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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 351<br />

Gesellschaft hat sich noch nicht der Geistesträgheit entwöhnt, die früher einmal die natürliche<br />

Eigenschaft der Barbaren war, welche die Zivilisation Griechenlands und Roms vernichteten,<br />

jener Trägheit, die [704] heute bei ihren schon längst zu zivilisierten Menschen gewordenen<br />

Nachkommen nur eine törichte Gewohnheit ist.<br />

Es ist nur eine dumme Gewohnheit, die nicht dem Niveau der Geisteskräfte der Menschen<br />

entspricht, die diese Gewohnheit noch haben. Und jedesmal, wenn diese Leute es nur wollen,<br />

können sie ohne die geringste Anstrengung diese üble Gewohnheit abschütteln und werden<br />

dann zu Menschen, die ganz vernünftig über wissenschaftliche Dinge zu urteilen verstehen.<br />

Ja, Sie verstehen es, wenn sie nur wollen; aber das waren jedenfalls in unserem Jahrhundert –<br />

nur kurze Episoden, die anläßlich irgendwelcher besonderer Umstände eintraten.<br />

In der Geschichte der Astronomie gab es eine solche Episode, als die Masse der gebildeten<br />

Gesellschaft in bezug auf die Ergebnisse der Spektralanalyse die Rechte der Vernunft geltend<br />

machte. Die Masse der gebildeten Gesellschaft dachte sich in die Laplacesche Hypothese<br />

hinein und fand: Laplace hat recht. Und die Mehrheit der Astronomen machte sofort die Entdeckung:<br />

„Ja, Laplace hat recht.“<br />

Das war eine Episode von ganz außerordentlichem Charakter.<br />

Bis dahin aber und nachher wieder war der ständige Charakter des Laufes der Dinge ein völlig<br />

anderer:<br />

Die Masse der gebildeten Gesellschaft ist der Meinung, daß sie nicht das Recht habe, über<br />

irgendwelche Dinge der Astronomie zu urteilen. Die Mehrheit der Astronomen findet diese<br />

Meinung der Masse des Publikums sehr passend für ihre Prahlerei und redet dem Publikum<br />

ein, daß es so auch sein muß: die Astronomie ist ganz und gar eine so tiefe Weisheit, daß man<br />

ohne Kenntnis der Funktionentheorie nicht in sie eindringen kann. Alles, alles in der Astronomie<br />

ist Formeln, zwei Meter lange Formeln, in denen griechische Sigmas in Riesenschrift<br />

und Miniaturbuchstäbchen aller Alphabete in zwei, drei und vier Etagen durcheinanderwimmeln;<br />

Formeln, von denen selbst diesen patentierten Spezialisten der Mathematik und dabei<br />

ungewöhnlich klugen Menschen der Kopf raucht. Sie allein sind hier kompetent; dem Publikum<br />

bleibt nichts anderes übrig, als sich ihre, d. h. [705] dieser genialen Weisen, wundersame<br />

Botschaften staunend anzuhören und sie auf gut Wort zu glauben.<br />

Und die Mehrheit des Publikums gibt klein bei: sie hört sich die hochweisen Botschaften voller<br />

Staunen an und nimmt sie als bare Münze hin.<br />

Und das Ergebnis Ich will gar nicht von den vernünftigen Interessen der Masse der Gebildeten<br />

reden – was ist das Ergebnis für die Weisen selber<br />

Wer sich der Kontrolle durch die Gesellschaft entzieht, entzieht sich der Kontrolle durch den<br />

gesunden Gesellschaftsverstand.<br />

Manche Menschen haben persönlich einen so starken gesunden Menschenverstand, daß sie<br />

eine Unterstützung von seiten der Gesellschaft nicht brauchen. Aber solche Menschen sind<br />

selten, sind eine große Ausnahmeerscheinung. Die Masse der Menschen sind Menschen wie<br />

wir alle; von Natur nicht dumm und von Natur nicht ohne Verstand; aber Menschen mit<br />

ziemlichen Schwächen in allen ihren guten Eigenschaften; Menschen, die sich mit all ihrem<br />

Guten nur dann einigermaßen zu halten wissen, wenn sie von der gesellschaftlichen Meinung<br />

gestützt werden.<br />

Und was folgt hieraus unweigerlich<br />

Dasselbe, was überhaupt für jede Gruppe von Menschen gilt, die sich der Kontrolle durch die<br />

gesellschaftliche Meinung entzieht oder zu entziehen bestrebt ist.<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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