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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 88<br />
Die zweite der mathematischen Wahrheiten, die der Illusionismus besonders liebt, lautet:<br />
„Das Verständnis der unendlichen Reihe übersteigt unsere Denkkraft.“<br />
Aber was sind dann zum Beispiel jene „fallenden“ geometrischen Progressionen, deren<br />
Summierung man sehr leicht erlernen kann, wie unendlich auch die Reihen sein mögen<br />
Wenn wir sie sogar summieren können, können wir sie doch wahrscheinlich auch verstehen<br />
Viele von den unendlichen Reihen, deren Summe jede bestimmte Größe überschreitet, sind<br />
völlig verständlich, auch wenn man sehr bescheidene mathematische Kenntnisse hat, von<br />
tiefen Kenntnissen ganz zu schweigen. So ist zum Beispiel die unendliche Reihe<br />
1, 2, 3, 4...<br />
für jedermann verständlich, der zu zählen gelernt hat. Noch einfacher zu verstehen ist die<br />
unendliche Reihe<br />
1 + 1 + 1 + 1 + 1...<br />
Um sie zu verstehen, braucht man nur zu lernen, was die Ziffer 1 und das Zeichen + bedeuten,<br />
sie ist also auch für einen Menschen leicht zu verstehen, der außer der 1 noch keine andere<br />
Ziffer kennenzulernen Gelegenheit hatte. Die Summe der einen wie der anderen dieser<br />
Reihen übersteigt jede gegebene Größe.<br />
Es ginge noch an, wenn die Reihen, von deren Verständnis der Illusionismus verkündet, es<br />
überstiege die Kräfte des menschlichen Denkens, zu jener Gruppe von Reihen gehörten, die<br />
sich nicht verstehen lassen, wenn man nicht gewisse Formeln versteht, die für Leute ohne<br />
Kenntnisse der höheren Mathematik unverständlich sind. Nein, es handelt sich um Reihen,<br />
die jeder Mensch mit Elementarbildung verstehen kann. Die mathematische Wahrheit, der<br />
zufolge der menschliche Verstand nicht imstande sein soll, die unendliche Teilbarkeit zu verstehen,<br />
wird im Zusammenhang mit [226] der Frage verkündet, ob die einfachste der fallenden<br />
geometrischen Progressionen, die jeder, der da will, in der Rechenstunde verstehen und<br />
summieren lernt, für den Menschen verständlich sei; es handelt sich hier um die Progression<br />
1, ½, ¼, ⅛...<br />
Diese Zahlenreihe ist der menschliche Verstand nicht imstande zu denken. Und die zweite<br />
mathematische Wahrheit, die behauptet, daß das Verständnis unendlicher Reihen die Kräfte<br />
des menschlichen Denkens übersteige, behauptet dies in bezug auf die einfachste aller durch<br />
Summierung gebildeten Zahlenreihen, die Zahlenreihe nämlich, deren Unbegreiflichkeit wir<br />
bereits kennengelernt haben:<br />
1 + 1 + 1 + 1 + 1...<br />
Ja, von diesen zwei Zahlenreihen – gerade von diesen – behauptet die mathematische Wahrheit,<br />
ihr Verständnis übersteige die Kräfte des menschlichen Denkens.<br />
Wozu hat die mathematische Wahrheit nötig, das zu behaupten Lesen Sie einmal selber:<br />
„Die Vorstellung des Raumes verlangt, daß wir den Raum als bis ins Unendliche teilbar und<br />
als grenzenlos denken. Eine unendliche Teilbarkeit kann unser Verstand nicht denken; das<br />
übersteigt die menschlichen Denkkräfte. Die Grenzenlosigkeit denken, heißt eine unendliche<br />
Reihe denken, die durch Summierung endlicher Größen entsteht; auch das übersteigt die<br />
Kräfte des menschlichen Denkens. Die Vorstellung des Raumes verlangt also, daß wir etwas<br />
denken, was wir nicht denken können; jeder unserer Versuche, den Begriff des Raumes zu<br />
denken, ist ein Versuch, das Undenkbare zu denken. Hieraus ergibt sich klar, daß der Begriff<br />
des Denkens ein sich selbst widersprechender Begriff, d. h. eine Illusion unseres Denkens ist,<br />
und daß es nichts gibt und nichts geben kann, was dieser Illusion entspricht.“<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013