehr auf die konkrete Entfernung zwischen dem geplanten Vor-<br />
haben und dem jüdischen Friedhof an, vielmehr sei allein schon der Geruch
der Schweine mit dem besonderen Charakter des jüdischen Friedhofs un-<br />
89<br />
vereinbar. Im Talmud stehe, dass man einen Begräbnisplatz nicht würdelos<br />
behandeln dürfe, dort kein Vieh weiden, keinen Wassergraben ziehen und<br />
keine Gräser sammeln dürfe, aus Achtung vor den Toten. Im Schulchan-<br />
Aruch stehe geschrieben, dass schlechter Geruch, z.B. von Kot, vier Ellen<br />
bei Seite gelassen werden müsse.<br />
7.1.5.<br />
Im Hinblick auf diese – insbesondere von dem als Sachverständigen in Fra-<br />
gen der jüdischen Religion ausgewiesenen Rabbiner ***** E**** eindringlich<br />
dargelegten – Besonderheiten eines jüdischen Friedhofs ist die Kammer zur<br />
Überzeugung gelangt, dass die vorerwähnte Rechtsprechung, die in Bezug<br />
auf christliche Friedhöfe ergangen ist, nicht einfach „eins zu eins“ übertragen<br />
werden kann. Vielmehr ist einem jüdischen Friedhof hinsichtlich Geruchsim-<br />
missionen, die insbesondere von Schweinen herrühren, durchaus ein höhe-<br />
rer Schutzanspruch zuzubilligen als christlichen Friedhöfen. Allerdings sieht<br />
die geltende Rechtsordnung einen absoluten Schutzanspruch, quasi ein<br />
Recht auf eine 100 %ige Geruchsfreiheit, für keinen Bereich, auch nicht für<br />
einen jüdischen Friedhof vor. Im Einzelnen:<br />
Bei der Interessenabwägung der beiderseitigen Belange im Rahmen des<br />
Rücksichtnahmegebots ist auf der Seite des Bauherren zu berücksichtigen:<br />
Es geht um die Fortführung und Erweiterung des landwirtschaftlichen Famili-<br />
enbetriebes durch den nachwachsenden Hoferben. Der Betrieb befindet sich<br />
seit Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts an dieser Stelle und es<br />
wurde seitdem Haltung von Großtieren betrieben. Die Familie des Bauherrn<br />
ist wegen dieser Tierhaltung schon aus der Ortslage in den Außenbereich<br />
ausgesiedelt. Das Baugrundstück befindet sich im Eigentum der Familie. Aus<br />
betrieblichen Gründen ist es auch sinnvoll, dass der Landwirt in der Nähe<br />
seiner Stallungen wohnt. Zudem sind auf der Hofstelle schon die weiteren<br />
landwirtschaftlichen Gebäude, insbesondere auch die Möglichkeiten zur Un-<br />
terstellung von Maschinen und Futter vorhanden. Ein anderer Standort in<br />
Hofnähe (Grundstück FlNr. *29 der Gemarkung W*****) ist wegen der Nähe<br />
zur Bebauung in W***** aus immissionsschutzrechtlichen Gründen nicht ge-
90<br />
nehmigungsfähig. Einen weiteren Zwangspunkt stellt der wegen der Ammo-<br />
niakbelastung erforderliche Abstand zum Wald des Klägers zu 1) dar.<br />
Andererseits ist aber hinsichtlich des Klägers zu 3) als Träger des Friedhofs<br />
zu berücksichtigen:<br />
Der Friedhof ist besonders schutzwürdig, insbesondere widerspricht es nach<br />
den vorerwähnten Stellungnahmen religiösen Vorschriften, dort zu beten,<br />
wenn es dort „riecht“. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund<br />
der Ausführung des geplanten Schweinestalles auf dem Friedhof gelegent-<br />
lich Geruch aus der Tierhaltung wahrzunehmen ist. Andererseits ist ein<br />
Friedhof nicht zum dauernden Aufenthalt von lebenden Menschen bestimmt,<br />
sondern wird von Besuchern nur für kürzere Zeiten aufgesucht.<br />
Vorliegend liegt der tatsächliche Abstand zwischen dem Friedhof und dem<br />
Stall zwischen den Werten, die sich nach der VDI-Richtlinie 3471 für Wohn-<br />
gebiete (295 m) und für Dorfgebiete (150 m) errechnen. Das nicht zuletzt<br />
deshalb vom Gericht in Auftrag gegebene Gutachten nach der GIRL hat er-<br />
geben, dass die Schutzwerte, die die GIRL für Wohn-/Mischgebiete vorgibt,<br />
beim Friedhof eingehalten sind. Die GIRL sieht bei einer Beurteilung im Ein-<br />
zelfall nach Ziffer 5 gemäß den Auslegungshinweisen die strengsten Werte<br />
für Kurgebiete bzw. Luftkurorte vor, nämlich den Wert von 0,06. Grundsätz-<br />
lich gehen die Werte der GIRL von einer Dauernutzung durch Menschen aus.<br />
So führt die GIRL in Ziffer 3.1 ausdrücklich aus, dass sonstige Gebiete, die<br />
nicht in der Tabelle genannt sind (dies sind Wohn-/Mischgebiete, Gewerbe-<br />
/Industriegebiete und Dorfgebiete), in denen sich Personen nicht nur vorü-<br />
bergehend aufhalten, entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts<br />
den einzelnen Spalten dieser Tabelle zuzuordnen sind. Daraus folgt zugleich,<br />
dass für Gebiete, in denen sich Personen nur vorübergehend aufhalten – nur<br />
für wenige Stunden im Jahr wie an einem Friedhof –, eine andere Bewertung<br />
erforderlich ist.
