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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 94<br />

erscheinen, können sich als entweder zweifelhaft oder unrichtig erweisen. Aber das Wesen<br />

unserer Kenntnisse von der Schlacht bei Marathon hat jeder gebildete Mensch bereits längst<br />

nachgeprüft, nachgeprüft nicht nur durch Lektüre der Berichte über die Schlacht selbst, sondern<br />

auch durch alles, was er gelesen, durch alles, worüber er sich unterhalten hat, durch sein<br />

ganzes Wissen vom Leben der zivilisierten Welt – nicht allein der Vergangenheit, sondern<br />

mehr noch des heutigen Lebens der zivilisierten Welt –‚ jenes Lebens, an dem er praktisch<br />

selbst teilnimmt. Hätte die Schlacht bei Marathon nicht stattgefunden und hätten die Athener<br />

in ihr nicht gesiegt, so hätte die ganze Geschichte Griechenlands, ja überhaupt die Geschichte<br />

der zivilisierten Welt einen anderen Verlauf genommen, und unser Leben würde heute anders<br />

aussehen; das Ergebnis der Schlacht bei Marathon ist einer der für einen gebildeten Menschen<br />

offenkundigsten Faktoren unserer Zivilisation.<br />

An derartige ausschlaggebende Tatsachen schließen sich andere Tatsachen an, deren unerschütterliche<br />

Richtigkeit auf der Richtigkeit jener beruht.<br />

Und was ergibt sich nun hieraus für unser historisches Wissen Es enthält unbestritten viele,<br />

sehr viele unsichere Angaben, sehr viele Fehlurteile; es enthält jedoch auch Kenntnisse, deren<br />

Zuverlässigkeit für den gebildeten Menschen so feststeht, daß er sie nicht bezweifeln kann,<br />

ohne unvernünftig zu werden.<br />

[237] Selbstverständlich gilt das, was die Vernunft über das historische Wissen aussagt, auch<br />

von jedem anderen konkreten Wissen.<br />

Kann für jeden gebildeten Menschen durch sein ganzes Leben in der gebildeten Gesellschaft<br />

sein Wissen als hinreichend nachgeprüft gelten, wonach London in England, Paris in Frankreich<br />

und New York in den Vereinigten Staaten von Nordamerika liegen usw. usw., über<br />

hunderte und aber hunderte andere Städte In einigen von ihnen ist er selbst gewesen und<br />

wohnt jetzt ständig oder besuchsweise in einer von ihnen. In der Mehrzahl der anderen ist er<br />

nie gewesen; läßt aber seine Vernunft auch nur den geringsten Zweifel daran zu, daß diese<br />

hunderte Städte, von deren Existenz er nur aus Zeichnungen, Büchern und Erzählungen<br />

Kenntnis hat, wirklich existieren<br />

Und fragen wir schließlich, hat das Pferd vier Beine Gibt es Löwen und Tiger Ist der Adler<br />

ein Vogel oder nicht Kann die Nachtigall singen – Ein kleines Kind hat möglicherweise<br />

keine sicheren Antworten auf diese Fragen bereit, in der gebildeten Gesellschaft jedoch gilt<br />

das nur für sehr kleine Kinder; ein zehnjähriges Kind, das in der gebildeten Gesellschaft aufgewachsen<br />

ist, hat sich dieses Wissen nicht nur längst angeeignet, sondern ist auch längst<br />

darüber hinaus, die Zuverlässigkeit dieses Wissens auch nur dem geringsten Zweifel unterziehen<br />

zu können, ohne auf die Vernunft zu verzichten.<br />

Die Vernunft unterzieht alles ihrer Prüfung. Aber jeder gebildete Mensch verfügt über eine<br />

Menge von Wissen, das er mit seiner Vernunft überprüft hat und das nach dieser Prüfung<br />

nicht im geringsten mehr bezweifelt werden kann, solange der Mensch seinen gesunden Verstand<br />

beisammen hat. [238]<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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