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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 349<br />

Ihr versteht meine lieben Freunde: es handelt sich hier bei mir um „Meinungen“ und nicht um<br />

„Wissen“; um Theorien, Vermutungen und nicht um Tatsachen und richtige, notwendige<br />

Schlüsse aus Tatsachen.<br />

Möge Laplace selbst seine Geschichte des Sonnensystems verwerfen: das würde nicht den<br />

geringsten Einfluß auf meine Meinung von ihrer Richtigkeit haben. Daß sie zutrifft, ist für<br />

mich „Wissen“ und nicht „Meinung“.<br />

In den Dingen des „Wissens“ darf niemandes Autorität auch nur die geringste Bedeutung<br />

haben; und sie bedeutet absolut nichts für einen Menschen, der zuverlässiges Wissen, wissenschaftliche<br />

Wahrheit von Meinungen“, von Theorien oder Vermutungen zu unterscheiden<br />

versteht.<br />

Das Einmaleins ist völlig unabhängig von irgend jemandes „Meinung“. Es gibt keinerlei Autorität<br />

weder über ihm noch neben ihm. Alle Autoritäten sind vor ihm wie nichts. Autorität<br />

kann sich nur auf das beziehen, wofür das Einmaleins keine Lösung gibt. Und bei der geringsten<br />

Meinungsverschiedenheit mit ihm bricht jede Autorität zusammen.<br />

Das gleiche gilt für jede andere wissenschaftliche Wahrheit. Zum Beispiel: für nichts, was<br />

sich auf die Newtonsche Formel oder auf Daltons Gesetz von den Äquivalenten oder auf die<br />

Tatsache stützt, daß die Sonne da ist, für nichts, was sich auf diese Wahrheiten stützt, hat<br />

irgendeine Autorität irgendwelche Bedeutung.<br />

Wir werden davon ausführlicher sprechen, wenn die Reihe darankommt,<br />

[701] Jetzt habe ich daran nur erinnert, um meine Einstellung zu den „Meinungen“ der Naturwissenschaftler<br />

klarzumachen. Für mich sind die „Meinungen“ Newtons eine Autorität;<br />

und von den nach Newton Lebenden die „Meinung“ Laplaces. Nur diese beiden. Wenn ich<br />

irgend etwas nicht „weiß“, aber irgendeine „Meinung“ davon habe, würde meine „Meinung“<br />

ins Wanken geraten, falls ich erfahren würde, daß Newton oder Laplace anderer „Meinung“<br />

sind. Und wenn es sich um eine genügend wichtige Frage handelte und ich Gelegenheit dazu<br />

hätte, würde ich meine „Meinung“ einer „wissenschaftlichen Prüfung“ unterziehen, und sie<br />

würde aufhören, „Meinung“ zu sein, und würde zum „Wissen“ werden, oder sie würde in<br />

Gegensatz zu irgendeinem „Wissen“ geraten, und ich würde meine „Meinung“ in diesem<br />

Falle aufgeben. Wenn dagegen der Gegenstand, meiner Meinung nach, für mich nicht die<br />

Mühe einer schwierigen Analyse lohnte, oder wenn ich aus Mangel an Fachwissen nicht imstande<br />

wäre, diese Analyse durchzuführen, würde ich zu folgender Überlegung kommen:<br />

„Meine Meinung scheint mir aus diesem oder aus jenem Grunde richtig; warum Newton<br />

(oder Laplace) anders denkt, weiß ich nicht und kann es nicht herausfinden; wahrscheinlich<br />

hat er aber von der Sache mehr verstanden als ich; ich kann meine Auffassung nicht einfach<br />

fallenlassen; wahrscheinlich ist sie aber fehlerhaft.“ Und ohne imstande zu sein, meine Meinung<br />

ganz aus meinem Denken zu entfernen, würde ich dennoch denken (und natürlich auch<br />

sagen) ‚ daß ich trotz allem vorziehe, der ihr widersprechenden Meinung von Newton (oder<br />

Laplace) zu sein.<br />

Wie Ihr seht, nehme ich einen Grenzfall: meine persönlichen Überlegungen bleiben durchaus<br />

unwiderlegt; die Überlegungen Newtons (oder Laplaces) bleiben mir völlig unbekannt. Und<br />

dennoch zieh’ ich die nicht motivierten Worte Newtons (oder Laplaces) meinen eigenen<br />

Überlegungen vor.<br />

Um so leichter fällt es mir, der Meinung Newtons (oder Laplaces) entschieden den Vorzug<br />

vor meiner eigenen zu geben, wenn ich auch nur den kleinsten Fehler in meinen eigenen<br />

Überlegungen bemerke, oder wenn ich zu erkennen [702] imstande bin, auf welchen Überlegung<br />

die Vermutung (eine „Meinung“ ist eine Vermutung) Newtons (oder Laplaces) beruht.<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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