91<br />
So hat auch das VG Gera (a.a.O.) darauf abgestellt, dass für Gebiete mit nur<br />
vorübergehendem Aufenthalt von Menschen jedenfalls ein höheres Maß an<br />
Geruchsimmissionen zumutbar ist.<br />
Bei der Abwägung der widerstreitenden Belange ist die Kammer zu der Über-<br />
zeugung gelangt, dass auch der besondere Schutzanspruch eines jüdischen<br />
Friedhofs vor Geruchsimmissionen jedenfalls dann gewahrt ist, wenn die Ge-<br />
ruchswahrnehmungshäufigkeit unter 10% der Jahresstunden liegt und damit<br />
sogar den in einem Wohngebiet – zum dauernden Wohnen (24 Stunden am<br />
Tag) – erforderlichen Wert einhält. Tatsächlich wird selbst der strengste Wert<br />
der GIRL für Kurgebiete in wesentlichen Bereichen des jüdischen Friedhofs,<br />
nämlich auf über 90 % der Fläche, noch eingehalten. Die auf dem Weg zum<br />
Friedhof auftretende Geruchsstundenhäufigkeit von 10 % bis 18,5 % kann<br />
nicht als Geruchsstundenhäufigkeit beim Friedhof selbst angesetzt werden.<br />
Damit kann aus Sicht der Kammer offen bleiben, ob es auf den Aspekt, den<br />
das Landratsamt Rhön-Grabfeld in das Verfahren eingeführt hat, überhaupt<br />
noch ankommt. Dieses hat auf einen Vergleich der in einem Dorf- bzw.<br />
Wohngebiet zulässigen Nutzungen abgestellt. Vergleiche man nämlich die in<br />
einem Wohngebiet allgemein zulässigen Nutzungen, so seien in diesem zu-<br />
lässig auch Anlagen für kirchliche Zwecke, und damit neben Kirchen auch<br />
Synagogen. Dies bedeute dann aber auch, dass diesen Einrichtungen die in<br />
einem Wohngebiet zulässige Geruchshäufigkeit von 10 % zuzumuten seien.<br />
Wenn aber einer Synagoge eine solche Geruchshäufigkeit zuzumuten sei,<br />
dann müsse dies auch für einen jüdischen Friedhof gelten.<br />
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten hat der TÜV Süd die<br />
Beurteilung des jüdischen Friedhofs nicht (fehlerhaft) unterlassen, vielmehr<br />
wurde im Gutachten explizit die Häufigkeit von Geruchsereignissen auf dem<br />
Friedhof genannt. Nur dies war vom Gutachter gefordert. Die Frage der Be-<br />
wertung der Geruchshäufigkeit als zumutbar bzw. unzumutbar ist Aufgabe<br />
des Gerichts.
92<br />
Auch die von Klägerseite thematisierte Kaltluftproblematik führt zu keiner an-<br />
deren Beurteilung. Insoweit wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen<br />
auf die obigen Ausführungen (unter Ziffer 6.3.6.) verwiesen.<br />
7.2.<br />
Denkmalschutzrechtliche Belange:<br />
Von Seiten des Klägers zu 3) aber auch der Klägerinnen zu 2) und 4) wird<br />
ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 2 wie auch gegen Art. 26 des Bayeri-<br />
schen Denkmalschutzes (BayDSchG) gerügt. Hier sei der Stall wegen seiner<br />
Größe als „in der Nähe“ des Friedhofs als eingetragenes Baudenkmal befind-<br />
lich anzusehen. Auch werde das Erscheinungsbild des Friedhofs nachdrück-<br />
lich durch die ausgesprochene Nähe des vorgesehenen Stalls gemindert.<br />
Das Landesamt für Denkmalpflege hätte im Verfahren beteiligt werden müs-<br />
sen.<br />
Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB ist eine Beeinträchtigung öffentlicher<br />
Belange dann gegeben, wenn das Vorhaben u.a. Belange des Denkmal-<br />
schutzes beeinträchtigt. Im Außenbereich ist insbesondere der Umgebungs-<br />
schutz von Denkmälern von Bedeutung (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz-<br />
berger, § 35, RdNr. 95).<br />
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG bedarf einer Erlaubnis, wer in der Nähe<br />
von Baudenkmälern Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, wenn<br />
sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler aus-<br />
wirken kann. Historische Friedhöfe können Baudenkmäler sein, Friedhofsan-<br />
lagen fallen unter den Begriff der Gartenanlagen i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Satz 3<br />
BayDSchG. Die Kammer hat keinerlei Zweifel an der Denkmalseigenschaft<br />
des jüdischen Friedhofs von Ne*******.<br />
Eine Anlage ist dann in der Nähe eines Baudenkmals gelegen, wenn ihre Er-<br />
richtung, Veränderung oder Beseitigung für ein Baudenkmal, insbesondere<br />
sein äußeres Erscheinungsbild nachteilige Wirkungen haben kann. Gegebe-<br />
nenfalls ist unter Beteiligung der Fachbehörde zu klären, ob eine erlaubnis-
93<br />
pflichtige Auswirkung auf das Denkmal eintreten kann (Eberl/Martin/Greipl,<br />
<strong>Bayerische</strong>s Denkmalschutzgesetz, 2007, Art. 6, RdNr. 38).<br />
Das Landratsamt Rhön-Grabfeld hat im Verwaltungsverfahren keine Stel-<br />
lungnahme des <strong>Bayerische</strong>n Landesamtes für Denkmalpflege (BLFD) einge-<br />
holt. Es liegt aber ein Schreiben des BLFD vom 6. Dezember 2007 an die<br />
