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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 67<br />

„Da viele Leser den Wunsch geäußert haben, das gesamte Werk Buckles ‚History of Civilisation<br />

in England‘ in russischer Übersetzung zu lesen, beabsichtigt die Redaktion, nachdem sie<br />

bereits sechs Kapitel dieses Werkes veröffentlicht hat, wenn nicht besondere Hindernisse<br />

eintreten, das [188] ganze Werk zu übersetzen und es in derselben Reihenfolge in der Zeitschrift<br />

zu veröffentlichen, in der das englische Original erscheinen wird.“<br />

Wissen Sie, was das für eine komische Geschichte geben wird Passen Sie einmal auf. Mit<br />

Ausnahme einiger weniger Seiten in dem Abschnitt über die Enzyklopädisten, Seiten, die Sie<br />

nicht billigen werden, wenn Sie sie lesen, und die auch ich nicht billige, ist der erste Band<br />

Buckles das genaue Gegenteil der Richtung, für die Sie sich bei Herrn Jurkewitsch zu begeistern<br />

für nötig hielten. Das ist eine hübsche Geschichte! – Da kann man wahrhaftig von einer<br />

„Geschichte der Zivilisation in den ‚Otetschestwennyje Sapiski‘“ reden.<br />

Aber Sie brauchen sich keine grauen Haare über das Pech wachsen zu lassen, das Ihnen mit<br />

Ihrer Ankündigung der Übersetzung Buckles passiert ist: Sie tun ein ausgezeichnetes Werk,<br />

indem Sie ihn übersetzen; ich möchte Ihnen von ganzem Herzen wünschen, daß keine „besonderen<br />

Hindernisse“ eintreten, wenn Sie dieses sehr nützliche Werk fortsetzen. Das russische<br />

Leserpublikum wird Ihnen dafür sehr dankbar sein.<br />

Wenn Sie Lust haben, will ich Ihnen erzählen, wie sich der psychologische Prozeß, bei dem<br />

Sie sich für Herrn Jurkewitsch begeistern und gleichzeitig Buckle abdrucken, in Ihnen abgespielt<br />

hat. Wenn Sie dabei sehen, daß ich mich bei der Erklärung dieses erstaunlichen Vorgangs<br />

nicht irre, so kann Ihnen das auch als Beweis dafür dienen, daß ich ein großer Meister<br />

der psychologischen Beobachtung bin und Gesetze der Psychologie wie meine fünf Finger<br />

kenne. Und Sie müssen zugeben, daß ich mich auf eine sehr schwierige Prüfung einlasse,<br />

denn der psychische Akt, den ich untersuchen will, ist ungewöhnlich verzwickt und scheint<br />

alle Gesetze des Denkens zu durchbrechen: eine Sache zu loben, zu deren Vernichtung man<br />

mit dem Abdruck eines hervorragenden Werkes beiträgt – das ist wahrhaftig ein psychisches<br />

Phänomen, mit dem selbst Kant nicht fertig geworden wäre. Ich aber werde damit fertig und<br />

werde es auf allgemein psychologische Gesetze zurückführen. [189]<br />

Erstes Gesetz. Der Nichtwissende hat den Drang, den Wissenden nachzuahmen. Der „Russki<br />

Westnik“ hat Herrn Jurkewitsch gelobt, Sie fühlten sich bemüßigt, ihn zu loben.<br />

Zweites Gesetz. Süß klingt das Geschimpfe auf jemanden, auf den man selber schimpft. Herr<br />

Jurkewitsch zieht gegen mich zu Felde; auch Sie ziehen zu Felde; also klingt Ihnen Herrn<br />

Jurkewitschs Rede süß in den Ohren.<br />

Blicken Sie einmal tiefer in sich selber hinein, betrachten Sie mit dem geistigen Auge den<br />

psychischen Prozeß in Ihnen selber, und Sie werden sehen, daß ich mit meiner Erklärung<br />

unfehlbar recht habe. Aber Sie müssen zugeben, daß es keine leichte Sache für Sie war, den<br />

psychischen Prozeß in Ihnen selbst zu betrachten. Sie müssen zugeben, daß Sie sich von dieser<br />

schwierigen Selbstbeobachtung ständig durch das Aufblitzen nicht zur Sache gehöriger<br />

Vorstellungen ablenken ließen, wie: „Nein, ich habe mich nicht durch das Beispiel des<br />

‚Russki Westnik‘ verleiten lassen, Herrn Jurkewitsch recht zu geben, ich bin selber darauf<br />

gekommen; ich bin unvoreingenommen: ich habe das Wesen des Streits begriffen; die Richtung<br />

des Herrn Jurkewitsch ist meine Richtung; ich habe mich nicht deshalb für ihn begeistert,<br />

weil er gegen Tschernyschewski schreibt“, usw. usw., – Sie werden zugeben, daß diese<br />

Illusionen sich immer wieder gewaltsam in Ihr Selbstbewußtsein eindrängten, und daß es<br />

Ihnen sehr schwerfiel, gegen sie aufzukommen. Aber die Wahrheitsliebe triumphierte in Ihnen<br />

über diese Verlockungen doch die angespannte Aufmerksamkeit, die Sie dem wirklichen<br />

Ablauf dieses Ihres psychischen Prozesses schenkten, vertrieb diese Träume, und Sie kamen<br />

schließlich zu den zwei obenangeführten psychischen Gesetzen, denen Sie furchtlos die son-<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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