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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 79<br />

Selbstaufopferung fähig ist, versteht die Selbstaufopferung; ein Mensch mit einer trocknen<br />

Seele kann nicht verstehen, wie sich da Leute für andere Menschen oder für Ideen aufopfern<br />

können – ihm erscheint das als Verrücktheit oder Heuchelei. Wer von Natur aus plump ist,<br />

kann einfach nicht verstehen, wie da Leute sich graziös benehmen können; und wenn er anfängt,<br />

sich auch darum zu bemühen, wird er sich noch ungeschickter benehmen als früher;<br />

das bedeutet, daß er wirklich nicht begreift, worin die Grazie besteht. Ganz genau so geht es<br />

uns beiden miteinander.<br />

Sie mögen meine folgenden Worte für Prahlerei oder was auch immer sonst halten, aber ich<br />

fühle mich so hoch über den Denkern der Schule Herrn Jurkewitschs stehen, daß ich ganz<br />

entschieden nicht im geringsten neugierig bin zu erfahren, was sie über mich denken – genau<br />

so, wie zum Beispiel Sie nicht neugierig sind zu erfahren, welche Vorzüge oder Mängel irgendein<br />

Verehrer der Romane Herrn Rafail Sotows in Ihren kritischen Aufsätzen entdeckt 21<br />

Stellen Sie sich jetzt einmal vor, so ein Verehrer der Romane Herrn Rafail Sotows hätte eine<br />

kritische Analyse Ihrer Aufsätze veröffentlicht; wenn Sie ziemlich stark beschäftigt sind und<br />

für die Stunden der Muße andere Pläne, Zerstreuungen oder Lieblingsbeschäftigungen haben,<br />

ist es dann verwunderlich, daß Sie dieses Artikelchen nicht lesen Ganz genau so ist meine<br />

Einstellung zu dem Aufsatz Herrn Jurkewitschs.<br />

[211] Ihnen kommt das unwahrscheinlich vor Was kann ich da machen – Sie zwingen mich<br />

nur zu der Annahme, daß vieles, was für mich klein ist, Ihnen groß vorkommt.<br />

Wie können Sie sich überhaupt auf Polemik einlassen, wenn Sie derartige Antworten selbst<br />

heraufbeschwören!<br />

Ja, richtig, Ihnen bleibt noch ein starkes Argument: wenn ich Herrn Jurkewitschs Aufsatz<br />

nicht gelesen habe, woher weiß ich denn dann, daß er der kapitalste polemische Aufsatz im<br />

Heft IV des „Russki Westnik“ ist Ja, aber das hat doch der „Russki Westnik“ selber in dem<br />

Aufsatz „Alte Götter und neue Götter“ erklärt – demnächst veröffentlichen wir, hieß es, Auszüge<br />

aus dem hervorragenden Aufsatz Herrn Jurkewitschs, dem wir ungeheure Bedeutung<br />

beimessen. In dem Vorwort zu diesen Auszügen, das ich gelesen habe, wiederholte er noch<br />

einmal dasselbe – deshalb also habe ich diesen Aufsatz spöttisch den allerkapitalsten genannt.<br />

Und Sie haben nicht einmal das verstanden, daß ich das Wort „kapital“ hier spöttisch gebrauchte.<br />

Was ist das bloß für eine Naivität; wie kann man nicht wissen, daß lobende oder<br />

feierliche Ausdrücke, wenn sie in der Polemik verwendet werden, als Spott zu verstehen<br />

sind Damit Ihnen das verständlicher wird, führe ich ein Beispiel an: „Den lobenswerten<br />

Aufsatz der ‚Otetschestwennyje Sapiski‘ über Herrn Jurkewitsch habe ich mit tiefer Ehrfurcht<br />

für die hohe philosophische Gelehrsamkeit des Autors gelesen“ – probieren Sie jetzt einmal<br />

’rauszukriegen, in welchem Sinne ich das sage, im eigentlichen oder im ironischen, oder<br />

kriegen Sie auch das nicht ’raus<br />

Ihr Scharfsinn macht mich wirklich staunen. Wie konnte Ihnen nur so eine Tatsache entgehen<br />

wie die folgende: ich nehme ganze neun Seiten aus dem Aufsatz Herrn Jurkewitschs, der<br />

meine Ignoranz enthüllt, und drucke diese Seiten in meinem Aufsatz ohne jede Erwiderung<br />

ab – wie denken Sie sich das: hätte ich das getan, wenn ich nicht fest davon überzeugt wäre,<br />

daß die von mir abgedruckten Seiten mehr als schlecht sind Wenn Sie nur einigermaßen<br />

findig wären, hätte diese eine Tatsache Ihnen zeigen müssen, wie schwach die Einwände<br />

sind, die sich ein Philosoph von der Richtung Herrn Jurkewitschs gegen mich ausdenken<br />

kann.<br />

21 Rafail Sotows Roman „Leonid oder einige Züge aus dem Leben Napoleons“ hatte Tschernyschewski im Januarheft<br />

des „Sowremennik“, 1856, abfällig kritisiert.<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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