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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 360<br />

Astronomen mehr, nicht einmal mehr Naturwissenschaftler, sondern einfach Ignoranten, die<br />

philosophisches [720] Kauderwelsch daherreden. Ich habe früher einmal die Geschichte der<br />

Philosophischen Systeme studiert. Die Herren haben sich in ein Gebiet verirrt, in dem ich<br />

Fachmann bin, während sie nicht die geringste Vorstellung davon haben. Daß ich mich viel<br />

mit Philosophie beschäftigt habe, wißt Ihr, meine lieben Freunde. Ihr habt folglich das Recht<br />

anzunehmen, daß meine Urteile über die Philosophiererei dieser Ignoranten der Philosophie<br />

nicht ganz unbegründet sind, auch wenn ich dabei keine ausführlichen Argumente anführe.<br />

Und wenn das zutrifft, so habe ich das Recht, mir die Mühe des Schreibens und Euch die<br />

Langeweile des Lesens der trocknen Überlegung über das Philosophische Gestammel dieser<br />

Herren zu ersparen. Ich erspare mir und Euch diese Arbeit, diese Langeweile.<br />

Mit diesem meinem Beschluß habe ich wahrscheinlich recht. Aber ich habe meine Motive bei<br />

meiner Neigung, Scherz zu machen, scherzhaft dargelegt. Und da ich nicht recht verstehe zu<br />

scherzen, sind meine Scherze ungeschickt ausgefallen. Und das wäre noch nicht einmal wichtig.<br />

Aber etwas anderes macht mir ernsthaft Sorge: meine Scherze sind beleidigend für Euch<br />

ausgefallen, meine lieben Freunde. Das ist mir klargeworden, als ich mich an den Inhalt und<br />

den Ton meiner Scherze erinnerte, aber es ist mir erst klargeworden, als die Post meine Briefe<br />

schon mit weggenommen hatte. Ich war nicht auf den Gedanken gekommen, mir rechtzeitig<br />

darüber klarzuwerden Und es tut mir leid, daß ich nicht rechtzeitig darauf gekommen bin.<br />

Aber was läßt sich tun, wenn das nun einmal so ist. Verzeiht mir, meine lieben Freunde, das<br />

ist meine Schuld Euch gegenüber.<br />

Damit ist die Rekapitulierung des Inhalts unserer früheren Plaudereien beendet, und ich beginne<br />

mit der Fortsetzung.<br />

* * *<br />

Die Masse der Naturwissenschaftler sagt: „Wir kennen die Gegenstände nicht, wie sie an sich<br />

sind, wie sie in Wirklichkeit sind, sondern kennen nur unsere Empfindungen von den Gegenständen<br />

nur unsere Beziehungen zu den Gegen-[721]ständen.“ Das ist Unsinn. Ein Unsinn,<br />

für den es in der Naturwissenschaft nicht die geringste Existenzgrundlage gibt. Ein Unsinn,<br />

der den naiven Naturwissenschaftlern aus den idealistischen Philosophiesystemen angeflogen<br />

ist. Vor allem aus dem System Platos und aus dem System Kants. Bei Plato ist das kein sinnloser<br />

Unsinn; o nein! Es ist ein sehr gescheiter Sophismus. Der Zweck dieses sehr geschickten<br />

Sophismus war, alles Wahre umzustürzen, das nicht nach Platos Geschmack war und –<br />

ich weiß jetzt nicht, erinnere mich nicht mehr deutlich, nehme aber an – auch nicht nach dem<br />

Geschmack des Sokrates, dieses vielgepriesenen Lehmmeisters Platos. Sokrates war ein<br />

Mann, der mit vielen seiner Handlungen bewiesen hat, daß er einen edlen Charakter besaß.<br />

Aber er war ein Feind der wissenschaftlichen Wahrheit. Und aus dieser Feindschaft heraus<br />

lehrte er viel Törichtes. Und erinnert Euch daran, meine Freunde: er war der Lehrer und<br />

Freund des Alkibiades, eines gewissenlosen Intriganten und Feindes seines Vaterlandes. Er<br />

war der Lehrer und Freund des Kritias, mit dem verglichen selbst Alkibiades ein ehrlicher<br />

Sohn seines Vaterlandes war. Plato aber wollte Freundschaft schließen mit Dionys von Syrakus.<br />

Verständlicherweise konnte Menschen mit derartigen Neigungen nicht jede wissenschaftliche<br />

Wahrheit angenehm sein. So viel vom System Platos.<br />

Kant aber hat sein System sogar geradeheraus mit dem Ausspruch kommentiert: alles, was<br />

zur Unerschütterlichkeit der ihm schön erscheinenden Phantasien nötig sei, müsse als wirklich<br />

existent anerkannt werden. Das bedeutet: die Wissenschaft ist eine Kleinigkeit; diese<br />

Kleinigkeit muß man nach seinen eigenen persönlichen Auffassungen davon, was den Leuten,<br />

die uns gefallen, zu träumen beliebt, frei erfinden.<br />

Ist das wissenschaftliches Denken Ist das Wahrheitsliebe<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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