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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 352<br />

In der großen Mehrheit der Menschen jeder solchen Gruppe entwickelt sich mit der Zeit eine<br />

Verachtung für alles, was nicht eine besondere Eigenart dieser Gruppe bildet, für alles, was<br />

nicht zu ihren unterscheidenden Merkmalen von der übrigen Gesellschaft gehört.<br />

Und dabei entwickelt sich auch eine Verachtung für den gewöhnlichen gesunden Menschenverstand;<br />

eine Bevorzugung des eigenen besondern Gescheittuns, des Gescheittuns einer besonderen<br />

Menschengruppe, vor der Vernunft.<br />

Wie weit es zu irgendeiner gegebenen Zeit in einer gegebenen Menschengruppe dieser besonderen<br />

Neigung zur Verachtung der Vernunft gelingt, aus Prahlerei mit der besonderen<br />

eignen Weisheit über die Vernunft Herr zu werden, das hängt von den historischen Umständen<br />

ab; aber [706] diese Neigung ist ständig in einer solchen Gruppe wirksam und strebt<br />

ständig danach, sich jede solche Gruppe gänzlich Unterzuordnen; und sie liegt in jeder dieser<br />

Gruppen der Mehrheit dieser Menschen ständig am Herzen.<br />

Sind meine Erklärungen langatmig Ja. Ich weiß es. Sie sind langatmig. Aber ich will, meine<br />

lieben Freunde, noch eine Bemerkung machen.<br />

Die Kraft des Menschen liegt in der Vernunft. Das ist eine allgemein anerkannte Wahrheit.<br />

Wohin führt dann, wenn das so ist, die Verachtung der Vernunft – Zu Kraftlosigkeit.<br />

Und wenn irgendwelche Fachleute – beispielsweise die Fachleute der gelehrten Kategorie –<br />

die Vernunft um der Prahlerei mit ihrer speziellen tiefen Weisheit willen mißachten, wird<br />

auch ihre spezielle tiefe Weisheit selbst von Kraftlosigkeit betroffen werden Sie werden, wie<br />

man sag,<br />

Zu großen Männern kleiner Taten.<br />

Sie werden vielleicht mit den technischen Griffen ihres Handwerks geschickt zu spielen verstehen.<br />

Aber einen Sinn werden ihre Meisterkunststücke nicht haben.<br />

Solange es um formalistischen Kleinkram geht, werden sie ihr leeres Geschäft geschickt betreiben.<br />

Aber sobald sie an eine ernste, wichtige Sache kommen, wird sich zeigen, daß sie<br />

nichts verstehen und nichts können, sie werden zaghaft, geraten durcheinander, fangen an zu<br />

schwatzen und machen Unsinn. Das kommt daher, daß man zu ernsten Dingen Vernunft oder,<br />

einfacher gesagt, gesunden Verstand braucht.<br />

Meine Ausführungen waren langatmig, meine lieben Freunde. Aber waren sie bei all ihrer<br />

Länge nicht gar zu kurz – Ich weiß nicht. Die Menge Bücher – ich rede von wissenschaftlichen<br />

Büchern –‚ die Ihr lest, ist ganz vollgestopft mit lauter Unfug...<br />

Ich frage mich deshalb: waren meine langen Erklärungen, liebe Freunde für Euch ausreichend<br />

– Ich weiß nicht.<br />

Oder waren sie am Ende überflüssig – Ich weiß nicht. Ich möchte es fast meinen.<br />

[707] Wenden wir jetzt diese Gedanken, deren Darlegung für Euch, ich möchte es meinen,<br />

überflüssig war, auf die Untersuchung der Frage an: inwieweit ist es für mich sicher, daß ich<br />

mich geirrt habe, als ich sagte: „Die Mehrzahl der Astronomen lehnte es hartnäckig ab, die<br />

Laplacesche Hypothese als Wahrheit anzuerkennen, bis sie durch die Spektralanalyse dazu<br />

gezwungen wurde.“<br />

Mich persönlich läßt diese Sache ganz indifferent. Mag wer da will über die Laplacesche<br />

Hypothese gesagt haben, was er will, mir ist das – jetzt bereits dreißig Jahre lang –völlig<br />

gleichgültig gewesen.<br />

Die Laplacesche Hypothese war für mich von meiner frühen Jugend an „Wissen“. Laplace<br />

selbst hätte mit keiner Absage an seine Schlußfolgerungen mein „Wissen“, daß diese Schluß-<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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