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PflegeForum 29. PflegeForum - Versorgungsnetz Gesundheit eV

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<strong>PflegeForum</strong><br />

<strong>Versorgungsnetz</strong> <strong>Gesundheit</strong> e.V.<br />

c/o Regine Harms<br />

Tel: 0441 / 8000 921 / Fax: 0441 / 8000 924<br />

Email: regine.harms@harms-qg.de<br />

<strong>29.</strong> <strong>PflegeForum</strong><br />

Protokoll vom 05.10.’11, 14.30 – 17.30 Uhr im Klinikum, MAZ<br />

__________________________________________________________________________<br />

1. BEGRÜSSUNG<br />

Am <strong>29.</strong> <strong>PflegeForum</strong> mit dem Thema „Multimedikation – ein interdisziplinäres Problem<br />

in der Patientenversorgung“ haben 47 Personen aus ganz unterschiedlichen<br />

Berufen und Einrichtungsarten teilgenommen. Als Referentinnen konnten wir Dr.<br />

Gabriele Röscheisen-Pfeifer (Bezirksapothekerin, Inhaberin Dobben-Apotheke) und<br />

Judith Ahrend (Gerontologin und Fachanwältin Medizinrecht) begrüßen.<br />

2. VORTRAG ZUR MULTIMEDIKATION AUS SICHT EINER APOTHEKERIN<br />

a. Allgemeine Aspekte zum Thema<br />

- Beeinflussung der Medikation durch:<br />

Patient selbst / Arzt (Haus- und Facharzt) / Apotheke / Heilpraktiker / Pflegende /<br />

Nachbarn und andere Informanten / Werbung (spielt eine große Rolle!)<br />

- Begriffsklärungen:<br />

o Regelmedikation (vom Arzt zur regelmäßigen Einnahme verordnet)<br />

o Bedarfsmed. (vom Arzt im Voraus verordnet – Dosis ist meist vorher festgelegt)<br />

o Akutmed. (vom Arzt beim Auftreten akuter Erkrankung sofort verordnet)<br />

o Zusatzmed. (vom Patienten selbst bestimmt – keine Verschreibungspflicht;<br />

apothekenpflichtige Arzneimittel (AM) - OTC, nicht apothekenpflichtige AM,<br />

Nahrungsergänzungsmittel<br />

b. Multimedikation (Polypharmazie oder Polymedikation)<br />

davon wird ab fünf parallel eingenommenen AM gesprochen<br />

Richtschnur: so viel, wie nötig – so wenig, wie möglich<br />

Für eine optimale Therapie kann eine sinnvolle Kombination von AM Dosierungen<br />

und Nebenwirkungen verringern. Problem: viele Krankheiten müssen mit AM-<br />

Kombinationen behandelt werden (z.B. Blutdrucktherapie = 1-3 AM)<br />

c. Interaktionen<br />

Es können Wechselwirkungen zw. AM und anderen AM oder Nahrungsmitteln auftreten.<br />

Aber: nur ein kleiner Teil der UAW (unerwünschten Arzneimittelwirkungen) werden<br />

durch Interaktionen hervorgerufen – es gibt noch andere Ursachen.<br />

- mittelschwere Interaktionen<br />

47 % der Wechselwirkungen (WW) in der ABDA-Datenbank (ABDA = Bundesvereinigung<br />

Dt. Apothekerverbände) → AM-Kombination führt häufig zu therapeutischen<br />

Schwierigkeiten, kann aber bei sorgfältiger Patientenüberwachung verabreicht w.<br />

- schwerwiegende Interaktionen<br />

9% der WW in der ABDA-Datenbank. → AM-Kombination kann für Patienten lebensbedrohlich<br />

sein oder zu Intoxikationen oder bleibenden Schäden führen. AM-<br />

Einnahme sollte nicht gleichzeitig erfolgen.<br />

Interaktionen sind häufig vorhersehbar und dadurch vermeidbar. Die Zahl möglicher<br />

Interaktionen steigt mit der Zahl der AM, der Ärzte und Apotheken sowie dem Alter<br />

der Patienten exponentiell an.<br />

Erkennen von Interaktionen:<br />

teils schleichender Beginn / Blutdruck- oder Blutzuckerschwankungen trotz vorher gut<br />

eingestellter Medikation / Unwohlsein, Schwindel, Herz- u. Kopfschmerzen, Stürze /<br />

fehlendes Anschlagen von Med. / Desorientierung, Depression<br />

Vermeidung von Interaktionen:<br />

automatisches Erkennen über Apothekensoftware / Speichern der Patientendaten<br />

