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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 84<br />

einfach und ohne Hintergedanken vortragen. Der Mensch, der mit gewissenhaften Menschen<br />

umzugehen gewöhnt ist, wird, wenn er auf Hinterlist stößt, auch ohne besonders naiv zu sein,<br />

leicht ein Opfer des Betrugs.<br />

Ist es da weiter verwunderlich, wenn der Naturwissenschaftler sich auf die dem Illusionismus<br />

eigenen Theorien einläßt Unter den Einfluß dieses Philosophiesystems zu geraten ist bei dem<br />

davon Betroffenen, mag er nun Naturforscher sein oder nicht, um so verzeihlicher, als die<br />

Mehrzahl der Gelehrten, die sich berufsmäßig mit Philosophie befassen, zu den Anhängern des<br />

Illusionismus gehört. Die Masse der gebildeten Menschen ist im allgemeinen geneigt, [218]<br />

solche Lösungen von Fragen als wissenschaftliche Wahrheiten anzusehen, die von der Mehrzahl<br />

der Fachleute der Wissenschaft, die sich mit der Untersuchung der betreffenden Fragen zu<br />

beschäftigen hat, als wahr anerkannt werden. Es wäre höchst sonderbar, wenn die Naturwissenschaftler,<br />

wie auch alle anderen gebildeten Menschen, sich nicht von den philosophischen Systemen<br />

beeinflussen ließen, die unter den Fachleuten für Philosophie herrschend sind.<br />

Kann man der Mehrheit der Fachleute der Philosophie einen Vorwurf daraus machen, daß sie<br />

dem Illusionismus anhängt Natürlich wäre es ungerecht, ihr diesen Vorwurf zu machen.<br />

Welcher Natur die Philosophie ist, die zu einer gegebenen Zeit herrscht, das wird durch die<br />

allgemeine Natur des geistigen und sittlichen Lebens der fortschrittlichen Nationen bestimmt.<br />

Mithin darf man weder der Mehrzahl der Philosophen unserer Zeit daraus einen Vorwurf<br />

machen, daß sie Illusionisten sind, noch jenen Naturwissenschaftlern, die dem Einfluß des<br />

Illusionismus unterliegen, daß sie es tun.<br />

Aber mögen auch die illusionistischen Philosophen keine Schuld daran haben, daß sie Illusionisten<br />

sind, so muß man doch sagen, daß ihre Philosophie dem gesunden Verstand widerspricht;<br />

und von den Naturwissenschaftlern, die ihrem Einfluß unterliegen, muß gesagt werden,<br />

daß die Gedanken, die sie jener Philosophie entnehmen, nur in ihr am Platze sind, dagegen<br />

in der Naturwissenschaft durchaus nicht am Platze sind.<br />

Wissen wir von uns selbst, daß wir Menschen sind Wenn wir es wissen, so ist unser Wissen<br />

von der Existenz des menschlichen Organismus ein unmittelbares Wissen, ein Wissen, das<br />

uns auch ohne jede Beimischung von irgendeiner Art Reflexion gegeben ist; es ist das Wissen<br />

eines Wesens von sich selbst. Wenn wir aber Kenntnis von unserem Organismus haben, dann<br />

haben wir auch Kenntnis sowohl von der Kleidung, die wir tragen, als auch von der Speise,<br />

die wir essen, von dem Wasser, das wir trinken, von dem Weizen, aus dem wir uns Brot bereiten,<br />

von dem Gefäß, in dem wir es backen, und ebenso von unseren Häusern und von unseren<br />

Äckern, auf denen wir den Weizen anbauen, und von [219] den Wäldern und den Ziegeleien,<br />

den Steinbrüchen, aus denen wir das Material zum Bau unserer Wohnungen holen,<br />

usw. usw. Kurz gesagt: wenn wir Menschen sind, haben wir Kenntnis von einer unzähligen<br />

Menge von Gegenständen – direkte, unmittelbare Kenntnis von ihnen, von ihnen selbst; sie<br />

ist uns durch unser reales Leben gegeben. Nicht all unser Wissen ist von dieser Art. Wir haben<br />

Kenntnisse, zu denen wir vermittels unserer Reflexion gekommen sind; andere Kenntnisse,<br />

die wir aus den Erzählungen anderer Menschen oder aus Büchern erhalten haben. Sobald<br />

diese Kenntnisse zuverlässig sind, sind sie ebenfalls Wissen; aber dieses Wissen ist nicht unmittelbar,<br />

nicht direkt, sondern mittelbar, nicht faktisches, sondern gedankliches Wissen. Von<br />

ihm kann man sagen, daß es kein Wissen von den Gegenständen selbst, sondern nur Wissen<br />

von den Vorstellungen von den Gegenständen ist. Der Unterschied des direkten, faktischen<br />

Wissens von dem indirekten, gedanklichen Wissen ist eine Parallele zu dem Unterschied zwischen<br />

unserem realen Leben und unserem gedanklichen Leben.<br />

Behaupten, wir hätten nur von unseren Vorstellungen von den Gegenständen Kenntnis, dagegen<br />

keine direkte Kenntnis von den Gegenständen selber, heißt soviel wie unser reales Leben,<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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