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15.01.2015 Aufrufe

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 68 derbare Tatsache der Lobpreisung Herrn Jurkewitschs durch das Journal unterordneten, welches das hervorragende Buch Buckles übersetzt. Zu Ihrer Ehre und Ihrem Ruhm sei es gesagt. Ihre Heldentat war schwer, aber Sie haben sie vollbracht. Erkennen Sie jetzt, wie schwierig die Analyse des Selbstbewußtseins ist, welche besondere Methode sie verlangt Erkennen Sie, daß ein Mensch, der sich nicht speziell mit diesem Gegenstand beschäftigt, nicht imstande ist, die Vor-[190]züge oder Mängel von Artikeln, die über ihn handeln, zu beurteilen Dafür sind aber die Früchte dieser Wissenschaft auch sehr schmackhaft für die Eigenliebe, nicht wahr Aber wenn das wahr ist, dann werden Sie es, hoff’ ich, nicht ablehnen, aus Dankbarkeit für die erteilte Lehre mit mir zusammen den Inhalt des Artikelchens gegen mich durchzugehen, der im Juliheft der „Otetschestwennyje Sapiski“ in der unter Ihrer Leitung stehenden Abteilung erschienen ist (Herr Krajewski wird vermutlich nicht Anstoß daran nehmen, daß ich mich ausschließlich an Sie wende). II Nach einem kurzen, auf den Sprachstil bezüglichen Vorspiel, erwähnt das Artikelchen, das sich für Herrn Jurkewitsch begeistert, die Kritik der Philosophie Herrn Lawrows, die Herr Antonowitsch in Heft IV des laufenden Jahrgangs des „Sowremennik“ gegeben hat. 16 Diese Kritik wird deshalb erwähnt, weil sie ihrer Tendenz nach meinen Aufsätzen über das anthropologische Prinzip ähnelt. Nehmen wir einmal an, das sei wirklich so, aber hätten Sie überhaupt über diesen Artikel sprechen sollen, der für Ihre Zeitschrift drollige Folgen hatte, die sich darin zeigten, daß Sie unmittelbar nach seiner Lektüre Ihre Meinung über den Wert der Arbeiten Herrn Lawrows geändert haben. Sie hätten besser daran getan zu schweigen. Und wenn Sie schon unbedingt sprechen mußten, hätten Sie besser zugegeben, daß der Aufsatz Herrn Antonowitschs Ihnen die Augen geöffnet hat. Aber Sie wollen ihn verreißen. Interessant ist, sich anzuhören, warum Sie ihn verreißen. Der einzige Mangel, den Sie an ihm entdeckt haben, ist der folgende: „Es bedarf keiner geistigen Anstrengung, um alles zu verstehen, was Herr Antonowitsch sagt. Die Klarheit (dieses Aufsatzes) hat alle Welt in Erstaunen gesetzt.“ Überlegen Sie einmal selber, ob Klarheit als Vorzug oder als Mangel zu betrachten ist Natürlich ist jeder einigermaßen gescheite Mensch der Meinung, daß es ein Lob für Herrn Antonowitschs Aufsatz bedeuten soll, wenn Sie diese seine Qualität in den Vorder-[191]grund stellen. Sie dagegen sind der Meinung, den Aufsatz damit herabgesetzt zu haben. Wie Ihnen diese zweite „Geschichte Ihrer Zivilisation“ passiert ist, will ich Ihnen nun auch erzählen. Sie haben etwas davon läuten hören, daß Philosophie viel Kopfzerbrechen mit sich bringt. Sie haben versucht, philosophische Aufsätze in der Art der Schriften Herrn Lawrows zu lesen, und haben absolut nichts verstanden. Herr Lawrow aber war, nach Ihrer Meinung, ein guter Philosoph. So bildete sich denn in Ihrem Verstand der folgende Syllogismus: „Von Philosophie versteh’ ich nichts; also ist das, was ich verstehen kann, keine Philosophie.“ Sie sagen es ja rundheraus: Herr Antonowitsch schreibt klar, folglich enthält sein Artikel nichts von Philosophie. Das hätten Sie aber gleich denken sollen, als Sie die Philosophie an Hand der Aufsätze Herrn Lawrows beurteilten. Inzwischen aber sind Sie nun doch zu der Meinung gekommen, die philosophischen Aufsätze Herrn Lawrows seien schlecht (geben Sie nur zu, daß Sie das meinen: wir haben nämlich Indizien dafür); da hätten Sie lieber folgendermaßen räsonieren sollen: „Wovon ein Mensch, dessen Denken nebelhaft ist, auch immer reden mag, seine 16 Bezieht sich auf den Aufsatz „Zwei Typen moderner Philosophen“ von Antonowitsch, der im „Sowremennik“ (April 1861) erschienen war. OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 23.11.2013

