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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 5<br />

alle, die ihm jemals als Ratgeber dienten, haben ihn wahrscheinlich auf verschiedene krumme<br />

Pfade gedrängt, die durch Sumpf und meistenteils nach rückwärts statt nach vorwärts führen.<br />

Wir wissen diese beiden Verdienste hoch zu schätzen: sowohl daß Herr Lawrow die Kraft<br />

gefunden hat, sich [70] wesentlich besseren Resultaten durchzudenken als solche Leute wie<br />

ein Fichte der Jüngere und ein Jules Simon sie ihm lieferten, als auch, daß er es verstanden<br />

hat, für seine philosophischen Studien Leitfäden zu finden, die wesentlich besser sind als mittelmäßige<br />

und veraltete Bücher. Aber die Verbindung schöner, von wirklich großen modernen<br />

Denkern entlehnter oder vom eignen Verstand eingegebener Gedanken mit Begriffen, die<br />

entweder durchaus nicht zeitgemäß sind oder nicht zu der Denkweise gehören, deren sich Herr<br />

Lawrow sonst eigentlich bedient, oder schließlich von Denkern stammen, welche ein besonderes,<br />

dem unseren nicht ähnelndes Publikum vor sich hatten, so daß diese Begriffe bei uns wiederholt<br />

eine andere Färbung bekommen – diese Verbindung eigner Vorzüge und fremder<br />

Mängel gibt, wenn wir uns nicht irren, dem System Herrn Lawrows einen eklektischen Charakter,<br />

was bei den Lesern, die mit den Anforderungen des philosophischen Denkens vertraut<br />

sind, einen unbefriedigten Eindruck hinterläßt. In Herrn Lawrows Broschüre finden sich Gedanken,<br />

die miteinander so gut wie unvereinbar sind. Wir wollen ein Beispiel hierfür anführen.<br />

Herr Lawrow ist ein fortschrittlicher Denker, daran kann es keinen Zweifel geben. Es läßt<br />

sich überall erkennen, daß er von dem ehrlichen Willen beseelt ist, seiner Umwelt bei der<br />

Erwerbung moralischer und sozialer Güter behilflich zu sein, die wir bisher entbehren müssen,<br />

weil unsere Ignoranz uns daran hindert, die wahren Ziele unserer Bestrebungen zu erkennen<br />

und die Mittel zu finden, mit denen diese Ziele erreicht werden können. Aber dann<br />

begegnen wir gleich auf der ersten Seite des Büchleins der Wortverbindung „der soziale Despotismus<br />

der Vereinigten Staaten“, wobei diesem Ausdruck zur Bekräftigung folgendes Zitat<br />

aus Mills Buch „On Liberty“ 2 beigefügt ist: „Es wird behauptet, daß in den Vereinigten Staaten<br />

die Stimmung der Mehrheit, der es unangenehm ist, einen über ihre eigenen Möglichkeiten<br />

hinausgehenden, prunkhaften oder kostspieligen Lebensstil vor Augen zu haben, die Rolle<br />

eines ziemlich wirksamen Gesetzes gegen den Luxus spielt, und daß es in vielen Teilen der<br />

Union für Personen mit sehr hohem Einkommen wirklich schwierig ist, ihr Geld in einer<br />

Weise auszugeben die nicht das Miß-[71]fallen des Volkes erregt.“ Mill kann das ruhig sagen:<br />

das englische Publikum weiß, wie diese Worte zu verstehen sind; unser Publikum dagegen<br />

denkt sich Gott weiß was dabei, wenn es sie ohne Kommentare hört. Herr Lawrow führt<br />

dieses Fragment aus Mill an, ohne damit einen wichtigen Zweck zu verfolgen, sondern einfach<br />

nur, um der langen Liste verschiedener politischer oder sozialer Formen, die die<br />

Menschheit im Westen durchgemacht hat oder durchmacht, noch die sechs Worte „der soziale<br />

Despotismus der Vereinigten Staaten“ hinzuzufügen. Aus so einem unwichtigen Grunde,<br />

wie der Absicht, 27 statt 26 Beispiele anzuführen, lohnte es sich nicht, einen Vorgang zu erwähnen,<br />

der nur durch allzu lange Ausführungen verständlich wird. Herr Lawrow hat unnötigerweise<br />

hiervon gesprochen; aber noch schlimmer ist, nach unserer Meinung, daß er unserem<br />

Publikum nicht den Sinn des einmal erwähnten Zustandes erklärt hat. Wir müssen dieses<br />

Versäumnis nachholen. Erstens findet sich das, was bei Herrn Lawrow „sozialer Despotismus“<br />

genannt wird, nicht in den ganzen Vereinigten Staaten, sondern ausschließlich in einem<br />

Teil von ihnen, den sogenannten Staaten von Neuengland, und hauptsächlich in der Stadt<br />

Boston. Zweitens ist dieser, wie wir gesehen haben, durchaus nicht weitverbreitete Zustand<br />

nicht das Resultat besonderer nordamerikanischer Institutionen, wie es dem oberflächlichen<br />

Beobachter erscheinen mag, sondern einfach ein Überbleibsel des Puritanismus, das von Jahr<br />

zu Jahr mehr schwindet: bekanntlich wurden die Staaten von Neuengland von den Puritanern<br />

gegründet, die den Luxus als Sünde betrachteten. Drittens gibt es selbst bei den Nachkommen<br />

2 J. St. Mills Buch „On Liberty“ („Von der Freiheit“) erschien in englischer Sprache im Jahre 1859<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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