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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 38<br />

und Physiologie genannt wird. Das Verhältnis der Physiologie zur Chemie läßt sich mit dem<br />

Verhältnis der Vaterländischen Geschichte zur Weltgeschichte vergleichen. Selbstverständlich<br />

bildet die Russische Geschichte nur einen Teil der Weltgeschichte der Gegenstand dieses<br />

Teils steht uns jedoch besonders nahe, [134] und man hat deshalb so etwas wie eine eigne<br />

Wissenschaft daraus gemacht; in den Lehranstalten wird die Russische Geschichte von der<br />

Weltgeschichte getrennt gelesen, und die Zöglinge erhalten bei den Prüfungen besondere<br />

Zensuren in Russischer Geschichte; man darf jedoch nicht vergessen, daß diese äußerliche<br />

Trennung nur der praktischen Bequemlichkeit dient, nicht aber durch einen theoretischen<br />

Unterschied in der Natur dieses Wissenszweiges von anderen Teilen der gleichen Wissenschaft<br />

begründet ist. Die Russische Geschichte ist nur im Zusammenhang mit der Weltgeschichte<br />

zu verstehen, erklärt sich aus ihr und stellt nur eine Abwandlung der Kräfte und Erscheinungen<br />

dar, von denen die allgemeine Weltgeschichte handelt. So ist auch die Physiologie<br />

nur eine Abwandlung der Chemie, und ihr Gegenstand nur eine Abart der von der Chemie<br />

behandelten Gegenstände. Die Physiologie selbst hat nicht alle ihre Unterabteilungen in voller<br />

Einheit unter einem gemeinsamen Namen zusammenhalten können; einige Seiten des von<br />

ihr erforschten Gegenstandes, das heißt des chemischen Prozesses, der sich im menschlichen<br />

Organismus abspielt, sind von so besonderem Interesse für den Menschen, daß ihre Erforschung,<br />

obwohl sie als Teil zur Physiologie gehört, den Titel eigener Wissenschaften erhalten<br />

hat. Wir wollen eine dieser Seiten nennen: Die Untersuchung der Erscheinungen, die verschiedene<br />

Abweichungen dieses chemischen Prozesses von seinem normalen Verlauf hervorbringen<br />

und begleiten; dieser Teil der Physiologie hat einen besonderen Namen erhalten und<br />

heißt Medizin, die Medizin ihrerseits hat sich in zahlreiche Wissenschaften mit besonderen<br />

Namen gespalten. So hat also ein Zweig, der sich aus der Chemie abgesondert hat, neue<br />

Zweige hervorgebracht, die sich dann wieder in neue Zweige gespalten haben. Dabei handelt<br />

es sich jedoch um eine Erscheinung genau der gleichen Art wie die Teilung einer Stadt in<br />

Stadtviertel und der Stadtviertel in Straßen; das macht man nur aus Gründen der praktischen<br />

Bequemlichkeit, und es darf nicht vergessen werden, daß alle Straßen und Stadtviertel zusammen<br />

ein Ganzes bilden. Wenn wir sagen: Wassili-Insel oder Newski-Prospekt, meinen<br />

wir durchaus nicht, daß die Häuser dieses Viertels und dieser Straße nicht zu Petersburg<br />

[135] gehören. Genau so gehören die medizinischen Vorgänge zum System der physiologischen<br />

Vorgänge und das ganze System der physiologischen Vorgänge gehört in das noch<br />

umfassendere System der chemischen Vorgänge.<br />

Wenn ein zu untersuchender Gegenstand sehr kompliziert ist, empfiehlt es sich, ihn zur besseren<br />

Untersuchung in Teile zu zerlegen; deshalb zerlegt die Physiologie den komplizierten<br />

Prozeß, der sich im lebenden Organismus des Menschen abspielt, in verschiedene Teile; ihre<br />

bedeutendsten sind: Atmung, Ernährung, Blutkreislauf, Bewegung, Sinneswahrnehmung; wie<br />

jeder chemische Prozeß kennt auch dieses System von Erscheinungen Entstehen, Wachsen,<br />

Rückgang und Ende. Deswegen untersucht die Physiologie als gewissermaßen besondere<br />

Prozesse: Atmung, Ernährung, Blutkreislauf, Bewegung, Sinneswahrnehmung usw., Empfängnis<br />

oder Befruchtung, Wachstum, Altern und Tod. Hier muß man sich jedoch sehr wohl<br />

daran erinnern, daß diese verschiedenen Perioden des Prozesses und seine verschiedenen Seiten<br />

nur in der Theorie voneinander getrennt werden, um die theoretische Analyse zu erleichtern,<br />

in Wirklichkeit aber ein untrennbares Ganzes bilden. So zerlegt die Geometrie den Kreis<br />

in Umfang, Radien und Mittelpunkt, aber eigentlich gibt es keinen Radius ohne Mittelpunkt<br />

und Umfang, keinen Mittelpunkt ohne Radius und Umfang, ja selbst keinen Umfang ohne<br />

Radius und Mittelpunkt – diese drei Begriffe, diese drei Teile der geometrischen Erforschung<br />

des Kreises bilden alle zusammen ein Ganzes. Einige Teile der Physiologie sind bereits sehr<br />

gut ausgearbeitet; das gilt zum Beispiel von der Erforschung der Prozesse der Atmung, der<br />

Ernährung, des Blutkreislaufs, der Empfängnis, des Wachstums und des Alterns. Der Prozeß<br />

der Bewegung ist noch nicht so gründlich aufgeklärt, und der Prozeß der Sinneswahrneh-<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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