Klägerin zu 4) vor, das der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 5. Au-<br />
gust 2008 vorgelegt hat. Danach hält das BLFD „aus Gründen der Pietät“ ei-<br />
nen größeren Abstand für angemessen und macht Bedenken gegen den<br />
Standort geltend. Nach Auffassung des Landratsamtes Rhön-Grabfeld war<br />
das BLFD nicht am Vorbescheidsverfahren zu beteiligen, da das Land-<br />
ratsamt von keinem erlaubnispflichtigen Tatbestand nach dem Bayer. Denk-<br />
malschutzgesetz ausgegangen ist. Dies ist nicht zu beanstanden. Denn die<br />
Entscheidung, ob ein erlaubnispflichtiger Tatbestand vorliegt, trifft das Land-<br />
ratsamt als untere Denkmalschutzbehörde, nicht die Fachbehörde Bayeri-<br />
sches Landesamt für Denkmalpflege. Das BLFD ist die staatliche Fachbe-<br />
hörde für die Beurteilung der Fachfragen und ist stets zu beteiligen, wenn es<br />
um solche Fragen geht (Eberl/Martin/Greipl, Art. 12, RdNr. 1). Grundsätzlich<br />
ist aber für den Vollzug des <strong>Bayerische</strong>n Denkmalschutzgesetzes die untere<br />
Denkmalschutzbehörden zuständig (Art. 11 Abs. 4 Satz 1 BayDSchG).<br />
Letztendlich kommt es aber auf diese Zuständigkeitsfragen nicht an. Denn<br />
schließlich hat hier das BLFD mit der Stellungnahme vom 10. September<br />
2008 deutlich gemacht, dass nach Auffassung der Fachbehörde der Stall<br />
schon nicht in der Nähe des jüdischen Friedhofs gelegen ist. Bei einer<br />
Ortseinsicht sei nämlich deutlich geworden, dass zwischen Friedhof und dem<br />
Baugrundstück ein großer Acker und auch eine Straße liegen. Beides wirke<br />
in der topographischen Hanglage als „deutliche Zäsur zum umgrenzten<br />
Friedhof“. Ein unmittelbarer Zusammenhang und somit eine Behandlung als<br />
„Nähefall“ zwischen dem geplanten Bauvorhaben und dem eingetragenen<br />
Baudenkmal „Jüdischer Friedhof“ besteht nach Auffassung des Denkmalam-<br />
tes nicht. Dieser Einschätzung der Fachbehörde schließt sich die Kammer<br />
an, da keinerlei Zweifel hieran angebracht sind.
94<br />
Soweit sich die Klägerseite auf den Beschluss des Niedersächsischen Ober-<br />
verwaltungsgerichts vom 28. Mai 2002 (1 LA 2929/01, ) beruft, bleibt<br />
Folgendes festzuhalten: Das Gericht hat – nach einer entsprechenden Stel-<br />
lungnahme der Denkmalschutzfachbehörde – entschieden, dass die expo-<br />
nierte Lage eines alten jüdischen Friedhofs weit ab von der Bebauung durch<br />
das Heranrücken von Wohnbebauung wesentlich beeinträchtigt werden<br />
kann. Es sei „nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Erscheinungsbild des jüdi-<br />
schen Friedhofs (...) beeinträchtigt wird, wenn die durch die 15. Änderung<br />
des Flächennutzungsplanes ermöglichte Wohnbebauung bis auf wenige Me-<br />
ter an das Denkmal heranrückt“. Aufgrund ihrer Entfernung zur nächstgele-<br />
genen Bebauung dokumentiere die Friedhofsanlage, dass im ländlichen Be-<br />
reich bis weit in das 19. Jahrhundert jüdische Begräbnisstätten aus einer in-<br />
toleranten christlichen Geisteshaltung weit ab von den Siedlungen hätten an-<br />
gelegt werden müssen. Die Ausstrahlungskraft des jüdischen Friedhofs als<br />
Zeugnis der Geschichte beruhe wesentlich darauf, dass seine Umgebung<br />
bisher frei von Bebauung ist. Dadurch werde nachhaltig die erzwungene Ab-<br />
geschiedenheit alter jüdischer Begräbnisstätten von der Besiedlung doku-<br />
mentiert. Eine diese isolierte Lage zerstörende heranrückende Wohnbebau-<br />
ung beeinträchtige den Denkmalwert.<br />
Dem kann aus Sicht der Kammer nur beigepflichtet werden. Allerdings rückt<br />
im vorliegenden Fall die Bebauung – anders als in dem vom Oberverwal-<br />
tungsgericht Niedersachsen entschiedenen Fall – nicht „auf wenige Meter“<br />
an den jüdischen Friedhof heran. Der Abstand zwischen dem südlichen<br />
Grundstückseck des Friedhofes und der nördlichen Grenze des Grundstücks,<br />
auf dem sich der Aussiedlerhof des Beigeladenen befindet, beträgt ca.<br />
140 m, der Abstand zum Grundstück Fl.Nr. *32 (Aussiedlerhof T******) be-<br />
trägt ca. 160 m, der Abstand zu dem nördlich des Friedhofs gelegenen Aus-<br />
siedlerhofgrundstück Fl.Nr. *04 ca. 220 m. Der Abstand zwischen dem Bau-<br />
grundstück und dem Friedhofsgrundstück beträgt ca. 150 m. Wesentlich<br />
wichtiger als die genaue Entfernung und als der Umstand, dass die geplante<br />
Bebauung in etwa die gleiche Entfernung zum Friedhof einhält wie die bereits<br />
seit Jahrzehnten hier vorhandene landwirtschaftliche Bebauung, ist aber aus<br />
Sicht der Kammer, dass hier die in Ost-Westrichtung verlaufende Kreisstraße
nicht überschritten wird. Dieser kommt nämlich – wie sich beim Augen-<br />
95<br />
scheinstermin deutlich gezeigt hat – eine trennende Wirkung zwischen land-<br />
