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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 344 Euer – Vater, aber was noch wichtiger ist als Vater –auch Euer Freund N. T. Ich habe den Briefbogen deswegen beschnitten, damit der ganze Brief in ein einfaches Kuvert geht; und habe nicht aus Mangel an Papier auf einem Fetzchen geschrieben. Denkt nicht, meine Lieben, daß ich kein Papier habe, ich habe ganze Berge von Papier. Und auch Kuverts einen ganzen Haufen. Ich brauche nichts. Ich habe viel von allem. N. T. [692] Meine lieben Freunde Sascha und Mischa. AN A. N. UND M. N. TSCHERNYSCHEWSKI 6. April 1878. Wiljuisk Wir wollen unsere Plauderei über die Weltgeschichte fortsetzen Um den Gedankengang dieser Plauderei klarzumachen wird es gut sein, an den Inhalt der vorhergehenden zu erinnern. * * * Zum Vorwort der Geschichte der Menschheit gehören: Die astronomische Geschichte unseres Planeten; Die geologische Geschichte des Erdballs; Die Entwicklungsgeschichte jener genealogischen Reihe von Lebewesen, der der Mensch angehört. Das ist eine wissenschaftliche Wahrheit, die seit langer Zeit bekannt ist. Die Mehrheit der Naturwissenschaftler hat erst kürzlich geruht, sie als Wahrheit anzuerkennen. Und ich sagte: Die Mehrheit der Naturwissenschaftler hat sich bis in die jüngste Zeit weniger für die wissenschaftliche Wahrheit interessiert, als nötig gewesen wäre. Sie kennt sie auch jetzt noch wenig. Ich muß deshalb häufig mit den Naturwissenschaftlern streiten. Um klarzustellen welche Auffassungen ich selber für wahr halte, habe ich eine Charakteristik der wissenschaftlichen Weltanschauungen von den Gegenständen der Naturwissenschaft gegeben. Die wesentlichen Züge dieser Charakteristik sind die folgenden: Alles was existiert ist Stoff. Unser Wissen von den Eigenschaften des Stoffes ist das Wissen vom Stoff als unverändert existierendem Stoff. Eine Eigenschaft ist dieser unverändert existierende Stoff selbst von einem bestimmten Standpunkt aus betrachtet. Die Kraft ist: – eine Eigenschaft von der Seite ihrer Wirkung aus betrachtet. Die Kraft ist: – also der Stoff selbst. [693] Die Naturgesetze sind: – die Wirkungsweisen der Kräfte. Also: die Naturgesetze sind: – der Stoff selbst. Und ich sagte: kein einziger Naturwissenschaftler, der auch nur etwas Selbstachtung besitzt und nur etwas von den anderen Naturwissenschaftlern geachtet wird, wird zu behaupten wagen, daß er diese Auffassung nicht für wahr hält; jeder wird sagen, daß das seine eigne Auffassung ist. Und ich fügte hinzu: ja, sie werden alle sagen: „So ist es“; aber sehr viele – fast alle – werden, da sie selbst nicht verstehen, was sie gelesen haben, sagen, sie hätten nur eine sehr unge- OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 23.11.2013

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 345 nügende Kenntnis von diesen Auffassungen; und ihre Denkweise entspricht in sehr vielem dieser Auffassung nicht. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen über die Einstellung der Mehrheit der Naturwissenschaftler zur wissenschaftlichen Wahrheit ging ich zur Betrachtung des Inhalts der astronomischen Abteilung im Vorwort der Menschheitsgeschichte über. Die Geschichte unseres Sonnensystems und unseres Planeten im besonderen ist von Laplace klargestellt worden. Diese seine Arbeit besteht aus einer Reihe sehr einfacher, wissenschaftlich völlig unbestrittener Schlüsse aus der Newtonschen Formel, die allen Astronomen als völlig unbezweifelbare Wahrheit gilt, sowie aus einigen allgemein bekannten Tatsachen, deren Richtigkeit kein einziger Astronom leugnet. So wie die Dinge jetzt liegen, lagen sie genau auch zu der Zeit, als Laplace seine Arbeit veröffentlichte; sie sind auch in der ganzen Folgezeit so geblieben: kein einziger Astronom hat die Newtonsche Formel oder irgendeine der allgemein bekannten Tatsachen, auf die sich Laplaces Schlüsse stützen, bezweifelt oder auch nur im geringsten zu bezweifeln für möglich gehalten. Die Dinge sind so einfach und die Richtigkeit der Schlüsse Laplaces ist so offensichtlich, daß alle Menschen, die sie kennenlernten, ernsthaft die Wahrheit liebten und wußten, daß über Dinge, die für jeden gebildeten Menschen verständlich sind, jeder gebildete Mensch auch ein Urteil [694] haben kann und muß, – diese Schlüsse sofort bei ihrer Veröffentlichung als unzweifelhafte Wahrheit anerkannten. Solcher Leute gab es sehr viele. Die Mehrheit der gebildeten Gesellschaft ist jedoch seit jeher durch die Mehrheit der Astronomen dazu erzogen worden, anzunehmen, daß außer den Astronomen niemand eine selbständige Meinung über irgendeine Frage der Astronomie haben kann. Die klügsten Männer unter den Astronomen waren stets bemüht, die Gesellschaft darüber aufzuklären, daß das nicht stimmt. Um richtige Lösungen der astronomischen Probleme zu finden, sagten sie der Gesellschaft, braucht man wirklich Spezialkenntnisse. Wenn jedoch die Lösung gefunden ist, kann sich herausstellen daß sie auf allgemein verständlichen Schlüssen aus allgemeinen Tatsachen beruht. Und für Laplaces Schlüsse über die Geschichte des Sonnensystems trifft das zu. Die Mehrheit der gebildeten Gesellschaft fügte sich jedoch der Autorität der Mehrheit der Astronomen. Und die Mehrheit der Astronomen geruhte der Meinung zu sein, daß die „Laplacesche Hypothese“ – so wurde jene Reihe von Schlüssen genannt – „nur Hypothese“ sei. So sagte man im Laufe von sechzig oder mehr Jahren. Da wurde schließlich das Verfahren entdeckt, die chemische Zusammensetzung der Körper mit Hilfe ihrer Spektren sichtbar zu machen. Dieses Verfahren wurde auf die Spektren der Himmelskörper angewandt. Und jedermann, ob Fachmann oder nicht, konnte sehen: die Planeten unseres Systems und ihre Trabanten, unsere Sonne, andere Sonnen und die Nebelflecke enthalten einige der sogenannt „einfachen chemischen Körper“, die wir von unserem Planeten her kennen. Auch die Mehrzahl der Astronomen gab zu: Laplace hat recht. Dabei sind die mit Hilfe der Spektralanalyse in bezug auf die Zusammensetzung der Himmelskörper entdeckten Tatsachen an sich durchaus noch kein Beweis dafür, daß Laplace recht hat oder nicht. Aus ihnen läßt sich nur erkennen: die chemische Zusammensetzung der OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 23.11.2013

