Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

max.stirner.archiv.leipzig.de
von max.stirner.archiv.leipzig.de Mehr von diesem Publisher
15.01.2015 Aufrufe

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 74 Sie haben vielleicht immer noch nicht ganz verstanden worum es geht. Ich will es an einem Beispiel zeigen – ich habe eine leidenschaftliche Vorliebe für Beispiele (Sie hätten [201] sich darüber lustig machen sollen, daß diese meine Leidenschaft meine Aufsätze manchmal in die Länge zieht – dieses Mangels hätten Sie mich überführen können; statt dessen brüsten Sie sich mit solchen Seiten der Angelegenheit, mit denen Sie nicht fertig werden können). Na schön, so will ich denn mein Beispiel anführen. Rauchen Sie Zigarre Sie wissen sehr gut, daß feuchte Zigarren schlecht, trockne dagegen wesentlich besser sind. Ausgezeichnet; wie kommen nun trockne Zigarren zustande Auch das wissen Sie. Wenn ein Fabrikant, der auf den Ruf seiner Fabrik hält, Zigarren hergestellt hat, läßt er sie sehr lange, mag sein zwei oder drei Jahre, bei gewöhnlicher Zimmertemperatur lagern. In dieser Zeit trocknen sie dann. Schön; aber auf diesen Grad der Trockenheit könnte man die Zigarren ebensogut in ein paar Stunden bringen, indem man sie einer Hitze von beispielsweise 60 Grad aussetzt – warum ist das nicht angängig Aus dem folgenden Grunde, den Sie selber kennen: wenn die Zigarre zu schnell trocknet, gehen die Ingredienzien, von denen ihr Geschmack abhängt, chemische Verbindungen ein, die diesen Geschmack verderben; wenn sie dagegen sehr langsam trocknet, verbinden sich diese Ingredienzien untereinander in einer anderen Weise, die der Zigarre den guten Geschmack gibt. Sie wissen doch, daß das so ist Gut; und was folgt nun daraus Das will ich Ihnen sagen. Der Prozeß der Verdunstung des in einer feuchten Zigarre befindlichen Wassers führt zu einem bestimmten Resultat, wenn er langsam vor sich geht; wenn er sich dagegen schnell vollzieht, ist das Resultat ein ganz anderes. In dieser selben Art und Weise betrachtet nun auch Lewes den Unterschied zwischen dem chemischen Prozeß, der sich in der Retorte vollzieht, und der Verdauung, die unter Umständen vor sich geht, welche sich von der chemischen Retorte scharf unterscheiden. Er spricht in folgendem Geiste: kocht man Rindfleisch auf sehr starkem Feuer, so erhält man eine Bouillon von bestimmter Sorte; kocht man es auf schwachem Feuer, langsam, so erhält man eine Bouillon von völlig anderer Sorte; kocht man das Rindfleisch dagegen statt in einfachem Wasser in irgendeiner gesäuerten Flüssigkeit [202] (zum Beispiel in einer Art Kwas oder Sauerkrautlake), so erhält man eine Bouillon von wiederum anderer Sorte. Kurz gesagt, das Resultat des Prozesses wandelt sich mit jeder Änderung in den Bedingungen, unter denen der Prozeß vor sich geht. Hier sagt Lewes nun, daß man jeden dieser Fälle gesondert untersuchen und sie nicht miteinander vermengen darf. Nun, nach meiner Meinung spricht er damit die Wahrheit. Was schließt dagegen die Schule, der Herr Jurkewitsch angehört, aus der gleichen Tatsache – daß, sagt er, die Naturwissenschaften uns nur eine Seite des Lebens erklären können, während wir die andere, die höhere Seite usw. usw. Und daß demnach die Naturforscher hoffnungslos verloren sind. Sind Sie mit dieser Tendenz einverstanden Ist es Ihnen jetzt wenigstens klargeworden Oder ist es Ihnen noch nicht ganz klar Wenn nicht, dann wollen wir uns noch ein wenig unterhalten. Was meinen Sie, sind in dem berühmten Hume nicht doch irgendwelche besonderen erstaunlichen Kräfte wirksam oder ist er einfach ein geschickter Zauberkünstler Soweit ich Sie kenne, halten Sie ihn wahrscheinlich für einen geschickten Zauberkünstler. Nach der Methode dagegen, deren sich die Schule bedient, die Herrn Jurkewitsch zum Wortführer hat, muß man so antworten: „Gestatten Sie, halten Sie an sich, urteilen Sie nicht übereilt. Kann denn irgendeine Chemie oder Physiologie die Tatsache erklären, daß Herr Hume von Petersburg aus in Pennsylvanien in Amerika einen Mann sitzen sieht und uns genaue Angaben über seine Gesundheit macht, sieht, daß er an Fluß leidet und sich Blutegel ans Zahnfleisch setzt Gestatten Sie die Frage, sehr verehrter Herr, wie Sie diese Tatsache mit Hilfe Ihrer Chemie oder Physiologie, Ihrer Katoptrik oder Dioptrik erklären wollen Geben Sie zu, s. v. H., daß hier in Herrn Hume irgendwelche besonderen Kräfte wirksam sind.“ Soweit ich Sie kenne, OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 23.11.2013