wirtschaftlicher Bebauung im Süden und Friedhof im Norden zu. Dadurch,<br />
dass diese Linie hier nicht überschritten wird, bleibt auch die isolierte Lage<br />
des Friedhofes gewahrt, er ist und bleibt in allen Himmelsrichtungen deutlich<br />
von der ihn umgebenden Bebauung abgesetzt. Im Übrigen liegt auch – wor-<br />
auf das BLFD zutreffender Weise seine Beurteilung gestützt hat – ein großes<br />
(1,8 ha) Ackergrundstück zwischen Friedhof und Baugrundstück, das eben-<br />
falls zu einer deutlichen Zäsur beiträgt.<br />
Nach allem kann festgehalten werden, dass ein Verstoß gegen Belange des<br />
Denkmalschutzes nicht gegeben ist.<br />
7.3.<br />
Ammoniakbelastung bezüglich des jüdischen Friedshofs:<br />
Soweit der von der Klägerin zu 4) mit einer gutachterlichen Stellungnahme<br />
beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. ***** K**** negative Auswirkungen<br />
der Gülleaufbringung auf den Feldern hinsichtlich der Grabsteine auf dem jü-<br />
dischen Friedhof befürchtet, kann dies nicht dem Bauvorhaben des Beigela-<br />
denen entgegengehalten werden, da es sich hierbei um eine allgemeine<br />
Problematik der Landbewirtschaftung handelt. Im Übrigen, nämlich hinsicht-<br />
lich der vom Bauvorhaben auf den jüdischen Friedhof einwirkenden Ammo-<br />
niakbelastung, bleibt die „gutachterliche Stellungnahme zum Thema Ammo-<br />
niak und Naturstein“ vollkommen pauschal und mündet in der Aussage, dass<br />
es nicht Aufgabe dieser Stellungnahme sein könne, zu ermitteln, wie hoch<br />
die vom Bauvorhaben auf den Friedhof einwirkende Ammoniakbelastung sei.<br />
Dass Ammoniak auf Natursteine ganz generell negative Auswirkungen hat,<br />
ist allgemein bekannt; insoweit bedarf es keines Gutachtens. Dies zeigt auch<br />
der Umstand, dass viele Grabmale auf dem jüdischen Friedhof Ne*******<br />
durch die beschriebenen Vorgänge – wie der Gutachter ausführt – bereits<br />
angegriffen sind.<br />
7.4.
96<br />
Berücksichtigung der Belange der Glaubens– und Glaubensbetätigungsfrei-<br />
heit (Art. 4 Abs. 1, 2 GG) sowie der Gewährleistung nach Art. 140 GG i.V.m.<br />
Art. 138 BV :<br />
Des Weiteren wird vom Klägerbevollmächtigten vorgebracht, dass der ange-<br />
griffene Vorbescheid wegen fehlender ausreichender Berücksichtigung der<br />
Belange der Glaubens- und Glaubensbetätigungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1, 2<br />
GG) sowie der Gewährleistung nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 WRV mit<br />
dem Einrichtungs- und Nutzungsinteresse des Beigeladenen rechtswidrig<br />
sei.<br />
Insoweit ist zunächst aus Sicht der Kammer darauf hinzuweisen, dass ein<br />
aus Art. 14 GG abgeleiteter Rechtsanspruch des Bauherrn auf Erteilung der<br />
Baugenehmigung besteht, es sei denn es stehen dem Vorhaben öffentlich-<br />
rechtliche Vorschriften entgegen (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Bay-<br />
BO). Die vg. Vorschrift als die einen Rechtsanspruch verbürgende gebunde-<br />
ne Entscheidung kennt auch – anders als bei der Aufstellung eines Bebau-<br />
ungsplans – keine Abwägung zwischen einzelnen Belangen, nämlich den für<br />
den Bauherrn und den für den Nachbarn streitenden Interessen. Somit kann<br />
hier auch nicht eine von den öffentlichen Belangen des § 35 Abs. 3 BauGB<br />
„losgelöste“ Abwägungsentscheidung zwischen dem Grundrecht des Bau-<br />
herrn aus Art. 14 GG und dem des Klägers zu 3) aus Art. 4 Abs. 1 und 2 so-<br />
wie Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 WRV herbeigeführt werden.<br />
Allerdings erweist sich die von der Kammer getroffene Entscheidung im Sinn<br />
der vorgenannten erhöhten Schutzwürdigkeit eines jüdischen Friedhofs, ver-<br />
gleichbar der eines Wohngebiets, auch unter Beachtung der für den Kläger<br />
zu 3) angeführten Grundrechte, als rechtmäßig. Im Einzelnen:<br />
Ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ist hier nicht gegeben, weil in den<br />
Schutzbereich dieses Grundrechts nicht eingegriffen wird. Nach Art. 4 Abs. 1<br />
GG sind die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des reli-<br />
giösen und weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich. Nach Art. 4<br />
Abs. 2 GG wird die ungestörte Religionsausübung gewährleistet. Träger der
97<br />
(kollektiven) Glaubensfreiheit sind juristische Personen und Vereinigungen,<br />
soweit sie geschützte Tätigkeiten ausüben (Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl.,<br />
Art. 4, RdNr. 119). Art. 4 Abs. 2 GG garantiert die Vornahme aller denkbaren<br />
kultischen Handlungen sowie die Beachtung und Ausübung religiöser Ge-<br />
bräuche (Maunz/Dürig, Grundgesetz, April 2010, Art. 4, RdNr. 101). Nach<br />