1


(mit deren Einverständnis), darüber Medikamentenhistorie, wenn nur eine Apotheke /<br />

Überprüfung des Einnahmeplans / Apotheke leitet einfachen Dokubogen an behandelnden<br />

Arzt weiter (nur Frage „ja“ oder „nein“).<br />

d. Besonderheiten bei älteren Patienten:<br />

Risiko für Neben- u. Wechselwirkungen ist erhöht / es gibt keine Studien nur mit<br />

älteren Menschen / es ist schwer Nebenwirkungen von neuen Erkrankungen zu<br />

unterscheiden / Medikamente w. teils aus Gewohnheit weiter gegeben, auch wenn<br />

akute Beschwerden abgenommen haben / die PRISCUS-Liste enthält sowohl Informationen<br />

über Verstoffwechselung, als auch Alternativvorschläge für AM!<br />

http://priscus.net/download/PRISCUS-Liste_PRISCUS-TP3_2011.pdf<br />

e. Interdisziplinäres Handeln<br />

möglichst ein Hausarzt (Absprache mit Fachärzten und ggf. Heilpraktikern) / mögl.<br />

eine Apotheke / Pflegende in Kommunikation mit Arzt/Apotheke – Mediplan möglichst<br />

beim Patienten / Angehörige einbeziehen<br />

Versandhandel vermeiden: dort wird bspw. kein Interaktionscheck (in Medikationshistorie)<br />

durchgeführt und es findet keine Beratung statt, teilweise gibt es AM-Fälschungen,<br />

keine Akutmedikations-Lieferung möglich<br />

f. FRAGEN ZUM VORTRAG<br />

i. Stellen Generika ein besonderes Problem dar?<br />

Wirkstoffe sind identisch – Probleme nur, wenn die Hilfsstoffe nicht vertragen w.<br />

ii. Worin bestehen Probleme bei Rabattverträgen?<br />

Probleme bestehen besonders, wenn Kassen nur mit einem Unternehmen Verträge<br />

haben (Lieferengpässe!). Patienten sind leicht verunsichert, wenn die AM anders<br />

aussehen als gewohnt. Für Apotheken ist der Aufwand um 80% gestiegen<br />

iii. Entstehen Probleme durch Facharztbesuche?<br />

Schwierigkeiten gibt es v.a. dann, wenn die Fachärzte ohne Überweisung besucht<br />

werden und keine ärztliche Abstimmung stattfindet. Generell bezogen auf Ärzte<br />

kommt hinzu, dass pharmazeutische Technologie bei Ärzten im Gegensatz zu<br />

Apothekern kein Bestandteil des Studiums ist und somit weniger Wissen darüber<br />

vorhanden ist, was z.B. wie verabreicht werden darf (Darreichungsformen: Fragen<br />

zur Teilbarkeit, Sondengängigkeit, Mörserbarkeit, Magensaftresistenz...)<br />

iv. Wie gehen Apotheken mit angezeigten zu erwartenden Interaktionen um?<br />

Medikamente werden nicht mitgegeben, so wird bspw. gesagt, das Medikament<br />

müsse erst bestellt werden. Dann wird mit dem Arzt Rücksprache gehalten.<br />

v. Wie verbreitet ist der Interaktionscheck?<br />

Alle Apotheken müssen diesen bei jedem Rezept durchführen. Es findet jedoch<br />

keiner regelhaft bezogen auf mehrere Rezepte (Historie) statt, wenn die Patientendaten<br />

nicht eingespeichert sind. Ärzte können auch einen Interaktionscheck durchführen<br />

und diesen auch abrechnen. Einen allgemein zugänglichen Interaktionscheck<br />

bietet die Apotheken-Umschau im Internet an:<br />

http://www.apotheken-umschau.de/Arzneimittel-Check<br />

vi. Warum kreuzen Ärzte selten „aut idem“ an?<br />

Wenn das häufiger vorkommt, können Ärzte Probleme mit der KV bekommen.<br />

Apotheken haben jedoch die Möglichkeit, „pharmazeutische Bedenken“ auf ein<br />

Rezept zu schreiben und einen anderen Hersteller auszuwählen. Beispiel: wenn<br />

das verordnete AM nicht teilbar ist, dies für die Einnahme jedoch wichtig ist.<br />

