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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 45<br />
Resultat erzielt werden könnte. Hierin besteht nicht nur das Nachdenken über Alltagsgegenstände,<br />
sondern auch das sogenannte abstrakte Denken. Nehmen wir zum Beispiel die allerabstrakteste<br />
Sache: die Lösung einer mathematischen Aufgabe. Als Newton sich für die Frage<br />
der Gesetzmäßigkeit der Qualität oder der Kraft interessierte, die im Umlauf der Himmelskörper<br />
zum Ausdruck kommt, war in seinem Gedächtnis eine Unmenge von mathematischen<br />
Formeln und astronomischen Tatsachen angehäuft. Seine Sinne (in erster Linie ein<br />
Sinn – der Gesichtssinn) nahmen aus Lektüre und eigenen Beobachtungen ständig neue Formeln<br />
und astronomische Tatsachen auf; aus der Verbindung dieser neuen Eindrücke mit den<br />
früheren entstanden in seinem Kopf verschiedene Kombinationen, Formeln und Ziffern; seine<br />
Aufmerksamkeit wandte sich denen von [148] ihnen zu, die zu seinem Zweck zu passen und<br />
seinem Bedürfnis zu entsprechen schienen, eine Formel für die gegebene Erscheinung zu<br />
finden; dadurch, daß diesen Kombinationen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde,<br />
d. h. infolge der Energiesteigerung im Nervenprozeß bei ihrem Auftreten, entwickelten sie<br />
sich und wuchsen, bis sie schließlich, einander ablösend und sich verwandelnd, das Resultat<br />
hervorbrachten, auf das der ganze Nervenprozeß gerichtet war, d. h. bis die gesuchte Formel<br />
gefunden war. Diese Erscheinung, d. h. die Konzentration des Nervenprozesses auf Kombinationen<br />
von Empfindungen und Vorstellungen, die seinen Wunsch im gegebenen Augenblick<br />
befriedigen, muß unweigerlich eintreten, sobald Kombinationen von Empfindungen und<br />
Vorstellungen vorhanden sind, anders gesagt, sobald ein Nervenprozeß vorhanden ist, der ja<br />
selbst gerade aus einer Reihe von verschiedenen Empfindungs- und Vorstellungskombinationen<br />
besteht. Jedes Wesen, jede Erscheinung nimmt an Umfang und Stärke zu, sobald Dinge<br />
auftreten, die seine Bedürfnisse befriedigen, es hängt sich an sie an und nährt sich von ihnen,<br />
und hierin besteht ja gerade das, was wir die Auswahl von Vorstellungen und Empfindungen<br />
im Denken genannt haben, darin aber, sie so auszuwählen, sich vorwiegend mit ihnen abzugeben,<br />
besteht das Wesen des Denkens.<br />
Eins versteht sich hier von selbst: wenn wir finden, daß die theoretische Formel, mit Hilfe<br />
deren der Prozeß ausgedrückt wird, der bei der Entdeckung des Gravitationsgesetzes im Nervensystem<br />
Newtons vor sich ging, die gleiche ist wie die Formel für den Prozeß, der sich im<br />
Nervensystem einer Henne abspielt, die sich ein Haferkorn aus einem Haufen Schutt und<br />
Staub herauspickt, so dürfen wir nicht vergessen, daß die Formel lediglich das gleiche Wesen<br />
des Prozesses zum Ausdruck bringt, was durchaus nicht heißt, daß die beiden Prozesse das<br />
gleiche Ausmaß haben, den gleichen Eindruck auf die Menschen hervorbringen oder daß die<br />
beiden Formen, des Prozesses zu dem gleichen äußerlichen Resultat führen können. Wir haben<br />
zum Beispiel im vorhergehenden Aufsatz gesagt, daß Gras und Eiche zwar nach dem<br />
gleichen Gesetz und aus ein und denselben Elementen [149] aufwachsen, daß aber das Gras<br />
keinesfalls dieselbe Wirkung ausüben und die gleichen Resultate liefern kann wie die Eiche:<br />
aus Eiche kann der Mensch sich große Häuser öder Schiffe bauen, während aus Gras sich nur<br />
ein Vögelchen ein Nest machen kann. Oder andere Beispiele: in einem Haufen faulen Holzes<br />
spielt sich der gleiche Prozeß ab wie in der Esse einer riesigen Dampfmaschine; aber der<br />
Haufen faules Holz bringt niemanden aus Moskau nach Petersburg, während die Lokomotive<br />
mit ihrer Esse Tausende von Menschen und zehntausende Pud Frachtgüter transportiert. Die<br />
Fliege fliegt vermöge der gleichen Kraft und nach dem gleichen Gesetz wie der Adler; daraus<br />
folgt jedoch natürlich nicht, daß sie ebenso hoch aufsteigt wie der Adler.<br />
Man sagt, die Tiere könnten nicht überlegen – das ist purer Unsinn. Man erhebt den Stock<br />
gegen einen Hund; der Hund zieht den Schwanz ein und läuft davon. Weshalb Deshalb, weil<br />
sich in seinem Kopf folgender Syllogismus gebildet hat: wenn man mich mit dem Stock<br />
schlägt, tut es mir weh; dieser Mensch will mich mit dem Stock schlagen; so mach’ ich mich<br />
besser davon, damit mir der Stock keine Schmerzempfindung zufügt. Man kann nur lachen,<br />
wenn jemand daraufhin sagt, der Hund liefe in diesem Falle nur aus Instinkt davon, maschi-<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013