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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 62<br />

können, wenn nicht das Herz des Schreibers selber sie herbeigerufen hätte. Sie konnte nur aus der Tiefe der<br />

Seele auftauchen, sie konnte nur mit der unaufhaltsamen Gewalt eines ungewollten Geständnisses ans Licht<br />

kommen. So viel Tränen und Zärtlichkeit in dieser kleinen Geschichte, die so unerwartet als Oase in der Wüste<br />

der Schutzzölle erscheint, wo ein ganz anderer trockner und strenger Wind weht!<br />

Wirklich, liegt nicht auch in der Scharlatanerei eine Art Besudelung Bringen nicht am Ende jene mutigen<br />

Männer des öffentlichen Lebens, die der unvernünftige Pöbel Scharlatane nennt, große Opfer Aber so verkündet<br />

uns doch, o ihr neuen Judithe!, um welcher ewigen Güter willen ihr eure makellose Reinheit befleckt, ‚dergleichen<br />

noch nie ein Mensch gesehen hat‘<br />

O ihr Herren, befleckt euch nicht umsonst! Bringt keine unnötigen Opfer! Rechtfertigt euch nicht mit Heldentaten:<br />

hier gibt es gar keine Heldentaten. Ihr blendet euch nur selber und führt andere hinters Licht. Ihr wißt selber<br />

nicht, spürt selber nicht, was für ein schädlicher Hemmschuh ihr seid inmitten einer Gesellschaft, deren Kräfte<br />

noch nicht richtig gesammelt sind, deren Leben noch nicht gefestigt ist. Schlimm genug, wenn ihr begabte Leute<br />

seid. Mit der Zeit werdet ihr schon von der Scharlatanerei lassen; eure Begriffe werden sich klären (das geschieht<br />

ja allmählich schon mit den ökonomischen Begriffen Herrn Tschernyschewskis, und das ist ein guter<br />

Anfang); ihr werdet dann zu euch kommen, aber es wird zu spät sein. Ihr werdet voller Verachtung auf eure<br />

Vergangenheit zurückblicken und vielleicht tief bedauern, daß ihr in unserer jetzigen Zeit eine so närrische<br />

Rolle gespielt habt.“<br />

Die Episode mit „Judith“ eignete sich wirklich dazu, verspottet zu werden; und ihre Verwendung<br />

als Beweis für meine „Scharlatanerei“ war hübsch gemacht – dieser Absatz des Artikelchens<br />

ist, ganz im Ernst, spritzig und geschickt angelegt. Ich lache zusammen mit dem „Russki<br />

Westnik“ von ganzem Herzen darüber, wie ich an Größe des Opfers, das ich um die Rettung<br />

des Vaterlandes bringe, der Judith gleichkomme. Das kommt sehr witzig heraus; [180]<br />

hier ist der Spott dem „Russki Westnik“ durchaus gelungen. Der pathetische Ton der Episode<br />

mit Judith bekommt wirklich etwas Komisches durch die recht ungeschickte Unterbringung in<br />

einem kleinen Aufsatz über einen so trocknen Gegenstand wie den Zolltarif und Garey. Das ist<br />

ein ausgezeichneter Witz. Ja, es versteht sich von selbst, daß dieser kleine Artikel von mir<br />

stammt – der „Russki Westnik“ spielt auch darauf an. Er hat sich nicht geirrt. Ich fürchte nur,<br />

daß der „Russki Westnik“ sich irrte, wenn er annimmt, meine ökonomischen Auffassungen<br />

besserten sich. Ich sehe hierin ein Anzeichen guten Willens mir gegenüber, aber nicht mehr;<br />

ich danke bestens, aber einverstanden sein kann ich nicht. Die Sache verhält sich anders. Bis<br />

zum vorigen Jahr behandelte ich in meinen Aufsätzen über politische Ökonomie einzelne Fragen,<br />

die mich besonders interessierten – natürlich waren das Fragen, die mir bei den Autoren<br />

der herrschenden ökonomischen Schule besonders schlecht dargestellt zu sein schienen. 6<br />

Deswegen enthielten diese Aufsätze fast nur Auseinandersetzungen mit der herrschenden<br />

Theorie und Darlegungen von Gedanken, die noch nicht Gelegenheit hatten, in sie aufgenommen<br />

zu werden, weil sie zu neu waren oder wegen ihrer Tendenz von jener Theorie abgelehnt<br />

wurden. Zu Beginn des vorigen Jahres hielt ich es für nötig, dem russischen Publikum eine<br />

systematische Abhandlung über die ökonomische Wissenschaft in ihrem ganzen Umfang vorzulegen.<br />

Ich machte mich daran, Mill zu übersetzen und Ergänzungen zu ihm zu schreiben.<br />

Bei Mill selber kommen größtenteils unumstrittene Fragen zur Darstellung; meine Ergänzungen<br />

mußten sich häufig ebenfalls auf solche Fragen beziehen. Das ist die Ursache für den verschiedenen<br />

Eindruck, den meine früheren Aufsätze und meine Ausgabe Mills hervorrufen, ich<br />

sagte damals: ich werde nur das darstellen, worin ich mit Ihnen nicht einverstanden bin; in der<br />

Übersetzung Mills ist mein Ziel, alles darzustellen, was man von dem Gegenstand zu wissen<br />

hat – sowohl das, wo mit ich nicht einverstanden bin, als auch das, worin ich mit Ihnen übereinstimme.<br />

Es macht dem Scharfsinn des „Russki Westnik“ wenig Ehre, daß er nicht auf diese<br />

Hauptursache [181] der verschiedenen Eindrücke, die er hatte, gekommen ist. Soll ich noch<br />

andere Ursachen nennen Sie zu erwähnen ist für mich selber ziemlich kitzlig, aber ich will<br />

mich nicht länger zieren, denn ich habe nicht besonders Angst vor irgend jemandes Gespött,<br />

wenn ich weiß, daß ich die Wahrheit rede. Hier ist noch eine Erklärung dafür, daß der „Russki<br />

6 Mit diesem Ausdruck meint Tschernyschewski die vulgäre politische Ökonomie.<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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