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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 82<br />

auch nicht. Wenn sie ihnen entsprechen, so sind sie Vorstellungen von wirklich existierenden<br />

Gegenständen. Wenn sie ihnen nicht entsprechen, so sind sie Vorstellungen nicht von wirklich<br />

existierenden Gegenständen, sondern von nicht existierenden [214] Gegenständen. Welche<br />

von diesen beiden Alternativen den Tatsachen entspricht, wissen wir nicht und können wir<br />

nicht wissen. Wir haben eine Vorstellung von der Hand. Folglich existiert etwas, was die Vorstellung<br />

von der Hand in uns wachruft. Aber wir wissen nicht und können nicht wissen, ob<br />

unsere Vorstellung von der Hand jenem „Etwas“, welches sie wachruft, entspricht. Vielleicht<br />

entspricht sie ihm: dann ist das, was wir uns unter Hand vorstellen, wirklich eine Hafid, und<br />

wir haben wirklich Hände. Vielleicht aber entspricht unsere Vorstellung von der Hand gar<br />

nicht dem wirklich existierenden Etwas, auf das wir sie beziehen –, dann existiert das, was wir<br />

uns unter Hand vorstellen, nicht, und wir haben keine Hände, statt der Hände haben wir irgendwelche<br />

Gruppen von Etwas, irgendwelche nicht handähnliche Gruppen von etwas uns<br />

Unbekanntem, aber keine Hände; und zuverlässig bekannt ist uns von diesen Gruppen von<br />

Etwas nur, daß es zwei Gruppen sind. Daß es zwei Gruppen sind, wissen wir deshalb zuverlässig,<br />

weil jede unserer zwei Vorstellungen, von denen jede eine besondere Vorstellung von<br />

einer besonderen Hand ist, einen besonderen Grund besitzen muß: folglich ist die Existenz von<br />

zwei Gruppen von Etwas unzweifelhaft. Die Frage, ob wir Hände haben oder nicht, ist also<br />

unlösbar; wir wissen nur, daß wenn wir Hände haben, es wirklich zwei Hände sind, und daß<br />

wenn wir keine Hände haben, die Zahl der Gruppen von Etwas, die wir an Stelle von Händen<br />

besitzen, nicht beliebig ist, sondern zwei beträgt. So sieht also die Lehre von der Relativität<br />

des menschlichen Wissens aus. Sie ist die Grundwahrheit der Wissenschaft. Sie sehen jetzt,<br />

meine Herren, daß die wissenschaftliche Wahrheit gleich weit entfernt ist von dem ungebildeten<br />

Vorurteil, von dem Sie ausgingen, als Sie annahmen, Sie könnten wissen, daß Sie Hände<br />

haben, wie auch von den Phantastereien jener Gelehrten, die behaupten, wir hätten keine Hände<br />

und könnten keine haben. Auch diese Gelehrten bezeichnen ihr scholastisches, hohles Gerede<br />

als Lehre von der Relativität des menschlichen Wissens. Aber sie sind Philosophen, d. h.<br />

Phantasten, und nicht Naturwissenschaftler. Ihre Lehre ist dummes Zeug und widerspricht den<br />

Naturwissenschaften. Können wir denn wissen, [215] daß unsere Vorstellungen von den Gegenständen<br />

den Gegenständen nicht entsprechen, wenn wir nur unsere Vorstellung von den<br />

Gegenständen kennen, die Gegenstände selber dagegen nicht, d. h. wenn wir unsere Vorstellungen<br />

gar nicht mit den Gegenständen vergleichen können Daß wir aber nur unsere Vorstellungen<br />

von den Gegenständen kennen, die Gegenstände selber dagegen nicht kennen und nicht<br />

kennen können, das ist eine Grundwahrheit der Wissenschaft, d. h. der Naturwissenschaften.“<br />

Mein Bekannter ist, wie Sie sehen, Naturwissenschaftler. Ist er der einzige Naturwissenschaftler,<br />

der so denkt Wahrscheinlich. Jedenfalls wäre es höchst sonderbar, wenn sich außer<br />

ihm auch nur noch ein Naturwissenschaftler finde, der die Frage, ob der Mensch wirklich<br />

Hände hat, für Unlösbar hält.<br />

Ich weiß nicht, warum andere solche Naturwissenschaftler – wenn es solche anderen gibt – in<br />

dieser Frage ebenso denken wie mein Bekannter, aber mein Bekannter denkt nur deshalb so,<br />

weil er selber nicht versteht, was er denkt und was dieser Gedanke bedeutet. Er philosophiert<br />

gern ein bißchen herum; sich ernstlich mit Philosophie zu beschäftigen, hat er jedoch keine<br />

Zeit, und er philosophiert als Dilettant. Er kommt gar nicht auf die Vermutung, daß die Logik<br />

ihn, wenn er weiter in dieser Manier philosophiert, zur Anerkennung der Schlußfolgerung<br />

jener Philosophen zwingen wird, die er streng verurteilt. Aus seinem Grundgedanken, daß<br />

wir nur unsere Vorstellungen von den Gegenständen kennen, die Gegenstände dagegen nicht,<br />

geht hervor, daß unsere Vorstellungen von den Gegenständen den Gegenständen nicht entsprechen<br />

können; hierzu führt dieser Gedanke deshalb, weil er selbst nur die Schlußfolgerung<br />

aus der Leugnung der Realität des menschlichen Organismus ist. Solange die Leugnung der<br />

Existenz des menschlichen Organismus nicht als Wahrheit gilt, läßt die Logik nicht einmal<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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