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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 99<br />

Das Buch des Herrn Or. Nowizki läßt sich folgendermaßen charakterisieren: als die Philosophie<br />

Kants in Deutschland nach und nach bekannt wurde, blieb die Mehrzahl der Fachleute,<br />

die es stets mit der Routine hält, bei ihrer routinierten Scholastik, bei den mittelalterlichen<br />

Auffassungen; anstandshalber jedoch kleideten sie diese in Worte, die sie sich von der Kantschen<br />

Terminologie liehen.<br />

Als die transzendentale Philosophie zur Verbreitung kam, [246] wurde diesem Gemisch alter<br />

scholastischer Begriffe und neuer kantianischer Fachausdrücke in den Büchern der Routiniers<br />

noch das neueste Gemisch aus Redensarten beigemengt, die man den Systemen Schellings<br />

und Hegels entnahm. Von dem neuen Geist ist in diesen routinierten Büchern keine Spur zu<br />

finden, ebenso wie in den reaktionären Zeitungen, die sich gern in neuen, seit Rousseau in<br />

Mode gekommenen Redewendungen gefallen, keine Spur von den neuen sozialen Ideen zu<br />

finden ist. Herr Or. Nowizki hat sich die Grundideen seines Buches von diesen rückständigen<br />

deutschen Philosophen ausgeborgt, die in der Sprache Kants, Schellings und Hegels mittelalterliche<br />

Ideen vortragen. Wieviel er selbst dazu beigetragen hat, die mittelalterlichen Ideen<br />

kantisch oder hegelisch anzustreichen, wissen wir nicht, und das geht auch niemanden groß<br />

etwas an, denn wenn jemand heute auf den Gedanken käme, eine Ode in Dershawins Manier<br />

zu veröffentlichen, würden das Urteil der Kritik und die Meinung des Publikums über dieses<br />

Werk absolut einheitlich ausfallen, mag diese Ode nun ein Originalwerk oder nur die Bearbeitung<br />

irgendeiner fremden Ode oder schließlich einfach eine Übersetzung aus dem Deutschen<br />

sein. Das herauszubringen, lohnte wirklich nicht der Mühe.<br />

Zum Lobe Herrn Or. Nowizkis muß gesagt werden, daß er unter Einhaltung der grammatischen<br />

Regeln schreibt, Konjunktionen und Präpositionen an die ihnen zukommenden Platze<br />

zu stellen weiß und die Lehre von der Interpunktion gründlich beherrscht. Aber diese Seite<br />

macht noch nicht den Hauptvorzug seines Buches aus. Er pflegt eine Menge philosophischer<br />

Fachausdrücke zu verwenden, von denen einige sogar wirklich nicht übel sind, wenn nicht<br />

Herr Or. Nowizki sie gebraucht, sondern Hegel. Außerdem hat er sich als einer seiner Quellen<br />

für die Darstellung der chinesischen Philosophie des Buchs des verstorbenen Joakinth,<br />

„China, seine Bewohner, seine Sitten, Gebräuche und Bildung“, bedient, das im Jahre 1840 in<br />

St. Petersburg erschienen ist.<br />

Der Leser weiß, daß dieses Buch in der Form von Fragen und Antworten geschrieben ist,<br />

wobei die Fragen so lauten: [247] „Wie heißt bei den Chinesen die Gouvernementsverwaltung<br />

Wieviel Beisitzer hat die chinesische Gouvernementsverwaltung Welche Ämter werden<br />

in China mit Kollegien-Registratoren besetzt“ In den Antworten wird das dann alles<br />

sehr genau erklärt.<br />

Aber es ist jetzt an der Zeit, wenigstens ein Beispiel der Philosophiererei Herrn Or. Nowizkis<br />

vorzuführen. Für diesen Zweck wählen wir jenen Teil der Einleitung, der das Verhältnis der<br />

Philosophie zur Religion auseinandersetzt. Der wesentliche Inhalt ist bei Religion und Philosophie<br />

gleich, sagt Or. Nowizki, jedoch „unterscheiden sie sich durch die Art, wie sie diesen<br />

Inhalt verarbeiten, durch die Form, unter der sie ein und dieselbe Wahrheit erkennen“.<br />

„In der Religion offenbart sich das Absolute als seine unmittelbare Anwesenheit im menschlichen Bewußtsein,<br />

in der Philosophie dagegen als Gedanke vom Absoluten; die Religion ist vorwiegend in der Überzeugung des<br />

Herzens zu Hause, die Philosophie dagegen in den Begriffen der Vernunft. In wenig Worten“ (fährt Or. Nowizki<br />

in den Anmerkungen fort), „aber tief wahr ist dieser Unterschied von Philosophie und Religion in unserem griechisch-orthodoxen<br />

Katechismus (Seite 2) ausgedrückt: ‚Das Wissen gehöret recht eigentlich dem Verstande an,<br />

obwohl es auch auf das Herz wirken kann; der Glaube gehöret recht eigentlich dem Herzen an, obwohl er im<br />

Denken beginnt...‘ Indem Philosophie und Religion“ (fährt er im Text fort) „im bloßen Inhalt übereinstimmen,<br />

unterscheiden sie sich voneinander nicht nur durch ihre Form, sondern durch ihre Bedeutung und ihren Wert.<br />

Wie wichtig auch immer das philosophische Wissen und wie wertvoll die Philosophie selbst sein mag – der<br />

Glaube wird doch immer über diesem Wissen stehen... Wenn die Philosophie“ (sagt Or. Nowizki weiter) „sich<br />

der Exaktheit ihrer Begriffe auf dem ihr eigenen Gebiet rühmt, so haben doch diese Begriffe niemals Tiefe und<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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