3. VORTRAG ZUR MULTIMEDIKATION AUS SICHT EINER JURISTIN<br />

Einleitend sagte Frau Ahrend, dass üblicherweise alle behaupten, sie würden gut zusammenarbeiten.<br />

In der Praxis sähe das dann häufig anders aus. Im Fokus des Vortrags<br />

steht Medikation auf Grundlage gesetzlicher Krankenversicherung<br />

a. Verantwortlichkeiten<br />

2


i. Krankenhäuser: generelle Regelung über Behandlungsvertrag / Ärztl. Verantwortung<br />

für medizinische Entscheidungen / pflegerische Verantwortung für pfleg.<br />

Entscheidungen / Medigabe = Aufgabe der Pflege (Basis med. Entscheidung) /<br />

Delegation / Dokumentation<br />

ii. Ambulante Versorgung: Patienten bestimmen viel selbst / über Dienstleistungsvertrag<br />

ist Pflegedienst für Medigabe (Behandlungspflege) involviert / Diagnose = Arzt<br />

iii. Heime: Grundlage ist der Heimvertrag, über den das Heim sich verpflichtet, dass<br />

die Bewohner keinen Schaden erleiden / Diagnose u. Therapievorschlag = Arzt /<br />

Arzt delegiert Medigabe in Auftrag des Bewohners an die Pflege (ANDERS als bei<br />

amb. Pflege) / Medigabe ist trotzdem pflegerische Einzelentscheidung (je nach<br />

Einschätzung der Situation, des Zustands der Bewohnerin z.B.)<br />

b. Weisungsberechtigung von Ärzten<br />

i. Krankenhäuser: Delegation der Zuständigkeit möglich / Dokumentation wichtig<br />

ii. Ambulante Versorgung und Heime: keine Weisungsbefugnis (Pflege ist Arzt nicht<br />

unterstellt – Pat./Bew. hat Vertrag mit Pflegedienst oder Heim) / Delegation nur<br />

über Patient/Bewohner: Arzt als Bevollmächtigter / es besteht eine eigene Prüfungsverpflichtung<br />

(kann ich das Medikament jetzt geben?)<br />

c. PatientInnen<br />

Handeln prinzipiell eigenverantwortlich (Juristen gehen erstmal von geschäftsfähigen<br />

Menschen aus) / können sich durch Apotheke oder Arzt beraten lassen / Pflegekräfte<br />

können sich zur Unterstützung ebenfalls von Apotheken bspw. zur Bedarfsmedikation<br />

beraten lassen<br />

d. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)<br />

Apotheke ist verantwortlich, bis Medikamente herausgegeben sind. Danach ist der<br />

Arzt rechtlich verantwortlich – trotzdem muss jede Pflegekraft pflegerische Entscheidungen<br />

treffen (und dokumentieren). Die Pflege muss einschätzen, ob sie ihren<br />

Dienstleistungsvertrag mit dem Patienten noch erfüllen kann. Bei UAW muss geklärt<br />

sein, wann wer benachrichtigt wird (PDL, Hausarzt, 112)<br />

e. Verordnungen<br />

Schwierig ist der Übergang zwischen Krankenhaus und häuslicher Versorgung/Heim<br />

vor oder an Wochenenden und Feiertagen. Aus dem Krankenhaus kommt nur ein<br />

Therapievorschlag, die weitere Verordnung trifft der Hausarzt. Krankenhäuser dürfen<br />

zur Überbrückung „Übergangsmedikamente“ bis zum nächsten Praxisöffnungstag<br />

mitgeben.<br />

f. Pflegerische Entscheidungen betreffen:<br />

- Gabe der Medikation (Auftrag Pat./Bew., außer im Kr.haus nicht Delegation Arzt)<br />

- Einordnung eventueller Symptome und Reaktion (PDL, Hausarzt, 112)<br />

- Zeitpunkt der Medigabe (vor/nach dem Essen etc.)<br />

4. FRAGEN UND DISKUSSION IM ANSCHLUSS AN DIE VORTRÄGE<br />

Einzelne Fragen und Antworten sind bereits bei den entsprechenden Oberpunkten der<br />