den überzeugenden Ausführungen des Rabbiners E**** ist davon auszuge-<br />
hen, dass der Schutzbereich dieses Grundrechts eröffnet ist.<br />
Die Grundrechte schützen allerdings nicht vor jeder Einwirkung des Staates<br />
in den Schutzbereich des Grundrechts. Zunächst muss es sich um eine Ein-<br />
wirkung eines Grundrechtsadressaten, also des Staates i.w.S., handeln. Hier<br />
würden aber die Geruchs- und sonstigen Immissionen vom Stall des Beige-<br />
ladenen ausgehen. Ein Eingriff in das Grundrecht der Glaubensfreiheit ist<br />
dann gegeben, wenn ein Grundrechtsadressat die geschützten Tätigkeiten<br />
regelt oder faktisch in erheblicher Weise behindert, wenn die Beeinträchti-<br />
gung in einer generellen oder individuellen Regelung besteht, die unmittelbar<br />
und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes Ge- oder Verbot, also impe-<br />
rativ zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt (Jarass/Pieroth,<br />
Art. 4, RdNr. 22; Vorb. vor Art. 1, RdNr. 27). Derartige Gebote oder Verbote<br />
zur Religionsausübung wurden aber durch das Landratsamt Rhön-Grabfeld<br />
hier nicht getroffen. Auch wenn es sich bei dem vo#n dem Beklagten erlas-<br />
senen, streitgegenständlichen Bescheid nicht um eine Baugenehmigung,<br />
sondern nur um einen Vorbescheid handelt, der noch nicht die Baufreigabe<br />
ausspricht, könnte hier dennoch in dem erlassenen Vorbescheid eine mittel-<br />
bare Wirkung zu Lasten Dritter, nämlich des Klägers zu 3), gesehen werden.<br />
Solche Einwirkungen mittelbarer Art stellen aber nur dann eine Grundrechts-<br />
beeinträchtigung dar, wenn sie in der Zielsetzung und ihren Wirkungen klas-<br />
sischen Eingriffen gleichkommen (BVerfG, B.v. 21.06.2006, 2 BvL 2/99, ; Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1, RdNr. 29) und damit die Eingriffs-<br />
schwelle überschreiten. Unter Beachtung des Umstandes, dass hier nur eine<br />
in einem Wohngebiet zulässige Geruchsbeeinträchtigung des Friedhofs ge-<br />
geben ist und die räumliche Trennung zwischen Bauvorhaben und Friedhof<br />
durch die Kreisstraße und einen großen Acker gewahrt ist, das Bauvorhaben<br />
sich nicht in unmittelbarer Nähe des Friedhofs befindet, sondern in vergleich-
98<br />
barer Nähe wie die beiden Aussiedlerhöfe, kann hier nicht davon gesprochen<br />
werden, dass die kollektive Religionsfreiheit des Klägers zu 3) „faktisch in er-<br />
heblicher Weise“ (vgl. Jarass/Pieroth, Art. 4, RdNr. 22) behindert würde.<br />
Ein Verstoß gegen Art. 140 GG i.V.m. Art 138 Abs. 2 WRV scheidet hier<br />
deshalb aus, weil kein Eingriff in den Schutzbereich gegeben ist. Gemäß<br />
Art. 138 Abs. 2 WRV wird das Eigentum und andere Rechte der Religions-<br />
gemeinschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts-, und<br />
Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Ver-<br />
mögen gewährleistet. Die in Art. 138 Abs. 2 WRV verankerte Kirchengutsga-<br />
rantie schützt bestimmte vermögenswerte Rechte der Religionsgemeinschaf-<br />
ten wegen der religiösen oder weltanschaulichen Zwecksetzung dieser Rech-<br />
te (vgl. Maunz/Dürig, Art 140 GG, Art. 138 WRV, RdNr. 15). Der Kläger zu 3)<br />
ist Eigentümer des jüdischen Friedhofs, auch die Zweckbestimmung im vor-<br />
genannten Sinn ist gegeben. Art 138 Abs. 2 WRV begründet eine verfas-<br />
sungsrechtliche Garantie zur Abwehr von Säkularisationen und säkularisati-<br />
onsähnlichen Akten (Maunz/Dürig, Art. 140 GG, Art. 138 WRV, RdNr. 13).<br />
Die Kirchengutsgarantie verbietet Eingriffe des Staates, die gerade und spe-<br />
ziell das Kirchengut betreffen, also Säkularisationen und säkularisationsähn-<br />
liche Akte. Die in das Grundgesetz inkorporierte Bestimmung des Art. 138<br />
Abs. 2 WRV will mithin die besondere Funktion des Kirchenguts gegenüber<br />
Zugriffen des Staates schützen (BVerwG, U.v. 15.11.1990, 7 C 9/89,<br />
BVerwGE 87, 115). Von einem Zugriff des Staates, einer Säkularisation oder<br />
säkularisationsähnlichen Maßnahme kann hier aber nicht gesprochen wer-<br />
den.<br />
Im Übrigen kann dem Klägerbevollmächtigten nicht gefolgt werden, wenn<br />
dieser – erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2010 –<br />
eine Verletzung des zwischen dem Freistaat <strong>Bayern</strong> und dem Landesver-<br />
band der Israelitischen Kultusgemeinden in <strong>Bayern</strong> am 14. August 1997 ab-<br />
geschlossenen Staatsvertrags (GVBl 1998, 30) reklamiert. Insbesondere ist<br />
nichts dafür ersichtlich, dass die in Art. 4 enthaltene Freundschaftsklausel<br />
verletzt worden wäre, zumal hier nach der Stellungnahme der Fachbehörde<br />
BLFD nicht von einem „Nähefall“ auszugehen ist.
7.5.<br />
99<br />
Verstoß gegen Bestattungsgesetz und gegen Art. 149 BV, „schickliche Grab-<br />