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 75 werden Sie dem, der Sie so überführt, höchst kaltblütig die Antwort geben: „S. v. H., die Tatsache, auf die Sie sich berufen, existiert ja einfach gar nicht, dagegen existiert eine andere Tatsache, die Sie nicht zu bemerken geruhen. Herr Hume hat in Petersburg überhaupt nichts gesehen, [203] was in Amerika vor sich geht; er hat Sie einfach übers Ohr gehauen.“ Von ganz genau dieser Art ist der Streit zwischen der Theorie der Naturwissenschaftler, die mir richtig erscheint und die ich mich in meiner Eigenschaft als Journalist zu popularisieren bemühe, und zwischen der Schule, der Herr Jurkewitsch angehört. Welche Partei würden Sie bei einem derartigen Streit ergreifen Soweit ich Sie kenne, würden Sie auf meiner Seite stehen, nur ist es Ihnen noch nicht gelungen, sich darüber klarzuwerden, worum hier der Streit geht. Aber mein Beispiel ist noch nicht fertig. Ich war dort stehengeblieben, wo Sie zu ihrem Opponenten, einem Verehrer Humes, sagen: „Ich leugne die Wirksamkeit besonderer Kräfte in Hume, weil ich die Tatsache, die Sie irreführt, nicht mit denselben Augen ansehe wie Sie.“ Aber darauf wird Ihr Gegner eine Antwort bereit haben. Er wird Ihnen sagen, daß „Leute, die Hume beobachtet haben, bei der Überzeugung blieben, daß es sich nicht um Zauberkunststücke handelt“. Und er wird hinzufügen: „Sie sollten diese Leute kennenlernen, sie werden Ihnen viele Dinge erzählen, von denen Sie keine Ahnung haben; ich sehe in den Worten, mit denen Sie meine Meinung über Hume zurückweisen, lediglich einen Ausdruck Ihrer dummdreisten Unwissenheit.“ Was werden Sie mit einem solchen Menschen machen Das hängt wohl von Ihrer Stimmung ab: wenn Sie nicht zum Lachen aufgelegt sind, werden Sie ihn stehenlassen, wenn Sie dagegen zum Lachen aufgelegt sind, werden Sie sich über ihn lustig machen. Sie werden im einen wie im andern Fall recht haben: mit einem solchen Menschen redet man entweder überhaupt nicht oder man redet unbedingt spöttisch. Jetzt bitte ich Sie, das folgende Fragment aus Ihrem Geschimpfe über mich wegen des Herrn Jurkewitsch zu lesen. Nach Anführung der zweiten Hälfte meiner Rezension des Artikels von Herrn Jurkewitsch, wo ich sagte, ich hätte es nicht nötig, den Aufsatz Herrn Jurkewitschs zu lesen, weil ich aus der Empfehlung des „Russki Westnik“ selbst erkennen könne, daß er absolut dasselbe sei wie die Dinge, die man mich einstmals hat auswendig lernen lassen – [204] nach diesem Zitat fährt das Artikelchen der „Otetschestwennyje Sapiski“ fort: „Verstehen Sie jetzt, was hier los ist Sehen Sie, wo wir hinauswollen“ (ich weiß wirklich noch nicht, ob Sie jetzt wenigstens sehen, wo ich hinauswill; wo Herr Jurkewitsch hinauswill, haben Sie ja bestimmt nicht gesehen, als Sie diese Zeilen schrieben). „Es bleibt gesagt, daß das alles Unsinn ist, den wir nicht lesen wollen. Wir vermuten, daß Herr Tschernyschewski folgendes sagen will. Aber ich bitte Sie, Herr Jurkewitsch beweist Ihnen: 1. daß Sie die Philosophie, von der Sie reden, nicht verstehen; 2. daß Sie die auf psychische Erscheinungen angewandte Methode der Naturwissenschaft mit der eigentlichen Erklärung geistiger Erscheinungen verwechselt haben; 3. daß Sie die Bedeutung der Selbstbeobachtung als besondere Quelle der psychologischen Erkenntnis nicht verstanden haben; 4. daß Sie die metaphysische Lehre von der Einheit des Seins mit der physikalischen Lehre von der Einheit der Materie verwechseln; 5. daß Sie die Verwandlung quantitativer Unterschiede in qualitative für möglich halten; 6. daß Sie schließlich jede Art von Anschauung für ein wissenschaftliches Faktum halten und dadurch den Unterschied zwischen dem menschlichen und dem tierischen Leben beseitigt haben. Sie haben die sittliche Persönlichkeit des Menschen zerstört und lassen nur die egoistischen Triebe des Tieres gelten. Das ist, scheint’s, klar genug; es handelt sich hier nur noch um Sie, nicht um die Philosophie und Physiologie im allgemeinen, sondern darum, daß Sie von diesen Wissenschaften nichts verstehen. Was soll dann hier der Blitzableiter der Seminaristenphilosophie Wozu Dinge durcheinanderbringen, die gar nichts miteinander zu tun haben, und erklären, Sie hätten das alles schon im Priesterseminar gewußt und wüßten es sogar heute noch auswendig“ OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 23.11.2013