Vorträge eingeflossen. Weitere Themen waren:<br />

a. Telefonische Anordnung von verschreibungspflichtiger Bedarfsmedikation<br />

Bei neuer Bedarfsmed. muss ein Arzt eine Diagnose stellen und eine Verordnung<br />

ausstellen. Bei Änderungen der Dosierung ist er laut einer Nachricht im Juli-Rundschreiben<br />

der KVN nicht zur Dokumentation verpflichtet. Laut Frau Ahrend ist es<br />

wesentlich, dass ein Heim oder Pflegedienst diesen Fall im QM geregelt hat. Es muss<br />

geklärt sein, wie einzelne MitarbeiterInnen sich hier verhalten. So sollte eine „Entscheidungsroute“<br />

festgelegt sein (wer ist zuständig, wer entscheidet?). Die Entscheidungen<br />

müssen dokumentiert w. Juristisch ist relevant, wer wann was gemacht hat.<br />

b. Besonderheiten bei Heimbelieferungsverträgen von Apotheken<br />

Seit 2009 muss jedes Heim mit mind. Einer Apotheke einen Heimbelieferungsvertrag<br />

haben. Die freie Apothekenwahl für die Bew. bleibt bestehen, aber die Apotheke beliefert<br />

das Heim (wenn keine anderen Wünsche der Bew.), führt Stationsbegehungen<br />

durch und bietet Fortbildungen für die Mitarbeiter an. Einige Verträge beinhalten,<br />

3


dass die Apotheke nur verschreibungspflichtige AM liefern darf. Werden verschreibungsfreie<br />

AM benötigt, darf das Heim nicht einfach die Apotheke anrufen – die Bewohner<br />

dürften das, was dann jedoch dokumentiert w. sollte.<br />

c. Eigene Medikamenteneinnahme durch Bewohner<br />

Bewohner/Patienten dürfen selbst entscheiden, welche Medikamente sie einnehmen<br />

und sich daher auch verschreibungsfreie AM beschaffen. Für Heime stellt dies ein<br />

Dilemma dar, denn über den Heimvertrag haben sie eine Verantwortung für die in<br />

ihrer Obhut befindlichen Bewohner. Das Problem ist nicht lösbar – jedes Heim muss<br />

über sein QM eine Leitlinie finden für einen guten Umgang mit dem Thema. Wird die<br />

Einnahme akzeptiert? Gibt es Konsequenzen?<br />

d. Entlassungsbrief aus dem Krankenhaus als Rezept<br />

Entlassungsbriefe könnten wie Privatrezepte behandelt werden. Ein Kassenrezept eines<br />

Hausarztes muss dann nachgereicht werden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass<br />

die Krankenkasse evtl. das Geld nicht erstattet. Ein „echtes“ Rezept auf Grundlage<br />

eines Entlassungsbriefes kann z.B. die Notdienstpraxis ausstellen. Die beste Möglichkeit<br />

ist jedoch die Mitgabe von Medikamenten durch Krankenhäuser.<br />

e. Verblisterung von Medikamenten durch Apotheken<br />

Mit der Verblisterung sind Pflichten verbunden – z.B. Mitgabe eines Beipackzettels<br />

oder Bilder der Medikamente. Die Verantwortung für die Medikamentengabe hat in<br />

jedem Fall die verabreichende Pflegekraft, auch wenn die Apotheke einen Fehler gemacht<br />

haben sollte.<br />

5. ABSCHLUSS<br />

Da der Moderator ganz kurzfristig ausgefallen war, fand „nur“ eine lebhafte und engagierte<br />

Fragerunde und Diskussion stand, es gab keine gezielte Zusammenfassung der<br />

Ergebnisse.<br />

TERMINE<br />

Vorbereitungsgruppe (für das nächste <strong>PflegeForum</strong>):<br />

WANN: Mi. 09.11.2011, 15.30 – 17.00 Uhr<br />

WO: Klinikum OL, Verwaltungsgebäude, 1. OG, Raum 1.35<br />

Nächstes <strong>PflegeForum</strong>:<br />

WANN: Mi. 07.12.2011, 14.30 – 17.30 Uhr<br />

WO: MAZ des Klinikums, Brandenburger Str. 19, 26133 Oldenburg<br />

THEMA: „Sieben auf einen Streich – Multimedikation aus pflegerischer und medizini-<br />

scher Perspektive“<br />

Protokollantin:<br />

OL, 13.10.’11 (einzelne Ergänzungen am 23.10.)<br />

4

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