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 345<br />

nügende Kenntnis von diesen Auffassungen; und ihre Denkweise entspricht in sehr vielem<br />

dieser Auffassung nicht.<br />

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen über die Einstellung der Mehrheit der Naturwissenschaftler<br />

zur wissenschaftlichen Wahrheit ging ich zur Betrachtung des Inhalts der astronomischen<br />

Abteilung im Vorwort der Menschheitsgeschichte über.<br />

Die Geschichte unseres Sonnensystems und unseres Planeten im besonderen ist von Laplace<br />

klargestellt worden. Diese seine Arbeit besteht aus einer Reihe sehr einfacher, wissenschaftlich<br />

völlig unbestrittener Schlüsse aus der Newtonschen Formel, die allen Astronomen als<br />

völlig unbezweifelbare Wahrheit gilt, sowie aus einigen allgemein bekannten Tatsachen, deren<br />

Richtigkeit kein einziger Astronom leugnet.<br />

So wie die Dinge jetzt liegen, lagen sie genau auch zu der Zeit, als Laplace seine Arbeit veröffentlichte;<br />

sie sind auch in der ganzen Folgezeit so geblieben: kein einziger Astronom hat<br />

die Newtonsche Formel oder irgendeine der allgemein bekannten Tatsachen, auf die sich Laplaces<br />

Schlüsse stützen, bezweifelt oder auch nur im geringsten zu bezweifeln für möglich<br />

gehalten.<br />

Die Dinge sind so einfach und die Richtigkeit der Schlüsse Laplaces ist so offensichtlich, daß<br />

alle Menschen, die sie kennenlernten, ernsthaft die Wahrheit liebten und wußten, daß über<br />

Dinge, die für jeden gebildeten Menschen verständlich sind, jeder gebildete Mensch auch ein<br />

Urteil [694] haben kann und muß, – diese Schlüsse sofort bei ihrer Veröffentlichung als unzweifelhafte<br />

Wahrheit anerkannten.<br />

Solcher Leute gab es sehr viele.<br />

Die Mehrheit der gebildeten Gesellschaft ist jedoch seit jeher durch die Mehrheit der Astronomen<br />

dazu erzogen worden, anzunehmen, daß außer den Astronomen niemand eine selbständige<br />

Meinung über irgendeine Frage der Astronomie haben kann.<br />

Die klügsten Männer unter den Astronomen waren stets bemüht, die Gesellschaft darüber<br />

aufzuklären, daß das nicht stimmt. Um richtige Lösungen der astronomischen Probleme zu<br />

finden, sagten sie der Gesellschaft, braucht man wirklich Spezialkenntnisse. Wenn jedoch die<br />

Lösung gefunden ist, kann sich herausstellen daß sie auf allgemein verständlichen Schlüssen<br />

aus allgemeinen Tatsachen beruht. Und für Laplaces Schlüsse über die Geschichte des Sonnensystems<br />

trifft das zu.<br />

Die Mehrheit der gebildeten Gesellschaft fügte sich jedoch der Autorität der Mehrheit der<br />

Astronomen. Und die Mehrheit der Astronomen geruhte der Meinung zu sein, daß die „Laplacesche<br />

Hypothese“ – so wurde jene Reihe von Schlüssen genannt – „nur Hypothese“ sei.<br />

So sagte man im Laufe von sechzig oder mehr Jahren.<br />

Da wurde schließlich das Verfahren entdeckt, die chemische Zusammensetzung der Körper<br />

mit Hilfe ihrer Spektren sichtbar zu machen. Dieses Verfahren wurde auf die Spektren der<br />

Himmelskörper angewandt.<br />

Und jedermann, ob Fachmann oder nicht, konnte sehen: die Planeten unseres Systems und<br />

ihre Trabanten, unsere Sonne, andere Sonnen und die Nebelflecke enthalten einige der sogenannt<br />

„einfachen chemischen Körper“, die wir von unserem Planeten her kennen.<br />

Auch die Mehrzahl der Astronomen gab zu: Laplace hat recht.<br />

Dabei sind die mit Hilfe der Spektralanalyse in bezug auf die Zusammensetzung der Himmelskörper<br />

entdeckten Tatsachen an sich durchaus noch kein Beweis dafür, daß Laplace<br />

recht hat oder nicht. Aus ihnen läßt sich nur erkennen: die chemische Zusammensetzung der<br />

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