pflege“:<br />
Vorliegend ist weder ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 Satz 1 des Bayer. Be-<br />
stattungsgesetzes (BestG), noch gegen Art. 149 der <strong>Bayerische</strong>n Verfassung<br />
(BV) erkennbar. Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BestG müssen die Friedhöfe so<br />
beschaffen sein, dass sie u.a. dem Friedhofszweck (Art. 8 Abs. 1) entspre-<br />
chen. Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BestG sind Friedhöfe öffentliche Einrichtun-<br />
gen, die den Verstorbenen als würdige Ruhestätte und der Pflege ihres An-<br />
denkens gewidmet sind. Nach Art. 149 Abs. 1 Satz 1 BV haben die Gemein-<br />
den dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden<br />
kann.<br />
Für die Kammer steht mit dem <strong>Bayerische</strong>n Verwaltungsgerichtshof (B.v.<br />
19.11.2003, 20 CS 03/2424, ) dem Grunde nach außer Zweifel, dass<br />
ein Friedhof, der den Verstorbenen als würdige Ruhestätte und der Pflege ih-<br />
res Andenkens gewidmet ist, eine besonders schutzwürdige Anlage darstellt,<br />
die auch von der Nachbarschaft gerade in Bezug auf die Art der baulichen<br />
Nutzung die nach dem Widmungszweck gebotene Rücksichtnahme verlan-<br />
gen kann. Entscheidend sind aber die konkreten Umstände des Einzelfalls.<br />
Angesichts des Umstandes, dass hier nur eine in einem Wohngebiet zulässi-<br />
ge Geruchsbeeinträchtigung des Friedhofs gegeben ist und die räumliche<br />
Trennung zwischen Bauvorhaben und Friedhof durch die Kreisstraße ge-<br />
wahrt ist und das Bauvorhaben sich nicht in unmittelbarer Nähe des Fried-<br />
hofs befindet, kann hier nicht von einem Verstoß gegen den Friedhofszweck<br />
und insbesondere gegen die „schickliche Grabpflege“ gesprochen werden.<br />
8.<br />
Bauleitplanung/Veränderungssperre/Ersetzung des gemeindlichen Einver-<br />
nehmens:
100<br />
In der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2010 hat der 1. Bürger-<br />
meister der Klägerin zu 4) eine Skizze vorgelegt und hierzu erläutert, dass<br />
die Gemeinde W***** im November 2009 eine Flächennutzungsplanände-<br />
rung in Angriff genommen habe, mit der Flächen am westlichen Ortsrand von<br />
W*****, die bisher im Außenbereich gelegen hätten, nun als Mischgebiet ein-<br />
gestuft werden sollten. Hierbei handelt es sich allerdings um bloße Pla-<br />
nungsabsichten, die dem Vorhaben des Beigeladenen schon deshalb nicht<br />
entgegen gehalten werden können, weil sie keine hinreichende Konkretisie-<br />
rung erfahren haben. Der Vertreter der Klägerin zu 4) wie auch des Beigela-<br />
denen haben auf Frage des Gerichts übereinstimmend angegeben, dass<br />
noch nicht einmal die Träger öffentlicher Belange hierzu angehört wurden. Im<br />
Übrigen bleibt darauf hinzuweisen, dass durch eine Flächennutzungsplanän-<br />
derung Außenbereichsgrundstücke nicht dem Innenbereich zugeordnet wer-<br />
den können.<br />
Von Seiten der Klägerin zu 2) wird vorgebracht, dass das Vorhaben des Bei-<br />
geladenen der städtebaulichen Entwicklung der Gemeinde No*************<br />
widerspreche, und zwar sowohl der erlassenen Veränderungssperre als auch<br />
dem in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan.<br />
Ist ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst, kann<br />
die Gemeinde nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zur Sicherung der Planung für<br />
den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschlie-<br />
ßen, dass Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen.<br />
Gemäß § 14 Abs. 3 BauGB werden Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der<br />
Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, von der Verände-<br />
rungssperre nicht berührt. Der planungsrechtliche Vorbescheid (Bebauungs-<br />
genehmigung) ist eine baurechtliche Genehmigung i.S.d. § 14 Abs. 3<br />
BauGB; das hat zur Folge, dass ein Vorhaben, für das ein solcher noch bin-<br />
dender Vorbescheid besteht, durch eine später erlassene Veränderungssper-<br />
re nicht berührt wird, sondern sich der Vorbescheid gegen die Verände-<br />
rungssperre durchsetzt (Simon/Busse, Art. 71, RdNr. 112; Ernst/Zinkahn/Bie-<br />
lenberg/Krautzberger, § 14, RdNrn. 120 ff.). Folglich setzt sich zumindest ein<br />
Vorbescheid, der die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit feststellt (Bebau-
101<br />
ungsgenehmigung), gegen eine später erlassen Veränderungssperre durch,<br />
da er i.S.v. § 14 Abs. 3 BauGB ein Vorhaben vor dem Inkrafttreten der Ver-<br />
änderungssperre „baurechtlich genehmigt“ (BVerwG, U. 03.02.1984, 4 C<br />
39/82; U.v. 19.09.2002, 4 C 10/01; beide ). Voraussetzung ist aller-<br />
dings, dass der Vorbescheid dem Bauherrn gegenüber unanfechtbar ist,<br />