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 75<br />

werden Sie dem, der Sie so überführt, höchst kaltblütig die Antwort geben: „S. v. H., die Tatsache,<br />

auf die Sie sich berufen, existiert ja einfach gar nicht, dagegen existiert eine andere<br />

Tatsache, die Sie nicht zu bemerken geruhen. Herr Hume hat in Petersburg überhaupt nichts<br />

gesehen, [203] was in Amerika vor sich geht; er hat Sie einfach übers Ohr gehauen.“<br />

Von ganz genau dieser Art ist der Streit zwischen der Theorie der Naturwissenschaftler, die mir<br />

richtig erscheint und die ich mich in meiner Eigenschaft als Journalist zu popularisieren bemühe,<br />

und zwischen der Schule, der Herr Jurkewitsch angehört. Welche Partei würden Sie bei<br />

einem derartigen Streit ergreifen Soweit ich Sie kenne, würden Sie auf meiner Seite stehen,<br />

nur ist es Ihnen noch nicht gelungen, sich darüber klarzuwerden, worum hier der Streit geht.<br />

Aber mein Beispiel ist noch nicht fertig. Ich war dort stehengeblieben, wo Sie zu ihrem Opponenten,<br />

einem Verehrer Humes, sagen: „Ich leugne die Wirksamkeit besonderer Kräfte in<br />

Hume, weil ich die Tatsache, die Sie irreführt, nicht mit denselben Augen ansehe wie Sie.“<br />

Aber darauf wird Ihr Gegner eine Antwort bereit haben. Er wird Ihnen sagen, daß „Leute, die<br />