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 69 Rede wird stets nebelhaft und schwer verständlich sein. Die Philosophie an sich dagegen ist vielleicht gar nicht Gott weiß was für eine unverständliche Wissenschaft.“ Damit hätten Sie das Richtige getroffen. Aber von dem Aufsatz Herrn Antonowitschs ist nur so nebenbei die Rede, in dem Sinn, daß er genau dasselbe sei wie die Aufsätze Tschernyschewskis über das anthropologische Prinzip – Philosophie könnten diese Aufsätze nicht enthalten, weil sie klar seien. Danach ist dann nur noch von mir allein die Rede. „Der Aufsatz Herrn Tschernyschewskis hatte die Antwort Herrn Jurkewitschs in den ‚Abhandlungen der Kiewer Theologischen Akademie‘ zur Folge, eine Antwort, die Herrn Jurkewitsch auf einen Schlag an die Spitze aller Autoren stellte, die bei uns jemals über Philosophie geschrieben haben“ (das heißt also, er steht höher als Belinski, der sehr viel geschrieben hat, was sich auf Philosophie bezieht, höher [192] als der Autor der „Briefe über das Studium der Natur“ 17 Na schön. Aber doch nicht etwa höher als die Herren Gogozki und Orest Nowizki Wozu solche gewaltigen Denker aus der Schule kränken, der auch Herr Jurkewitsch angehört). „Uns fallen nur die Aufsätze I. W. Kirejewskis ein“ (ausgezeichnet! Der brave, ehrwürdige I. W. Kirejewski war also nach Ihrer Meinung wirklich ein Philosoph und nicht einfach ein naiver Träumer Wenn dem wirklich so ist, müssen Sie als höchste Autorität Herrn Chomjakow selig anerkennen. Da sollten Sie gelegentlich Ihre Zeitschrift umtaufen und nicht mehr „Otetschestwennyje Sapiski“ nennen, sondern „Russkaja Besseda“ 18 oder „Wosobnowljonny Moskwitjanin“), „die sich durch die gleiche Einfachheit und Klarheit der philosophischen Darstellung auszeichneten, die wir bei Herrn Jurkewitsch finden. Gründliche Kenntnis der philosophischen Systeme, vollständige Beherrschung des Gegenstandes und seine selbständige Behandlung – hierin liegen Herrn Jurkewitschs Verdienste“ (gebe Gott ihm alle Vollkommenheiten!). „Seiner Richtung nach ist er Idealist, und er hat die Stützpunkte seiner Lehre so tief erforscht und so fein umrissen, daß wir in russischer Sprache nie etwas Ähnliches gelesen haben“ (aber ich bitt’ Sie, Herr Gogozki hat das alles genau so tief und fein erforscht) ‚ „und wir sind in dieser Hinsicht mit dem ‚Russki Westnik‘ völlig einverstanden“ (genau so wie ich in allen Punkten völlig einverstanden bin mit dem „Gorny Journal“, der Zeitschrift der Bergakademie, ich kenne den Stoff nicht und verstehe die Artikel nicht, setze aber voraus, daß sie von Leuten geschrieben sind, die etwas davon verstehen, und nehme deshalb jedes ihrer Worte auf gut Glauben hin), „der diesen Aufsatz einem breiteren Publikum zugänglich gemacht hat. Wir haben nicht die Absicht, den Aufsatz nachzudrucken; wir wollen nur zwei Stellen aus ihm zitieren: die eine ‚über die Verwandlung des Nervenreizes in Empfindung‘ und die andere über ‚die Verwandlung von „Quantitativem“ in „Qualitatives“‘. Auf diesen beiden Thesen ‚beruht der ganze Rest‘.“ („Otetschestwennyje Sapiski“, Russische Literatur, S. 41/42.) Vorher jedoch wird der Schluß von Herrn Jurkewitschs Aufsatz abgedruckt, der heftig gegen mich als Ignoranten loszieht. Na schön, wenn ich [193] ein Ignorant bin – haben Sie sich recht überlegt, daß grade Sie darüber besser hätten schweigen sollen Für den „Russki Westnik“ zum Beispiel habe ich nie geschrieben; er kompromittiert sich nicht, wenn er mir Ignoranz vorwirft. Aber für die „Otetschestwennyje Sapiski“ habe ich doch zu Beginn meiner literarischen Tätigkeit ziemlich viel geschrieben – da können also, stellt sich heraus, bei Ihnen Ignoranten Mitarbeiter sein, und noch dazu solche, auf die Ihre Redaktion sehr großen Wert legt Sie tun nicht gut daran, Herr Dudyschkin, fremde Worte über meine Ignoranz zu wiederholen; andere Zeitschriften können sich das erlauben, in Ihrer Zeitschrift klingt das peinlich. 17 Der Autor der „Briefe über das Studium der Natur“ war A. I. Herzen. Die Arbeit ist in deutscher Sprache in den „Ausgewählten philosophischen Schriften“ Herzens (Moskau 1949) erschienen. 18 „Russkaja Besseda“ – eine Zeitschrift der Slawophilen; sie erschien in Moskau in den Jahren 1856-1860 unter der Redaktion von A. I. Koschelew. OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 23.11.2013