denn der Bauherr verdient dann keine Absicherung gegenüber der Verände-<br />
rungssperre, wenn er selbst einen Rechtsbehelf eingelegt hat (Simon/Busse,<br />
Art. 71, RdNr. 112). Die Veränderungssperre vermag die Bindungswirkung<br />
eines Vorbescheids auch dann nicht zu beseitigen, wenn der Vorbescheid<br />
wegen eines Nachbarwiderspruchs noch nicht bestandskräftig ist<br />
(Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 14, RdNr. 122; Simon/Busse,<br />
a.a.O.; OVG Lüneburg, U.v. 31.03.1989, 1 A 5/88, ). Hier hat der Ge-<br />
meinderat der Gemeinde No************* am 22. Oktober 2007 beschlossen,<br />
für das Gebiet um das Baugrundstücks einen Bebauungsplan aufzustellen<br />
und eine Veränderungssperre zu erlassen. Ziel der Planung soll sein „die<br />
Regelung gegenseitiger Interessen der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft,<br />
des Fremdenverkehrs und Berücksichtigung der Belange der öffentlich recht-<br />
lichen Religionsgesellschaften, sowie der Belange des Umwelt- und Natur-<br />
schutzes.“ Die Satzung über die Veränderungssperre wurde im Mitteilungs-<br />
blatt der Verwaltungsgemeinschaft F******** vom 3. November 2007 bekannt<br />
gemacht. Am 29. November 2007 erließ die Gemeinde No************* eine<br />
Satzung „zum Erhalt des Denkmals und Begräbnisstätte jüdischer Friedhof<br />
(Fl.Nr. *02 der Gemarkung Ne*******) und dessen näherer Umgebung“, in<br />
dessen Geltungsbereich das Baugrundstück einbezogen wurde. Mit Be-<br />
schluss des Gemeinderats vom 26. Oktober 2009 hat die Klägerin zu 2) die<br />
Geltungsdauer der Veränderungssperre um ein Jahr verlängert. Der Vorbe-<br />
scheid wurde am 22. Oktober 2007 und damit vor Inkrafttreten der Verände-<br />
rungssperre (4. November 2007) erlassen, so dass er von dieser nicht be-<br />
rührt wird.<br />
Hieran hat sich auch durch den Erlass der Ergänzungsbescheide nichts ge-<br />
ändert, denn hierbei handelt es sich nur um eine Klarstellung (Bescheid vom<br />
05.08.2008) bzw. um eine Reduzierung des ursprünglich genehmigten Aus-<br />
maßes (Bescheid vom 20.03.2009). Anders wäre dies wohl nur dann, wenn
102<br />
ein „mehr“ oder ein „aliud“ genehmigt worden wäre, was hier aber nicht der<br />
Fall ist.<br />
Damit kommt es auf die Frage, ob der der Veränderungssperre zu Grunde<br />
liegende Bebauungsplan einer rechtlichen Überprüfung stand hält, nicht<br />
mehr an. Hierzu sei lediglich noch kurz angemerkt, dass aus Sicht der Kam-<br />
mer insoweit erhebliche Benken bestehen. Allein die zeitlichen Abläufe spre-<br />
chen hier schon deutlich dafür, dass es sich hier um eine reine Verhinde-<br />
rungsplanung handelt. Dafür, dass die zu sichernde Planung im Zeitpunkt der<br />
Beschlussfassung über die Veränderungssperre bereits einen Stand erreicht<br />
hat, der ein Mindestmaß des Inhalts der beabsichtigten Planung erkennen<br />
lässt, ist vorliegend nichts ersichtlich. Auch drei Jahre nach Fassung des<br />
Aufstellungsbeschlusses durch die Klägerin zu 2) sind keine weiteren Verfah-<br />
rensschritte zur Aufstellung des Bebauungsplans erfolgt. Auf die Frage des<br />
Gerichts nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens erläuterte der 1. Bür-<br />
germeister der Klägerin zu 2) in der mündlichen Verhandlung vom<br />
19. Oktober 2010, dass die Gemeinde, insbesondere im Anschluss an die<br />
mündliche Verhandlung vom 16. September 2008, auch aus finanziellen<br />
Gründen, die Planung nicht weiterbetrieben habe. Dies erscheint vernünftig.<br />
Diese Aussage bringt aber auch die Motivationslage klar zum Ausdruck: Die<br />
Gemeinde will die Planung nur weiter verfolgen, wenn dies notwendig bzw.<br />
erfolgversprechend ist, um das Vorhaben des Beigeladenen zu stoppen.<br />
Dies kann aber nur als „Verhinderungsplanung“ bezeichnet werden.<br />
Schließlich erweist sich auch die Ersetzung des gemeindlichen Einverneh-<br />
mens durch den Vorbescheid vom 22. Oktober 2007 als nicht rechtswidrig,<br />
da die rechtlichen Voraussetzungen zur Erteilung des Vorbescheides gege-<br />
ben waren und deshalb die Gemeinde No************* ihr gemeindliches Ein-<br />
vernehmen zu Unrecht versagt hatte.<br />
9.<br />
Nach allem erweist sich der Vorbescheid des Landratsamtes Rhön-Grabfeld<br />
vom 22. Oktober 2007 i.d.F. der Bescheide vom 5. August 2008 und vom
103<br />
20. März 2009 als rechtmäßig, so dass die Klagen als unbegründet abzuwei-<br />
sen waren.<br />
IV.<br />
Als Unterlegene haben die Kläger anteilig die Kosten des Verfahrens zu tra-<br />
gen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Aufteilung der Kosten richtet sich nach dem<br />
wirtschaftlichen Interesse, mithin nach der Höhe des Streitwertes. Es ent-<br />