Hume beobachtet haben, bei der Überzeugung blieben, daß es sich nicht um Zauberkunststücke<br />

handelt“. Und er wird hinzufügen: „Sie sollten diese Leute kennenlernen, sie werden<br />

Ihnen viele Dinge erzählen, von denen Sie keine Ahnung haben; ich sehe in den Worten, mit<br />

denen Sie meine Meinung über Hume zurückweisen, lediglich einen Ausdruck Ihrer dummdreisten<br />

Unwissenheit.“ Was werden Sie mit einem solchen Menschen machen Das hängt<br />

wohl von Ihrer Stimmung ab: wenn Sie nicht zum Lachen aufgelegt sind, werden Sie ihn stehenlassen,<br />

wenn Sie dagegen zum Lachen aufgelegt sind, werden Sie sich über ihn lustig machen.<br />

Sie werden im einen wie im andern Fall recht haben: mit einem solchen Menschen redet<br />

man entweder überhaupt nicht oder man redet unbedingt spöttisch. Jetzt bitte ich Sie, das<br />

folgende Fragment aus Ihrem Geschimpfe über mich wegen des Herrn Jurkewitsch zu lesen.<br />

Nach Anführung der zweiten Hälfte meiner Rezension des Artikels von Herrn Jurkewitsch,<br />

wo ich sagte, ich hätte es nicht nötig, den Aufsatz Herrn Jurkewitschs zu lesen, weil ich aus<br />

der Empfehlung des „Russki Westnik“ selbst erkennen könne, daß er absolut dasselbe sei wie<br />

die Dinge, die man mich einstmals hat auswendig lernen lassen – [204] nach diesem Zitat<br />

fährt das Artikelchen der „Otetschestwennyje Sapiski“ fort:<br />

„Verstehen Sie jetzt, was hier los ist Sehen Sie, wo wir hinauswollen“ (ich weiß wirklich<br />

noch nicht, ob Sie jetzt wenigstens sehen, wo ich hinauswill; wo Herr Jurkewitsch hinauswill,<br />

haben Sie ja bestimmt nicht gesehen, als Sie diese Zeilen schrieben). „Es bleibt gesagt, daß<br />

das alles Unsinn ist, den wir nicht lesen wollen. Wir vermuten, daß Herr Tschernyschewski<br />

folgendes sagen will.<br />

Aber ich bitte Sie, Herr Jurkewitsch beweist Ihnen: 1. daß Sie die Philosophie, von der Sie reden,<br />

nicht verstehen; 2. daß Sie die auf psychische Erscheinungen angewandte Methode der<br />

Naturwissenschaft mit der eigentlichen Erklärung geistiger Erscheinungen verwechselt haben; 3.<br />

daß Sie die Bedeutung der Selbstbeobachtung als besondere Quelle der psychologischen Erkenntnis<br />

nicht verstanden haben; 4. daß Sie die metaphysische Lehre von der Einheit des Seins<br />

mit der physikalischen Lehre von der Einheit der Materie verwechseln; 5. daß Sie die Verwandlung<br />

quantitativer Unterschiede in qualitative für möglich halten; 6. daß Sie schließlich jede Art<br />

von Anschauung für ein wissenschaftliches Faktum halten und dadurch den Unterschied zwischen<br />

dem menschlichen und dem tierischen Leben beseitigt haben. Sie haben die sittliche Persönlichkeit<br />

des Menschen zerstört und lassen nur die egoistischen Triebe des Tieres gelten.<br />

Das ist, scheint’s, klar genug; es handelt sich hier nur noch um Sie, nicht um die Philosophie<br />

und Physiologie im allgemeinen, sondern darum, daß Sie von diesen Wissenschaften nichts<br />

verstehen. Was soll dann hier der Blitzableiter der Seminaristenphilosophie Wozu Dinge<br />

durcheinanderbringen, die gar nichts miteinander zu tun haben, und erklären, Sie hätten das<br />

alles schon im Priesterseminar gewußt und wüßten es sogar heute noch auswendig“<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!