Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig
Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig
Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 47<br />
mit Füßen, mit denen sie nicht gehen. Jetzt wird uns auch die Existenz der Vogelmilch verständlich:<br />
die Vögel haben eine Milch, die sie nicht haben; da sie sie haben, existiert sie, da<br />
sie sie aber nicht haben, nimmt der Volksmund mit Recht an, daß sie nirgends zu bekommen<br />
ist. Wer von der Richtigkeit dieser so wohlbegründeten Auffassungen überzeugt ist, der<br />
braucht sich nur noch in der Johannisnacht unter einen Farnbusch zu setzen und findet die<br />
Blume, die unsichtbar macht.<br />
Wir brauchen den Vorgang der Empfindung nur leicht mit der exakten Analyse zu berühren,<br />
und die ganze Phantasmagorie löst sich sofort in Nichts auf. Die Empfindung setzt ihrer Natur<br />
nach unbedingt das Vorhandensein von zwei in einem Gedanken zusammengefaßten Gedankenelementen<br />
voraus: erstens ist hier ein Gegenstand der Außenwelt vorhanden, der die<br />
Empfindung hervorruft, zweitens ein Wesen, welches fühlt, daß eine Empfindung in ihm vor<br />
sich geht; indem es seine Empfindung fühlt, fühlt es einen [152] bestimmten Zustand seiner<br />
selbst; wenn mein aber den Zustand irgendeines Gegenstandes fühlt, dann fühlt man natürlich<br />
auch den Gegenstand selbst. Ein Beispiel: ich fühle Schmerz in der linken Hand; hiermit fühle<br />
ich gleichzeitig auch, daß ich eine linke Hand habe; hiermit gleichzeitig fühle ich, daß ich,<br />
dessen Teil die linke Hand ist, existiere, und fühle aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls,<br />
daß diese Hand mir weh tut; oder fühle ich nicht, daß sie mir weh tut Fühle ich etwa, wenn<br />
ich Schmerzen in der Hand fühle, daß die Hand nicht mir weh tut, sondern irgendeinem Chinesen<br />
in Kanton Ist es nicht lächerlich, sich über derartige Sachen den Kopf zu zerbrechen<br />
und nachzudenken, ob die Sonne die Sonne und die Hand die Hand ist, und was es sonst noch<br />
für weise Probleme gibt<br />
Wodurch unterscheidet sich Rothschild von einem armen Mann Etwa dadurch, daß die<br />
Kleingeldmünze in der Tasche des armen Mannes aus einfachem Silber ist, während die Berge<br />
Silbergeldes, die in den Kellerräumen Rothschilds liegen, aus Selbstsilber geprägt sind,<br />
welches viel wertvoller ist als Silber Wäre Rothschild nicht ein reicher Mann, sondern nur<br />
ehrgeizig, so würde er sich dergleichen Unsinn ausdenken, um seine Überlegenheit über den<br />
armen Mann zu beweisen. Da er jedoch wirklich ein reicher Mann ist, hat er dergleichen alberne<br />
Phantasien nicht nötig und sagt rundheraus zu dem armen Mann: Mein Silber ist genau<br />
das gleiche wie das Ihre; aber Sie besitzen nur ein halbes Lot Silber, während ich viele tausend<br />
Pud besitze, weshalb ich, da ich das Recht auf Achtung mit dem Maß des Reichtums<br />
messe, der Meinung bin, daß ich sehr viel mehr Achtung verdiene als Sie.<br />
Man sagt auch, den Tieren fehlen jene Gefühle, die man erhabene, uneigennützige, ideale<br />
nennt. Muß man erst erklären, daß eine solche Meinung mit allbekannten Tatsachen unvereinbar<br />
ist Die Anhänglichkeit des Hundes ist sprichwörtlich; das Pferd ist derartig ehrgeizig,<br />
daß es, wenn es beim Überholen eines anderen Pferdes in Hitze kommt, nicht mehr Peitsche<br />
und Sporen braucht, sondern nur die Zügel: es ist bereit, sein Letztes herzugeben und so zu<br />
rennen, daß es tot umfällt, wenn es nur den Nebenbuhler überholt. Man [153] sagt uns, den<br />
Tieren sei nur die Blutverwandtschaft bekannt, dagegen wüßten sie nichts von geistiger Verwandtschaft,<br />
die auf dem erhabenen Gefühl der Zuneigung beruht. Aber die Glucke, die ihre<br />
Kücken aus den Eiern einer fremden Henne ausgebrütet hat, ist mit ihnen durch keinerlei<br />
Blutsverwandtschaft verbunden: im Organismus dieser Kücken befindet sich nicht das kleinste<br />
Partikelchen von ihrem Organismus. Und doch sehen wir, wie besorgt die Henne um ihre<br />
Kücken ist, ganz unabhängig davon, ob sie eigene oder fremde Eier ausgebrütet hat. Worauf<br />
beruht nun ihre Besorgtheit um Kücken, die sie aus fremden Eiern ausgebrütet hat Auf der<br />
Tatsache, daß sie sie ausgebrütet hat, auf der Tatsache, daß sie ihnen hilft, zu Hühnern und<br />
Hähnen, zu guten, gesunden Hähnen und Hühnern zu werden. Sie liebt sie als ihr Kindermädchen,<br />
als ihre Gouvernante, Erzieherin und Wohltäterin. Sie liebt die Kücken deshalb,<br />
weil sie einen Teil ihres moralischen Wesens in sie hineingelegt hat – nicht ihres materiellen<br />
Wesens, nein, sie enthalten ja kein Partikelchen von ihrem Blute –‚ nein, sie liebt in ihnen die<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013