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 68<br />

derbare Tatsache der Lobpreisung Herrn Jurkewitschs durch das Journal unterordneten, welches<br />

das hervorragende Buch Buckles übersetzt. Zu Ihrer Ehre und Ihrem Ruhm sei es gesagt.<br />

Ihre Heldentat war schwer, aber Sie haben sie vollbracht.<br />

Erkennen Sie jetzt, wie schwierig die Analyse des Selbstbewußtseins ist, welche besondere<br />

Methode sie verlangt Erkennen Sie, daß ein Mensch, der sich nicht speziell mit diesem Gegenstand<br />

beschäftigt, nicht imstande ist, die Vor-[190]züge oder Mängel von Artikeln, die<br />

über ihn handeln, zu beurteilen Dafür sind aber die Früchte dieser Wissenschaft auch sehr<br />

schmackhaft für die Eigenliebe, nicht wahr<br />

Aber wenn das wahr ist, dann werden Sie es, hoff’ ich, nicht ablehnen, aus Dankbarkeit für<br />

die erteilte Lehre mit mir zusammen den Inhalt des Artikelchens gegen mich durchzugehen,<br />

der im Juliheft der „Otetschestwennyje Sapiski“ in der unter Ihrer Leitung stehenden Abteilung<br />

erschienen ist (Herr Krajewski wird vermutlich nicht Anstoß daran nehmen, daß ich<br />

mich ausschließlich an Sie wende).<br />

II<br />

Nach einem kurzen, auf den Sprachstil bezüglichen Vorspiel, erwähnt das Artikelchen, das<br />

sich für Herrn Jurkewitsch begeistert, die Kritik der Philosophie Herrn Lawrows, die Herr<br />

Antonowitsch in Heft IV des laufenden Jahrgangs des „Sowremennik“ gegeben hat. 16 Diese<br />

Kritik wird deshalb erwähnt, weil sie ihrer Tendenz nach meinen Aufsätzen über das anthropologische<br />

Prinzip ähnelt. Nehmen wir einmal an, das sei wirklich so, aber hätten Sie überhaupt<br />

über diesen Artikel sprechen sollen, der für Ihre Zeitschrift drollige Folgen hatte, die<br />

sich darin zeigten, daß Sie unmittelbar nach seiner Lektüre Ihre Meinung über den Wert der<br />

Arbeiten Herrn Lawrows geändert haben. Sie hätten besser daran getan zu schweigen. Und<br />

wenn Sie schon unbedingt sprechen mußten, hätten Sie besser zugegeben, daß der Aufsatz<br />

Herrn Antonowitschs Ihnen die Augen geöffnet hat.<br />

Aber Sie wollen ihn verreißen. Interessant ist, sich anzuhören, warum Sie ihn verreißen. Der<br />

einzige Mangel, den Sie an ihm entdeckt haben, ist der folgende: „Es bedarf keiner geistigen<br />

Anstrengung, um alles zu verstehen, was Herr Antonowitsch sagt. Die Klarheit (dieses Aufsatzes)<br />

hat alle Welt in Erstaunen gesetzt.“ Überlegen Sie einmal selber, ob Klarheit als Vorzug<br />

oder als Mangel zu betrachten ist Natürlich ist jeder einigermaßen gescheite Mensch der<br />

Meinung, daß es ein Lob für Herrn Antonowitschs Aufsatz bedeuten soll, wenn Sie diese<br />

seine Qualität in den Vorder-[191]grund stellen. Sie dagegen sind der Meinung, den Aufsatz<br />

damit herabgesetzt zu haben. Wie Ihnen diese zweite „Geschichte Ihrer Zivilisation“ passiert<br />

ist, will ich Ihnen nun auch erzählen.<br />

Sie haben etwas davon läuten hören, daß Philosophie viel Kopfzerbrechen mit sich bringt. Sie<br />

haben versucht, philosophische Aufsätze in der Art der Schriften Herrn Lawrows zu lesen,<br />

und haben absolut nichts verstanden. Herr Lawrow aber war, nach Ihrer Meinung, ein guter<br />

Philosoph. So bildete sich denn in Ihrem Verstand der folgende Syllogismus: „Von Philosophie<br />

versteh’ ich nichts; also ist das, was ich verstehen kann, keine Philosophie.“ Sie sagen es<br />

ja rundheraus: Herr Antonowitsch schreibt klar, folglich enthält sein Artikel nichts von Philosophie.<br />

Das hätten Sie aber gleich denken sollen, als Sie die Philosophie an Hand der Aufsätze<br />

Herrn Lawrows beurteilten. Inzwischen aber sind Sie nun doch zu der Meinung gekommen,<br />

die philosophischen Aufsätze Herrn Lawrows seien schlecht (geben Sie nur zu, daß Sie<br />

das meinen: wir haben nämlich Indizien dafür); da hätten Sie lieber folgendermaßen räsonieren<br />

sollen: „Wovon ein Mensch, dessen Denken nebelhaft ist, auch immer reden mag, seine<br />

16 Bezieht sich auf den Aufsatz „Zwei Typen moderner Philosophen“ von Antonowitsch, der im „Sowremennik“<br />

(April 1861) erschienen war.<br />

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