sprach der Billigkeit, dass die Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des<br />
Beigeladenen zu tragen haben, weil sich der Beigeladene durch Antragstel-<br />
lung am Prozesskostenrisiko beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3<br />
VwGO).<br />
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708<br />
Nr. 11, 711 ZPO.<br />
Rechtsmittelbelehrung:<br />
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom <strong>Bayerische</strong>n Verwaltungsgerichtshof<br />
zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines<br />
Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim <strong>Bayerische</strong>n Verwaltungsgericht<br />
Würzburg,<br />
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder<br />
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,<br />
schriftlich zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.<br />
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach<br />
Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung<br />
zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden<br />
ist, beim <strong>Bayerische</strong>n Verwaltungsgerichtshof<br />
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder<br />
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,<br />
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,<br />
einzureichen.<br />
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn<br />
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,<br />
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,<br />
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,<br />
4. das Urteil von einer Entscheidung des <strong>Bayerische</strong>n Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts,<br />
des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes<br />
oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht<br />
oder<br />
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend<br />
gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.<br />
Vor dem <strong>Bayerische</strong>n Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten<br />
vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein<br />
Verfahren vor dem <strong>Bayerische</strong>n Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte
104<br />
sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes<br />
mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7<br />
VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische<br />
Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen<br />
Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte<br />
mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer<br />
Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen<br />
zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.<br />
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.<br />
gez.: Heilek Graf Dr. Weinmann<br />
Beschluss:<br />
1. Der Streitwert wird bis zur Abtrennung mit Be-<br />
schluss vom 23. November 2007 wie folgt festge-<br />
setzt: 82.500,00 EUR<br />
2. Nach dieser Abtrennung wird der Streitwert wie<br />
folgt festgesetzt:<br />
**** ******** *** *** ** F************, L************<br />
*** ************** *************** ** ******, Wasser-<br />
zweckverband W*****er Gruppe je 7.500,00 EUR,<br />
Gemeinde No*************, Gemeinde W***** je<br />
30.000,00 EUR.<br />
3. Der Streitwert wird nach der Verbindung mit Be-<br />
schluss vom 19. Oktober 2010 wie folgt festge-<br />
setzt: 55.000,00 EUR. Dieser setzt sich aus fol-<br />
genden Einzelstreitwerten zusammen: ****<br />
******** *** *** ** F************, L************ ***<br />
************** *************** ** ******, Wasser-<br />
zweckverband W*****er Gruppe je 5.000,00 EUR,<br />
Gemeinde No*************, Gemeinde W***** je<br />
20.000,00 EUR.
105<br />
Rechtsmittelbelehrung:<br />
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den <strong>Bayerische</strong>n Verwaltungsgerichtshof<br />
zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt<br />
oder die Beschwerde zugelassen wurde.<br />
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der<br />
Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim <strong>Bayerische</strong>n<br />
Verwaltungsgericht Würzburg,<br />
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder<br />
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,<br />
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.<br />
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die<br />
Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung<br />
des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss<br />
mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.<br />
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.<br />
gez.: Heilek Graf Dr. Weinmann